Robert Eduard Prutz
Gedichte - Neue Sammlung
Robert Eduard Prutz

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An Dingelstadt.

Frankfurt a/M.
Den siebenten September 1842.

        Was hör' ich? was? Nein, nein! ich kann's nicht glauben!
Konstantinopel heißt das Ziel der Fahrt?
Ins Land des Opiums aus dem Land der Trauben?
Ein schlechter Tausch, bei des Propheten Bart!
Bist Du so satt den aufgestutzten Plunder,
Den man die Blüthe von Europa nennt,
Und sehnt Dein Herz sich nach dem Land der Wunder,
Dem palmenreichen Orient?

Willst Du Dich auch im Bug des Hengstes wiegen?
Singst Du nun auch: Wär' ich in Mekka's Bann?
Willst Betel kaun und auf dem Teppich liegen,
Kreuzweis die Beine, wie ein Muselmann?
Dein Deutschland, wie? Warum verläßt Du wieder
Den theuren Boden, welcher Dich genährt,
Verläßt Dein Volk, das ungern Deine Lieder
Und ungern Deinen Arm entbehrt?

Was willst Du dort? Willst in die Zeitung schreiben,
Was unanstößig ist vor der Censur?
Und daß die Türken es nicht besser treiben,
Als wir bei uns im Lande der Kultur?
Willst Du uns melden, wen des Sultans Gnade
Mit einem neuen Ehrenpelz bedeckt,
Und wie viel Weiber, links, beim Kaiserbade,
Man jüngst im Bosporus gesäckt?

Nachtwächter, was? der durch die todten Gassen
Mit lautem Klang, allmächtig, mahnend blies?
Wir sind erwacht – jetzt willst Du uns verlassen,
Da kaum sich erst die Morgenröthe wies?
Du Feuerkopf! Du »mit den Fortschrittsbeinen,«
Was willst Du dort an jener Küste Rand?
Nie siehst Du dort, nie dort die Sonne scheinen,
Zum Spott nur heißt's das Morgenland! –

Und doch! und doch! – Ja schüttle nur die Locken,
Durch die der Hauch der Zukunft munter weht,
Und sieh mich an, verwundert und erschrocken,
Weil Dein unschuldig Herz mich nicht versteht:
Du bleibst uns doch! Du bist für uns geboren!
Und gingst Du auch zehntausend Meilen weit,
Du gingst uns dennoch, dennoch nicht verloren:
Du bist ein Sohn der neuen Zeit!

Kann denn ein Sohn auch von der Mutter lassen,
Die ihn mit Schmerz, und lächelnd doch, gebar?
Vermag er je den heil'gen Schooß zu hassen,
Der seines Daseins erste Wiege war?
So haben wir im Schooß der Zeit gelegen,
So lenkt sie uns den jugendlichen Schritt,
So gab sie uns, als besten Muttersegen,
Sie gab uns unsre Lieder mit.

Auch Dir! auch Dir! – So laß die Jugend brausen!
Den Becher leere, büße Deine Lust,
Im Fluge laß die Welt vorübersausen
Und presse fest das Leben an die Brust!
Wo Du auch bist, mit Dir sind Deine Lieder!
Sie schirmten Dich in London und Paris,
Sie bringen Dich an unsern Busen wieder,
Und wär' es aus dem Paradies! –

Glück auf die Fahrt! Genieße, forsche, lerne,
Ein wechselnd Schicksal schmiede Dich zum Mann,
Und kehrst Du heim, o zeigt ihm dann, Ihr Sterne,
Zeigt ihm die Stätte, wo er siedeln kann!
Gönnt eine Heimath, einen Ort ihm wieder,
Wo auch der Ernst des Lebens sich ihm naht,
Und prächtig aus der goldnen Saat der Lieder
Entfalte sich die Frucht der That! –

 


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