Kaum hat der purpurne Morgenstral
Vom Schlummer geweckt die Erde,
Da hält er vor des Schlosses Portal
Und schwing. sich herab vom Pferde.
Warum er also hastet und jagt,
Er weiß sich's selbst nicht zu deuten!
Ist frei Geleit ihm doch zugesagt
Vom Früh- bis zum Abendläuten!
Er pochet, lächelnd ob feiger Hast,
Jetzt an die eichene Pforte.
Geöffnet wird sie dem frühen Gast
Mit lässig zögerndem Worte.
Er schreitet hin durch der Diener Reih',
Die, halb noch im Schlafe, stammeln:
»Wohl manche Stunde schleicht noch vorbei
Bis sich die Herren versammeln.«
»Ich denke, deß hat es keine Noth!
Sie werden so lang nicht bleiben.
Des Kaisers Befehl, der mich her entbot,
Wird sie auch zur Eile treiben.
Geht! bringet mir einen frischen Trank,
Nach alter, gastlicher Sitte!
Ich will indessen auf dieser Bank
Ausruhen vom langen Ritte!«
Umsonst! zur erwünschten Ruhe läßt
Ihn Ungeduld nicht gelangen.
Er murmelt, die Hand zur Faust gepreßt:
»Ist das ein Hangen und Bangen!«
Zwei Stunden verschleichen. Die Sonne flammt
Schon hoch am azurenen Sitze, –
Da endlich kommen sie allesammt,
Herr Puchau an ihrer Spitze. ^
»Wo ist der Kaiser? mein gnäd'ger Herr?«
Baumkircher erhebt die Frage.
»Ach! leider befiel ein Siechthum schwer
Den Kaiser am gestrigen Tage.
Von Fiebergluth das Auge getrübt,
Muß sorgliche Ruh' er halten.
So wollen wir nun, wenn's Euch beliebt,
Ohn' ihn der Geschäfte walten.«
Banmkircher tritt an den Sprecher dicht,
Es zucket um seine Brauen.
»So soll ich sein theu'res Angesicht,
Das lang entbehrte, nicht schauen?«
»Ihr hört ja: ihn hält die Krankheit gebannt.
Nothwend'gem muß man sich fügen!
Doch hat er uns statt seiner entsandt, –
Ich denke, das mag genügen.«
Banmkircher zögert; er prüft und sinnt,
Ob er sich dem unterwerfe,
Doch, rasch sich setzend, Puchau beginnt
Mit näselnder Stimme Schärfe:
»»Erleuchtung wünschend bei ihrem Thun
Den Herren all', die da kamen,
Beginne ich die Verhandlung nun
In Kaisers Auftrag und Namen!
»»Ihr wisset, Ritter, warum er Euch
Vor dieses Gericht beschieden:
Mit Aufruhr verstörtet ihr das Reich,
Verletztet den Landesfrieden.
Doch will der Kaiser in seiner Huld
Nicht hoffnungslos Euch vervehmen!
Ein reuvoll Geständniß Eu'rer Schuld
Kann sie vom Haupte Euch nehmen!««
Mit festem Muth Baumkircher versetzt:
»Wohl habe ich mich vergangen!
Doch wer ward schwerer als ich verletzt?
In ärgern Schlingen gefangen?
Beging ich Unrecht, so wird davon
Die Schuld nur Jener gesteigert,
Die, jahrelang, unter Spott und Hohn,
Mein gutes Recht mir verweigert!«
»»Ihr spielt auf Eu're Forderung an?
Nicht rühmlich ist solch' Verlangen!
Sagt! ziemt sich's für einen Rittersmann
So gierig am Gold zu hangen?««
»Am Golde? ich? Nun bei Christi Blut!
Wem da die Geduld nicht endet!
Hab' ich denn nicht all mein Hab und Gut
Zum Dienst des Kaisers verwendet?«
»Und hätte der Feind das Purpurkleid
Von seinen Schultern gerissen,
Mir wär' um meinen Verlust nicht leid!
Gern wollt' ich den Bettel missen.
Die nicht von ihm verschuldete Noth
Ertrüge ich fest und heiter,
Und willig suchte ich nur mein Brod
Als Landsknecht oder als Reiter.«
»Nur daß er, nachdem der Sieg ihm ward,
Mich kalt von sich abgeschüttelt,
Die schlimme Kränkung hat allzu hart
An meiner Treue gerüttelt.
Ein Wort aus des Kaisers Munde bricht
Mein Bündniß mit Ungarns Horden!
Doch wisset: eher ruhe ich nicht
Bis volles Recht mir geworden.«
»»Wohlan! so thut uns vor Allem kund,
Wohin jene Summen geflossen,
Die Ihr, hat Eure Behauptung Grund,
Dem Kaiser einst vorgeschossen?««
»Das fragt Ihr mich noch? Bei meinem Schwert!
Die Antwort liegt nah' zu Handen:
Die Söldner hab' ich damit ernährt,
Die für ihn im Felde standen!«
»»Gemach! zum Worte, das Einer spricht,
Muß sich der Beweis gesellen,
Drum frag' ich Euch: könnt Ihr dem Gericht
Glaubwürdige Zeugen stellen?««
»Zwar bin ich gewohnt, daß männiglich
Sich meinem Ritterwort beuge,
Doch, muß es sein, so füge ich mich:
Der Eggenberg ist mein Zeuge.«
»»Wen, Ritter, habt Ihr uns da genannt?
Fragt Puchau mit Truggeberden.
Herr Eggenberg weilt in fernem Land,
Kann hier nicht vernommen werden.
Verzichtet auf seine Zeugenschaft,
Wie gerne er sie Euch gönnte,
Und sucht nach andrer Beweiseskraft,
Bringt Schriften und Dokumente!««
Baumkircher zieht aus des Gurtes Huth
Ein Täschlein mit Goldgespänge.
»Sind Documente zu Etwas gut,
Da habt Ihr deren die Menge!
Genügt der Beweis Euch, wirr und kraus,
Dem Tintenfasse entquollen?«
Und auf den Rathstisch streut er aus
Die pergamentenen Rollen. –
Die Stunden enteilen wie im Flug
Beim Forschen und beim Vergleichen;
Geprüft wird jeglicher Strich und Zug,
Geprüft jedes Siegel und Zeichen.
Die Räthe schauen sich müd' und matt,
Daß ihnen die Augen schwimmen!
Hier fehlt das Datum auf einem Blatt,
Dort will die Rechnung nicht stimmen!
Wann sah man wohl jemals ein Gericht
So eifrig wie dieses tagen?
Die wackern Herr'n beachten es nicht,
Daß längst es zwölf Uhr geschlagen.
Gewissenhaft ist Jeder bestrebt,
Den Werth der Ford'rung zu schätzen,
Bis endlich sich Herr Puchau erhebt,
Dem Fleiße ein Ziel zu setzen.
»»Bleibt uns auch Manches und Vieles noch
Zu sichten, zurecht zu legen,
So mein' ich, wir sollten vorher doch
Ein Bischen des Leibes pflegen.
Ein Stündlein sei der Geschäfte Last
Von unsern Schultern genommen!
Ihr, Ritter Baumkircher, seid als Gast
Des Kaisers uns hochwillkommen!««
»Herr Puchau! laßt uns die werthe Zeit
Vergeuden nicht beim Bankette!
Ihr wißt es ja selbst: mein frei Geleit
Gilt nur bis zur Abendmette.«
»»Wir halten dran nicht so peinlich fest.
Seid deßhalb ganz außer Sorgen!
Mit wenigen Federstrichen läßt
Es sich verlängern bis morgen.««
»Das wolltet Ihr thun?« »»Gewiß! gewiß!
Zum beiderseitigen Frommen!
Unmöglich dünkt es mich ohnedieß
Noch heut' zu Ende zu kommen.
Doch morgen fällen wir, Euch zu Dank,
Den Spruch nach bestem Ermessen.
Nun aber folgt mir, bei Speis' und Trank
Der Sorgenlast zu vergessen!««
Wie duften die Speisen würzig fein
In silbergetrieb'nen Schalen!
Wie schäumt und perlet der edle Wein
In dunkelgrünen Pokalen!
Als sorglicher Wirth hat Puchau baß
Beim Gast seinen Platz genommen.
Er legt' ihm vor, er füllt ihm das Glas, –
Wohl mög' es dem Ritter bekommen!
Vertraulich rückt er ihm näher und schwört,
Wie sehr ihm's am Herzen nagte,
Daß man so lange, vom Scheine bethört,
Dem Treuen sein Recht versagte.
Und leiser flüstert er ihm ins Ohr:
»So sind die Fürsten, die besten!«
Baumkircher! Baumkircher! sieh dich vor!
Schon neigt die Sonne nach Westen!
Da, endlich auf Sicherheit bedacht,
Zieht er Herr Puchau bei Seite:
»Verlängert, wie Ihr's vorhin verspracht,
Mir schriftlich mein frei Geleite!«
»»Auf meine Gefahr? das geht nicht an!
Zwar diente ich Euch mit Freuden,
Doch über den geächteten Mann
Darf nur der Kaiser entscheiden.««
»Der Kaiser? Sagtet ihr nicht er sei
Für Niemand zu sehen, zu sprechen?«
»»Für mich ist er's wohl! Mir steht es frei
Die strenge Klausur zu brechen.
Ich eile zu ihm, ihm nach Gebühr
Der Dinge Stand zu erklären.
Harrt meiner indeß im Saale hier,
Bald seht ihr mich wiederkehren!««
Fort eilt er. – Baumkircher blickt ihm nach,
Verwirrt, mit sich selbst im Streite.
Den Blick gesenkt, durchmißt das Gemach
Er sinnend die Läng' und Breite.
Der Argwohn faßt ihn, mit gift'gem Blick
Das fromme Vertrauen lähmend,
Allein der Ritter weist ihn zurück,
Im Herzen sich seiner schämend.
»Nein! denkt er, noch gilt des Eides Band,
Und dieses hält sie gebunden!
Ich bin in einem christlichen Land,
Bin nicht unter Türkenhunden!
Ein Wortbruch? O rettungslose Schmach,
Vor der selbst der Räuber schaudert!«
Und, wieder durchschreitend das Gemach:
»Wie lang doch der Puchau zaudert!«
Baumkircher! siehst du die Berge nicht,
Die schirmend die Stadt umkränzen,
Im weithin stralenden Purpurlicht
Des scheidenden Tages glänzen?
Blick auf, und sieh die Wellen im Strom
Wie flüssiges Gold erglühen,
Die steinernen Blumen dort am Dom
Im Abendschein farbig blühen!
Jetzt fährt er empor! Ein wilder Schrei,
Ein Fluch, – und fort aus dem Saale,
An Marschalk und Trabanten vorbei,
Stürmt er hinab zum Portale.
Er schwingt sich mit einem Sprung aufs Pferd,
Er drückt ihm den Sporn in die Weichen,
Er rast dahin wie der Sturmwind fährt,
Wie eilende Wolken streichen!
Schon ist der äuß're Zwinger erreicht!
Gottlob! das Pförtlein noch offen!
Sein stürmisch fliegendes Herz beschleicht
Aufs neue ein frohes Hoffen.
Wie jagt er! wie flattern silberweiß
Im Winde des Greises Locken!
Da, horch! ertönt in den Lüften leis'
Das Läuten der Abendglocken
Und eh' noch des Wächters Hornruf gellt
Ist an dem Pförtlein der Ritter!
Weh! vor den Nüstern des Rosses fällt
Herunter das Eisengitter.
Jetzt schmettert auch des Hornes Signal, –
Es singet ihm Sterbelieder!
Doch nein! noch dämmert ein Hoffnungsstral!
Den Rappen wendet er wieder.
Greif aus! greif aus! – Auf felsiger Bahn,
Von Abendnebeln umflossen,
Sprengt er zum obern Thore hinan, –
Auch dieß, auch dieses verschlossen!
Es zuckt noch über sein Angesicht
Ein tiefstes, ein letztes Wehe,
Dann faltet er die Hände und spricht:
»Mein Gott! dein Wille geschehe!«
Die Schlüssel kreischen, der Riegel knarrt,
Aufthut sich des Thores Weite,
Die Schergen, die schon des Fangs geharrt,
Umstellen die edle Beute.
Voran ein Priester, des Heiles Pfand,
Das Crucifix in der Rechten,
Und hinter ihm, im rothen Gewand,
Der Henker mit seinen Knechten. –
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