Ovid
Elegien der Liebe
Ovid

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3.
Liebe überall.

        Nicht zu vertheidigen wag' ich mein sündenbehaftetes Leben,
    Nimmer mit heuchelndem Wort sprech' ich mich, Frevelnden, frei.
Nein, ich bekenn' es zerknischt, daß ich fehlte; – doch wird es mir nützen?
    Kaum daß ich reuig gestand, stürz' ich in Frevel mich neu.
Haß nur fühl' ich für sie und dennoch, ich kann sie nicht meiden –
    Widrige Last, die so schwer, weil sie verhaßt ist, sich trägt.
Denn mir mangelt die Kraft, zielfest mich zu leiten; mich reißt der
    Wirbel dahin, wie ein Schiff schaukelt auf stürmischer Flut.
Tausendfach ist ja der Grund, der neu mich zur Liebe stets antreibt,
    Und nicht fesselt mein Herz eine bestimmte Gestalt.
Seh' ich nur Eine, zu Boden geschlagen die züchtigen Augen,
    Brenn' ich; die lieblichste Scham selber ist's, die mich verführt.
Kommt muthwillig die Andre, so fängt sie mich, weil sie nicht blöd ist
    Und sich auf schwellendem Pfühl munter zu zeigen verspricht.
Scheint sie spröde und rauh, nach Art der sabinischen Weiber,
    Denk' ich: sie möchte wohl gern, doch sie verhehlt es aus Stolz.
Ist sie gelehrt, so gefällt mir die selt'ne Begabung, und fehlt ihr
    Bildung und Wissen, gewiß zieht ihre Einfalt mich an.
Schilt des Kallimachus Verse sie plump und lobt sie die meinen,
    Lieb' ich sie; denn mir gefällt die, der ich selber gefiel.
Schilt eine Andere aber auf mich und mein Dichten, wie gern doch,
    Reizende Tadlerin, dir ruht' ich im zärtlichen Arm.
Schwebt sie einher, so entzückt mich ihr Gang; schwer schreitet die Andre:
    Schmiegsamer ist sie gewiß in der Umarmung des Manns.
Dieser, die lieblich singt und die Töne beherrschet mit Anmuth,
    Möcht' ich mit feurigem Kuß lohnen den holden Gesang.
Klagende Saiten durchläuft mit gelenkigem Finger die Andre –
    Wer denn liebte nicht euch, Hände, so klug und so zart?
Jene bewegt nach dem Takt in gefälliger Biegung die Arme
    Und mit entzückender Kunst dreht sie den zierlichen Leib.
Doch hier schweig' ich von mir, den Alles entflammt und begeistert –
    Bringt mir HippolytusHyppolitus, der Sohn des Theseus, von seiner Stiefmutter Phädra mit Liebesanträgen verfolgt, aber wegen seiner Standhaftigkeit berühmt und zum sprichwörtlichen Beispiel geworden. Ein antiker Joseph. Wie dieser hatte auch er – Dank der in Haß sich verkehrenden Leidenschaft seiner unbedachten Anbeterin – seine Keuschheit aufs Bitterste zu büßen; ein Beweis, daß weder im Alterthum noch in der Bibel tugendhafte Entsagung auf aufmunternde, zur Nachahmung eifernde Belohnung zu rechnen hatte.! Seht, wo seine Tugend dann bleibt!
Lang ist diese, so lang wie die Frauen der alten Heroen,
    Gut, sie gefällt mir und füllt trefflich das Lager mir aus.
Jene ist klein und bequem – so verführen denn wirklich mich beide:
    Kurz oder lang, doch sie sind beide mir völlig nach Wunsch.
Fehlt ihr der Putz, gleich denk' ich, wie viel sie durch Putz noch gewänne?
    Ist sie geputzt, so entzückt gleich mich ihr feiner Geschmack.
Fesseln wird mich die Weiße, die Gelbliche wird mich gewinnen,
    Und meine Liebe verleiht auch noch der Bräuneren Reiz.
Möge das Haar tiefschwarz um den schneeigen Nacken sich schlingen,
    War nicht mit schwarzem Gelock Leda verführerisch schön?
Leucht' es wie Gold – goldlockig erstrahlte vor Allen Aurora,
    Und so jubelt mein Herz jeder der Göttinnen zu.
Stets reißt Jugend mich hin, doch mich rührt auch gesetzteres Alter –
    Jene ist lieblich und schön, dieses erfahren und klug.
Kurz, was immer, o Rom, du an reizenden Mädchen nur dein nennst,
    Für sie Alle zugleich lodert in Liebe mein Herz.

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