Robert Eduard Prutz
Gedichte - Neue Sammlung
Robert Eduard Prutz

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Ludwig Uhland.

Juni 1842.

                  Hatte jüngst, in schwülen Tagen,
    in mein Stübchen mich verschlossen,
Saß und las, und merkte nimmer,
    wie die Stunden rasch verflossen:
Denn ich las in Uhlands Liedern!
    und ein wonniglicher Duft,
Süß und mild, wie Waldesrauschen,
    kühlte fächelnd mir die Luft.

Horch, da läutet es am Thore!
    horch, da lärmt es auf den Stiegen!
Rasche Tritte hör' ich poltern,
    Thüren klappen, Thüren fliegen,
Und mit lautem Jubelrufe,
    eine Zeitung in der Hand,
Kommt der Freund, der viel erfahrne,
    in mein Kämmerchen gerannt.

»Gute Botschaft! frohe Zeitung!
    Ja, noch fällt der Blick der Musen,
Sanft erwärmend, Ehrfurcht weckend
    auch in königliche Busen!« –
Freund, was hast Du? – »Hier die Zeitung:
    auch das Wissen, auch die Kunst
Schmückt fortan vor allem Volke
    eines großen Königs Gunst.

Nicht bloß die seit Anno fünfzehn
    nur Rekruten exerciren,
Nicht bloß Kammerherrn und Junker
    wird man künftig dekoriren;
Nicht bloß wer ein halb Jahrhundert
    sich geschmiegt und sich gebückt,
Wird mit einer vierten Klasse
    auf dem Sterbebett entzückt:

Nein, o nein, für ebenbürtig
    gelten künftig auch die Geister,
Auch die Künstler sind geadelt,
    auch die Wissenden, die Meister!
Ehrte sonst den Mann der Orden,
    ehrt den Orden nun der Mann,
Und der Tag der Medicäer,
    auch für Deutschland bricht er an.« –

Ist das Alles? nur ein Orden?
    Guter Freund, Du machst mich lachen!
Große Zeit bringt große Männer,
    doch kein Orden kann sie machen;
Wen zum Ritterdienst des Geistes
    die Geschichte selbst geweiht,
Fragt auch der nach eines Königs
    goldverbrämtem Ordenskleid?

Doch es sei, ich will es loben:
    denn – was kann ein König geben?!
Wein herbei! und mit dem König
    lassen wir die Ritter leben!
Aber dreimal hoch vor Allen,
    dreimal lebe der Poet,
Der auch mit dem Stern des Königs
    ewig doch beim Volke steht! –

Und der Freund horcht auf verwundert:
    »Sprich wen meinst Du?« – Kannst Du fragen?
Siehst Du nicht in meinen Händen
    Uhlands Lieder aufgeschlagen?
Wer verdient es, wem gebührt es,
    daß ihn auch ein König ehrt,
Wer vor Allen, als der Eine,
    wer ist Stern und Orden werth?

Der in allertrübsten Tagen,
    in den Tagen unsrer Schande,
Dennoch seine Lieder weihte
    dem geliebten Vaterlande?
Der aus eingestürzten Hallen,
    aus der Vorzeit dunklem Schacht
Gold der Liebe, Gold der Treue
    glänzend an das Licht gebracht?

Daß aus frischbelaubtem Stamme
    alte Zeiten neu erblühten,
Daß für Vaterland und Freiheit
    alle Herzen neu erglühten?
Daß der Wiederhall erwachte
    in dem deutschen Dichterwald,
Daß Gesang aus tausend Kehlen
    rings von allen Zweigen schallt? –

Aber in der Zeitung lange
    blätterte der Freund betreten:
»Freilich, freilich – laß mich sehen!
    wart, hier kommen die Poeten,
Tieck, der Urahn der Romantik,
    und der deutsche Mandarin,
Rückert, den zwar nicht die Reime,
    aber längst die Musen fliehn.« –

Aber Uhland? – »Nur geduldig:
    hier ist Lißt, der Tastenschläger.
Metternich, der – Staatsminister,
    Enke, der Kometenjäger –«
Aber Uhland? – »Volle Dreißig!
    oder hätt' ich mich verzählt? –«
Aber Uhland? – »Sei zufrieden!« –
    Ludwig Uhland? – »Uhland fehlt.« – –

Den die Könige nicht mögen,
    der den Fürsten nicht behagte,
Weil er in der Zeit der Knechtschaft
    dennoch frei zu dichten wagte:
Ludwig Uhland, deutscher Dichter,
    Vaterlandes Schmuck und Zier,
Einen Orden, einen andern,
    geben Deutschlands Bürger Dir.

Geben brennend Roth der Liebe,
    geben sanftes Blau der Treue,
Daß Dein Haupt, das silberweiße,
    grünen Kranzes sich erfreue!
Geben bürgerliche Wahrheit
    für gekrönten Fastnachtscherz:
Dreißig Männern dreißig Orden,
    aber Uhland unser Herz! –

Lebe – sonder Kreuz und Sternchen!
    Wohl den Stern kannst Du entbehren,
Den wir selber als ein Sternbild,
    als ein leuchtendes, verehren:
Du, an dessen greiser Locke
    zärtlich jedes Auge hängt,
Den an Deutschlands fernster Küste
    gastlich jedes Haus empfängt! –

Zwar wir wolln es nicht verhehlen:
    Andres wollen andre Zeiten,
Und so lehnst Du, stummen Mundes,
    schweigend über Deinen Saiten.
Aber dennoch, weh dem Finger,
    der nach Deinem Kranze greift,
Weh der Hand, der übermüth'gen,
    die an Deinen Lorbeer streift! –

Du indeß, o deutsche Jugend,
    die Du brennest vor Verlangen,
Auch einmal aus Königs Händen
    Stern und Orden zu empfangen:
Lern', o Jugend, lern' bei Zeiten,
    was den Königen gefällt,
Welch' Talent und welche Tugend
    stets bei Hof den Preis erhält!

Bist Du (was der Herr verhüte!)
    ein Poet, so sei's für Damen:
Schreib' Novellen für den Theetisch,
    schreib' Ghaselen und Makhamen,
Schreibe, schreibe unablässig,
    jede Messe einen Band –
Aber nichts von Recht und Freiheit,
    aber nichts vom Vaterland!

Dann vielleicht nach fünfzig Jahren,
    Wird man gnädig Dich bedenken
Und – zwar nicht den Orden selber,
    doch die Anwartschaft Dir schenken;
Ja vielleicht, wenn Du gescheidt bist,
    hängt ein Titel auch daran
Und der Tag der Medicäer
    bricht dem neuen Hofrath an!

 


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