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2.
Die deutscheste Revolution

 

»Gebts nur a Ruah, 's wird scho werden. Bei der Nacht dauerts halt lang.«

Oberstleutnant Kriebel in der Nacht der Revolution.

 

Was will Hitler?

So sieht der Mann aus, der in der Nacht vom 8. zum 9. November 1923 jene Versammlungssprengung unternimmt, die im Rotwelsch der Nationalisten »Die großdeutsche Revolution« heißt. Als »Revolution im Bierkeller« ist sie in die Geschichte der deutschen Republik eingegangen.

Was will Hitler? Niemand weiß es. Weiß er es selbst?

»Auf zum Kampf gegen das rote Berlin!« Und das ist alles? Während im roten Berlin der Generaloberst von Seeckt regiert und sämtliche Formationen der Reichswehr hinter sich hat? Während der Weg nach Berlin durch Reichswehrtruppen in Sachsen und Thüringen versperrt ist? Während dieser Weg unter anderem auch an dem Leunawerk vorbei und durch das fieberhaft erregte mitteldeutsche Industrierevier hindurchführt?

»Der Saustall in Berlin muß aufgeräumt werden!« Berlin ist kein Saustall mehr, es ist die Hauptstadt einer demokratischen Republik, die ihren Bestand eben erst dadurch gesichert hat, daß sie sich unter allgemeiner Billigung aus einer scheinsozialen in eine offen kapitalistische Republik verwandelt hat.

»Nicht ruhen, bis die Verbrecher vom 9. November 1918 zu Boden geworfen sind«? Sie sind es ja längst. Sie wissen es nur nicht. Und die es wissen, modern in Gefängnissen und Zuchthäusern oder liegen zerschossen und zerschlagen in Kalkgruben in Hamburg, in Mitteldeutschland, im Ruhrgebiet, auf den Friedhöfen des östlichen Berlin ... Man hat sie ohne Herrn Hitlers Unterstützung zu Boden geworfen. Hitler weiß es nur noch nicht.

Revolution nach der Stoppuhr

Was will er also? Revolution machen. Schlechthin. Nur Revolution, »'s wird scho werden.« Und es wird ...

Die Deutscheste Revolution. Die Revolution nach der Stoppuhr. 9. November 1918 bis 9. November 1923. Wir sahen es schon: Hitler ist ein Mann, der »Geschichte ihrem Sinn nach verstehen und erfassen« kann. Die Weltgeschichte richtet sich nach dem julianischen Kalender. Fünf Jahre soll der Spuk der deutschen Republik dauern. Genau fünf Jahre. Keine Minute länger. Geschichte ihrem Sinn nach ...

Dem Generalstaatskommissar Gustav von Kahr dämmert am 6. November die peinliche Erkenntnis auf, daß der Marsch nach Berlin, der seine separatistischen Blütenträume zum Reifen bringen soll, mit einigen Schwierigkeiten verknüpft sein wird. Er beruft die Führer der bayerischen Kampfverbände zu sich und macht ihnen in einer längeren Rede klar, er stehe selbstverständlich nach wie vor der Regierung Stresemann feindlich gegenüber, er werde die schwarz-weiß-rote Frage von Bayern aus ins Rollen bringen, aber man müsse vorsichtig zu Werke gehen und nichts unternehmen, ehe die Garantien für einen vollen Erfolg gegeben seien. Ein Rückzug auf der ganzen Linie, aber so verschleiert, daß jeder Zuhörer dieser Rede genau das entnimmt, was in seine Pläne paßt. Oberstleutnant Kriebel, der Abgesandte Hitlers, hat zum Beispiel den Eindruck, Herr von Kahr sei ein bißchen unentschlossen. Man müsse ihm auf die Beine helfen, Revolution machen, dann würde er schon mitmachen.

Der »Absprung«

In aller Eile wird von Hitler und seinen Offizieren die Revolution für den 8. November angesetzt. Was für Vorbereitungen getroffen werden? Keine. Hitler hat zwar in fast allen bayerischen Städten seine Sturmabteilungen, aber er zieht sie nicht rechtzeitig nach München zusammen. Auch ihm stellt sich die Situation so dar, daß man Kahr, Lossow und Seisser »den Absprung erleichtern« müsse, dann würden sie schon mitgehen.

Über das, was diesem Absprung folgen solle, macht sich dieser Patentrevolutionär nicht die geringsten Gedanken. Alle Ideen, die er jemals propagiert hat, ballen sich nun in seinem Hirn in einem unentwirrbaren Knäuel zusammen, und wenn ihn jemand aus seiner Umgebung nach praktischen Dingen fragt, knallen ihm Volksrednerphrasen entgegen.

Hitler bereitet die Revolution vor.

Am Abend des 8. November hat sich Herr von Kahr auf Zureden einiger bayerischer Industrieller entschlossen, die allgemeine Verworrenheit durch eine programmatische Rede zu klären. Kommerzienrat Zentz übernimmt die Funktion, die großen Brauereien zur Hergabe von Freibier zu bestimmen, damit die Stimmung in dieser hochpolitischen Versammlung »etwas freundlicher« würde. Man mietet den größten Saal Münchens, den Saal des »Bürgerbräu«, und hat so große Sorgen, den Saal für die Rede Seiner Exzellenz auch zu füllen, daß man den Kampfverbänden den Besuch dieser Versammlung obligatorisch macht.

Die goldenen Worte des Herrn von Kahr verdichten sich nicht zu einer programmatischen Erklärung. Während der Generalstaatskommissar seine Rede noch nicht halb beendet hat, entsteht plötzlich ein Tumult am Eingang des überfüllten Saals.

Geschnatter

Hitler erscheint. Rollende Augen, schweißbedeckt, seine Stimme fistelt vor Erregung, er fuchtelt mit einer Pistole in der Luft herum, hinter ihm drängen sich einige Mitglieder seiner Sturmabteilungen, ebenfalls die Pistole in der Hand.

Geschrei. Lärm.

Hitler springt auf einen Tisch und schießt in die Decke. Dann schwingt er sich auf die Rednertribüne, wo hinter Kahr auch die Herren von Lossow und von Seisser stehen.

Der Schuß hat ihm Ruhe verschafft. Hitler brüllt in die Menge: »Die nationale Revolution ist ausgebrochen, der Saal ist von 600 Schwerbewaffneten besetzt, niemand darf den Saal verlassen. Die bayerische Regierung ist abgesetzt. Die Reichsregierung ist abgesetzt. Eine provisorische Reichsregierung wird gebildet. Die Kasernen der Reichswehr und Landespolizei sind besetzt, Reichswehr und Landespolizei rücken bereits unter den Hakenkreuzfahnen heran ...«

Schöne Träume. Nichts anderes ist von diesen ekstatischen Schreien Wahrheit, als daß Hitler mit seinen Sturmabteilungen einen Bierkeller umzingelt hat, und daß seine Emissäre fieberhaft bemüht sind, Reichswehr und Landespolizei zum Mitgehen zu bewegen.

Hitler fordert die Herren Kahr, Lossow und Seisser auf, ihm in ein Nebenzimmer zu folgen. In diesem Nebenzimmer spielt sich eine Szene von rasender Komik ab. Hitler, der Revolutionär Hitler, der im Begriff steht, die Gewalt an sich zu reißen, bittet und bettelt, die legalen Machthaber in Bayern möchten sich doch um Gottes willen der Revolution anschließen. Dabei hat er immer noch seine Pistole in der Hand, und das Zimmer ist von schwerbewaffneten Hitlerleuten besetzt, die die Mündungen ihrer Pistolen auf die drei Eingeschlossenen richten.

Personalia

In fliegender Hast entwickelt er den drei Männern sein Programm: »Die Reichsregierung ist gebildet. Die bayerische Regierung ist abgesetzt, das Sprungbrett für die Reichsregierung ist Bayern. In Bayern muß ein Landesverweser sein. Pöhner wird Ministerpräsident mit diktatorischen Vollmachten. Exzellenz von Kahr werden Landesverweser, Reichsregierung Hitler, nationale Armee Ludendorff, Lossow Reichswehrminister, Seisser Polizeiminister.«

Und dann wird der Revolutionär gefühlvoll wie ein liebeskrankes Dienstmädchen: »Ich weiß, daß den Herren der Entschluß schwerfällt, aber der Schritt muß gemacht werden. Man muß es den Herren erleichtern, den Absprung zu machen, jeder hat den Platz einzunehmen, auf den er gestellt wird ... Sie müssen jetzt weiterkämpfen mit mir, siegen oder sterben.«

Aber die Herren wollen nicht. Sie wollen weder siegen noch sterben. Ihre Ruh' wollen sie haben. Weiter nichts.

Exzellenz von Kahr sind verstimmt. Es wird bezeugt, daß er in der Geburtsstunde der nationalen Diktatur keine anderen Gefühle gehabt hat als die des Ärgers über die Tatsache, daß ihn Hitler mit erhobener Pistole aus dem Saal geführt hat. Mehrmals hört man ihn außer sich vor sich murmeln: »So aus dem Saal eskamotiert zu werden! Unglaublich!«

Ludendorff greift ein

Die Situation wird unangenehm. Man muß auf eigene Faust Entschlüsse fassen. Niemand ist da, der in diesen schwierigen Augenblicken den Inhabern der legalen bayerischen Exekutive Direktiven geben könnte. Weder der Delegierte Mussolinis noch der französische Gesandte Monsieur Dard noch der Kardinal von Faulhaber. Und so hat Hitler leichtes Spiel. Als deus ex machina erscheint der General Ludendorff vor den Überraschten. Man hat ihn schleunigst im Auto in den Bierkeller geholt, um der nationalen Revolution durch seine Gegenwart die nötige Weihe zu verleihen. »Meine Herren, ich bin ebenso überrascht wie Sie. Aber der Schritt ist getan, es handelt sich um das Vaterland, um die große nationale, völkische Sache. Ich kann Ihnen nur den Rat geben: Gehen Sie mit uns.«

Kahr ringt mit einem Entschluß: »Gut. Aber wir sind doch alle, die wir hier sind, Monarchisten. Ich kann die Landesverweserschaft nur annehmen als Statthalter der Monarchie.«

Der Dynastie Wittelsbach selbstverständlich, der die »große, nationale, völkische Sache« unendlich gleichgültig ist, und die Herrn von Kahr bisher mit der Durchführung ganz anderer Aufgaben betraut hat. Aber Hitler, der Revolutionär, der die großdeutsche Revolution herbeigeführt zu haben glaubt, hat gegen diese Statthalterschaft des Herrn von Kahr nicht das geringste einzuwenden. Im Gegenteil, er schwillt zu tragischer Größe an. Und es ist zu beachten, daß er selbst in diesen entscheidenden Augenblicken nicht vergißt, sich in den gewählten Formeln des spanischen Hofzeremoniells auszudrücken: »Jawohl, Exzellenz, gerade für das Königtum, das einem schamlosen Verbrechen zum Opfer gefallen ist, gilt es, ein schweres Unrecht gutzumachen. Wenn Exzellenz gestatten, werde ich selbst unmittelbar von der Versammlung aus zu Seiner Majestät fahren und Seiner Majestät mitteilen, daß durch die deutsche Bewegung auch das Unrecht, das dem hochseligen Vater Eurer Majestät widerfahren ist, wieder gutgemacht werden soll!«

Die zwinkernden Monarchisten

Der Kleinbürger, der, schwitzend vor lauter Hochachtung, sich wahnsinnig geehrt fühlt, mit so feinen Leuten verkehren zu dürfen, zu denen man »Eure Exzellenz« oder gar »Eure Majestät« sagt. Und diese Majestät ist ein Verwandter und Gesinnungsgenosse jenes Hauses Habsburg, über das Hitler in seinen Memoiren die Schale seines Zorns und seiner Verachtung ausgießt ...

Die nun folgenden Szenen schildert Weigand von Miltenberg folgendermaßen: »Nach Kahr stimmen auch Lossow und Seisser zu, die, wie Kahr behauptet, von ihm durch Augenzwinkern verständigt worden seien, daß man diese Komödie vorerst noch mitspielen müsse. Denn Hitler hielt eine Pistole in der Hand, das einzige für Kahr ausschlaggebende Moment, von dem Hitler leider, außer zum Salutschießen, keinen Gebrauch gemacht hat. Herr von Kahr hätte ansonst vielleicht das Zwinkern überhaupt unterlassen ... Arm in Arm begaben sich dann die königstreuen Republikaner und die zwinkernden Monarchisten wieder in den Saal, wo nunmehr der Groteske zweiter und stärkster Akt stieg. Nunmehr hielt Hitler eine Ansprache, die allein im ›Simplizissimus‹ ihren Platz haben dürfte. Eine Ansprache an eine ahnungslose Bierarena.«

Regierungserklärung

Diese Ansprache lautet: »Das Kabinett Knilling ist abgesetzt, eine bayerische Regierung wird gebildet. Ich schlage als Landesverweser Herrn von Kahr vor, als Ministerpräsident Pöhner. Die Regierung der Novemberverbrecher in Berlin wird für abgesetzt erklärt. Ebert wird für abgesetzt erklärt. Eine neue deutsche Nationalregierung wird in Bayern hier in München heute noch ernannt. Eine deutsche Nationalarmee wird sofort gebildet. Ich schlage vor, bis zum Ende der Abrechnung mit den Verbrechern, die Deutschland tief zugrunde richteten, übernehme die Leitung der Politik der provisorischen Nationalregierung ich. Ludendorff übernimmt die Leitung der deutschen Nationalarmee, Lossow wird Reichswehrminister, Seisser Reichspolizeiminister. Die Aufgabe der provisorischen Regierung ist, mit der ganzen Kraft dieses Landes und mit der herbeigezogenen Kraft aller deutschen Gaue den Vormarsch anzutreten in das Sündenbabel Berlin. Ich frage Sie nun – draußen sind drei Männer, Kahr, Lossow und Seisser, bitter schwer wird ihnen der Entschluß – sind Sie einverstanden mit dieser Lösung der deutschen Frage? Sie sehen, was uns führt, ist nicht Eigendünkel und Eigennutzen, sondern den Kampf wollen wir aufnehmen in zwölfter Stunde für unser deutsches Vaterland, aufbauen wollen wir einen Bundesstaat föderativer Art, in dem Bayern das erhält, was ihm gebührt. Der Morgen findet entweder in Deutschland eine nationale Regierung oder uns tot ...«

Der nächste Morgen findet das vollkommene Chaos und Herrn Hitler springlebendig. Es ist der erste Schwur, den Hitler bricht, wenn er die sich ihm bietende Chance des Heldentods neidlos anderen überläßt ...

Gott und der Putsch

Nach Hitler spricht der General Ludendorff: »Ergriffen von der Größe des Augenblicks und überrascht stelle ich mich kraft eigenen Rechtes der deutschen Nationalregierung zur Verfügung ... Es geht heute um das Ganze ... Diese Stunde bedeutet den Wendepunkt in unserer Geschichte ... Gehen wir mit dem übrigen Volk an unsere Arbeit. Wenn wir reinen Herzens diese Arbeit tun – deutsche Männer, ich zweifle nicht daran – wird Gottes Segen mit uns sein, den wir herabflehen auf diese Stunde. Ohne Gottes Segen geschieht nichts. Ich bin überzeugt und zweifle nicht daran: der Herrgott im Himmel, wenn er sieht, daß endlich wieder deutsche Männer da sind, wird mit uns sein.«

Herr von Kahr: »In des Vaterlandes schwerster Not übernehme ich die Geschicke Bayerns als Statthalter der Monarchie, die vor fünf Jahren von frevelnden Händen zerschlagen worden ist ...«

Pöhner, Lossow, Seisser, sie alle erteilen der nationalen Revolution ihre Billigung, bemühen den deutschen Herrgott und triefen von Edelmut und Vaterlandsliebe.

Oberstleutnant Kriebel gibt Befehl, die Minister des Kabinetts Knilling, die sich ebenfalls die Rede Kahrs anhören wollten, in Ehrenhaft zu nehmen. Sie werden – der Ministerpräsident an der Spitze – in der Villa des Verlagsbuchhändlers Lehmann interniert.

Inzwischen ist es den Revolutionären gelungen, die Infanterieschule zum Mitgehen zu bewegen. Einer von Hitlers Emissären hat die in diesem Institut zur Ausbildung weilenden Reichswehroffiziere und -fähnriche, die schon seit Monaten im Sinne des Putschs bearbeitet worden sind, dazu gebracht, mit Hakenkreuzfahnen und voller Bewaffnung vor den Bürgerbräukeller zu ziehen, wo Ludendorff ihre Front abschreitet. Dort finden sich auch der Bund »Oberland« unter Führung Dr. Webers und die »Reichskriegsflagge« mit Hauptmann Röhm an der Spitze ein, der immer noch aktiver Offizier der Reichswehr ist. Außerdem hat Hitler die nationalsozialistischen Sturmabteilungen Münchens mobilisiert ...

Revolutionäre Gentlemantaktik

Was geschieht nun? Wird Hitler die drei verdächtig zaudernden Bundesgenossen Kahr, Lossow und Seisser unter Beobachtung stellen, verhindern, daß sie miteinander in Verbindung treten und seine Maßnahmen sabotieren können? Keineswegs: der Revolutionär Hitler ist vertrauensselig wie ein Kind. Er glaubt den drei Männern aufs Wort, daß die Sache der nationalen Revolution auch die ihre sei. Vergessen sind Kahrs separatistische Neigungen, vergessen Lossows unentschlossener Ehrgeiz, vergessen die bedrohliche Informationsreise des Polizeiobersten von Seisser nach Berlin. Sie haben sich auf den Boden der Revolution gestellt, und damit ist Hitler vollauf beruhigt.

Ein schüchterner Versuch noch, Herrn von Kahr sofort festzulegen, mit ihm die notwendigen Regierungsmaßnahmen zu besprechen. Aber Herr von Kahr ist müde, er will schlafen gehen, der Abend im Bierkeller hat ihn angegriffen, er braucht seine Ruhe, und Hitler gönnt sie ihm: »Dazu ist morgen früh ja auch noch Zeit.« – »Jawohl, Exzellenz, selbstverständlich.«

Und während Hitler in wildes Regieren gerät, gehen die Triumvirn der bayerischen Exekutive ihrer Wege und wissen die Zeit zu nutzen, die Hitlers Gutmütigkeit ihnen gelassen hat.

Es kommt ganz anders

Einer der wichtigsten Programmpunkte der nationalen Revolution war die sofortige Besetzung des Hauptbahnhofs, damit die »devisenschwere Judenschaft nicht die letzten Nachtschnellzüge nach Berlin zur Flucht benutzt«. Die revolutionären Truppen finden den Hauptbahnhof von Landespolizei besetzt, die sich kategorisch weigert, den Platz zu räumen. Genau das gleiche bei dem Haupttelegraphenamt. Hitler und der militärische Leiter des Unternehmens, Oberstleutnant Kriebel, geben die Anweisung, das Generalstaatskommissariat zu besetzen. Die nationalsozialistischen Truppen stoßen dort auf Landespolizei. Der Führer der Gruppe Oberländer wird stutzig, erkundigt sich, ob er die Landespolizei mit Waffengewalt entfernen soll, Ludendorff zieht den Befehl zur Besetzung des Generalstaatskommissariats zurück. Einzig die Wegnahme des Wehrkreiskommandos gelingt dem Hauptmann Röhm und seinen Leuten. Er setzt ein paar Offiziere und Soldaten vorsichtshalber in Schutzhaft, aber der Befehlshaber Lossow ist nicht da.

Der hat sich inzwischen mit den ihm unterstellten Generälen in Verbindung gesetzt, befohlen, die Kasernen von bewaffneten Nationalsozialisten zu säubern und jeden Versuch, sich der Kasernen zu bemächtigen, mit Waffengewalt zu verhindern. Eine Gruppe Oberländer wird in der Pionierkaserne entwaffnet.

Spiel hinter den Kulissen

Die revolutionäre Kampfleitung tagt immer noch im Bürgerbräukeller. Langsam beginnt den Herren der Ernst der Situation klar zu werden. Man will Kahr sprechen. Kahr ist nicht zu Hause. Seisser – Seisser ist in einer Reichswehrkaserne. Lossow – Lossow ist ebenfalls dort. Schließlich erfährt man, daß auch Herr von Kahr sich unter die Obhut der Reichswehrtruppen begeben hat. Man schickt einen Parlamentär zu Lossow in die Kaserne. Der Parlamentär wird in Schutzhaft genommen. Man schickt einen zweiten, einen dritten – keiner kommt zu Hitler zurück.

Hier ist es, wo der Oberstleutnant Kriebel jene denkwürdigen Worte spricht: »Gebts nur a Ruah, 's wird scho werden. Bei der Nacht dauert's halt lang.«

Die deutscheste Revolution.

Es ist schwer festzustellen, was in diesen wenigen Stunden hinter den Kulissen vorgegangen ist. Man weiß nur, daß kurz nach der Bürgerbräuversammlung Kahr ein Gespräch mit dem Kultusminister Matt führt, der der Verhaftung der übrigen Minister des Kabinetts Knilling entgangen ist, weil er nicht in den Bürgerbräukeller gekommen war. Matt ist der Vertrauensmann der Bayerischen Volkspartei im Kabinett Knilling. Was Matt sagt, könnte ebensogut Herr von Faulhaber gesagt haben. Oder Rupprecht von Wittelsbach ...

Gegen halb elf ist die Versammlung im Bürgerbräukeller zu Ende. Erst um 2 Uhr 50 Minuten nachts geht ein Funkspruch hinaus: »Kahr, Lossow, Seisser lehnen Hitlerputsch ab, mit Waffengewalt erpreßte Stellungnahme im Bürgerbräukeller ungültig, Vorsicht gegen Mißbrauch obiger Namen geboten.«

Vier Stunden haben die Herren gebraucht, ehe sie mit dieser Verlautbarung an die Öffentlichkeit treten. Vier Stunden, innerhalb deren einige Telephongespräche geführt worden sind. Nichts weiter. »Seine Majestät« hatte sich am Tage vor Ausbruch des Putsches auf sein Schloß in Berchtesgaden zurückgezogen ...

Zwei Stunden nach diesem Funkspruch klärt ein zweiter die Lage vollends: »Kasernen und wichtigste Gebäude sind in unserer Hand, Reichswehr und Landespolizeiverstärkungen im Anmarsch. Stadt ruhig.«

Verpaßte Gelegenheiten

Von Seiten der Revolutionäre geschieht nichts. Oder doch: nationalsozialistische Haufen beginnen das Gebäude der sozialdemokratischen »Münchener Post« zu demolieren und verprügeln Passanten in den Villenvierteln, deren Aussehen sie für jüdisch halten. Aber Lossow kann in aller Ruhe Truppen zusammenziehen, kann mit den Generälen Ruith, Danner und Kreß über die Wegnahme des Wehrkreiskommandos konferieren, und ehe der Morgen graut, ist der Spuk einer Deutschen Revolution verflogen. Die Reichsdiktatur Hitler-Ludendorff hat etwa fünf Stunden bestanden. Der Morgen des 9. November findet lediglich eine Handvoll Mißvergnügter, die in unendlicher Langmut immer noch einmal versuchen, die drei Abtrünnigen für die Revolution zu gewinnen.

Hitler versucht zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Alle wichtigen Punkte der Stadt sind von Reichswehr und Landespolizei besetzt, über deren wahre Absichten nach den Ereignissen der Nacht nicht der geringste Zweifel bestehen kann. Kampf wäre das einzige Mittel, das noch angewendet werden könnte. Aber – die Führer der Deutschen Revolution sind rettungslos mit den feindlichen Führern verfilzt, Sentimentalitäten werden wach: auch auf der Gegenseite stehen alte Soldaten, die ihr Vaterland lieben, und mit denen man vier Jahre lang »Schulter an Schulter« im Felde gekämpft hat.

Die ideologische Bindung an die herrschende Klasse macht sich geltend und bringt den Putschversuch zum Scheitern. Ein bedeutsames Symbol für alles, was fortan in der NSDAP geschieht.

Und Hitler? Hitler, der Agitator, der Mann der Massenversammlungen, der sich zum Diktator proklamiert hat, weiß keinen anderen Rat als den: »Ich fuhr noch einmal zum Bürgerbräukeller, um dort verschiedene Leute zu instruieren. Sie sollten Reden halten und die öffentliche Meinung nochmals in großem Maß für uns gewinnen ...«

Volksreden statt Revolution

Reden halten! Reden! Deklamationen statt Schüsse, Demagogenkunststückchen statt Maßnahmen: Hitler gibt der Revolution sein urpersönliches Gepräge.

Die von Hitler bereits vor Tagen befohlene Alarmierung der nationalsozialistischen Sturmabteilungen in Regensburg wird von der Reichswehr verhindert. Das Sturmbataillon Landshut, unter Führung des Apothekers Gregor Strasser, trifft in München erst ein, nachdem alles lange vorbei ist.

Das Revolutionskomitee sieht nur noch eine einzige Chance: man veranstaltet einen Demonstrationszug! Reichswehr hält die Isarbrücken besetzt, an allen wichtigen Straßenkreuzungen der Stadt stehen Polizeiabteilungen mit Karabiner und Handgranaten. Wohlmeinende machen Hitler und Ludendorff darauf aufmerksam, daß diese Soldaten und Polizisten vielleicht schießen könnten. Aber die tröstliche Gewißheit »Reichswehr schießt nicht auf Nationalsozialisten« ist so stark, daß Ludendorff dekretiert: »Wir marschieren!«

Und so marschieren sie denn. So versuchen sie eine Revolution durch einen Demonstrationszug zu entscheiden, bei dem die bewaffneten Männer mit umgehängtem Gewehr am Ende des Zuges spazieren gehen. Man bummelt durch die Stadt und zeigt sich der erstaunten Menge. Am Marktplatz wird Hurra! geschrien, und Hitler richtet sein gedrücktes Gemüt auf an dieser spontanen Kundgebung, die unter den obwaltenden Umständen freilich nicht den geringsten praktischen Wert hat: an der Feldherrnhalle sperrt den Weg eine Abteilung Landespolizisten.

Blut an der Feldherrnhalle

Eine Gewehrsalve. Schüsse. Geschrei.

Die Hakenkreuzfahne sinkt. Dreißig Männer wälzen sich getroffen auf dem Boden.

Der Zug gerät in Verwirrung, stockt, läuft auseinander.

Nur Ludendorff marschiert weiter, mutterseelenallein, bis die Mauer der Feldherrnhalle ihm Einhalt gebietet. Um ihn leere Luft.

Hitler liegt irgendwo hinten auf dem Bauch. Er ist nicht tot, ist nicht einmal verwundet. Der alte deutsche Gott hat ihn für größere Aufgaben aufgespart. Hitler liegt auf dem Bauch, aber er hat sich keineswegs selber hingeworfen, als die Salve krachte: er legt Wert auf die Feststellung, daß der neben ihm marschierende Dr. von Scheubner-Richter – das tödliche Blei im Leibe – sich an ihn geklammert und ihn mit zu Boden gerissen habe.

Hilfreiche Parteigenossen ziehen den geliebten Führer aus der Feuerlinie, setzen ihn in ein Auto und bringen ihn in Sicherheit, während achtzehn Tote auf dem Pflaster liegen. Eine Handvoll Polizisten unter Führung eines jungen Oberleutnants, eine Gewehrsalve, eine einzige – das genügt, um den revolutionären Elan der Hunderttausende zu brechen, die Hitler hinter sich glaubt. Nie wurde eine Revolution schneller niedergeschlagen ...

Das Satyrspiel nach der Tragödie: am Nachmittag des 9. November schickt Herr von Kahr ein höfliches Telegramm an den Generalobersten von Seeckt. Man danke schön für das freundliche Anerbieten, der bayerischen Regierung Reichswehrtruppen zu Hilfe zu schicken. Das sei nicht mehr notwendig, man wäre der kleinen Unstimmigkeit im nationalen Lager bereits Herr geworden.

Die Ringkämpfer reichen sich die Hand

Man arrangiert sich.

Außer jenen achtzehn Toten bleibt auf der Strecke der Traum einer Donaumonarchie unter Wittelsbachs Führung und des Vatikans väterlicher Fürsorge. Zita und Erzherzog Josef, Monsieur Dard und der Hauptmann Migliorati haben sich umsonst bemüht: der Weg für die scharf nach rechts gesteuerte republikanische Politik ist frei.

Das Match ist aus. Die Ringkämpfer reichen sich die Hand.

Nur Adolf Hitler, der großdeutsche Diktator, weiß noch immer nicht, warum seine schöne Revolution in Bruch gegangen ist. Drei Tage gelingt es ihm, sich in dem kleinen oberbayerischen Nest Uffing versteckt zu halten. Dann wird er verhaftet und nach der Festung Landsberg in Untersuchungshaft gebracht. Mit ihm hat man – teilweise noch in der Nacht vom 8. zum 9. November – einige seiner Helfershelfer inhaftiert.

So peinlich jedermann die Sache ist – man muß schon den Hochverrätern den Prozeß machen. Aber eine geschickte Regie sorgt dafür, daß dieser Prozeß nicht allzu peinlich für die Herren Kahr, Lossow und Seisser wird, und daß man den Herren Angeklagten nicht wehe tun kann.

Gute Regie

Der »Hitler-Ludendorff-Prozeß« findet nicht vor dem Reichsgericht statt, sondern vor dem Volksgericht in München. Dieses Volksgericht ist eine Einrichtung der Rätezeit, deren sich dann der weiße Terror gern bediente, um unqualifizierbare Bluturteile, gegen die es keine Berufungsmöglichkeit gibt, durchzudrücken. Wie alles, was jemals in Deutschland zum Schutz der »revolutionären Errungenschaften« unternommen worden ist, richtet sich auch die Einrichtung des Volksgerichts ausschließlich gegen links. Am 1. April 1924 sollen die Volksgerichte endlich nach einem langwierigen parlamentarischen Kampf aufgehoben werden. Man muß unter allen Umständen den Prozeß also vorher noch unter Dach und Fach bringen. Nach einer vorsichtig geführten Voruntersuchung, die an der Peripherie der Dinge herumtastet, und die immer gerade dann abgebogen wird, wenn man an die wahren Hintergründe dieses politischen Puppenspiels herankommt, wird der Prozeß gegen Hitler und Genossen wegen Hochverrats am 26. Februar 1924 vor dem Volksgericht München eröffnet.

Kurz vor dem Beginn des Prozesses wird plötzlich der Landgerichtsdirektor, der eigentlich den Prozeß hätte leiten müssen, befördert. Man übergibt den Vorsitz einem anderen Herrn, dessen innige Beziehungen zu klerikalen Kreisen Stadtgespräch sind ...

In einem nationalsozialistischen Verlag ist ein anonymer stenographischer Bericht über den Prozeß erschienen, der also anhebt: »Das Haus ist bis auf den letzten Platz gefüllt. In den vorderen Reihen des Parketts sitzen die fremden Kritiker und spitzen den Bleistift, um den Lesern der Morgenblätter in Paris, London, Neuyork über das neueste deutsche Drama berichten zu können. In der Diplomatenloge erblickt man die Vertreter der hohen Alliierten. Das Orchester spielt eine leise, klagende Weise ...«

Leo Lania, der dem Prozeß als Berichterstatter beigewohnt hat, schildert den Beginn dieses deutschen Dramas freilich etwas weniger lyrisch. Aber er ist sich mit jenem nationalsozialistischen Schreiber darin durchaus einig, daß hier Theater gespielt wird:

Forensisches Theater

»Die Verhandlung selbst wurde durch einen wirksamen Prolog eingeleitet. Am Tage vor dem Prozeßbeginn ward München durch fernes Gewehrfeuer aus seiner behäbigen Ruhe geweckt. Die Regierung wollte auf diese Weise den unbotmäßigen Nationalsozialisten zu verstehen geben, daß es für sie nicht ratsam war, irgendwelche Abenteuer zu suchen, und daß mit der Reichswehr nicht gut Kirschen zu essen wäre. Dieses Scharfschießen der Landespolizei in Oberwiesenfeld, ein Probealarm der Schutzmannschaften und Gendarmen, Konzentrierung zuverlässiger Pfälzer Reichswehrformationen in und um München, Absperrung des gesamten Stadtteiles, in dem die als Gerichtsgebäude ausersehene ehemalige Kriegsschule gelegen ist, durch bis an die Zähne bewaffnete Reichswehrpatrouillen, durch spanische Reiter und Drahtverhaue – das war der Auftakt. Der Vorhang hob sich. Die Bühne stellte dar:

»Den Speisesaal der Infanterieschule. Er sieht wie ein Lehrsaal aus ... Der erste Eindruck: hier wird kein hochnotpeinliches Gericht gehalten, eine geschlossene Versammlung diskutiert lediglich einige ernste politische Fragen. Es geht dabei sehr gesittet, sehr akademisch zu. Jede unnötige Schärfe wird vermieden. Als Männer von Welt und Rang ist man bestrebt, dem Gegner – auch wenn man durchaus nicht seiner Meinung ist – Recht und Gerechtigkeit in vollstem Umfang widerfahren zu lassen, und wahrt peinlich die Formen des gesellschaftlichen Umgangs ... Man ist ganz unter sich, keine Schranken, die in dem Angeklagten das bittere Gefühl erwecken könnten, hier nicht für voll genommen, als ein Bemakelter angesehen zu werden. Gerichtsverhandlung? Nein, eher ein Seminar über Hochverrat.«

Dramatis personae

Die Angeklagten? Außer Hitler und Ludendorff sind angeklagt der Oberlandesgerichtsrat Pöhner, den man für den Posten eines bayerischen Ministerpräsidenten ausersehen hat; der Oberamtmann in der Polizeidirektion München, Dr. Frick, den man zum Polizeipräsidenten hat machen wollen; Dr. Friedrich Weber, der Schwiegersohn des bekannten alldeutschen Verlegers Lehmann, der als Führer des »Bundes Oberland« den Putsch unterstützt hat, der Hauptmann Röhm, als Führer der »Reichskriegsflagge«, und der Oberleutnant Brückner als Kommandant des nationalsozialistischen »Regiments München«; der Leutnant Wagner, der die Alarmierung der Infanterieschule veranlaßt hat, und der Oberstleutnant a. D. Kriebel, der geständig ist, die militärische Oberleitung über die Putschtruppen innegehabt zu haben. Außerdem ist Ludendorffs Stiefsohn, ein Oberleutnant a. D. Pernet, angeklagt, weil er am Morgen des 9. November bei zwei Großbetrieben Gelder für die Revolutionstruppen beschlagnahmt hat.

Man läßt schon durch die Zusammensetzung der Anklagebank erkennen, daß man weder gewillt ist, jenen Hochverrat in die Untersuchung einzubeziehen, den der bayerische Generalstaatskommissar Gustav von Kahr drei Jahre lang gegen das Reich geübt hat, noch denjenigen, den der General von Lossow beging, als er die bayerische Reichswehrdivision der Befehlsgewalt des Reiches entzog.

Und die Verteidigung der Angeklagten – so hysterisch sie auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit aufschreit oder mit warmem Timbre Edelmut und Heldenhaftigkeit ihrer Klienten preist – auch sie billigt durch bereitwilliges Eingehen auf alle Wünsche nach Ausschluß der Öffentlichkeit jenes Gentlemenagreement, das hinter den Kulissen geschlossen worden ist.

So bleibt nichts, als über die gigantischste Farce zu berichten, die jemals in einem Gerichtssaal der deutschen republikanischen Justiz gespielt worden ist.

Sinngebung von nachhinein

Man gibt dem Angeklagten Hitler Gelegenheit, sich in vierstündiger Rede über die Motive zu äußern, die ihn zu der Revolution im Bürgerbräukeller getrieben haben. Man hört einen fanatisierten Kleinbürger immer und immer wieder die alten Phrasen wiederholen, in denen sich seine Agitation seit drei Jahren erschöpft hat.

Hitler hält heute noch – im Jahre 1931 – seine Reden vor dem Münchener Volksgericht für ganz besonders glückliche Eingebungen seines politischen Daimonions. Diese Genieblitze bestehen in Plattitüden wie den folgenden: »Die marxistische Bewegung ist die Lebensfrage der deutschen Nation. Ich verstehe unter Marxismus eine Lehre, die prinzipiell den Wert der Persönlichkeit ablehnt, die an Stelle der Energie die Masse setzt und damit zerstörend auf das Fundament des gesamten Kulturlebens wirkt.« Und diese erstaunliche Erkenntnis vom Wesen des Marxismus befähigt den Revolutionär zu folgenden politischen Vorträgen: »Die Zukunft Deutschlands heißt Vernichtung des Marxismus. Entweder gedeiht diese Rassentuberkulose, dann stirbt Deutschland ab, oder sie wird ausgeschieden aus dem Volkskörper, dann wird Deutschland gedeihen ... Für uns war die Revolution ein gemeines Verbrechen am deutschen Volke, ein Dolchstoß in den Rücken der deutschen Armee. Es galt, einen neuen Kampf zu entfachen und zu schüren gegen die marxistischen Volksverderber, die nicht einmal der deutschen Rasse angehören, wodurch sich das marxistische Problem verknüpft mit dem Rassenproblem und zur schwersten und tiefsten Frage der Zeit geworden ist ... Wir waren uns klar, daß wir nicht mit den alten Methoden des Winselns und Flehens auskommen konnten. Eine Regierung kann eine geistige Bewegung nicht schützen. Daher entschlossen wir uns zu dem Grundsatz: Für den, der willens ist, mit geistigen Waffen zu kämpfen, haben wir den Geist, für den anderen die Faust.«

Der chauvinistische Kleinbürger

Eines ist zu beachten: in allen den langatmigen Reden Hitlers vorm Volksgericht fehlt die soziale Fiktion. Es ist vor diesem Forum nicht nötig, sich zu maskieren. Wenn man dem Bürgertum schon Vorwürfe machen will, dann darf man höchstens seinen geringen nationalen Angriffswillen bedauern. Darum hört das Volksgericht nicht einen sozial angehauchten Kleinbürger, sondern einen kleinbürgerlichen Chauvinisten, der auf Gedeih und Verderb mit der Reaktion verfilzt ist.

Im letzten Grunde ist dieser Prozeß wirklich eine Tragödie: der junge Parteiführer hat noch nicht gelernt, die wahren Interessen des Kapitalismus in ihrer Gesamtheit zu übersehen, und darum muß er scheitern, darum weiß er jetzt nichts Besseres zu tun, als den »Verrat« der Kahr, Lossow und Seisser wortreich zu bejammern: »Tatsache war eines: Kahr, Lossow und Seisser haben dasselbe Ziel gehabt wie wir, nämlich die Reichsregierung zu beseitigen in ihrer heutigen internationalen und parlamentarischen Einstellung, und an ihre Stelle eine antiparlamentarische Regierung zu setzen. Wenn tatsächlich unser ganzes Unternehmen Hochverrat gewesen wäre, dann müßten Lossow, Seisser und Kahr die ganze Zeit mit uns Hochverrat getrieben haben, da diese ganzen Monate nichts anderes gesprochen wurde als das, wofür wir jetzt auf der Anklagebank sitzen.«

Die Katze und der heiße Brei

Und so wird in diesem Prozeß wochenlang darüber verhandelt, ob die drei Herren wirklich dasselbe Ziel wie die Angeklagten verfolgt hätten. Eine Frage, die für die Strafbarkeit der Revolutionäre an sich gleichgültig wäre. Aber da niemand den Inhabern der bayerischen Exekutive Hochverrat gegen das Reich vorwerfen darf, da niemand Interesse daran hat, die Rolle Wittelsbachs und des Vatikans in diesem Prozeß aufzuzeigen, darum entstehen unendliche Redeschlachten, in denen immer um die Sache herumgeredet wird.

Hitler deklamiert: »Ich fühle mich als bester Deutscher, der das Beste für das deutsche Volk gewollt hat.«

Vorsitzender: »Wie haben Sie sich den Fortgang der Revolution gedacht?«

Hitler: »Zunächst war die Möglichkeit einer völligen Sanierung Bayerns gegeben. Dann war sicher, daß in dem Augenblick eine ungeheure nationale Welle in Deutschland ausgelöst wurde. Weiter konnte man die großen wirtschaftlichen Reformen nur durchführen, wenn an einer Stelle hierfür eine staatliche Keimzelle vorhanden war. Und endlich mußte die auch in Berlin bevorstehende Entwicklung dadurch mächtig gefördert werden. Die Absetzung Eberts mußte Norddeutschland zwingen, sich die Frage vorzulegen: Sollen wir gegen München kämpfen, damit Ebert gehalten wird? Dazu ist die Persönlichkeit Seiner Hoheit doch nicht bedeutend genug. Man hätte also Ebert gehen lassen.«

Und damit wäre das Ziel der Deutschen Revolution restlos erreicht worden. Man sieht: eine kleine Personalfrage, nichts weiter. Man hätte Ebert gehen lassen, um nicht gegen München kämpfen zu müssen. Politik auf der Bierbank, Revolution im Bierkeller ... Unter den zehn Angeklagten sind zwei, deren Format groß genug ist, daß man ihnen die Rolle zutrauen kann, die sie in der Diktatur spielen wollten: der General Ludendorff und der Oberlandesgerichtsrat Pöhner.

Ultramontanismus

Ludendorff, stur, preußisch, verbissen, unbedingt, ist der einzige, der es in seiner Erklärung zur Sache wagt, die Hintergründe des Prozesses zu beleuchten. Er erinnert an die separatistischen Bestrebungen des Bauernführers Heim und kommt schließlich zu so unangenehmen Schlußfolgerungen wie diesen: »Und nun muß ich mich einer Frage zuwenden, die zu berühren mir ungemein schwer wird. Ich weiß, daß nur die Einigung der Konfessionen uns wieder vorwärtsbringen kann, für mich sind die Konfessionen gleich ... Die Schaffung eines machtlosen Deutschlands nach der Zerstückelung Preußens war der Ausfluß ultramontaner Politik, wie sie bei der Reichsgründung und dann während des Weltkrieges in Erscheinung trat ... Als Realpolitiker komme ich zu diesen Erwägungen, indem ich die unabänderlichen Tatsachen nehme, wie sie sind. In dem Kampf Deutschlands war der Vatikan nicht neutral, sondern deutschfeindlich. Der Papst hat sich gegen die Sabotage an Rhein und Ruhr gewandt. Außerdem war besonders auffallend die steigende Inschutznahme der Juden durch den hohen Klerus.«

Und diplomatisch pirscht sich Ludendorff nach dieser beunruhigenden Einleitung an die Hochverratspläne der Patrioten heran und weist nach, daß die drei Herren bis kurz vor dem 8. November einverstanden waren mit dem, was Hitler und Ludendorff wollten. »Ich hatte den Eindruck, als ob Lossow bei mir Deckung suchen wollte. Ich sagte ihm meine loyale Mitarbeit zu. Ich glaubte, die Meuterei, die er begangen hatte, sollte geadelt werden durch eine deutsche Tat ... Diese Beteiligung der bayerischen Staatsgewalt war maßgebend für meine Teilnahme an der ganzen Sache.«

Ludendorf entgleist

Der Angeklagte Ludendorff hat sich zu weit vorgewagt. Peinliches Schweigen herrscht im Saal nach diesen Offenherzigkeiten. Ludendorff hat das ungeschriebene Gesetz verletzt, das an dieser Stelle mehr Gewicht hat als alle Paragraphen des deutschen Strafgesetzbuchs: vom Thema darf nicht gesprochen werden!

Das tut nun der Oberlandesgerichtsrat Pöhner nicht. Ein vorsichtiger, ironischer Herr, in dessen Händen viele der Fäden zusammenliefen, an deren Ende die Marionetten des süddeutschen Patriotismus tanzten. Ein Mann, der Jahre hindurch Kahrs Vertrauter gewesen ist, ehe er mit ihm in schwerwiegende Differenzen geriet. Trotzdem hat er seit dem September 1923 wieder mit dem Generalstaatskommissar zusammengearbeitet, und zwar wieder auf die Initiative jener »autoritativsten Seite« hin, die in diesem Prozeß der unausgesprochenen Dinge eine so große Rolle spielte. Pöhner macht aus seiner Überzeugung kein Hehl, er verdunkelt sein reaktionäres Wollen nicht mit patriotischen oder sozialen Phrasen: »Ich mache kein Hehl aus meiner gesamten Einstellung. Wenn das, was Sie mir da vorwerfen, Hochverrat ist – das Geschäft betreibe ich schon seit fünf Jahren!«

Das Prozeßprotokoll verzeichnet an dieser Stelle »Bewegung«. Einer der höchsten bayerischen Beamten, der jahrelang der Vertrauensmann der Staatsregierung gewesen ist, bezichtigt sich selbst des Hochverrats – ein Vorwurf, der also auch für seine Auftraggeber zutreffen muß. Aber die Aufhellung dieser dunklen Zusammenhänge muß unter allen Umständen verhindert werden. Der bayerische Separatismus, die Direktoriumspläne des Herrn von Seeckt – das alles sind Dinge, die gemeinhin unter den Begriff »Hochverrat« hätten fallen müssen. Das Münchener Volksgericht hat keinerlei Neigung, sich an diesen Dingen die Finger zu verbrennen.

Die dunklen Zusammenhänge

Einmal noch versucht ein Verteidiger das Gericht über diese Zusammenhänge aufzuklären: »Die Staatsanwaltschaft und das Gericht erkennen offenbar die Zusammenhänge nicht, die zwischen der Aktion in München und zwischen der in Norddeutschland vorbereiteten großen Aktion bestanden haben. So oft hier die Rede auf den Justizrat Claß kommt, hüllen alle Zeugen sich in Schweigen. Die Bewegung vom 8. November ist aber nur erklärlich, wenn man weiß, daß Herr von Kahr von Justizrat Claß seine festumrissenen Aufträge hatte. Die Herren Seeckt und Claß müssen hier vernommen werden über das, was in Norddeutschland geplant war, und wozu die Vorgänge in München am 8. und 9. November eben nur den Auftakt bilden sollten.«

Diesen Appell lehnt der Staatsanwalt mit einer einzigen Handbewegung ab: »Ich kann in diese dunklen Zusammenhänge nicht hineinsehen.«

Er darf es auch nicht, denn sonst würde vor diesem Forum die Tragödie der deutschen Republik aufgerollt werden müssen, die während des Jahres 1923 von ihren berufenen Führern an das Kapital und die Schwerindustrie verraten und verkauft worden ist ...

Eine der kläglichsten Rollen spielt in diesem Prozeß der Oberamtmann Dr. Frick, ein kleiner Beamter der bayerischen Schule. Wenn man seine Aussagen liest, hat man den Eindruck einer ungewöhnlichen Ahnungslosigkeit oder einer ungewöhnlichen Furcht vor der Verantwortung. Aber alle die jämmerlichen faulen Ausreden, die diesem subalternen Beamten in so überreichem Maße zu Gebote stehen, können nicht hindern, daß der Mann die Hoffnung der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei wird, die in dem Verwaltungsfachmann ein diktatorisches Genie sieht und ihm später im Freistaat Thüringen die Liquidierung des Parlamentarismus überträgt.

Kahr oder das Schweigen im Walde

Die Herren Kahr, Lossow und Seisser haben in diesem Prozeß einen schweren Stand. Aber die bayerische Regierung hat dafür gesorgt, daß man sie nicht allzu scharf ins Verhör nehmen kann. Man hat dem Generalstaatskommissar Gustav von Kahr nur eine beschränkte Aussagegenehmigung erteilt. Er darf sich nur über die unmittelbaren Vorgänge äußern, die zum Putsch im Bierkeller geführt haben. Bei allen Fragen, die die politischen Hintergründe des Münchener Aktivismus streifen, kann er sich hinter das Schweigegebot seiner Regierung zurückziehen. Außerdem hat man den Inhabern der bayerischen Exekutivgewalt Gelegenheit gegeben, die Anklageschrift einzusehen, so daß sie sich auf eine bestimmte Linie in ihren Aussagen haben einigen können. Die Bekundungen Kahrs und Lossows stimmen in vielen Punkten wörtlich überein.

Maßstäbe für das Mögliche

Der General von Lossow, ein Mann, der merkwürdigerweise Wert auf die Rolle eines »unpolitischen« Militärs legt, ist der einzige, der es unternimmt, den Nationalsozialismus und die Rolle Hitlers auf das ihnen gebührende Maß zurückzuschrauben. In seinen wohlüberlegten, formal nicht unbeachtlichen Ausführungen versetzt er dem Volkstribunen einige ironische Seitenhiebe: »Der Unterschied in der Auffassung von Hitler und mir besteht darin: ich war für das Direktorium, Hitler für eine Reichsdiktatur Hitler-Ludendorff in Bayern. Die Darstellung, die Herr Hitler von unseren damaligen Besprechungen gegeben hat, ist zu einem recht großen Teil unrichtig. Geredet hat Herr Hitler, ich habe sehr selten Fragen an ihn gerichtet. Ich betonte ja schon, daß es umsonst ist, Einwendungen zu machen. Es ist bedauerlich, aber es ist eben so. Herr Hitler läßt sich auf Einwendungen nicht ein. Er ist der Berufene, und die anderen haben zu akzeptieren, was er sagt ... Die bekannte, hinreißende, suggestive Beredsamkeit des Herrn Hitler hat auf mich anfangs einen großen Eindruck gemacht. Je öfter ich aber Hitler hörte, desto mehr schwächte sich dieser Eindruck ab. Ich erkannte, daß die langen Reden doch immer das gleiche enthielten, daß ein Teil der Ausführungen für jeden national eingestellten Deutschen selbstverständlich ist, daß ein anderer Teil davon Zeugnis ablegt, daß Hitler der Wirklichkeitssinn, der Maßstab für das, was möglich und erreichbar ist, abgeht ... Herr Hitler hat hier gesagt, daß ich einmal sehr bedrückt gewesen sei bei einem Besuch, den er mir machte. Das ist natürlich sein Eindruck. Ich darf aber hier darauf hinweisen, daß man auch einen anderen Eindruck haben konnte. Nämlich den, daß die Geduld des Generals von Lossow, der diese Ausführungen schon sehr oft gehört hatte, ziemlich erschöpft ist ...«

Ehrenmänner

Die wohlwollende Bonhomie, die manche hohen deutschen Militärs manchmal auszuzeichnen pflegt, verfliegt bei dem General Lossow, sobald er auf den Kleinbürger Hitler zu sprechen kommt, dessen parvenühaftes Protzentum ihm an die Nerven ging. Aber sonst sind die mit äußerster Spannung erwarteten Bekundungen der drei Hauptzeugen außerordentlich dürftig. Sie geben nichts Neues und stellen auch das Altbekannte so dar, als ob Kahr, Lossow und Seisser die eigentlichen Hüter des Reichsgedankens in Bayern gewesen seien und nichts getan hätten, was nicht mit den Plänen der »Herren aus dem Norden« übereingestimmt hätte.

So bleibt nichts, als festzustellen, daß fast 14 Tage lang immer wieder um die eine einzige Frage herumgeredet worden ist: haben Kahr, Lossow und Seisser tatsächlich »Komödie gespielt«, als sie im Bürgerbräukeller ihre Zustimmung zu der deutschen Revolution gaben, oder sind sie erst später von ihrer Bereitwilligkeit, die Revolution mitzumachen, durch andere Einflüsse abgebracht worden? Die drei Zeugen leugnen mit eiserner Stirn, jemals an einen »Marsch nach Berlin« gedacht zu haben; ihre Absicht sei lediglich gewesen, einen »Druck auf Berlin« auszuüben, und darunter hätten sie eine durchaus legale Maßnahme verstanden.

Und so geht der Prozeß aus wie das Hornberger Schießen. Nicht eine einzige der großen historischen Fragen wird gelöst. Und das Urteil läßt mit einer unsagbar dürftigen Begründung ebenfalls alles unentschieden.

Gewiß: die Angeklagten werden verurteilt. Hitler, Weber, Kriebel und Pöhner zu je fünf Jahren Festungshaft, Frick, Röhm, Brückner, Pernet und Wagner zu je einem Jahr und drei Monaten Festungshaft. Aber den letzten der fünf Angeklagten wird mit sofortiger Wirkung Bewährungsfrist zugebilligt, den übrigen nach Verbüßung von sechs Monaten Festungshaft Strafaussetzung in Aussicht gestellt. Ludendorff wird freigesprochen. Die Begründung dieses freisprechenden Urteils lautet wortwörtlich folgendermaßen:

Der unschuldige General

»Ludendorff nimmt eine gegensätzliche Stellung ein, nicht nur zu den Angeklagten, sondern auch zu Kahr, Lossow und Seisser. Seine im Bürgerbräukeller gebrauchte Redewendung, ›er handle kraft eigenen Rechts‹, bedeutet nach seiner eigenen Erklärung nichts anderes als eine Ablehnung der Gefolgschaft Hitlers. Die Mitangeklagten wußten zum großen Teil von der Kahrschen Direktoriumsidee überhaupt nichts, und soweit wie einigen von ihnen allenfalls bekannt war, lehnten sie diese ab. Auch Kahr, Lossow und Seisser wollten nicht ihre Idee zur Durchführung bringen, sondern sie gingen wirklich oder zum Schein auf die Hitlersche Idee ein. Hochverrat liegt also auf Seiten Ludendorffs nicht vor. Auch nicht Beihilfe. Seine Tätigkeit erfüllt überhaupt nicht den Tatbestand einer strafbaren Handlung. Mochte die Durchführung der Kahr-Idee, Druck auf den Reichspräsidenten zur Erzwingung der Einsetzung eines Direktoriums, den Tatbestand der Beamtennötigung erfüllen, so ist nicht einmal ein Anfang zur Durchführung dieser Idee gemacht worden.

Ludendorff war also freizusprechen.«

Aber auch Hitler will man nicht wehe tun. Die Begründung sagt von ihm folgendes:

»Hitler ist Deutschösterreicher. Er betrachtet sich als Deutscher. Auf einen Mann, der so deutsch denkt und fühlt wie Hitler, der freiwillig viereinhalb Jahre lang im deutschen Heere Kriegsdienst geleistet hat, der sich durch hervorragende Tapferkeit vor dem Feinde hohe Kriegsauszeichnungen erworben hat, verwundet und sonst an der Gesundheit beschädigt und vom Militär in die Kontrolle des Bezirkskommandos München I entlassen worden ist, kann nach Auffassung des Gerichts die Vorschrift des § 9, Abs. II des Republikschutzgesetzes ihrem Sinne und ihrer Zweckbestimmung nach keine Anwendung finden.«

Gaudi

Damit kein ernsthafter Ton die Komödie dieser Verhandlung störe, gleicht ihr Ausgang einem Schützenzug beim Münchener Oktoberfest. Der mehrfach zitierte nationalsozialistische Prozeßbericht endet mit folgenden Worten:

»In der Zwischenzeit hatten sich an den Absperrungsstellen der Einmündungsstraßen in die Blutenburgstraße ziemlich große Menschenmassen angestaut, die immer wieder in Heilrufe ausbrachen. Viele unter ihnen hatten Blumen bereit gehalten. Schließlich trieben berittene Schutzleute die Menschenmassen zurück und drängten sie in die Seitenstraßen ab. General Ludendorff verweilte bis gegen ¾12 Uhr im Gerichtsgebäude. Aus Sicherheitsgründen wollte die Polizeibehörde veranlassen, daß das Auto Ludendorffs, das am Hauptportal an der Blutenburgstraße wartete, von rückwärts aus den Hof des Gerichtsgebäudes verließ und es wurde sogar die Anordnung gegeben, das große Tor zum Auto Ludendorffs zu schließen. Dies geschah auch. General Ludendorff erklärte aber wiederholt kategorisch, daß er sein Auto im Hof nicht besteige. Nach einiger Zeit wurde ihm gestattet, von der Hauptfront des Gerichtsgebäudes wegzufahren. Beim Heraustreten aus dem Gerichtsgebäude war Ludendorff Gegenstand von Ovationen; aus den Fenstern der in der Blutenburgstraße liegenden Häuser wurde ihm lebhaft zugewunken. Die Heilrufe setzten sich fort, als das Auto Ludendorffs die Absperrungslinien durchfuhr. Auch Hitler, der sich einige Male auf dem Balkon zeigte, wurde mit Heilrufen begrüßt. Gegen 12 Uhr legte sich die Erregung in den Straßen allmählich. Einzelne Gruppen zogen, vaterländische Lieder singend, durch die Straßen der inneren Stadt zu.«

Und sechs Monate später sind alle Hochverräter wieder in Freiheit.


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