Friedrich v. Oppeln-Bronikowski
Schlüssel und Schwert
Friedrich v. Oppeln-Bronikowski

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22. Ein Himmelfahrtstag

Am Himmelfahrtstage dieses Jahres zelebrierte Sixtus in schimmerndem Ornat die Papstmesse in der altehrwürdigen Lateransbasilika. Sie lag am äußersten Ende der Stadt in den neuen, einst wüst liegenden Stadtvierteln, die er der Besiedelung erschlossen hatte. Nach der Feier erteilte er dem Volke den Segen von der Loggia der neuen, zweigeschossigen Säulenvorhalle, die Fontana dem rechten Querschiffe vorgelegt hatte. Vor ihr ragte seit kurzem ein Obelisk, der größte in Rom, aber seit der Aufrichtung der Nadel auf dem Petersplatze schien diesem Tausendkünstler nichts mehr unmöglich. Vor zwei Jahren hatte man den ägyptischen Riesen nebst einem anderen, minder großen, am Fuße des Palatins in den Trümmern des Circus maximus ausgegraben, in drei Stücke zerschlagen und von einem Gewicht von einer Million und dreihunderttausend römischen Pfunden. Fontana hatte ihn wieder zusammengeflickt, und nun thronte er, fast 50 Ellen hoch, auf einem mächtigen Sockel.

Torquato Tasso hatte auch diese Wundertat in einem Sonett besungen:

Der Obelisk, mit Rätselschrift bedeckt,
Einst himmelan getürmt von Pharaonen,
Doch von August entführt des Nils Regionen,
Zum Schmuck in seinem Zirkus aufgereckt,

Zerbrochen lag er lang, in Schutt versteckt,
Im Grab der Zeiten, die kein Ding verschonen.
Du aber hobst ihn, läßt ihn wieder thronen,
An stolzer Stätte neu zum Ruhm erweckt.

Jahrtausenden gebeut dein Herrscherwille.
Ein goldnes Kreuz auf seiner Spitze wehrt
Siegreich dem Tod, daß ihn nichts mehr verhülle.

Doch größer ist, als was man einst verehrt,
Wenn man den alten Wundern neue Fülle
Des Lebens schenkt und alten Ruhm verklärt.

Das traf nicht nur für den Obelisken zu, sondern für alles, womit Sixtus diese ehrwürdige Stätte neu belebt hatte. An die Basilika schloß sich, schwer und gedrungen, der neue Lateranspalast an Stelle des alten, der noch aus den Zeiten des Kaisers Konstantin stammte. Bis zum babylonischen Exil der Kirche war er der Wohnsitz der Päpste gewesen, aber ein großer Brand hatte das altertümliche Bauwerk halb zerstört, und Sixtus hatte seine Reste nicht ohne Gewaltsamkeit wegreißen lassen. Nur die alte päpstliche Hauskapelle, die Sancta Sanctorum, hatte sein Baueifer verschont.

Schließlich hätte er noch eine andere ehrwürdige Reliquie, die Heilige Treppe, die Konstantins Mutter, die fromme Kaiserin Helena, nach Rom hatte bringen lassen, auf den Lateransplatz versetzt, und Fontana hatte den Bau mit einer zweigeschossigen Vorhalle geschmückt. So verband sich hier Urältestes mit Neuestem, eine Ahnenreihe von Gebäuden, wie keine andere Stadt der Welt sie besaß. Die hohe Stadtmauer schloß den weiten Platz ab, seit fünfzehn Jahren von der neuen Porta S. Giovanni durchbrochen, die Papst Gregor erbaut hatte.

Daß er diesen schlimmen Vorgänger überall antraf, wo er Großes schuf, ärgerte Sixtus im stillen. Das war wohl der einzige kleinliche Zug in seinem großen Charakter. Jetzt saß Gregor gewiß im wohlverdienten Fegefeuer: noch vor kurzem war er ihm im Traume erschienen, den Leib in Flammen gehüllt und mit kläglicher Miene. Da hatte er Seelenmessen für ihn lesen lassen, eine wenig schmeichelhafte Fürsorge!

Nach der Messe begab er sich in den neuen Palast, um sich umzukleiden. Dann ließ er sich in der Sänfte zu Donna Camilla nach der Villa Peretti tragen, wo er das Mahl einnehmen wollte. Überall eilte das Volk herbei, um seinen Segen zu empfangen.

Im Festgewande stand des Papstes Sippe an dem gedrungenen Portal, das Fontana erbaut hatte. Nur das junge Ehepaar Orsini fehlte, denn es verbrachte seinen Honigmond in Bracciano. Dagegen befand sich unter den Gästen der neue Venezianische Botschafter Alberto Badoer, der an Grittis Stelle getreten war. Sixtus wollte ihn bei dieser Gelegenheit näher kennenlernen.

Am Fuße der Treppe empfing ihn Donna Camilla in rauschendem Seidenkleid. Er umarmte sie und ließ sich von ihr in den Speisesaal geleiten. Sie hatte nichts gespart, um ihn würdig zu empfangen. Auf einer Kredenz prangte reicher Silberschmuck. Betreßte Diener trugen die Speisen auf, und wachsame Mundschenke füllten die Becher. Aber in die Unterhaltung, das Klirren der Teller und Schüsseln, mischte sich die Vorlesung einer frommen Homelie.

Dem Brauche gemäß speiste Sixtus allein an einer kleinen Tafel, aber das hinderte ihn nicht, mit den Gästen zu plaudern. An diesem strahlenden Junitage hatte er seine Sorgen vergessen und war heiter und aufgeräumt. Besonders den Botschafter Badoer, der in seiner Nähe saß, beehrte er oft mit seinen Anreden.

Nach dem ersten Gange, einer riesigen, mit dem Papstwappen geschmückten Pastete, aus der beim Zerlegen kleine gebratene Vögel hervorkamen, rühmte der Venezianer mit Bedacht die neuen Herrlichkeiten des Laterans, besonders die Aufrichtung des großen Obelisken.

»Auch den zweiten Obelisken aus dem Zirkus«, sagte Sixtus befriedigt, »lassen Wir noch aufrichten. Er läuft schon auf Rollen nach der Piazza del Popolo. So wird er das erste sein, was Eure Kuriere bei der Ankunft in Rom erblicken.«

»Wer ein paar Jahre nicht hier war wie ich, versetzte Badoer, »erkennt die Stadt kaum wieder. Sie hat sich zusehends verdoppelt.«

»Das stimmt«, nickte Sixtus geschmeichelt. »Wir haben jetzt fast 100 000 Einwohner, doppelt soviel wie vor dreißig Jahren. Das macht, daß jetzt Ordnung herrscht. Es ist anders geworden als unter Unserem Vorgänger.« Und der unglückliche Gregor mußte die Kosten der weiteren Unterhaltung bestreiten. Selbst seine Verdienste wollte Sixtus nicht gelten lassen.

»Welchen Wirrwarr«, sagte er zu Badoer, »hat er mit seinem neuen Kalender angerichtet! Er war nicht der Mann, um einen Julius Cäsar zu verbessern. Nun haben wir glücklich zwei Zeitrechnungen, denn weder die Schismatiker in Morea noch die Ketzer wollen sich dieser Neuerung fügen. Der Heilige Stuhl aber hat die Unehre davon. Überdies ist sie gegen die Autorität der Konzile, des Heiligen Ambrosius und der Päpste. Wir hätten sie wieder abgeschafft, hätten Wir nicht besorgt, das Ansehen des Heiligen Stuhles dadurch zu schmälern.«

Badoer unterdrückte ein Lächeln. Er fand den Haß des Papstes auf seinen Vorgänger sonderbar: wußte er doch nicht, was er unter ihm und durch ihn gelitten hatte.

»Eine andere Sorge unter so vielen«, fuhr Sixtus fort, »hat er uns mit der neuen Bibelausgabe hinterlassen. Wie Ihr wissen werdet, hatte schon das Konzil von Trient die Durchsicht der Vulgata angeordnet, aber sie gedieh nicht über die Vorarbeiten hinaus, und unter Gregor kamen auch sie ins Stocken. Erst Wir haben auch dies Werk in Gang gebracht. Wir haben es einigen Kardinälen zugewiesen, aber deren Arbeit hat Uns wenig befriedigt, und so mußten Wir selbst Hand anlegen. Man muß alles selber tun, wenn es ordentlich werden soll. Diese Arbeit hat Uns gewiß Freude gemacht, aber Wir haben so viele andere Sorgen auf dem Halse. Trotzdem nähern Wir Uns dem Ende Unserer Mühen. Wir sind schon bei der Apokalypse angelangt, und die Weisheit Salomonis ist bereits im Druck. Wir lesen die Korrekturen Blatt für Blatt mit, dann schicken Wir sie dem Padre Toledo und etlichen besonders bewanderten Augustinerpatres. Die legen die letzte Feile an und schicken die Blätter in Unsere neue Druckerei.«

Badoer fand dies Gespräch ziemlich ledern und den Papst recht selbstherrlich auf Gebieten, auf denen er kein Meister sein konnte. Dennoch mußte er seine Tatkraft bewundern, die noch Zeit für eine so gelehrte und schwierige Arbeit fand.

Schließlich war das Mahl beendet, und man räumte die Tafel ab, um den Nachtisch aufzusetzen. Andere Diener reichten das Wasser zum Händewaschen oder verteilten Blumensträuße, aber Sixtus lehnte den seinen ab. Er hatte keinen Sinn für diese Kinder Floras.

Als er nach der Mahlzeit mit den Seinen durch die Gärten schritt, die in vollem Lenzschmucke prangten, warf er kaum einen Blick auf die unnützen Blumenbeete, über denen bunte Falter sich wiegten. Dagegen besichtigte er die jungen Bäume, die er mit eigner Hand gepflanzt hatte, und freute sich ihres Wachstums. Die Zypressen standen längs der Wege in langen Reihen wie Prozessionen von Mönchen, und die jungen Obstbäume setzten die erste Frucht an.

»Wie diese Bäume,« sagte er zu Donna Camilla, »wächst auch die Jugend heran.« Und er wies auf die kleine Ursula, die mit ihrem erlauchten Gatten vor ihnen herschritt, während der Kardinal Montalto mit seinem Bruder Michele und dessen junger Gattin hinterdrein kamen. Gar prächtig nahm sich Donna Camilla inmitten dieser blühenden Enkelkinder und ihrer vornehmen Sippe aus.

Sixtus wandte sich nach der Fürstin von Venafro um und sagte mit südländischer Natürlichkeit:

»Wenn du einen Sohn bekommst, möge er Kardinal werden, zum Ruhme unseres Hauses und zur Ehre der Kirche.« Die junge Frau errötete leicht, aber sie blickte ihn mit strahlenden Augen an. »Und Gott schenke dir auch einen zweiten,« setzte er hinzu, »der dein edles Geschlecht fortpflanzt. Möchten Wir es doch noch erleben!«

Dann rief er die kleine Ursula zu sich heran.

»Und du,« sagte er, »wenn du einen Sohn bekommst, was wird er werden? Gewiß ein Kriegsmann wie der große Marcanton, der Türkenbezwinger . . . Inzwischen aber, höre ich, hast du einen kleinen Olivarez über die Taufe gehalten. Wie hat er sich denn dabei aufgeführt?«

»Schrecklich gestrampelt hat er«, lachte die junge Frau, der der Schalk im Nacken saß. »Fast wäre er ins Taufbecken gefallen.«

»Ja, so sind die Spanier,« lächelte Sixtus, »ungebärdig und über alle Maßen fromm.«

Ein Brunnen plätscherte ihnen entgegen, von einem jungen Boskett überragt. Sixtus blieb befriedigt stehen und sprach:

»So hat ein jeder seine Aufgabe im Leben. Die Frauen gebären das neue Geschlecht. Ich aber habe den Heutigen und den Künftigen dies belebende Wasser geschenkt.«

Dann bestieg er einen Hügel, von dem er als Kardinal oft Umschau gehalten hatte. Ein weiter Ausblick auf die Stadt und die Landschaft erschloß sich ihm. Nach Süden schweifte sein Blick über die weite Campagna, die jetzt die Bogenreihen der Acqua Felice durchschnitten, bis zu den fernen Bergzügen, die in blauem Dufte dalagen. Und ringsum dehnte sich das neue Stadtviertel der Monti mit seinen gradlinigen Straßen, an denen sich schon zahlreiche Häuser erhoben. Hier war noch viel Raum für neue Geschlechter, aber der Anfang war gemacht, und die Fortschritte waren greifbar. Am äußersten Stadtende ragte die mächtige Gebäudegruppe des Laterans, und zu Füßen der Gärten hatte sich der einst wüste Thermenplatz zu einem Markte verwandelt. Ladenreihen waren an seinem Rande entstanden, und in der Mitte sprudelte ein Springbrunnen. Der Segen, den Sixtus heute morgen dem Volke erteilt hatte, war nicht bloß eine fromme Gebärde; er war wirklich ein Segensspender.

Auch in seiner Seele war heute Feiertag. Er vertrieb die Wolken, die seinen Blickkreis verdunkelten. Mochten in Frankreich Streit und Wirrnis herrschen, in Rom und im Kirchenstaate waren Ordnung und Glaube und sichtliches Gedeihen. Die Wasserleitung, die gewaltigen Bauten, mit denen die Stadt sich schmückte, selbst der Erfolg seiner Heiratspolitik, die das Interesse seiner eigenen Sippe mit dem des Papsttums verknüpfte, alles erfüllte ihn mit stolzer Befriedigung. Er fühlte sich nicht wie Gott am siebenten Schöpfungstage, noch wie Moses auf dem Horeb, der das Gelobte Land nur von fern erblickte. Er stand mitten drin in Leben und Schaffen. Für kurze Frist entspannte sich sein rastloser Wille, und mit der ganzen Lebendigkeit seines Wesens gab er sich diesem ungewohnten Hochgefühl hin, in dem Bewußtsein, daß es nur eine kurze Feierstunde war, hinter der unerbittlich der Alltag wartete. Vielleicht brachte ihm die Zukunft noch schwerere Sorgen und Kämpfe als bisher.

Auch die Seinen empfanden heute seine Güte und Liebe wie ein Himmelsgeschenk, und als Donna Camilla ihn bat, noch etliche Tage in dieser hohen, gesunden Gegend zu verweilen, ging er zu ihrer Überraschung darauf ein. Noch nie hatte er ihr so leicht eine Bitte gewährt.

Kurz nachdem er in den Vatikan zurückgekehrt war, traf auch Virginio Orsini mit seiner jungen Gattin in Rom ein. Sixtus lud beide zu einem Familienmahle in seinen Gemächern, an dem auch Donna Camilla und ihre übrige Sippe teilnahmen.

Flavia war schön geworden. Ihr dunkelblondes Haar, ihre blauen Augen und ihr schlanker Wuchs schmückten sie herrlicher als das Perlengeschmeide und der funkelnde Diamant, den der Großherzog ihr geschenkt hatte. Sixtus ließ sich von ihr und von Virginio viel von dem neuen Leben in Florenz erzählen. Zweifellos war ihr Oheim mehr zum Herrscher als zum Kardinal geschaffen, und Sixtus begann ihn jetzt höher zu schätzen.

Nach dem Mahle lud er das junge Paar ein, sich in seiner sogenannten Garderobe, die vielmehr seine Schatzkammer war, ein paar wertvolle Andenken auszusuchen. Und als Virginio sich bei ihm bedankte, fragte er ihn lachend: »Nun, werdet Ihr morgen wieder Katzenköpfe vor der Engelsburg aufpflanzen? Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, da man keine Verbrecherköpfe mehr dort sieht.«

Beschämt entgegnete der junge Fürst: »Heiliger Vater, hätte ich damals gewußt, wer Ihr seid, ich hätte diesen Jugendstreich unterlassen, der mich heute herzlich gereut. Aber damals wähnte ich, Ihr wäret wie Euer Vorgänger Gregor. Heute weiß ich, Ihr seid der größte Fürst in Europa, so furchtbar bei Widerstand wie gnädig bei Gehorsam. Und ich diene Euch gern.

Sixtus nickte befriedigt; dann sagte er ernst: »Am Tage vor meiner Wahl fragte mich Euer Oheim, der jetzige Großherzog: ›Wie werdet Ihr es mit den Orsinis halten?‹ Ich entgegnete: ›Wie mit meinen eigenen Verwandten.‹ Wie Ihr wißt, kam ich mit Eurem verstorbenen Vater zu keinem Ausgleich. Es war wohl nicht meine Schuld, aber lassen wir die Toten ruhen. Um so mehr freut es mich, daß ich bei Euch mein Wort einlösen konnte; denn nun sind wir ja wirkliche Verwandte.«

Virginio blickte ihm froh ins Gesicht. Dann entgegnete er: »Eures Vorgängers Sohn, der Signor Giacomo, pflegte zu sagen, es sei ein Unglück, der Sohn eines Papstes zu sein. Ich aber bin glücklich, daß ich Euer Eidam geworden bin.

Sixtus umarmte ihn herzlich, und der junge Fürst küßte seine Vaterhand.

Flavia stand in der ganzen Holdseligkeit ihrer Jugend vor ihnen. Ihre Augen schimmerten vor Freude.

»Hältst du deinen Gatten auch gut im Zaume?« fragte der Papst lächelnd.

»Ach!« seufzte sie mit komischem Ernst, »es ist schwer, ein feuriges Roß im Stalle zu halten. Immerfort drängt es hinaus zum Lauf und in die Freiheit. Virginio ist alleweil auf der Jagd oder sitzt im Sattel, wenn er nicht die Gesellschaft von Freunden sucht, um mit ihnen zu zechen.«

»So, so«, lächelte Sixtus. »Aber die Frau ist fürs Haus bestimmt, und der Mann steht im Leben. Wie gefällt es dir denn in Bracciano?« setzte er hinzu.

»Ein düsteres Schloß , entgegnete sie. »Es ist für den Krieg gebaut, und wir haben doch Gott sei Dank Frieden. Und an seinem Fuße wogt der grausliche See, von kahlen Höhen umschlossen, kreisrund und schwarz wie ein großer Höllenschlund. Er macht mich ganz schwermütig. Ich wohne lieber in unserem Palast in Rom als dort in der Einsamkeit.«

Sixtus merkte wohl die Ernüchterung der jungen Frau nach den rauschenden Hochzeitsfeiern und den ersten Freuden der Ehe.

»Auch die Einsamkeit hat ihr Gutes«, sagte er. »Sie gibt Zeit zu frommen Betrachtungen.«

»Ach,« scherzte die Fürstin, »die Frömmigkeit kommt auch in Rom nicht zu kurz. Gibt es hier doch fast so viele Kirchen wie Tage im Jahre.«

»Gut, gut!« lachte der Papst, in die Hände schlagend. »Wir wollen noch ein paar hinzubauen, damit das Maß voll werde.«

»Sie verklagt mich ganz ungerecht«, fiel Virginio ein. »Im Winter, wenn wir in Rom sind, soll es ihr an Gesellschaft nicht fehlen. Und im Karneval soll es so hoch hergehen wie bei unserer Hochzeit. Nicht wahr, Flavia? Inzwischen aber entschädigt sie sich durch eine Seelenfreundschaft. Ihr ratet es gewiß nicht, mit wem. Wäre der Mann nicht so krank und abgelebt, ich könnte fürwahr eifersüchtig werden.«

»Und wer ist es?«

»Der Dichter Torquato Tasso, der Sänger der Liebe und des frommen Heldentums. Jawohl, kein anderer. Er hat ihr einen Kranz von Sonnetten geflochten wie ein Troubadour. Und sie ist ganz bezaubert von ihm und schreibt ihm zierliche Briefchen. Und jetzt hat der Ärmste ihr sogar persönlich gehuldigt.«

»Ist das wahr?« fragte Sixtus.

»Ja«, nickte die junge Frau. »Und da Virginio es selbst gesagt hat, um mich zu necken, so wage ich um eine Gunst für ihn zu bitten.«

»Auch du«, seufzte Sixtus. »Meine Familiaren und andere liegen mir schon ewig in den Ohren mit ihm. Was will er denn von mir?«

»Er brennt auf eine Audienz und klagt, alle Türen zu Euch würden ihm verschlossen.«

»Er irrt«, entgegnete Sixtus kopfschüttelnd.

»So wollt Ihr ihn empfangen?« fuhr sie lebhaft fort.

»Nun ja, weil du für ihn bittest«, sagte der Papst und reichte ihr die Hand zum Abschiedskusse.

 


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