Friedrich v. Oppeln-Bronikowski
Schlüssel und Schwert
Friedrich v. Oppeln-Bronikowski

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24. Navarra oder Philipp?

Kaum waren die in dem päpstlichen Mahnschreiben festgesetzten sechzig Tage verstrichen, so endete König Heinrich sein unrühmliches Leben unter dem Dolche des Eiferers Jacques Clement. Dunkle Gerüchte von diesem Frevel drangen bald nach Rom, aber die Bestätigung blieb lange aus, denn in Südfrankreich war jede Verbindung unterbrochen. Erst Ende August erhielt Papst Sixtus die amtliche Nachricht durch einen Kurier Medicis. Seine Prophezeiung war in Erfüllung gegangen: wie Saul war der König von Frankreich geendet. Inmitten seines Heeres, im Begriff, Paris zurückzuerobern, war er von einem armen Mönche mit einem Stoß umgebracht worden. Wahrlich, das war Gottes Finger! Sixtus sprach es offen aus.

Der Weg zum Throne war nun für Navarra frei. Der erließ sofort eine Proklamation, worin er den Katholiken volle Glaubensfreiheit zusagte, und obwohl er Ketzer blieb, schlossen sich die Häupter des katholischen Adels ihm an. Diese Kunde rief im Vatikan neue Erregung hervor.

In Madrid war die Nachricht von dem Königsmorde nicht eher eingetroffen als in Rom. Philipps Freude war groß, aber nicht rein. Den Königsmord selbst verabscheute er, und so betrauerte man im Eskurial Heinrichs Tod, während man im Herzen frohlockte. Sofort wurden neue große Aushebungen befohlen und die spanischen Truppen in Flandern an der französischen Grenze zusammengezogen. Der Krieg gegen Frankreich war jetzt fest beschlossen.

Aber auch Papst Sixtus entschloß sich dazu. Siegte die Ketzerei in Frankreich, so griff sie auch nach West- und Süddeutschland, ja nach Italien über. Ein gemeinsamer Kriegsplan ward also entworfen. Von Norden her sollte Alexander Farnese, von Süden Philipps Heer, durch päpstliche Truppen verstärkt, zum Entsatz von Paris vorrücken und die bedrängten Glaubensbrüder befreien. Einstweilen sandte Sixtus den neuen Legaten Gaetani dorthin, um sie in Treue zu erhalten.

Diese neue Politik im Bunde mit Spanien und der Ligue behagte dem Papste nach allem, was er mit beiden erlebt hatte, zwar wenig, und er machte kein Hehl daraus, aber ihm blieb nur die Wahl zwischen Philipp und Navarra, und wie konnte er da schwanken? Um jedoch nicht wieder bloß als Gefolgsmann Spaniens aufzutreten und sich die Freiheit des Handelns zu wahren, unternahm er eigene Schritte, die der spanischen Politik zuwiderliefen. Er bemühte sich, die Katholiken, die sich Navarra angeschlossen hatten, ihm abspenstig zu machen und alle Rechtgläubigen unter einer Fahne zu vereinigen; das aber hieß die Ligue halb mattsetzen. Und dann schwebte ihm eine große katholische Union vor, für die er Toskana und Venedig gewinnen wollte, um ein Gegengewicht gegen Spanien zu schaffen und sich selbst zum Schiedsrichter zu machen.

Aber alle diese schönen Pläne fielen ins Wasser. Die katholischen Anhänger Navarras wollten nicht gemeinsame Sache mit den Rebellen der Ligue machen; vielmehr stellten sie dem Papste eine Sondergesandtschaft in Aussicht, um ihr Verhalten zu rechtfertigen. Toskana zeigte sich Spanien feindlich, und gar Venedig hatte die Keckheit gehabt, Navarra als König offen anzuerkennen. Es hatte seinen Botschafter zu ihm geschickt, und der alte Botschafter Heinrichs III. war in gleicher Eigenschaft nach Venedig zurückgekehrt und von der Signoria empfangen worden. So sehr hatte sich die venezianische Politik seit wenigen Monaten gewandelt.

Sixtus war entrüstet über dies Verhalten und erhob in Venedig drohende Vorstellungen. »Will die Republik von San Marco Navarras Freundschaft der unseren vorziehen?« fragte er Badoer. Und als der ihm erklärte, jener Empfang sei nur ein Akt internationaler Höflichkeit, der zu nichts verpflichte, redete er ihm väterlich ins Gewissen.

»Die Herren Venezianer«, sagte er, »haben Uns den Kopf recht heiß gemacht. Sonst gelten sie doch für kluge und vorsichtige Leute, die bedächtig handeln und die Zeit für sich arbeiten lassen. Wir entsinnen Uns eines Kupferstiches, auf dem die Graubärte der Signoria mit einer Brille auf der Nase dargestellt sind, wie sie dem Tun der anderen zusehen. Diesmal aber handeln sie mit Überstürzung; sie tun etwas, was kein anderer Fürst getan hat. Will die Signoria den Lehrmeister Europas spielen?«

Graf Olivarez war nicht so nachsichtig wie der Papst.

Er erklärte ihm mit dürren Worten: »Nimmt die Republik den Sendung Navarras als Botschafter an, so wird mein Herr und sein Eidam, der Herzog von Savoyen, ihre Gesandten aus Venedig abberufen. Dann bleibt dort nur der Vertreter des Heiligen Stuhles und der eines rückfälligen Ketzers.« Und er ließ nicht ab, den Papst mit seinen Vorstellungen zu quälen.

Sixtus reiste auf ein paar Tage nach Sermoneta, um den spanischen Quälgeist loszuwerden und seine Lage zu überdenken, während er die Arbeiten zur Entwässerung der Pontinischen Sümpfe besichtigte. Nach dem Fehlschlage seiner Unionspläne erschien ihm das spanische Bündnis als drückende Fessel, und der Übertritt so vieler Rechtgläubiger zu Navarra gab ihm zu denken. »Heinrich wird Sieger bleiben,« sagte er sich im stillen, »wenn Spanien ihn nicht angreift. Und schwört er seinen Irrglauben ab, so ist ein Angriff Spaniens nicht mehr zu rechtfertigen. Olivarez behauptet zwar, sein Übertritt könne nicht ehrlich sein, aber das hat er allein vor Gott zu verantworten. Ich dagegen habe für die Erhaltung des Glaubens in Frankreich zu sorgen.«

Als er von seinem Ausfluge zurückgekehrt war, schien er schon minder kriegslustig. »Die Republik von San Marco«, sagte er eines Tages zu dem erstaunten Badoer, »hätte jetzt eine schöne Gelegenheit, Navarra zum rechten Glauben zurückzuführen. Träte er über, Wir würden ihn mit offenen Armen empfangen.«

Im nächsten Konsistorium tadelte er zwar das Verhalten der Signoria, die es so eilig gehabt hätte, den Gesandten eines Ketzers zu empfangen, aber in seinen Gesprächen mit Badoer trat seine alte Freundschaft für Venedig immer wieder hervor, und er kam mehrfach darauf zurück, daß die Republik auf Navarras Glaubenswechsel einwirken solle. Aber von solchen verschwiegenen Anvertrauungen bis zum Bruche mit Spanien war noch ein weiter Weg, und Badoer traute dem Papste ebensowenig wie Olivarez. Wie konnte Navarra auch jetzt, wo er der Hugenotten bedurfte, in den Schoß der Kirche zurückkehren?

So schwebten die Dinge im Ungewissen, als die venezianische Sondergesandtschaft in Rom eintraf, um sich bei Sixtus zu rechtfertigen und seinen Zorn zu beschwichtigen. Badoer war ein wenig gekränkt darüber, denn er fühlte sich Manns genug, die Belange seiner Republik zu vertreten, aber die drohenden Vorstellungen des Papstes hatten die Signoria erschreckt, und sie wollte sich in großer Form rechtfertigen. Zugleich sollten die Gesandten den Boden für den Wortführer der königstreuen französischen Katholiken ebnen, der bereits in Venedig eingetroffen war und demnächst nach Rom reisen wollte.

Doch das alles waren nur äußere Anlässe und Nebenabsichten. In Wahrheit schwebte die Signoria noch immer in tödlicher Angst vor einem neuen Türkenkriege. Alle Nachrichten aus Konstantinopel bestätigten, daß der Großherr nur auf den Ausbruch des Krieges mit Frankreich wartete, um über Europa herzufallen. Hatte doch Navarra selbst ihn dazu ermutigt! Der tiefere Zweck dieser Sondergesandtschaft war also, den Heiligen Stuhl von dem Bündnis mit Spanien abzubringen. Das lag im Interesse Venedigs wie der ganzen Christenheit. Und dazu hatte die Signoria ihre erfahrensten Staatsmänner ausersehen. Der greise Lorenzo Donado war schon unter Gregor Botschafter in Rom gewesen und hatte den jetzigen Papst zu seiner Thronbesteigung beglückwünscht, kannte das Schlachtfeld also von alters her, und Lorenzo Priuli, Venedigs erster Botschafter unter dem neuen Pontifikat, hatte dem Papste besonders nahegestanden. Ein großer Schlag sollte in der Stille geführt werden.

 


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