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Die Kirche, eine ehemalige Klosterkirche, war sehr gross und prunkvoll, innen schmückten sie zahlreiche Wandgemälde, doch mutete sie seltsam still und leer an. Es roch nach Moder im Bereich ihrer Mauern.
Der Pfarrer las eine stille Messe vor einem Seitenaltar, der Sakristan erfüllte das Amt des Ministranten.
Die grosse Kirchentür stand weit auf und liess die Sonne in den Raum hineinfluten; ab und zu kamen Spatzen durch die Öffnung mit lautem Geschirp hereingeflogen und hängten sich an die Gesimse oder Altäre.
Die Winciorek kniete vor dem Altar ganz in ihre Andacht vertieft.
Es war vollkommen still, nur hin und wieder liess sich das Rasseln einer Schelle oder die zittrige Stimme des Ministranten vernehmen, und ab und zu erklang die mächtige Bassstimme des Pfarrers wie ein jäher Ruf, und wieder spann die Stille durch den Raum, begleitet von kaum hörbarem Geflüster der Gebete, von dem leisen Rascheln der gewendeten Seiten des Messbuches und dem gedämpften Widerhall der fernen Stimmen des Dorfes unter den Kirchengewölben.
Gegen das Ende der Messe zerrissen immer häufiger die schweren Seufzer der Winciorek die tiefe Stille und klangen wie ein klagendes Stöhnen durch den Kirchenraum. Sie betete mit heisser Hingabe und legte alles hinein in dieses inbrünstige Gebet: ihren ganzen Glauben, ihre Kraft, ihre Hoffnungen und ihr ganzes Wollen; ihre unaufhaltbar fliessenden Tränen benetzten die kalten Fliesen des Fussbodens, während sie, auf den Knien rutschend, sich dem Kreuz zu nähern versuchte, um Gott um Erbarmen und Gnade anzuflehen.
Während des letzten Schellenzeichens zum Agnus Dei machte das bisher still neben ihr liegende Huhn den Versuch, aufzuflattern und begann trotz den zusammengebundenen Füssen zu flüchten, immer wieder mit dem ganzen Körper gegen die Steinfliesen anschlagend.
Die alte Winciorek griff es alsbald und begab sich nach beendigter Messe in die Sakristei.
»Warten! bin sogleich fertig ...« knurrte sie der Pfarrer mit strenger Stimme an.
Sie stand da und schaute demutsvoll dem Geistlichen zu, der sich bedächtig seiner Messkleidung entledigte.
»Kommt mit mir!«
Durch die leeren, kahlen und verfallenen Gänge wandten sie sich seiner Wohnung zu, der dumpfe Schall ihrer Tritte auf den grünbemoosten alten Steinplatten folgte ihnen nach wie ein ferner Widerhall.
Scharen von Tauben flohen vor ihnen durch die scheibenlosen Fenster, vor denen grüne Tannenzweige nickten.
Der Pfarrer liess ab und zu ein lockendes Pfeifen ertönen, während die Winciorek mit andächtiger Rührung zu den schimmelzerfressenen, undeutlichen Gesichtern der frommen Mönche aufblickte, die überall an den Wänden sichtbar waren, die Reste der Wandmalerei zwischen den Rippen der Gewölbe anstarrte und darüber nachsann, was sie dem Pfarrer sagen wollte.
– Mau kann es doch sagen ... weil es der Priester ist ... ich sag's ihm, wie auf der Beichte, dann gibt er den Jaschek nicht an ... Und es drängte sie dermassen, ihre Sorgen sogleich vor ihm auszubreiten, dass sie sich schon vorbeugte, um ihn am Ärmel zu fassen und seinen Ellbogen zu küssen, aber der Pfarrer hatte ihre Bewegung nicht bemerkt, schritt rasch aus und lockte immer wieder seine Tauben, die allmählich hinter ihm herzuflattern anfingen und sich auf sein Haupt und seine Schultern niederliessen.
– Mein Gott! Und zu Hause liegt der Jaschek im Sterben! – jammerte ihre Seele auf.
»Was fehlt Euch? nun rasch damit,« rief er, die Tür zu seiner Wohnung aufreissend, es war die ehemalige Priorzelle. Die ganz mit Malereien bedeckten Wände gaben ihr das Aussehen einer Kapelle.
Der Pfarrer setzte sich zum Frühstück nieder und hörte zu.
Die Alte erzählte verworren, unterbrach sich oft, um seine Füsse zu umfassen, seinen Ellbogen zu küssen, frischen Atem zu schöpfen und den Faden der Erzählung nicht zu verlieren.
»...Wie auf der heiligen Beichte red' ich ... die reine Wahrheit... er hat sie nach der Scheune schleppen wollen ... Zur Unzucht wollte er sie zwingen ... und sie war doch schon nach der Verlobung mit dem Jaschek ... der Junge hat ihm gesagt: lass los ... und der – ihm noch mit dem Stock eins über den Kopf... So bekam der Junge die Heugabel zu fassen ... von selbst ist sie dem anderen zwischen die Rippen gefahren ... was sollte er tun ...«
Das Weinen liess ihren ganzen Körper erbeben, so dass sie sich gegen die Tür anlehnen musste, dann begann sie aber fest und hart zu reden: »Eine Frau bin ich, aber dasselbe hätte ich auch getan ...' Drei Jahre Zuchthaus! ... das haben sie nur aus lauter Bosheit getan, ... denn schuldig war er nicht! ... Und Zeugen hat er beigebracht, dass der Junge ihn totmachen wollte ... seine Wahrheit war obenauf... so 'n Lump ... so `n Schreiber ... so `n Räuber und Mädchenschänder ... die reine Gottesschande! ... Und der Junge sitzt dafür im Zuchthaus!... Jesus! . Jesus! ... diese Schande ... diese Schande ... und sein Vater ist doch nicht der erste beste gewesen ... man hat ihn gekannt, dass er ein ehrlicher Mensch war, und der Grossvater ist sogar in Frankreich gewesen ... und jetzt wird der Junge wie ein Räuber und Dieb angesehen ...«
»Was wollt Ihr denn?« fragte er mit weicher Stimme.
»Er ist bei mir im Haus, und so furchtbar krank ... liegt schon fast im Sterben ... Niemand weiss es, dass er bei mir ist, ich bewahre ihn so gut ich kann vor allem ... Wie bei der heiligen Beichte red' ich das ... geistlicher Vater ...«
»Schon gut, schon gut. Habt keine Angst ...« er sann einen Augenblick nach. »Gleich werde ich zu Euch hinkommen, geht voraus, niemand erfährt etwas davon ... Na, vorwärts, und das Huhn gleich wieder mitnehmen ... so eine Dumme! ...«
Die Winciorek rannte eiligst nach Hause und ehe sie einigermassen die Stube in Ordnung gebracht hatte. war auch der Priester schon erschienen.
Sie liess ihn in die Schlafkammer hinein und blieb selbst eine Stunde vor den Heiligenbildern in der ersten Stube knien, bis er vom Kranken wieder herauskam.
Er war sehr gerührt.
»Habt keine Angst, der Junge wird gesund werden ... Er muss nur jetzt Arznei haben ...«
»Woher aber und was für welche? Vielleicht könnten der geistliche Vater an die Apotheke schreiben?«
»Naja, schön, ich will gleich in die Stadt fahren; kommt mittags zu mir, dann ist schon alles da.«
Die Winciorek zitterte vor dankbarer Erregung und wollte seine Füsse küssen, doch er schob sie beiseite.
» Mache Sie keine Dummheiten! Dem Herrn Jesus seine heiligen Füsse kann Sie küssen und ihm dankbar sein! ...«
» Als ob ich den Lenz im Herzen hätte!...« flüsterte sie der Tekla zu, nachdem der Pfarrer gegangen war.
Nach so vielen Tagen qualvoller Trübe begann endlich im Hause der Winciorek neues Hoffen zu tagen.