Betty Paoli
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Betty Paoli

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Herr Adebar.Die hier erzählte Begebenheit, die sich gegen das Ende des 15ten Jahrhunderts in Pommern zutrug, ist der letzte Gerichtsfall, in dem des altgermanischen Gesetzes über das Wehrgeld Erwähnung geschieht.

I.

                    Wo lebt noch so ein Freundespaar,
Getreu in Herzenstiefen,
Wie Benedikt von Adebar
Und Nikolaus von Schlieffen?
Ihr Seelenbund ist eine Saat
Aus fernen Kindertagen;
Im Licht der Jugend reifend, hat
Sie edle Frucht getragen.

Und, wie in ihrem Kleid von Stahl
Herschreitend vor den Reihen,
Sieht man im festlich heitern Saal
Sie immerdar zu Zweien.
Vereint trifft sie der Morgenstral,
Vereint der Abendsegen!
Sie theilen Stube, Bett und Mahl
Wie Brüder gerne pflegen. –

Herr Massow freite seine Braut.
Es schimmern hell die Kerzen,
Musik ertönt, mit süßem Laut
Bestrickend Sinn' und Herzen.
Es geht, von schöner Hand kredenzt,
Der Becher in der Runde, –
O wie da jedes Auge glänzt!
Beflügelt scheint die Stunde.

Herrn Adebar nur nimmt die Lust
Des Festes nicht gefangen;
Es preßt und drücket seine Brust
Ein unerklärlich Bangen.
Je lärmender der Jubel schallt,
So trüber wird sein Sinnen.
Es zieht ihn heimwärts mit Gewalt, –
Still schleichet er von hinnen.

Sein Blut, von Weines Macht geweckt,
Will stürmisch überschäumen.
Aufs Lager schlummernd hingestreckt,
Liegt er in schweren Träumen.
Sie überschatten seinen Pfühl
Mit dunkeln Eulenschwingen!
Er wähnt, im dichten Kampfgewühl
Mit einem Feind zu ringen.

Wie hebt des Schläfers Brust sich wild!
Wie ballt sich seine Rechte!
Auf seiner heißen Stirne schwillt
Der Adern blau Geflechte.
Es ächzt und stöhnt der starke Mann,
Besiegt von Traumgewalten!
Er fühlt sich wie von einem Bann
Gelähmt und festgehalten.

Sein Arm gehorcht dem Willen nicht,
Die Sinne ihm vergehen!
Des Gegners Athem fühlt er dicht
An seinem Antlitz wehen,
Fühlt auf der Schulter seine Hand,
Die Wehre sich entrissen!
Da sprengt der Zorn des Schlummers Band, –
Er fährt empor vom Kissen.

Doch wirr hält noch des Traumes Qual
Die Sinne ihm umdunkelt!
Vom Nagel reißet er den Stahl,
Der ihm zu Häupten funkelt.
»Mit diesem Dolch kauf' ich mich frei!«
Er ruft's mit wildem Grimme, –
Ein Stoß, – ein Fall, – ein Schmerzenschrei, –
Allmächt'ger! welche Stimme!

Entsetzen fliegt durch sein Gebein!
Es weicht des Wahnes Flimmer.
Durch's Erkerfenster fällt der Schein
Der Sterne in das Zimmer.
Ihm ist, als ob mit lautem Mund,
Sie »Mörder! Mörder!« riefen!
Zu seinen Füßen, todeswund,
Liegt Nikolaus von Schlieffen.

 
II.

        Von Kummer tief umnachtet,
Fern jedem Trost der Welt,
Im Thurmesgrunde schmachtet
Herr Adebar, der Held.
Er trüge keine Ketten,
Sein Heil war ihm gewiß,
Wenn er, um sich zu retten,
Den wunden Freund verließ.

»Flieh! mahnte der beschwörend,
»Entzieh' dich dem Gericht!«
Doch Jener, nicht drauf hörend,
Er wich und wankte nicht!
Ihn hielten Schmerz und Treue
Am Sterbelager fest,
An seine Brust voll Reue
Des Freundes Hand gepreßt!

Bis aus der Todeswunde
Der letzte Tropfen schlich,
Bis von dem bleichen Munde
Der letzte Hauch entwich.
Den Staub nicht wollt' er lassen
Deß, der sein Alles war!
So konnten sie ihn fassen,
Den Helden Adebar. –

Vereint hat sich erhoben
Der Schlieffen ganz Geschlecht!
Mit ungestümem Toben
Verlangen sie ihr Recht.
Da, wo er ward erschlagen,
Er, der ihr Stolz und Licht,
Zu Colberg soll es tagen
Das strafende Gericht.

 
III.

              Im Rathhaus sind besetzt die Gänge,
Am Thore Wachen ausgestellt,
Rings wogt des Volkes bunte Menge, –
Der Urtheilsspruch wird heut gefällt.
Genüber steh'n sich vor den Schranken,
Hier eine, dort die andre Schaar,
Mit finster grollenden Gedanken
Die Schlieffen und die Adebar.

Der Angeklagte ist erschienen,
Er trägt ein schwarzes Trauerkleid;
Es spiegelt sich in seinen Mienen,
In seinem Blick der Seele Leid.
Ihn zu vertheid'gen wird dem Schwäher
Des Schuld'gen vom Gericht erlaubt.
Mit ernster Würde tritt er näher
Hin zu der Schlieffen Stammeshaupt,

Und spricht: »Kein Mord ward hier begangen,
»Kein Frevel wider die Natur!
»Es sündigte kein bös Verlangen,
»Der unheilvollste Zufall nur.
»Ein Thor, der hier an Rache dächte!
»D'rum nehmt für den erschlag'nen Mann
»Die Sühne nach dem alten Rechte,
»Das Wehrgeld für den Todten an!«

Kurt Schlieffen drauf: »Dieß abzulehnen,
»Ihr wißt es, steht dem Kläger frei.
»Glaubt nicht, daß uns für Blut und Thränen
»Ersatz ein Säckel Goldes sei!
»Kein Wehrgeld stellet uns zufrieden!
»Wir wollen unser volles Recht.
»Ihr, denen hier die Macht beschieden,
»Ihr Richter, hört mich! hört und sprecht!« –

Der Weg des Ausgleichs ist verschlossen,
Jetzt gilt nur das Gesetz allein.
Es ward unschuldig Blut vergossen,
Blut muß dafür die Sühne sein,
Wie Moses schon im heil'gen Buche,
Für Leben Leben streng begehrt!
Die Richter einen sich im Spruche,
Er lautet: Tod durch's Henkerschwert.

»Die Seele Gott, den Leib der Erde!«
So tönt's im schauerlichen Chor.
Da, mit hochmüthiger Geberde
Tritt Kurt von Schlieffen rasch hervor.
»Nur nach dem Recht ging unser Streben!
»Jetzt, da es laut uns zuerkannt,
»Empfang' er sein verwirrtes Leben
»Als Gnadengabe uns'rer Hand!«

»»Die Gnade wolle Gott verdammen!««
Ruft Adebar entrüstet aus,
»»Sie brennte mich wie Höllenflammen,
»»In mir entehrte sie mein Haus!
»»Nein! lieber will ich, ohne Klage,
»»Dem Herrn vertrauend, sterben geh'n,
»»Als für jedweden meiner Tage
»»In eines Menschen Schuldbuch steh'n!

»»Und nun genug! genug der Worte!
»»Was sein muß, habe seinen Lauf!««
Sie steh'n verstört; die dunkle Pforte
Des Kerkers nimmt ihn wieder auf.
Das Recht hat wider ihn entschieden
Die Gnade wies er stolz zurück, –
O keine, keine Macht hienieden
Kann jetzt noch wenden sein Geschick!

 
IV.

        Du milder Frühlingssonnenschein,
Wie goldig hell blickst du herein,
Durch's schwarze Eisengitter!
Den grünen Wiesengrund entlang
Stralst du auf seinem letzten Gang
Dem vielbeklagten Ritter.

Ganz Colberg hat sich aufgemacht,
Ihm auf dem Weg zur Todesnacht
Noch Ehre zu erzeigen!
Weithin ertönt der Glocken Klang,
Gebet und Seufzer hört man bang
Empor zum Himmel steigen.

Dem Kloster nähert sich die Schaar
Wo Kunigund von Adebar
Als Ordensobrin waltet.
Es öffnet sich das Gotteshaus
Und die Aebtissin tritt heraus,
Die Hände fromm gefaltet.

Sie spricht: »O liebster Bruder mein!
»Wie groß ist dieser Trennung Pein!
»Wie ist dieß Scheiden bitter!
»Doch, ob es dich dem Tod vermält,
»Das bess're Theil hast du erwählt, –
»Du stirbst als Christ und Ritter!«

Auf seine Stirn segnend legt
Sie ihre Hand; der Zug bewegt
Sich fort im ernsten Schweigen,
Bis endlich er am Friedhof hält,
Wo Kreuze, mahnend aufgestellt,
Den Weg zum Himmel zeigen.

Denn nicht auf schnödem Richtplatz soll
Dieß Leben, aller Tugend voll,
Ans letzte Ziel gelangen!
Das Urtheil aus der Richter Mund
Entschied: Es soll geweihter Grund
Den edlen Leib empfangen.

Im Innern fest und friedensklar,
Den Blick voll Licht, nimmt Adebar
Noch Abschied von den Seinen.
»Und wenn ich werd' gestorben sein,
»So denkt: es blieb die Ehre rein!
»Ihr sollt um mich nicht weinen!

»Lebt wohl! leb wohl, du schöne Welt
Er kniet, – mit einem Streiche fällt
Sein Haupt der grause Schnitter!
Ein lauter Schrei die Luft durchbebt, –
Heil ihm! er starb, wie er gelebt
Ein Mann, ein Christ, ein Ritter!


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