Robert Eduard Prutz
Gedichte - Neue Sammlung
Robert Eduard Prutz

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»Wär' ich im Bann von Mekka's Toren.«

I.
        Eins beklag' ich, Eins bedaur' ich,
        Eines ist für mich verloren:
Dieses nämlich, daß ich leider
        nicht als Türke bin geboren,
Denn vor allem Volk der Erde
        sind die Türken hoch zu preisen,
Sie allein die wahren Menschen,
        die Zufriedenen, die Weisen.

Hol' der Teufel unsre Bildung!
        Sagt, was bringt es mir für Ehre,
Daß ich mühsam mich in Sorgen
        um mein Vaterland verzehre?
Daß die Schmerzen des Jahrhunderts
        mir in meine Seele schneiden,
Und daß mein Glück mir vergellt ist,
        weil ich weiß, daß Andre leiden?

Seid Ihr etwa darum weiser,
        weil Ihr Euch mit Weisheit brüstet?
Sind wir etwa darum freier,
        weil nach Freiheit uns gelüstet?
Nein, wir sind sogar noch schlechter,
        dieses dünkt mich unbestritten:
Denn am Fleisch zwar sind die Türken,
        doch am Geist sind wir beschnitten. –

Wohl, wenn ich ein Türke wäre,
        dann die Hände auf dem Bauche,
Süße Knasterwölkchen saugt' ich
        aus dem ambraduft'gen Schlauche;
Neben mir, mit nackten Hüften,
        eine Sklavin schürt' die Kohlen,
Und die andre, die Tscherkessin,
        kraute dienstbar mir die Sohlen.

Sanft, mit ausgesprühten Perlen
        sollt ein Springquell mich erfrischen,
Und in sein melodisch Plätschern
        flötend sich die Bulbul mischen:
Während ich, in Gottes Frieden,
        eingemachte Feigen nasche,
Oder unter meinem Kaftan
        küßt' ich die verbotne Flasche.

Sollt' es aber hin und wieder
        mir an Unterhaltung fehlen,
Schlummert' ich, und ließ zum Schlummer
        lust'ge Märchen mir erzählen,
Oder einen Christen rief ich,
        in das Antlitz ihm zu spucken,
Und nicht mit den Augenwimpern
        dürfte der Giaur mir zucken! –

Kriegt' ich selber auch mitunter
        ein klein wenig Bastonnade,
Nun, was wär' es, recht besehen,
        für ein übermäß'ger Schade?
Hab' ich Sklaven nicht und Weiber,
        die an ihren zarten Füßen
Jeden Streich, den ich empfangen,
        hundertfach und drüber büßen?

Und so flössen, klar und eben,
        unermüdlich meine Tage,
Ohne Wunsch und ohne Sorgen,
        ohne Leidenschaft und Klage.
Denn was immer, Gut' und Böses,
        mir vom Himmel wird beschieden,
Weiß ich doch: Allah il Allah!
        und so trag' ich es im Frieden.

Stirbt mein Weib, kauf ich ein andres,
        das noch süßer weiß zu lachen;
Stirbt mein Sohn, wohlan, so werd' ich
        flugs mir einen neuen machen;
Und nun gar die tollen Worte,
        welche Euch den Frieden stören:
Vaterland und Recht und Freiheit,
        diese werd' ich gar nicht hören.

 
II.
Sitz ich dann vor meinem Hause,
        munter, wie ein Vollmond glänzend,
Neben mir ein holdes Mädchen,
        meinen Scherbet mir kredenzend.
Nun, wenn Allah so gewollt hat,
        kann es wohl einmal geschehen,
Daß der Sultan, Sohn der Sonne,
        wird an mir vorübergehen.

Hurtig vor dem Herrn der Erde
        in den Staub werd' ich mich bücken,
Seines Fußes heil'ge Spuren
        werd' ich küssen voll Entzücken:
Dann vielleicht auf meinem Schmerbauch,
        auf den Wangen ohne Runzeln
Läßt er dann sein Auge ruhen
        und er spricht zu mir mit Schmunzeln:

»Wie so glatt sind deine Wangen!
        und dein Bauch, was der so rund ist!
Daraus seh' ich, Knecht der Knechte,
        daß dein Beutel sehr gesund ist.
Also gleich von Allem sollst du
        mir die Hälfte wiedergeben!
Schenken werd' ich dir die andre
        und zum Vezir dich erheben.«

Also wird der Sultan sprechen:
        und mit gnädigem Behagen
(Wenn dies nicht zu viel ist) gibt er
        einen Tritt mir auf den Magen.
Selig werd' ich mich erheben,
        meine Schätze flink zu theilen,
Und als Vezir an die Stufen
        seines Thrones werd' ich eilen.

Fragt Ihr nun, wie ich es fürder
        als Minister werde treiben?
Nun, versteht sich: als Minister!
        Alles wird beim Alten bleiben.
Nur die Steuern werden steigen,
        nur die Galgen sich vermehren,
Um Verweichlichung und Luxus
        von den Bürgern abzuwehren.

Tag für Tag, mit ernster Miene,
        in dem Divan werd' ich sitzen,
Alle, die mein Antlitz schauen,
        sollen vor Bewundrung schwitzen.
Sollten mal Parteien kommen,
        wo ich nicht weiß zu entscheiden:
Hundert Prügel dann dictir' ich
        salomonisch allen beiden. –

Käme dann vor meine Stufen
        ein europamüder Dichter,
So ein Dingelstadt und Herwegh
        oder ähnliches Gelichter,
Die mit ihren frechen Liedern,
        Freiheitjubel, Freiheitschmerzen,
Wahre Drachenzähne streuen
        in der Bürger treue Herzen:

Nun, nicht wahr? Ihr meint, ich ließe
        ohne Weiteres sie säcken?
Weit gefehlt! in meinen Harem
        ließ ich diese Bursche stecken,
Zu der allerschönsten Sklavin
        mit den schwärzsten Augensternen –
Und ich wette drauf, sie würden
        ihre Poesie verlernen!

Aber will auch das nicht helfen,
        wider menschliches Vermuthen,
Sei's darum! in Gottes Namen
        singen ließ' ich dann die Guten.
Bin ich doch kein deutscher König!
        und so will ichs ihnen gönnen,
Da ich weiß, daß meinen Türken
        sie ja doch nicht schaden können.

Übrigens um die Regierung
        würd' ich mich nur wenig grämen:
Wenn kein Geld im Schatze wäre,
        würd' ich borgen oder nehmen.
Und wenn etwa der Egypter
        unsre Truppen sollte schlagen –
Gott ist groß! Er wird die Feinde,
        wenn es Zeit ist, schon verjagen.

Zwar der Sultan wird mir zürnen
        und dann wird das Schauspiel enden.
Eine Schnur, recht eine hübsche,
        seidne Schnur wird er mir senden
(Dieses auch ist ein Verfahren,
        das man auch Europas Kronen
Ernst und dringend soll empfehlen:
        denn es spart die Pensionen).

Doch mit der gewohnten Demuth
        seinen Willen würd' ich ehren,
Ließ den Bart noch einmal salben,
        einmal noch den Schopf mir scheeren,
Dann die allerliebste Schlinge
        um die fette Kehle knüpft' ich –
Ein Moment! und ohne Weitres
        in den Garten Gottes schlüpft' ich.

Ha, was dort für eine Pracht ist!
        was für Essen, was für Trinken!
Die uns der Prophet verheißen,
        süße Huri's seh' ich winken –
O verdammt, daß ich als Deutscher,
        nicht als Türke bin geboren:
Denn so geht zusammt der Erde
        auch der Himmel mir verloren.

 


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