Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Außerhalb Griechenlands war Troja der vorzüglichste Schauplatz der tragischen Begebenheiten, welche, in Gesängen der Nachwelt überliefert und auf der Schaubühne dargestellt, in immerwährendem Andenken sich erhielten. Vom unerbittlichen Fatum selber war die Zerstörung von Troja einmal beschlossen, zu ihrem Untergang mußte sich alles fügen, und Götter und Menschen vermochten nichts gegen den Schluß des Schicksals.
Als Eris bei der Vermählung des Peleus mit der Thetis in das hochzeitliche Gemach, wo alle Götter und Göttinnen versammelt waren, den goldnen Apfel mit der Inschrift warf, die ihn der Schönsten zuteilte, so wurden Juno, Venus und Minerva unter allen Göttinnen, um den Preis der Schönheit zu wetteifern, einstimmig am würdigsten erkannt.
Ein unbefangner Hirt, der auf dem Ida weidete, sollte den Ausspruch tun. Dieser Hirt war Paris, ein Sohn des Priamus, der über Troja herrschte. Als die Göttinnen vor ihm erschienen und den entscheidenden Ausspruch von ihm verlangten, mußten sie sich entkleiden; – eine jede von ihnen versprach ihm heimlich eine Belohnung, wenn er den Apfel ihr zuteilte; Juno versprach ihm Macht und Reichtümer, Minerva Weisheit, Venus das schönste Weib auf Erden – und Paris teilte den goldnen Apfel der Venus zu.
Von dieser Zeit an hegten Juno und Minerva nicht nur gegen den Paris, sondern gegen das ganze Haus des Priamus einen tiefen Groll im Busen, während daß Venus darauf dachte, ihr Versprechen dem Paris zu erfüllen.
Das schönste Weib auf Erden war Helena, welche Jupiter in der Gestalt des Schwans mit der Leda erzeugte, die vom Theseus in ihrer Kindheit schon einmal entführt, von ihren Brüdern Kastor und Pollux aber wieder nach Sparta zurückgebracht ward, wo sie mit dem Menelaus, des Agamemnons Bruder, sich vermählte.
Paris schiffte nach Griechenland und ward vom Menelaus gastfreundlich aufgenommen, während dessen Abwesenheit es durch die Veranstaltung der Venus ihm gelang, die Helena zu entführen. Als er nach Troja zurücksegelte und die Winde schwiegen, prophezeite der wahrsagende Meergott Nereus ihm alles Unglück, was für Troja aus dieser Entführung erwachsen würde, und nicht lange blieb die Erfüllung aus.
Ganz Griechenland nahm an dem Schicksale des Menelaus teil. Gegen den Paris waren alle Gemüter wegen der Verletzung des heiligen Gastrechts aufgebracht; auch hielt man die Schönheit selber für wichtig genug, um ihren Raub als den Raub von etwas Kostbarem zu betrachten, das man der Mühe wohl wert achtete, um es den Händen der Barbaren mit Kriegesmacht wieder zu entreißen.
Als eine Gesandtschaft an den Priamus die Helena vergeblich zurückgefordert hatte, verbanden sich die Fürsten Griechenlands mit einem Schwur zum Kriege gegen Troja und teilten dem Agamemnon, welcher der mächtigste unter ihnen war, den Oberbefehl im Heere zu. Ein jeder rüstete Schiffe aus, und in dem Hafen von Aulis versammlete sich die griechische Flotte. Die vornehmsten Anführer in diesem Kriege, deren fast aller schon gedacht ist, waren:
Agamemnon,
Menelaus,
Nestor,
Diomedes, des Tydeus Sohn,
Ajax, der Sohn des Telamon,
Ulysses,
Achilles, Peleus' Sohn,
Patroklus, des Menötius Sohn,
Podalirius und Machaon, Söhne des Äskulap,
Philoktet, der letzte Gefährte des Herkules,
Sthenelus, des Kapaneus Sohn,
Thersander, des Polynikes Sohn,
Idomeneus, des Minos Enkel.
Als nun das ganze Heer in Aulis versammelt war, zürnte Diana auf den Agamemnon, weil er einen ihr geweihten Hirsch getötet hatte. Man harrte lange vergebens, und es erhob sich kein günstiger Wind, mit dem die Flotte auslaufen konnte. Diana forderte durch den Mund des Priesters die Tochter des Agamemnon selbst zum Versöhnungsopfer. Iphigenie wurde, begleitet von ihrer Mutter, zum Altar geführt; und schon war der Opferstahl gezückt, als Diana in einer Wolke Iphigenien nach Tauris in ihr Heiligtum entrückte; statt der verschwundnen Iphigenie aber stand ein Reh zum Opfer am Altar.
Diana war nun versöhnt; die Flotte segelte nach Troja ab; und Ilium, die eigentliche Stadt oder Burg des Königreiches Troja, ward belagert. – Neun Jahre lang hatte, nach der Voraussagung des wahrsagenden Priesters Kalchas, die Belagerung schon gewährt, als erst im zehnten das Verhängnis von Troja näherrückte.
Die hohen himmlischen Götter alle nahmen an diesem Kriege teil: Jupiter hielt des Schicksals Waage. Auf der Seite der Griechen standen Juno, Minerva, Neptun, Vulkan, Merkur, auf der Trojaner Seite Venus, Apoll, Diana und Latona. Mars, als der Gott des Krieges selber, ging von einem Heere zum andern, von den Griechen zu den Trojanern über.
Wie nun die Götter an diesem Kriege teilnehmen, von Sterblichen verwundet werden, sich selber in dem Treffen der Griechen und Trojaner einander zum Streit auffordern und wie die Göttergestalten in ihren Zügen sich unterscheiden, dies alles ist in dem Abschnitt: die menschenähnliche Bildung der Götter schon erwähnt und auf die Weise ein großer Teil der Geschichte des Trojanischen Krieges in jene Schilderung schon vorläufig eingewebt.
Was nun im zehnten Jahr der Belagerung die Eroberung von Troja verzögerte, war der Zorn des Achilles, der mit dem Agamemnon sich entzweite und eine Zeitlang am Kriege keinen Teil nahm. Als nämlich Agamemnon sich weigerte, die gefangene, zur Beute ihm zugefallne Chryseis ihrem Vater, einem Priester des Apollo, gegen ein Lösegeld auf sein Bitten zurückzugeben, so hörte Apollo das Flehen des verwaisten Vaters und sandte zürnend seine Pfeile in das Lager der Griechen, daß eine Pest entstand, welche verheerend um sich greifend zahlloses Volk hinraffte.
Durch den Mund des Priesters Kalchas ward es offenbar, durch wessen Schuld die Griechen leiden mußten. Als Agamemnon nun die Chryseis zurückzusenden sich länger nicht weigern konnte, verlangte er, daß die Griechen ihn für den Verlust seiner Beute schadlos hielten. Da schalt Achill ihn seines Stolzes und seines Eigennutzes wegen, und als ihm Agamemnon drohte, war er schon im Begriff, gegen ihn das Schwert zu zücken, hätte nicht an den gelben Locken Minerva selbst ihn zurückgehalten.
Agamemnon aber, der auf die Schadloshaltung um desto mehr bestand, ließ, um sich zu rächen, die schöne Briseis aus dem Zelte des Achilles in das seinige holen. Da flehte Achill am einsamen Ufer des Meeres seine Mutter Thetis an, sie möchte den Jupiter bewegen, von nun an den Trojanern beizustehn, damit die Griechen ihn vermissen und seinen Zorn empfinden möchten.
Jupiter gewährte der Thetis Bitte und gab den Trojanern Sieg, an deren Spitze Hektor, der Sohn des Priamus, focht und sich unsterblichen Ruhm erwarb. Vergebens suchten nun die Griechen den Achill wieder zu versöhnen. Sein Sinn blieb unbeweglich. Bis endlich die Trojaner so weit vordrangen, daß sie Feuer in die griechischen Schiffe warfen; da gab Achilles seinem Busenfreunde, dem Patroklus, seine Rüstung und schickte ihn statt seiner mit einem Haufen, den Griechen beizustehn.
Des Patroklus Fall war schon beschlossen, allein vorher erwarb er sich noch glänzenden Ruhm; Sarpedon, Jupiters Erzeugter, und viel andre tapfre Helden fielen vor seinem Schwerte. Als aber sein Verhängnis nahte, so stand in Nacht gehüllt Apollo dicht hinter ihm. Auf Nacken und Schultern schlug er ihn mit der flachen Hand, daß sich sein Auge verdunkelte; er warf seinen Helm ihm vom Haupte, daß er unter die Füße der Pferde rollte; in seiner Hand zerbrach er den schweren ehernen Spieß und löste ihm selber den Panzer auf. Patroklus stand betäubt mit wankendem Knie. Hektor gab ihm den tödlichen Stoß. Die Seele des Patroklus stieg zum Orkus und trauerte über ihr Schicksal, weil sie die jugendliche Kraft zurückließ.
Als nun Achilles des Patroklus Tod vernahm, so schwand auf einmal sein Zorn dahin. Jammernd und wehklagend um den Toten fand ihn seine Mutter, die aus der Tiefe des Meeres emporstieg. Ob diese ihm gleich verkündigte, daß nach des Hektors Tode sein Fall beschlossen sei, so schwur er dennoch, des Freundes Tod zu rächen, gleichviel, was ihn für ein Schicksal treffen möge. Als Thetis ihn fest entschlossen sahe, suchte sie ihn die übrigen kurzen Tage zu trösten und aufzuheitern, versprach und brachte ihm eine kostbare Waffenrüstung, vom Vulkan geschmiedet, womit Achill ins Treffen ging, nachdem sich Agamemnon wieder mit ihm versöhnt und ihm die Briseis unberührt zurückgegeben hatte.
Nun eilte auch der Zeitpunkt heran, wo Hektor fallen, sein alter Vater Priamus und seine Mutter Hekuba um ihn jammern und seine Gattin Andromache mit lauter Wehklage ihn betrauern sollte. – Das Heer der Trojaner flüchtete in die Stadt; Hektor blieb allein zurück, um mit dem Achill den Kampf im Felde zu bestehen; als dieser ihm aber nahe kam und die göttliche Waffenrüstung dem Hektor in die Augen blitzte, ergriff ihn plötzliches Schrecken; – er nahm die Flucht, und dreimal jagte Achill ihn um die Mauern von Troja; so lange hatte Apoll dem Hektor sein Knie gestärkt; als zum vierten Male der Lauf begann, nahm Jupiter die Waagschale in die Hand und legte zwei todbringende Lose darauf, das eine des Hektors, das andere des Achilles, und Hektors Schale sank bis zum Orkus nieder. – Da verließ ihn Apollo.
Die beiden Helden fochten; Hektor fiel, und Achilles band ihn mit den Füßen an seinen Wagen und schleifte ihn im Staube um die Mauern von Troja, daß Hekuba heulend ihr Haar zerraufte und der alte Priamus flehend seine Hände ausstreckte.
Das Leichenbegängnis des Patroklus wurde nun mit öffentlichen Kampfspielen im Lager der Griechen gefeiert, während daß Hektors Leichnam unbegraben lag. Allein in nächtlicher Stille, vom Merkur geleitet, kam der Greis Priamus selber in des Achilles Zelt, umfaßte dessen Knie und flehte ihn um den Leichnam seines Sohnes. Die Götter hatten schon des Achilles Herz erweicht; er dachte an seinen alten Vater Peleus, der auch bald den Tod seines Sohnes betrauern würde, und gewährte dem Priamus seine Bitte, der mit dem Leichnam Hektors schnell nach Troja eilte und ihm mit allem Volke die Totenfeier hielt.
Auch war das Verhängnis des Achilles nun nicht mehr weit entfernt; nachdem er noch einige ruhmvolle Taten vollbracht, traf, vom Apollo gelenkt, des Paris tödlicher Pfeil ihn in die Ferse, wo er allein verwundbar war. Um seine Waffen entstand ein trauriger Streit; die Griechen sprachen sie dem Ulysses zu, worüber Ajax, welcher nach dem Achill der Tapferste unter den Griechen war, aus Mißmut sich selbst entleibte.
Paris ward bald nachher vom Philoktet mit einem der Pfeile getötet, die, in das Blut der Lernäischen Schlange getaucht, vom Herkules ihm hinterlassen waren. Auch war der Fall von Troja nun beschlossen, das nach so vielem Blutvergießen dennoch am Ende nicht mit Macht, sondern mit List erobert werden mußte.
Auf den Rat des Ulysses wurde nämlich ein ungeheuer großes hölzernes Pferd gebaut, in dessen Bauch die Helden sich versteckten, während daß das Heer der Griechen sich auf die Schiffe begab und die Küste von Troja zum Schein verließ. Nur Sinon blieb zurück und stellte sich als ein Flüchtling, der, von den Griechen verfolgt, bei den Trojanern um Schutz und Hülfe flehte und gleichsam wie ein Geheimnis ihnen entdeckte, daß das hölzerne Pferd erbaut sei, um die Minerva zu versöhnen, weil die Griechen das Palladium, eine Bildsäule dieser Göttin, welche das Unterpfand des Reichs war, aus Troja entwendet hatten. Hierzu kam noch, daß der Priester Laokoon, der vor dem Pferde warnte und mit dem Spieß in dessen Seite fuhr, von zwei großen Schlangen, die übers Meer kamen, mit seinen Söhnen umwunden und getötet ward.
Nach dieser schrecklichen Begebenheit blieb an Sinons Aussage kein Zweifel übrig; man eilte in vollem Jubel, dies neue Unterpfand der Wohlfahrt des Reichs in die Stadt zu bringen; Knaben und junge Mädchen freuten sich, mit an das Seil zu fassen; man riß einen Teil der Mauern nieder; das Pferd stand mitten in Ilium.
Man frohlockte bis tief in die Nacht, und alles war zuletzt vom Taumel der Freude berauscht entschlummert, als Sinon an des hölzernen Pferdes Bauch die Leiter setzte, die Tür sich öffnete und die Helden leise hinunterstiegen.
In der Nähe stand schon das griechische Heer; das Zeichen mit der angezündeten Fackel ward gegeben; durch die niedergerißne Mauer drang man in die Stadt; und während noch der Schlummer die Augenlider seiner Einwohner deckte, war Troja schon ein Raub der Flammen. An seinem Hausaltare ward der Greis Priamus vom Pyrrhus getötet; Hekuba und Andromache und die Töchter des Priamus wurden gefangen hinweggeführt. – Die Herrlichkeit von Troja war in Schutt und Asche versunken.
Doch mußten die Griechen auch bei ihrer Rückkehr noch für ihren teuer erkauften Sieg mit mancherlei Unglücksfällen büßen. Am meisten unter allen Ulysses, der zehn Jahre umherirrte, ehe er seine geliebte Heimat wieder erblickte. Mit Gefahr und List entkam er dem Zyklopen Polyphem, der, nach seinen Gefährten, auch ihn zu verschlingen drohte. Aus dem stillen trügerischen Hafen der menschenfressenden Lästrygonen, eines Riesenvolkes, entrann er nur mit einem einzigen Schiffe, womit er auf der Insel der mächtigen Circe landete und, ohne von ihrem Zaubertranke besiegt zu werden, ein Jahr bei ihr verweilte. Dann stieg er ins Reich der Schatten; schiffte, an den Mastbaum gebunden, nachdem er die Ohren seiner Gefährten mit Wachs verklebt, vor den Sirenen vorüber und hörte ohne Gefahr ihren verführerischen Gesang; zwischen dem Strudel Charybdis und der felsichten Scylla schiffte er die schmale gefährliche Straße hindurch und landete an einer Insel, wo seine Gefährten wider sein Verbot der Sonne geweihte Rinder schlachteten und verzehrten. Sobald das Schiff aufs Meer kam, ward es von Jupiters Blitz zerschmettert; des Ulysses Gefährten kamen um; er rettete sich allein und schwamm an die Insel der Kalypso, die ihm Unsterblichkeit versprach, wenn er mit ihr sich vermählen wolle, und ihn, so sehr er sich auch nach seiner Heimat sehnte, geraume Zeit zurückhielt, bis sie auf den Befehl der Götter auf einem von ihm selbst gebauten Floß mit günstigern Winde ihn entließ. Als er nahe an Ithaka war, erblickte ihn Neptun, der wegen seines Sohns, des Polyphem, noch auf ihn zürnte, dem Ulysses, um ihm zu entfliehen, sein einziges Auge ausbrannte. Plötzlich wurde das Meer vom Sturmwind aufgeregt. Von seinem Floß herabgeworfen, ein Raub der ungestümen Wellen, verzagte Ulyß, am Felsen angeklammert, im wilden Sturme nicht; schwimmend rettete er sich mit Gefahr und Not auf die Insel der Phäacier, die ihn gastfreundlich aufnahmen und mit Geschenken überhäuft in seine Heimat sandten, wo er seine treue Gattin Penelope, seinen Vater Laertes und seinen Sohn Telemach wiederfand. Er tötete zuerst die ungerechten und übermütigen Freier Penelopens, die schon seit langem seine Habe aufzehrten und des jungen Telemachs Tod einmütig beschlossen hatten. Nun herrschte er wieder in seinem Reiche; die Seelen der getöteten Freier führte Merkur in die Unterwelt.
Auf der hier beigefügten Kupfertafel ist, nach antiken geschnittnen Steinen, Paris, wie er den goldnen Apfel Aphroditen zuteilt, und Achill, am Grabe des Patroklus opfernd, abgebildet.
Mit dem Könige Amphion, der über Theben herrschte, war Niobe, die Tochter des Tantalus, vermählt; sie gebar dem Amphion sieben Söhne und sieben Töchter und spottete einst übermütig der Verehrung der Latona, welche nur einen Sohn und eine Tochter geboren.
Kaum waren die frevelnden Worte über ihre Lippen, so flogen schon die unsichtbaren Pfeile des Apollo und der Diana in der Luft. Mit dem nie verfehlenden Bogen tötete Apollo ihre sieben Söhne, und Diana mit furchtbarem Geschoß tötete ihre sieben Töchter. Auf einmal aller ihrer Kinder beraubt, ward Niobe, in Tränen aufgelöst, in einen Stein verwandelt, der auf dem Berge Sipylon, noch immer von Tränen träufelnd, ein Zeuge ihres ewigen Kummers ward.
Cephalus, ein Sohn des Deioneus, war mit der Prokris, des Erechtheus Tochter, erst kurze Zeit vermählt, als er einst am frühen Morgen auf dem Hymettischen Gebirge jagte, wo Aurora ihn entführte. – Da er zu seiner inniggeliebten Prokris wiederzukehren wünschte, entließ ihn Aurora mit dem Bedeuten, es werde mit seiner Vermählten ihm nicht nach Wunsch ergehen. Diese Worte fachten die Eifersucht in seinem Busen an; unter einer Verkleidung suchte er die Liebe der Prokris zu gewinnen; und als sie ihm kaum einen Schein der Hoffnung blicken ließ, so gab er sich zu erkennen und klagte sie der Untreue an, worauf sie unwillig ihn verließ.
Als Cephalus nun nach einiger Zeit sich wieder mit ihr versöhnte, ward Prokris von Eifersucht gequält, weil sie vernahm, daß ihr Gemahl die Nymphe Aura liebte, mit der er auf der Jagd verstohlnen Umgang pflege. Einst versteckte Prokris sich im Gebüsch, um ihren Gatten zu belauschen. Dieser seufzte, erhitzt vom Jagen, unter dem Namen Aura nach nichts als nach der kühlen Luft. Prokris aber, welche den Namen ihrer Nebenbuhlerin von seinen Lippen zu hören glaubte, regte sich im Gebüsche. Cephalus meinte das Rauschen von einem versteckten Wild zu hören, wonach er seinen Jagdspieß warf, der seine unglückliche Gattin traf, welche sterbend ihren Irrtum erst erkannte.
In Ägypten, wo Jupiter mit der Io den Epaphus erzeugte, hatte auch Klymene dem Helios oder dem Sonnengotte den Phaeton geboren. Diesem warf einst Epaphus vor, daß er kein Sohn der Sonne sei, sondern daß seine Mutter sich dessen nur fälschlich rühme. Um auf die glänzendste Weise diesen bittern Vorwurf zu widerlegen, begab sich Phaeton, auf Anstiften seiner Mutter, selber zum Palast des Sonnengottes und ließ sich erst von ihm beim Styx zuschwören, daß er seine Bitte gewähren wolle; dann bat er ihn, daß er nur einen Tag den Sonnenwagen lenken dürfe.
Helios, der den Schwur nicht widerrufen konnte, mußte die unglückliche Bitte seinem Sohn gewähren, der, voller Mut den Wagen besteigend, die Sonnenpferde antrieb, welche bald, ihren Führer vermissend, aus dem Gleise wichen, zuerst dem Himmel und dann der Erde zu nahe kamen, daß Berg und Wald sich entzündete und Quellen und Flüsse versiegten; da flehte die Erde den Jupiter um Hülfe an, welcher seine Blitze auf den Phaeton schleuderte, der in den Fluß Eridanus stürzte, wo seine drei Schwestern, die Sonnentöchter oder Heliaden, Lampetia, Phaetusa und Ägle, ihn so lange beweinten, bis sie in Pappelbäume verwandelt wurden, und auch als solche noch Zähren vergossen, die sich zu dem durchsichtigen Bernstein in der Flut verhärteten. – Cygnus, des Jünglings Freund, betrauerte seinen Tod so lange, bis durch den Schmerz sein Wesen aufgelöst in die Gestalt des Schwans hinüberging, der immer auf der Flut verweilte, welche den Phaeton verschlang. Mit Freund und Schwestern, die um ihn klagen, findet man auch auf den antiken Marmorsärgen den Sturz des Phaeton abgebildet.