Fritz Müller-Partenkirchen
München
Fritz Müller-Partenkirchen

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Der Apparat

Der Futtersepp von Nannhofen hatte in der Stadt zu tun. Weil er früher fertig wurde, gönnte er sich einen Mokka im Café »Splendid«. Beim Hinausgeh'n stieß er auf ein goldlackiertes »Hier!«

Er hatte kein Bedürfnis. Aber das Ausrufungszeichen war stärker. Dazu kam die gleichfalls goldlackierte Hand. Sie wies unausweichbar und da Sepp von Haus aus folgsam war . . .

Drinnen Marmorfließen, blitzender Luxus – Sepp schüttelte den Kopf. Alle Gelegenheiten Nannhofens zusammengenommen hatten sicher noch kein Zehntel dessen gekostet, was dieses »Hier!« allein.

»Erst 10 Pfg. in den Apparat
einwerfen, dann zumachen!«

Sepp betrachtete den Apparat am Türchen. Das war doch ein Schloß? Und das Schloß hatte einen Schlitz: »Hier!«

Folgsam, wie er war, warf er zehn Pfennige hinein. »Dann zumachen!« Schön, er machte zu.

»Nee, Verehrter,« lachte es in seinem Rücken, »von drinnen müssen Sie zumachen!«

»Ah so, ah so – dank' schön, Herr Nachbar.« Er klinkte auf, ging hinein, und wollte zumachen. Es ging nicht. Er drückte stärker. Es ging wirklich nicht.

201 Ein Kellner kam herein. »Aha, Sie wollen wohl das Zehnerl schinden, he!«

Sepp lachte gutmütig: »Schinden? Ja, schinden mußt d' die wie a Hund!«

»Sie verstehen wohl den Apparat nicht? Erst zehn Pfennige einwerfen; mein Lieber –«

»Sind scho' drin.«

»Aber nicht von Ihnen.«

»Freili' von mir.«

»Ausgeschlossen! Sonst ginge doch die Türe zu.«

»Probier'n 's halt Sie!«

»Ich? Ich habe kein Bedürfnis –«

»Ja, meinen S', ich zahl zweimal hinteranand a Zehnerl?«

»Sie werden wohl müssen, wenn Sie – wenn Sie müssen.«

»I' muß ja gar net!«

Der Kellner staunte: »Wenn Sie nicht müssen, guter Mann, warum haben Sie dann überhaupt –?«

»Weil – weil – scheneröshalber halt – und jetzt möcht' i' mei' Zehnerl wieder.« Er rüttelte am Apparat.

»Bezahlt ist bezahlt.«

Er trommelte auf dem Apparat herum. »Dös is a schöner Schwindel! – Mei' Zehnerl möcht i', sag' i'!«

Der Kellner lächelte belustigt. »Heute ist Mittwoch, Sie werden warten müssen – bis Samstag, wenn der Zehnerlentleerer kommt.«

Der Futterersepp wurde rot vor Zorn: »I' hab' kei' Zeit zum Warten – mei Zehnerl möcht i'!« Er schlug gegen die Türe.

202 »Wenn Sie Skandal machen, werde ich den Direktor – ah, da ist er.« Er erzählte ihm den Fall.

»Lieber Mann,« sagte der Splendid-Direktor weltmännisch, »da ist weiter nichts zu machen.«

Leute sammelten sich an. Splendid-Stammgäste gaben ihre Meinung kund:

»Ich hab's schon immer g'sagt: der Sauapparat –« – »Das kommt davon, wenn man die erprobten Leut' fortjagt.« – »Ja, fufzehn Jahr war die Urschl da –« – »Und es hat nie a solche Gaudi geb'n.« – »Jetzt ist alle Augenblick ein Krach.« – »Ja, neulich hab'n zwei g'rauft herin.« – »G'rauft?« – »Ja, jeder hat behauptet, daß er dös Zehnerl 'nein hätt g'schmissen.« – »Ich hab's immer g'sagt, es bringt kein' Segen, wenn der lebendige Mensch von einer toten Maschin' ersetzt –«

»Mei' Zehnerl möcht' i'!« trommelte der Futterersepp in regelmäßigen Zwischenräumen an die Türe, »mei' Zehnerl möcht' i'!« Er war blau geworden vor Zorn.

Der Direktor griff in die Westentasche: »Da.«

Der Futterersepp hörte auf zu trommeln, nahm das Geldstück und führte es gegen den Schlitz.

»Herr Direktor,« mischte sich der Kellner ein, »vorhin hat er g'sagt, er müßte gar nicht.«

»Jetzt muß i',« sagte der Sepp pressiert.

Alle lachten und verzogen sich. Der Sepp warf das Zehnerl hinein. Als es schepperte, erschrak er, drückte geschwind auf die Klinke und kraute sich den Hinterkopf. »Jesses,« brummte er, »z'erst hätt' i' 'neigeh'n soll'n, glaub' i', und nacha 'neiwerf'n – na na, z'erst zumachen, nacha 'neiwerf'n – 203 nana, z'erst zumachen, nacha 'neigeh'n, nacha 'neiwerf'n – jesses, jetzt kenn' i' mi' nimmer aus – ah was, i' geh' einfach 'nei!«

Als er drinnen war, ging die Türe nicht zu. »Malifizglump, elendig's! – Na' bleibst halt auf, du Luada!«

Jemand kam herein, sah die angelehnte Türe, warf sein Zehnerl in den Apparat –

»Halt!« schrie der Sepp, »halt!«

Der andere war empört: »Mensch, so machen Sie doch zu!«

»'s geht net!«

»Aha, Sie wollten wohl umsonst –«

»Mein' Ruah möcht' i'!« Er langte aus, zog die Türe an – jetzt schnappte sie ins Schloß.

In dem untern Türausschnitt konnte der Sepp des andren Füße tanzen sehen: »Unverschämtheit! Jetzt hat der Mensch für mein Zehnerl – für mein Zehnerl – 'raus, sag' ich! Kommen Sie sofort heraus!«

»Fallt mir gar net ei'!«

»Na, wenn Sie herauskommen! – Ich werde –«

Der Sepp überlegte. Der draußen war anderthalb Kopf größer und hatte Riesenfäuste. Wenn er ein Preisboxer war . . .

Stille im Raum, heilige Stille.

Dann draußen: »Wenn Sie meinen, daß Sie – da täuschen S' Ihnen – ich kann warten –«

»I aa',« von drinnen, »mei' Zug geht erst um halbe sechse.«

Der draußen mußte auf die Uhr gesehen haben: Halb drei. Mit einem halbunterdrückten Fluch verließ er das Kampffeld. Vorsichtig spähte der 204 Sepp hinaus. Die Luft war rein. Als Sieger schritt er durch die Türe.

Aber da kam ihm eine Überlegung: Ein Zehnerl von ihm, ein Zehnerl vom Direktor, ein Zehnerl von dem Preisboxer, drei Zehnerl also gegen eine Benützung – des Futterersepps Rechtlichkeitssinn sträubte sich. In seine hint're Hosentasche griff er, mit dem im Griff feststehenden Messer stocherte er im Schlitz herum: »Zwoa Zehnerln sind z'viel drin,« brummte er, »zwoa Zehnerln müssen wieder außa!«

Jemand kam herein. »Was machen Sie denn da?«

»Die Malefizmaschin' – zwoa Zehnerln sind jetzt z'viel 'neing'rutscht – die müssen wieder 'raus.«

»Geben Sie sich keine Mühe, so kriegen Sie die nicht heraus.«

»Nacha hol' mir s' du!« fuhr der Sepp ihn an.

»Ich? Was geht's mich an – wären Sie nicht so dumm gewesen –«

»Dumm!« schrie der Sepp – denn der da war um einen Kopf kleiner als er – »dumm? Du g'selchter Aff du!«

Na, warte nur, dir komm ich, dachte der Kleine: geht's nicht mit der Größe, geht es mit dem Hirn.

»Lieber Mann,« sagte er freundlich und sah sich um, »es gäbe schon ein Mittel, um sie wieder 'rauszukriegen – sogar mehr als Eure Zehnerln – alle Zehnerln, die da drin sind, könnt' man kriegen –«

Der Futterersepp war ganz Ohr.

205 Der Kleine schüttelte prüfend an dem Schloßbehälter: »Der ist ganz voll – wenn man da noch höchstens zehn Zehnerl 'neiwirft – hab'n S' soviel, Herr Nachbar?«

Der Futterersepp leerte seine Tasche. »Eins – zwei – drei . . . siebzehn Zehnerl sind's,« flüsterte er schlau.

»Reicht zweimal aus.«

»Für was?«

Der Kleine klopfte auf das Kästchen: »Wenn das voll ist, springt's von selber auf – Ihr versteht mich?«

»Hm, und wieviel träf' auf Euch?«

»Ich verlange nichts – b'hüt Gott und laßt Euch nicht erwischen.«

Der Futterersepp ließ sich nicht erwischen. Er ging sachte in den Verschlag zurück und warf ein Zehnerl um das andere in den Apparat. Beim zehnten wartete er. Der Apparat rührte sich nicht. Beim zwölften wartete er wieder. Der Apparat blieb still. Beim fünfzehnten schwitzte er. Der Apparat glitzerte höhnisch. Beim sechzehnten rüttelte er. Beim letzten fluchte er. Die Türe ins Lokal riß er auf: »Wo is der Kloane?« schrie er.

Der Kellner kam herein, der Sekretär, der Direktor, Gäste –

»Was ist denn schon wieder?« sagte der Direktor.

Wütend zeigte der Sepp auf den Apparat: »A Schwindel is's!« Dann gegen das Lokal: »A Schwindler is er!«

»Aber guter Mann –«

»Siebzehn Zehnerl hab i' no'mal 'nei'g'schmissen –«

Sie sahen ihn an. Sie lachten: »Siebzehn Zehnerln! Na, das muß man Ihnen lassen! Ausdauer haben Sie.«

»Meine Zehnerln!« schrie der Sepp.

Sie lachten noch mehr.

Da riß dem Sepp die Geduld. An dem Zehnerlkasten riß er. Aber er war festgenietet.

Da wurde der Sepp plötzlich ruhig, ganz ruhig. Mit seinen Bauernfäusten hob er glatt die Türe aus den Angeln und schritt wortlos aus dem »Hier!«

Man war starr. Man sah ihn durch die Straßentüre gehen. »Ich werde Sie,« schrie der Direktor, »ich werde Sie –«

»Hier!« sagte Sepp und langte mit der freigemachten Hand rückwärts.

»Das ist ja – ist ja –!«

»In Nannhofen zähl' i's nach – was überbleibt, kommt z'ruck – pfüat Good!« Verschwunden war er.

»Kommt z'ruck?« murmelte der Direktor, »kommt z'ruck? – Herr Sekretär, schreiben Sie mal der alten Urschel . . .« 207

 


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