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Nach der ersten Sommerwärme zog die wohlhabende Gesellschaft Kopenhagens aufs Land. Die Stadt entfaltete sich in der Sonne wie eine blühende Schlingpflanze, schoß Ranken an allen Eisenbahnlinien entlang und setzte Knospen an jeder Station an. Gleich Elfen in flatterndem Spinnenwebflor schwebten die tonangebenden jungen Damen auf Rädern durch den Wald, gefolgt von ihren Kavalieren, oder sie setzten den Flirt des Winters in Badeanzug und Wachstuchmütze am Seestrand fort. Orthodoxe Sonnenanbeter und Meeranbeter lagerten sich in paradiesischer Nacktheit am Strande unter dem moralischen Schutz irgendeines »Systems«, und auf einer Landzunge am Issefjord hatten die Heiligen der letzten Tage, die sogenannten »Krabbler«, sich niedergelassen. Sie waren Anhänger eines kürzlich erstandenen Gesundheitspropheten, der die Ursache allen Kummers und Elends des Lebens in dem aufrechten Gang des Menschen erblickte. Um das Paradies zurückzugewinnen, müsse man sich wieder auf allen vieren bewegen, jedenfalls einige Stunden des Tages. Die innern Organe erhielten in dieser Stellung ihre natürliche Lage, der Blutumlauf werde befreit, und das Ergebnis sei ein ungeahntes Wohlsein. Da namentlich die überfetten, von ihrem Körper beschwerten Personen sich von dieser neuen Lehre angezogen fühlten, war es eine Volksbelustigung geworden, zu den Zeiten des Tages, wo die Gemeinde in ihren braunen Sackgewändern gleich einer Schar Riesenkröten an der Erde herumkrabbelte, nach der Landzunge hinauszuwallfahrten.
Auch Karsten und Jytte zogen Mitte Juni aufs Land.
Das Ergebnis des Wettbewerbes über das Enslev-Bild war kurz zuvor veröffentlicht worden und hatte Anlaß zu einem mächtigen Aufruhr in der Presse gegeben. Wie gewöhnlich hatte Karl May das Feuer angefacht. Er hatte den Einfall gehabt, den großen polnischen Führer als vierzehnjährigen Jungen vom Lande darzustellen, der in armseligem Konfirmationsanzug, mit einem Kleiderbündel und einem Stock, auf der Wanderung von der Heimat in die Welt hinaus begriffen ist, deren Eroberer er werden sollte. Die Figur war in sitzender Stellung, auf einem Grabenrande an einem einsamen Heidewege angebracht, und mit brutaler Wirkung war der verkrüppelte Fuß in den Vordergrund des Bildes hinausgestreckt. Aber der Ausdruck in dem bleichen Antlitz des schwächlichen Knaben, die brennende Unruhe des Blickes, gleichsam eine Widerspiegelung des Sturmhimmels über der öden Landschaft, waren genial erfaßt und versöhnten mit dem Frechen und Unsaubern in der Ausführung.
Auf Grund von Karl Mays Mitarbeiterschaft am »Werkeltag« hatte das Zensurkomitee ihn indessen von vornherein außer Betracht gelassen. In der beschlußnehmenden Versammlung handelte es sich um die Wahl zwischen Karsten Froms Folkethings-Interieur mit seinem virtuosenmäßig behandelten Raum und vielen flott eingesetzten Porträts, und dann dem tüchtigen, aber konventionell aufgefaßten Bilde eines älteren, angesehenen Künstlers, das Enslev als Ministerpräsident darstellte. Der Ausfall der Abstimmung wurde eine entschiedene Mehrheit für Karstens Bild, für das man sich in Reichstagskreisen stark interessiert hatte, wegen des Schimmers von Idealität, den er über die Züge der porträtierten Herren zu legen verstanden hatte. Selbst Gjärup hatte einen engelhaften Blick hinter der Brille erhalten. Im »Fünften Juni« hatte außerdem der dicke Möller seine Pflicht getan und die Stimmung zugunsten des Bildes bearbeitet. Er, Karl Mays ehemaliger Freund und Bewunderer, hatte täglich mit der Schläfrigkeit der Impotenz kleine giftige Bemerkungen über ihn ausgespritzt und bei einer besonderen Gelegenheit mit wirkungsvoller Wut Rache genommen, weil Karl May im Frühling, als Jörgen Berg in eine Nervenklinik kam, ihm Frau Maja vor der Nase weggeschnappt hatte.
Jyttes Menschenverachtung erhielt in diesen Tagen in einer Weise Nahrung, die ihre ganze Trübseligkeit wachrief. Gleich als die Blätter die Mitteilung von dem Ausfall gebracht hatten, strömten Glückwünsche und Blumen bei ihnen ins Haus, sogar von Menschen, von denen sie wußte, daß sie Karsten im geheimen entgegengearbeitet hatten. Alle Blätter des Landes brachten sein Bildnis mit einer ausführlichen Lebensbeschreibung, und Leute aus ihrer Bekanntschaft, die sie seit ihrer Ehe kaum hatten grüßen wollen, kamen quer über die Straße, um sie mit Komplimenten zu überschütten, und dieser Chor von Gratulanten, diese untertänige Bewunderung des Erfolges machten sie beschämt.
Am meisten aber war sie fast über Karsten selbst erstaunt. Obwohl niemand besser als er Bescheid wußte, wie der Sieg errungen war, stieg ihm all dieser Weihrauch zu Kopf. Sogar die bezahlten Lobpreisungen des dicken Möller waren ihm ein Genuß, als seien sie das Urteil eines höchsten Gerichts. Sie mußte in diesen Tagen oft an ihren alten Freund Professor Ole Knudsen denken. Sein sarkastisches Wort von dem journalistischen Eselsregiment, unter dem die Welt seufzte, und das die Bevölkerung ärger terrorisierte als die Despoten der Vergangenheit, erhielt hier von neuem eine Bestätigung.
Aber jetzt war ihr auch der Anblick der Menschen ganz unerträglich geworden. Am allerliebsten wäre sie in irgendeinen fernen Winkel geflohen, um dort das große Ereignis abzuwarten, das bevorstand. Aber infolge von Karstens Arbeit und gleichzeitig aus Rücksicht auf ihre Mutter, die immer kränkelte, mußten sie in der Nähe von Kopenhagen bleiben.
Einen guten Teil ihrer Reizbarkeit schrieb sie übrigens ihrem Zustand zu. Aber was war das auch für eine wahnsinnige Weltordnung, die die Frauen Eindrücken gegenüber so wehrlos machte, gerade zu einem Zeitpunkt, wo ihr Gemüt gegen die Sturmstöße der Stimmungen geschützt sein und in stiller Erwartung ruhen sollte? Konnte man sich darüber wundern, daß die Menschen mit allerlei Unglückskeimen in sich geboren wurden, wenn die Schwangerschaft die Mütter krankhaften Gefühlen und abnormen Gelüsten preisgab, die die Seele mit Ekel erfüllten?
Sie hatten das Wohnhaus auf einem kleinen Bauerngehöft gemietet, das auf offenem Felde nördlich vom Furesee lag, nicht weiter von der Bahnstation entfernt, als daß sie leicht zur Stadt kommen konnten. Da waren nur drei kleine Stuben, aber es gehörte ein guter Garten zum Hause mit einer hohen Hecke nach der Landstraße hinaus.
Regelmäßig jeden zweiten Nachmittag fuhr sie zur Stadt, um sich nach ihrer Mutter umzusehen, die trotz ihrer Schwäche in diesem Sommer nicht aufs Land wollte, weil sie nicht mehr nach Storeholt kommen konnte. Hinterher pflegte sie zu ihrem Mann ins Atelier zu gehen, von wo sie zusammen nach Hause fuhren.
Schon seit längerer Zeit hatte sie mit Unruhe und Spannung auf das erste Lebenszeichen ihres Kindes gewartet, und jetzt eines Vormittags, als sie im Garten saß, stutzte sie infolge eines eigentümlich leisen, weichen Gefühls in der linken Seite. Von dem Augenblick an, als es ihr klar wurde, daß dies das Kind war, das sich in seinem Ewigkeitsschlaf regte, wurde ihr Verhältnis zu ihm ein anderes. Was bisher mehr ihre Gedanken als ihre Gefühle in Bewegung gesetzt hatte, wurde erst jetzt in all seiner Unfaßlichkeit zu einer wahren Wirklichkeit für sie. Sie hatte ein Kind! Tief in ihrem Schoß schlief ein unschuldiges kleines Wesen, das jetzt zum Leben erwachte und schon nach ihrer Zärtlichkeit verlangte.
Eines Tages überraschte sie ein Brief ihres Vetters, des Jägermeisters, der auf Kosten seines Bruders in einer Pension auf dem Lande untergebracht worden war. Seine Ehe war aufgelöst, er selbst für unmündig erklärt, aber jetzt teilte er ihr auf drei schön geschriebenen Seiten mit, daß er endlich das Glück gefunden, indem er sich mit der jüngsten der beiden Schwestern, die das Pensionat besaßen, verlobt hatte.
»Marianne Wamberg ist vierunddreißig Jahre alt und befindet sich mit andern Worten in dem für Frauen allerschönsten Alter. Sie ist sowohl in bezug auf das Äußere als auch auf das Innere ein Engel. Durch Fleiß und Sparsamkeit haben sie und ihre Schwester sich von unten heraufgearbeitet, offen gestanden aus dem dienenden Stande, und ich kann mit gutem Gewissen sagen, daß ›Sophienlust‹ in diesem Teile des Landes das Pensionat ist, das sich des besten Rufes erfreut. Selbst arbeite ich im Garten und beschäftige mich übrigens mit allem, was vorfällt. Falls Du und Dein Mann einmal in diese Gegend kommen solltet, müßt Ihr wirklich bei uns einsehen. Ihr werdet zwei Turteltauben treffen, die von dem Leben gelernt und begriffen haben, daß eine gute Verdauung, körperliche Arbeit und Liebe das einzige ist, was den Menschen glücklich machen kann; alles andere ist Eitelkeit und Narrenstreiche.«
Als Karsten den Brief gelesen hatte, brach er in ein Gelächter aus und machte den Vorschlag, daß sie dem jungen Brautpaar ihre Glückwünsche persönlich bringen wollten. Obwohl Jytte keinen Gefallen an seiner Heiterkeit fand, ging sie auf den Vorschlag ein. Sie war wirklich ein wenig neugierig geworden, und eines Tages, als das Wetter gut war, machten sie sich auf den Weg.
Sie fuhren mit der Bahn nach Holbäck und von da in einem altmodischen Mietwagens mit einem Pferdegespann weiter ins Land hinaus. Sic kamen durch mehrere Dörfer, und der Anblick der vielen rotwangigen Kinder machte Jytte verstummen. Unwillkürlich ergriff sie Karstens Hand.
Sie hatte am Morgen einen langen Brief von Meta bekommen, die auf ihre gründliche Weise über ihr neues Heim, ihren Mann und ihre Kinder berichtete. Obwohl auch allerlei von Dihmer darin stand, hatte sie den Brief nur ganz flüchtig gelesen und ihn nachher verwahrt. Die Vergangenheit beschäftigte sie nicht mehr. Jetzt nahmen die kommenden Tage alle ihre Gedanken in Anspruch. Die Zukunft wogte auch jetzt vor ihrem innern Blick gleich einer sommerlichen Landschaft in unruhig wechselnder Beleuchtung.
Nach einer Fahrt von einer guten Stunde bogen sie von der Landstraße ab. Der Kutscher zeigte mit der Peitsche auf ein villenartiges Gebäude in einiger Entfernung und erklärte, daß es das Pensionat »Sophienlust« sei.
Ein Mann mit aufgekrempelten Hemdsärmeln und einem Flicken auf dem Hinterteil der Hose stand vor der Einfahrt und sägte Holz. Bei dem Geräusch des Wagens wandte er sich um. Es war der Jägermeister. Als er sie erkannte, ließ er mit einem Freudengebrüll die Säge fallen.
»Nein, seid ihr es, Kinderchen!« rief er mit seiner unkonfirmierten Stimme. »Das ist wirklich hübsch von euch. Steigt doch herab vom Wagen. Steigt doch herab! Jetzt will ich Marianne rufen. Wie gut du aussiehst, Jytte! Komm in meine schweißigen Arme, Base!«
Ohne die geringste Verlegenheit über seine Kleidung, sein unrasiertes Gesicht oder sein ganzes heruntergekommenes Dasein zu zeigen, half er ihnen vom Wagen herab und führte sie hinein.
In seiner Stube, die hinter dem Küchengang lag, machte er ausdrücklich darauf aufmerksam, daß alle Möbel ihm selbst gehörten. Da waren außer dem Bett ein kleiner Waschtisch, ein Kleiderschrank, ein paar Stühle und ein Klapptisch. Das war alles, was er von den Herrlichkeiten Storeholts behalten hatte.
»Kommt jetzt einmal her und betrachtet meine Aussicht!« sagte er, nachdem er einen Rock angezogen hatte, der die geflickte Hose bedeckte. »Ist das hier nicht herrlich? Diesen Blick den Hügel hinab bis an den Wald – ich gäbe ihn nicht für eine Million her. Wenn ich nachmittags hier am Fenster sitze und eine Pfeife rauche, fühle ich mich vollkommen zufrieden. Ich beklage mich durchaus nicht. Natürlich war es nicht zum Totlachen für einen Mann mit meiner Vergangenheit, als unheilbarer Idiot erklärt zu werden. Ihr habt es doch gelesen? Es hat ja in allen Blättern gestanden, mit vollem Namen und Titel und dem Ganzen. Aber was sollte ich machen? Ich hatte ja Skandal gemacht. Außerdem lag da eine ärztliche Erklärung vor, und wie schon die alten Griechen sagten: Gegen die Wissenschaft kämpfen selbst die Götter vergebens! – Aber wo bleibt Marianne nur einmal?«
Er ging an die Tür und rief hinaus: »Aber Misse, wo bleibst du denn? Wir dürsten alle nach deinem Anblick!«
Sobald er ihnen den Rücken zuwandte, hatten Karsten und Jytte einander einen Blick zugeworfen. Aber als Karsten eine komische Grimasse schnitt, runzelte Jytte die Stirn.
Eine kleine, braungelockte Dame mit schönen und lebhaften Augen erschien in der Tür. Dort blieb sie einen Augenblick stehen, während sie mit lächelnder Verlegenheit über ihre Schürze strich. Endlich faßte sie Mut und trat ein. Der Jägermeister stellte sie vor, und mit einem drolligen kleinen Knicks nahm sie Jyttes und Karstens Glückwünsche entgegen.
Nachdem sie sich ein paar Minuten im Zimmer aufgehalten hatte, während welcher sie die Fremden zu einer Tasse Kaffee im Garten zusammen mit den Pensionären einlud, zog sie sich wieder mit einem kleinen Knicks zurück.
»Nun?« rief der Jägermeister, »was sagt ihr jetzt? Ist sie nicht süß? Wilhelmine ist es natürlich nicht, aber ich habe wirklich keinen Grund, den Tausch zu bereuen. Wir sind schon wie eine kleine Familie und arbeiten ausgezeichnet zusammen. Meine Schwägerin hat hauptsächlich den inneren Haushalt in Händen, und Marianne hat die Küche unter sich. Augenblicklich haben wir vierzehn Pensionäre, und sie sagen alle, daß man nirgends so gut bereitete Kost im Verhältnis zu dem Preise bekommt. – Aber Wilhelmine ist es natürlich nicht.«
Er öffnete die Tür, um seine Gäste in den Garten hinauszuführen. Plötzlich aber schloß er sie wieder und sagte mit gesenkter Stimme: »Ihr habt wohl gesehen, daß Wilhelmine doch bei der Eröffnung der Fächerausstellung präsidiert hat, und daß sie auch die Königin empfangen hat? Aber das habe ich mir gleich gedacht! Was die Dame will, das setzt sie durch, so oder so. Und ihr könnt mir glauben, sie hat sich großartig gemacht! Das stand auch in den Zeitungen. Ein kaneelbraunes Kreponkostüm von Wundt & Svendsen. Und jetzt ist mein ehemaliger Schwiegervater auch gestorben und hat der Mission Hunderttausend vermacht. Ich sage prost Mahlzeit!«
Draußen im Garten saßen die Pensionäre schon um den Kaffeetisch. Am Tischende präsidierte ein ehemaliger Kaufmann aus der Provinz, der ebenso wie der Jägermeister – und aus ähnlichen Gründen – zu den Stammgästen des Hauses gehörte. Die übrigen waren größtenteils jüngere Menschen, die ihre Ferien hier zubrachten. Karstens Künstlername, der gerade durch das Land geflogen war, hatte Aufsehen erregt. Auch Jytte interessierte, als man erfuhr, daß sie die Tochter des Ministers Abildgaard sei.
Das ältere Fräulein Wamberg empfing die Gäste mit vielem Anstand und übernahm die Vorstellung. Sie war eine üppige Dame, die an ihre Schwester erinnerte, so wie ein Weißkohlkopf an eine Rose.
Anfangs herrschte feierliches Schweigen, neugieriges Ausspähen und kleinstädtische Verlegenheit – bis eine breitrückige Kopenhagener Volksschullehrerin, die gewohnt war, der humoristische Mittelpunkt der Unterhaltung zu sein, die Zigarre aus dem Munde nahm und rief:
»Ach, Herr Johansen, seien Sie doch mal so schieläugig und lassen Sie den Zucker hier herunterrutschen!«
Das war ein Treffer. Die feierliche Stimmung explodierte, und Gelächter ergoß sich über den Tisch.
Wie in den meisten Sommerpensionaten hatte sich die Ferienstimmung bei der Jugend in allerlei lustigen Einfällen ausgelöst. So war man darauf verfallen, die Namen umzutauschen, und um die Lustigkeit zu erhöhen, hatte man den Damen die Namen der Herren gegeben und umgekehrt. Besagter »Herr Johansen«, den die Volksschullehrerin angeredet hatte, war in Wirklichkeit eine junge, silberblonde Dame, nicht im geringsten schieläugig, dahingegen von seltener Schönheit.
Plötzlich ertönte ein Ruf von dem untersten Tischende, wo die Jugend ihren Platz hatte. Alle sprangen auf und begannen aus Leibeskräften in die Luft zu blasen.
»Ein Freierbrief! ... Ein Freierbrief!«
Eine Blütendaune segelte durch die Luft über den Tisch hin, und diesen Sendboten des Schicksals galt es, sich vom Leibe zu halten, wenn man nicht in den Verdacht geraten wollte, heimlich verliebt zu sein. Die ganze Gesellschaft verschwor sich offenbar gegen »Herrn Johansen«, namentlich alle Herren waren eifrig bemüht, die Daune ihr zuzublasen. Sie wehrte sich tapfer und bekam einen puterroten Kopf vor Verlegenheit und Anstrengung. Schließlich floh sie über den Rasenplatz, und der ganze Schwarm folgte ihr.
Der bankrotte Kaufmann aus der Provinz und der Jägermeister, der, den Arm um Marianne geschlungen, dasaß, ermunterten die Verfolger durch lustige Zurufe. Auch Karsten war ein interessierter Zuschauer. Er hatte sofort die schöne, junge Dame bemerkt und wurde jetzt verdächtig lang im Rücken, während er mit den Augen ihre schlanke Gestalt in dem Kampfgetümmel verfolgte.
»Wir wollen aufbrechen, Karsten!« flüsterte Jytte, die von vornherein die stürmische Munterkeit verstimmt hatte. »Ich fühle mich nicht wohl.«
Eine Viertelstunde später befanden sie sich auf dem Heimwege.
So wie auf der Ausfahrt saß Jytte meist in Gedanken versunken da, während Karsten nervös eine Zigarette nach der andern rauchte. Vor dem Aufbruch aus »Sophienlust«, als Jytte einen Augenblick von den Schwestern Wamberg entführt wurde, die ihr absolut Haus und Garten zeigen wollten, hatte er Gelegenheit gehabt, ein paar Worte mit dem jungen »Herrn Johansen« zu wechseln, dessen wirklicher Name Fräulein Sölling war. Er hatte erfahren, daß sie in Kopenhagen wohnte und Turnlehrerin an einer der großen Mädchenschulen war.
»Um deinen Vetter brauchen wir uns ja keine Sorge mehr zu machen,« sagte er, als sie eine Strecke gefahren waren. »Der ist offenbar in seinem Element. Es ist ja wirklich ein Idyll aus dem Irrenhause.«
»Ja, es gibt noch glückliche Naturen,« sagte Jytte, die wieder an Meta und ihre Kinder dachte. Sie sah die Freundin da drüben in ihrem Garten mit Dihmer sitzen, der jetzt offenbar auch zur Ruhe gekommen war und sich zufrieden fühlte. Meta hatte von einem großen Johannisfest geschrieben, zu dem er alle Bewohner des Gutes eingeladen hatte, und wo bis an den sonnenhellen Morgen lustig auf den Wiesen getanzt worden war. Sie begriff das nicht. Aber es war gut, daß sie in Zukunft nicht mehr mit Gewissensbissen an ihn zu denken brauchte.