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Als Herkules noch im Jünglingsalter bei dem Walde von Nemea die Herden des Eurystheus hütete, verwüstete ein Löwe, dessen Haut kein Pfeil durchdringen konnte, die Gegend rundumher und drohte den Herden Unglück.
Die erste der zwölf Arbeiten, welche Eurystheus dem Herkules anbefahl, war, dieses Raubtier zu erlegen. – Der junge Herkules säumte nicht, die Spur des Löwen zu verfolgen, mit dem er sich, als er ihn traf, in Kampf einließ und ihn mit eigner Hand erwürgte, weil kein Eisen ihn verwunden konnte.
Zum Andenken dieser ersten Tat, die allein schon für die Vollführung der übrigen bürgte, trug Herkules nachher beständig die Haut des Löwen um seine Schultern; und diese wurde nun nebst der Keule, die er von dem Aste eines wilden Ölbaums sich selber schnitt, das äußere Merkmal seiner unüberwindlichen Stärke und seines unbesiegbaren Heldenmuts.
Herkules brachte den Löwen nach Mycene; der verzagte Eurystheus aber befahl ihm, von nun an nicht mehr in die Stadt zu kommen, sondern vor den Toren von seinen vollführten Taten Rechenschaft abzulegen.
In dem Sumpfe von Lerna bei Argos hielt sich die vielköpfige Hydra auf, deren in der Stammtafel der Ungeheuer, die vom Phorkys und der schönen Ceto sproßten, schon gedacht ist.
Die Zeit der Helden war der Tod der Ungeheuer, die der Arm der Göttersöhne eins nach dem andern von der Erde tilgte; und Herkules ließ nun, so wie Perseus mit der Gorgo und Bellerophon mit der feuerspeienden Chimära, auf den Befehl des Eurystheus mit der vielköpfigen Hydra in den furchtbaren Kampf sich ein.
Sowie er einen Kopf des Ungeheuers mit seinem sichelförmigen Schwerte vom Rumpfe trennte, wuchs aus dem Blut ein neuer wieder, bis in der äußersten Gefahr, welche dem Helden drohte, sein Gefährte, Iolaus, des Iphikles Sohn, mit Feuerbränden, die er aus dem nahgelegenen Walde holte, nach jedem Hieb des Herkules sogleich die Wunde zubrannte, ehe noch aus dem Blute ein neuer Kopf emporschoß.
Nun aber erschwerte Juno dem Herkules seinen Sieg, indem sie einen Seekrebs schickte, der dem Held, sowie er kämpfte, an den Fersen nagte und ihn sich umzuwenden zwang. Auch diesen Angriff bestand der Sohn des Donnergottes und grub nach langem Kampf das letzte Haupt der Hydra, das unverletzlich war, tief in die Erde und wälzte einen ungeheuren Stein darüber.
Zum Lohn für seine Arbeit tauchte er in das vergoßne Blut der Hydra seine Pfeile, die durch das tödliche Gift nun doppelt furchtbar waren und über ihren Besitzer, selbst durch seines Feindes Tod, dereinst noch Qual und Verderben bringen sollten.
Wenn unüberwindlicher Mut und Standhaftigkeit bei der Überwindung unzähliger Hindernisse und immer erneuerter Gefahren irgend durch ein treffendes Sinnbild bezeichnet wird, so ist es in dieser Dichtung von dem Siege des Herkules über das vielköpfige Ungeheuer. Alte und neuere Dichter haben daher dies Bild auch stets genützt, weil es sich durch kein bedeutenderes ersetzen läßt.
Ein ungeheurer Eber aus dem Erymanthischen Gebürge verwüstete die Fluren von Arkadien. Dem Eurystheus war dies erwünscht, um den Herkules zu einer neuen gefährlichen Unternehmung auszuschicken. Dem Überwinder des Nemeischen Löwen und der vielköpfigten Hydra war es ein leichtes, den Eber zu fangen, welchen er gebunden dem Eurystheus brachte, der vor Schrecken über den Anblick des Ungeheuers sich in ein ehernes Faß verkroch.
In dieser lächerlichen Stellung ist Eurystheus auf einem antiken geschnittenen Steine abgebildet. – Der auffallende Kontrast zwischen der Stärke und dem Heldenmut des Gehorchenden und der Schwäche und Verzagtheit des Befehlenden, welche durch diese ganze Dichtung herrscht, gibt ihr ein desto lebhafteres Interesse. Dadurch, daß der Held sich überwindet, nach dem Schluß des Schicksals dem Schwächern zu gehorchen, erhalten seine kühnsten Taten einen doppelten Wert, weil er erst sich selber zum Gehorsam und dann die Ungeheuer zum Weichen zwingt.
Um nicht nur die Stärke, sondern auch die Geschwindigkeit und Behendigkeit des Herkules zu prüfen, mußte eine neue wunderbare Erscheinung sich ereignen. Auf dem Berge Mänelus ließ nämlich ein Hirsch mit goldenem Geweih sich sehen, welcher, obgleich der Diana geheiligt, den Wunsch eines jeden, ihn zu besitzen, auf sich zog.
Eurystheus, der nur befehlen durfte, befahl dem Herkules, diesen kostbaren Hirsch lebendig zu fangen und ihn nach Mycene zu bringen. Herkules, ohne sich zu weigern, verfolgte ein Jahr lang unermüdet die Spur des schnellen Hirsches, bis er ihn endlich in einem Dickicht fing und ihn auf seinen Schultern dem Eurystheus lebendig brachte.
Eine Art gräßlicher Vögel hielt sich an dem Stymphalischen See in Arkadien auf. Die Einbildungskraft der Dichter malt ihr Bild auf das fürchterlichste aus; sie hatten eherne Klauen und Schnäbel, mit denen sie verwunden und töten und jede Waffenrüstung durchbohren konnten; auch waren sie nach einigen Dichtungen mit Spießen bewaffnet, die sie auf die Angreifenden warfen.
Der Ort, wo diese Vögel in Sumpf und Gebüsch ihre Wohnung hatten, war unzugänglich. Eurystheus befahl dem Herkules, diese Ungeheuer zu bekämpfen, und Minerva, die dem Helden wohlwollte, schenkte ihm eine eherne Pauke, durch deren Geräusch er die Vögel aus ihrem Sumpfe schreckte und, sobald er sie in der Luft erblickte, seinen Bogen spannte und mit seinen Pfeilen sie erschoß.
Es schien, als ob der Held an jeder Gattung von Ungeheuern sich versuchen sollte; daher ließ ihn die Dichtung, nachdem er den Löwen besiegt, die Hydra getötet und den Eber gebändigt hatte, auch mit den Vögeln unter dem Himmel kämpfen.
Das Wehrgehenk der Königin der Amazonen
Schon Bellerophon mußte gegen die Amazonen fechten, und auch Eurystheus versäumte nicht, dem Herkules diese gefahrvolle Unternehmung aufzutragen. – Die Idee von den Amazonen, die ihre neugebornen Söhne von sich schickten und ihre Töchter zu Waffenübungen und zum Kriege erzogen, ist an sich schon dichterisch schön, und wir finden sie häufig in die Dichtungen der Alten eingewebt.
Auch die bildende Kunst der Alten verweilte gern auf diesem Gegenstande, und man findet auf Marmorsärgen zum öftern Amazonenschlachten dargestellt, wo die männliche Tapferkeit mit der weiblichen Bildung verknüpft im Angriff und im Sinken den reizendsten Kontrast darbietet. –
Vom Kriegsgott selber besaß die Königin der Amazonen das kostbare Wehrgehenk, das Herkules erbeuten sollte und das, von der Tapferkeit selbst verteidigt, ohne unüberwindlichen Heldenmut nicht zu erstreiten war.
Theseus begleitete den Herkules auf diesem Zuge, und am Flusse Thermodon begann die Schlacht, wo Herkules über die Bundesgenossen der Amazonen siegte, die Königin selbst gefangennahm und, nachdem er auf diesem Wege noch manche andre große Tat vollführt, das kostbare Wehrgehenk dem Eurystheus brachte.
Augias, der in Elis herrschte und ein Sohn der Sonne hieß, war wegen der vielen Herden, die er besaß, einer der reichsten Fürsten seiner Zeit.
Und weil man damals den Reichtum nach dem Besitz von vielen Herden schätzte, so waren auch die Beschäftigungen, welche hierauf Bezug hatten, noch nicht erniedrigend; und einen Stall zu reinigen war damals noch keine so unwürdige Beschäftigung, wie wir sie uns jetzt nach unsern Begriffen denken.
Augias hatte nämlich nach der Dichtung, die dem Helden die Arbeiten gern so schwer wie möglich macht, dreitausend Rinder in seinen Ställen stehen, und diese Ställe waren seit dreißig Jahren nicht gereinigt.
Herkules übernahm auf den Befehl des Eurystheus die Reinigung der Ställe, mit dem Beding, in wenigen Tagen die ungeheure Arbeit zu vollenden, wofür ihm Augias, der an der Möglichkeit der Ausführung zweifelte, den zehnten Teil seiner Herden zum Lohn versprach.
Herkules aber leitete den Alpheus durch die Ställe und verrichtete nun die Arbeit, die jedermann für unmöglich hielt, an einem Tage mit leichter Mühe. Augias aber verweigerte ihm den Lohn, worauf ihn Herkules bekriegte und tötete und den Phyleus, des Augias Sohn, der edler wie sein Vater dachte, zum Nachfolger im Reiche ernannte. Von den erbeuteten Schätzen aber baute Herkules dem Olympischen Jupiter einen Tempel und erneuerte die Olympischen Spiele. So krönte er seine Arbeit in den Ställen des Augias.
Neptun, der auf die Einwohner von Kreta zürnte, weil sie seine Gottheit nicht genug verehrten, schickte einen wütenden Stier auf ihre Insel, welcher Feuer aus der Nase blies und, weil ihn niemand anzugreifen wagte, das Land umher verwüstete.
Kaum hatte Eurystheus dies vernommen, so befahl er dem Herkules, diesen Stier lebendig zu fangen. – Es ist die Körperkraft des Helden, welche sich gleichsam gegen die ganze Tierwelt mißt, indem sich Herkules auch dieses vom Neptun gesandten Stiers bemächtigt und ihn auf seiner Schulter nach Mycene bringt.
Die mannigfaltigen Abbildungen des Herkules, worunter sich auch diese befindet, wie er den Stier auf der Schulter trägt, machen daher ein schönes Ganzes aus, weil der Ausdruck von körperlicher Stärke in jeder Darstellung herrschend ist und die bildende Kunst keinen reichern Stoff als diesen finden konnte, um das, was den Löwen besiegt und die ganze Tierwelt sich unterjocht, in jeder Muskel zu bezeichnen.
Diomedes, ein König in Thracien und ein Sohn des Mars, besaß vier feuerspeiende Rosse, die er mit Menschenfleisch sättigte und denen er die Fremdlinge, die er auffing, selbst zur Speise vorwarf.
Da das Gerücht von dieser Grausamkeit allenthalben erscholl, so befahl Eurystheus dem Herkules, ihm die feuerspeienden Rosse zu bringen, – und Herkules, der diese Tat vollführte, ließ auch den Diomedes für seine Tyrannei die gerechte Strafe erdulden, indem er ihn seinen eigenen Rossen vorwarf und auf diese Weise den an den Fremdlingen verübten Frevel rächte.
Die Grausamkeit gegen die Fremden ist in den Dichtungen der Alten, welche das Gastrecht über alles heilig hielten, das höchste Merkmal von boshafter Tyrannei und Ungerechtigkeit; man betrachtete diese Tyrannen, welche die Fremden quälten und töteten, wie Ungeheuer; und es war das Geschäft der Helden, sie von der Erde zu vertilgen.
Man findet auf alten Denkmalen die Rosse des Diomedes abgebildet, wie sie vor einer Krippe stehen, in welcher ein Mensch ausgestreckt liegt und Diomedes aufrecht darnebensteht. Auch findet man den Herkules im Kampf mit den flammenatmenden Rossen dargestellt.
In der Stammtafel der Ungeheuer ist des dreiköpfichten Geryon schon gedacht. Chrysaor, der aus dem Blute der Medusa entsprang, vermählte sich mit der Kallirrhoe, einer Tochter des Oceans, und erzeugte mit ihr den dreiköpfichten Riesen Geryon und die Echidna, die, halb Nymphe, halb Drache, den dreiköpfichten Hund Cerberus, den zweiköpfichten Hund Orthrus, die Lernäische Schlange, die feuerspeiende Chimära und die Sphinx gebar.
Der zweiköpfichte Hund Orthrus nebst dem Hirten Eurytion bewachten die Herden des Geryon, dessen Wohnsitz die Dichtungen an die entferntesten Ufer des Oceans hin versetzen.
Das Kostbarste, worin man damals den größten Reichtum setzte, hatte ein Ungeheuer in Besitz, und der Ruf von den schönen Herden des Geryon erscholl so weit, daß Eurystheus dem Herkules befahl, diese Herden hinwegzuführen und sie als einen kostbaren Schatz von jenen äußersten Enden der Erde nach Mycene zu bringen.
Herkules bahnte sich seinen Weg über Berge und Felsen und führte auf diesem weiten Zuge noch viele andre große Taten aus. – Den zweiköpfichten Hund Orthrus und den Eurytion erschlug er und bemächtigte sich der Ochsen des Geryon, die er vor sich hertrieb. Als nun der dreiköpfichte Geryon selber, auf ihn zustürzend, sich ihm widersetzen wollte, erschlug er auch diesen mit seiner Keule und befreite die Erde aufs neue von einem ihrer furchtbarsten Ungeheuer.
Die goldenen Äpfel der Hesperiden
Das Allerkostbarste, was man sich in der weitesten Entfernung und am unmöglichsten zu erreichen dachte, waren die goldenen Äpfel in den Gärten der Hesperiden, an den Gestaden des Atlantischen Meers. Der Drache, welcher diese Äpfel bewachte, war eine Erzeugung des Phorkys und der schönen Ceto, und in der Reihe der Ungeheuer ist seiner schon gedacht.
Die Hesperiden selber waren Töchter der Nacht. Ihr Dasein und ihr Ursprung waren in Dunkel gehüllt. Ihre Namen waren Ägle, Erythia und Arethusa. – Dem Eurystheus die goldne Frucht nach Griechenland zu bringen war nun die eilfte von den Arbeiten, welche Herkules, gehorchend dem fremden Befehl, vollbringen mußte.
Er tötete den Drachen, nachdem er vorher durch einen Trank ihn eingeschläfert hatte, und pflückte, nah am Ziele seiner Laufbahn, die goldne Frucht. In den Abbildungen vom Herkules sieht man auch den Baum mit der goldenen Frucht, um den sich ein Drache windet, vor welchem Herkules mit der Schale steht, die den einschläfernden Trank enthielt. – Die Hesperiden stehen trauernd über den Verlust des Schatzes, den sie bewahrten.
Nun mußte Herkules noch die letzte Probe seines Heldenmuts bestehen. Nicht genug, daß er auf der Oberwelt die Ungeheuer besiegt hatte, hieß Eurystheus ihn hinab zu den Schatten steigen und den dreiköpfigten Hund Cerberus, den Wächter an Plutos Tor, hinauf ans Licht zu ziehen. –
Die Dichtung von den zwölf Arbeiten des Herkules schließt sich mit der gefahrvollsten Unternehmung unter allen: dem Tode selbst in seinem Gebiete zu trotzen, in seinen offenen Schlund freiwillig hinabzusteigen und mit dem König der Schrecken im Kampf es aufzunehmen. –
Ehe Herkules seine ihm aufgegebene Reise in die Unterwelt begann, ließ er vorher in die Eleusinischen Mysterien sich einweihen, gleichsam um auf Tod und Leben bei dieser Unternehmung gefaßt zu sein; dann stieg er bei dem Vorgebirge Tänarum in die weite Höhle hinab, die zu der Behausung der Schatten führt.
Er zwang den Charon, ihn über den Styx zu führen. Da erblickte er den Cerberus und die ihm wohlbekannten Helden, den Theseus und Pirithous, an Felsen geschmiedet; sie hatten die vermessene Tat begonnen, zu den Schatten hinabzusteigen, um Proserpinen, die Königin der Toten selber, dem Pluto zu entführen, – und nun war ihnen die Rückkehr auf ewig untersagt.
Demohngeachtet gelang es dem Herkules, den Theseus zu befreien, nachdem er den Cerberus gebändigt hatte, der bis zum Palast des Pluto vor ihm floh. Und sowie Herkules, ihn verfolgend, sich dem düstern Palast näherte, färbte sich der Kranz von Pappeln auf seinem Haupte schwarz.
Hier kämpfte er mit dem Pluto selber und löste Theseus' Bande; vergebens aber versuchte er es, den Pirithous zu befreien, den Plutos ganze Macht zurückhielt. – Siegreich brachte nun Herkules den Cerberus auf die Oberwelt, wo von seinem Geifer eine giftige Wurzel sich erzeugte.
Der erschrockene Eurystheus ertrug den furchtbaren Anblick nicht, und Herkules entließ den schwarzen Hüter des Höllentors, den er zwischen seinen Knien gebändigt hielt, nun auch der Qual, das Licht zu schauen. Die Schreckengestalt sank wieder zur Unterwelt herab. – Des Herkules Arbeiten waren nun vollbracht.
Von den Arbeiten des Herkules kann man seine Taten unterscheiden, welche er aus eigenem Antriebe, gleichsam in der Zwischenzeit vollführte, die ihm von den aufgegebenen Arbeiten übrigblieb und worin seine unerschöpfliche Kraft und Heldenstärke sich doppelt offenbarte.
Herkules begleitete die Argonauten auf ihrem Zuge nach Kolchis, entfernte sich aber von den übrigen, indem er in der Gegend von Troja ans Land stieg, um den Hylas, seinen Liebling, zu suchen, der Wasser zu schöpfen ausging und nicht wiederkam. Die Najaden hatten den schönen Knaben geraubt und in den Brunnen herabgezogen; Herkules ließ vergeblich von dem Namen Hylas das ganze Ufer widertönen.
Er setzte nun seine Reise mit den Argonauten nicht weiter fort, sondern ging nach Troja, wo Laomedon herrschte, der die Götter Neptun und Apollo selber, welche in menschenähnlicher Gestalt die Mauern um seine Stadt zu bauen sich herniederließen, um ihren Lohn betrog.
Der Frevel des Laomedon blieb nicht lange unbestraft. Der König der Wasserfluten drohte mit einer Überschwemmung Troja den Untergang und war, nach dem Ausspruch des Orakels, nur durch die Aufopferung der Hesione, des Laomedons Tochter, zu versöhnen, die nun, gleich der Andromeda, an einen Felsen geschmiedet, von einem Meerungeheuer verschlungen werden sollte, gerade als Herkules ankam und dies Schauspiel sich seinen Augen darbot.
Nicht so zärtlich wie Perseus, übernahm Herkules erst gegen einen Zug von köstlichen Pferden, die ihm Laomedon zum Lohn versprach, die Hesione zu befreien. Laomedon aber, der schon die Götter betrogen hatte, betrog auch den Herkules und wagte es, ihm die Rosse zu verweigern, sobald er seine Tochter wieder in Freiheit sahe.
Da griff Herkules Troja an, eroberte es mit stürmender Hand und erschlug den falschen, wortbrüchigen König Laomedon. Seinem Begleiter, dem Telamon, der zuerst die Mauer erstieg, vermählte er die gerettete Hesione und verstattete ihr, für einen der Gefangenen von Laomedons Hause das Leben zu erbitten. Hesione wählte ihren Bruder Podarcis, welcher nachher sich Priamus nannte und, zu künftigem Jammer aufgespart, über Troja herrschte, dessen zweite Eroberung und schreckliche Zerstörung vom Schicksal schon beschlossen war.
Die Überwindung des Antäus, Busiris und Kakus
Als Herkules auf seinem westlichen Zuge nach Libyen kam, so stieß er auf den Riesen Antäus, dessen Grausamkeit gegen die Fremden ihn zum Ungeheuer machte, das ein mächtiger Arm vertilgen mußte.
Antäus zwang nämlich die ankommenden Fremden, mit ihm zu ringen, und wenn er sie überwunden hatte, erwürgte er sie und pflanzte die Schädel um seine Wohnung auf. – Was ihn im Kampf unüberwindlich machte, war die Berührung seiner Mutter Erde, wodurch sich, wenn er niedergeworfen wurde, seine Kraft nur verdoppelte.
Herkules Arme aber faßten ihn um den Leib und hielten ihn in den Lüften schwebend, bis er, von des Helden Kraft erdrückt, seinen Geist aushauchte. – In dieser Stellung, wie er den Riesen Antäus erdrückt, findet man auf den Denkmälern der Alten den Herkules zum öftern dargestellt. –
Busiris war ein grausamer König in Ägypten, der nebst seinen beiden Söhnen alle Gewalttätigkeit an Fremden verübte, denen er auflauern ließ und, wenn er sie fing, ermordete. Dem Herkules, der dieses Weges zog, war ein ähnliches Schicksal zugedacht, allein er erschlug den Busiris mit seinen Söhnen und machte auch diese Straße für den Wanderer sicher.
Als Herkules mit den Rindern des Geryon, die er von den entfernten Ufern des Ozeans nach Griechenland brachte, bis in die Gegend des nachmaligen Roms, beim Tiberfluß am Aventinischen Berge gekommen war, schlummerte er bei seinen Herden ein; und aus seiner Höhle am Aventinischen Berge kam der ungeheure flammenspeiende Kakus, dessen beständiges Geschäft es war, die Fremden zu berauben.
Dieser zog von den Ochsen einen nach dem andern bei den Schwänzen in seine Höhle, um durch die entgegengesetzte Spur den Suchenden zu täuschen. Als Herkules nun erwachte und die geraubten Ochsen vermißte, verleitete ihn, da er sie suchen wollte, die falsche Spur, und schon wollte er weiterziehen, als er das Gebrüll seiner Ochsen aus des Kakus Höhle vernahm, mit dem er sich nun in Kampf einließ, ihm bald seinen Raub abjagte und mit seiner Keule ihn zu Boden schlug.
Hier war es, wo Karmenta, die Mutter des Euander, der damals diese Gegend beherrschte, dem Herkules seine Gottheit prophezeite und wo noch bei seinem Leben der erste Altar ihm errichtet ward. – Auf antiken geschnittenen Steinen findet man mehrmals den Herkules abgebildet, wie er bei seinen Herden schlummert, indes Kakus die Ochsen rückwärts in seine Höhle zieht.
Die Befreiung der Alceste aus der Unterwelt
Herkules, welcher die Tyrannen vertilgte, die gegen die Fremden grausam waren, belohnte auch auf eine edle Weise die gastfreundliche Aufnahme, die er beim König Admetus fand,
Dieser Admet war mit der Alceste, einer Tochter des Pelias, vermählt. Er wurde krank und konnte, nach dem Ausspruch des Orakels, nicht anders sein Leben fristen, als wenn jemand freiwillig für ihn sich dem Tode weihte.
Alceste weihte sich heimlich den Göttern zum Todesopfer für ihren Gemahl; sie wurde krank, und die Genesung des Admet hielt nun mit ihrer zunehmenden Krankheit gleichen Schritt. Sie war verschieden, da Herkules beim Admet als Gast einkehrte.
Das Gastrecht war dem Admet so heilig, daß er dem Herkules anfänglich seine Trauer verschwieg. Als dieser aber den Tod der Alceste vernahm, versprach er seinem Gastfreund, das geliebte Weib, es koste auch, was es wolle, ihm aus dem Orkus zurückzuführen.
Und nun umfaßte Herkules den Tod mit starken Armen und hielt ihn fest, bis er die Gattin seines Freundes ihm wiedergab und sich die Trauer nun in neue hochzeitliche Freude und süße Gespräche verwandelte.
Die Befreiung des Prometheus von seinen Qualen
In dem Herkules war die Menschheit gleichsam bis zu dem Gipfel ihrer Größe emporgestiegen. Und auch der Duldung des Prometheus, an dessen Leber noch immer der Geier nagte, war nun ihr Ziel gesetzt.
Jupiter willigte selber in die Befreiung des Prometheus ein, nachdem ihm dieser zum Lösegeld die lange verborgne Weissagung offenbart hatte: Thetis würde einen Sohn gebären, der würde mächtiger als sein Vater sein.
Da nun Jupiter schon entschlossen war, die Thetis zu umarmen, so drohte ihm, ohne die Warnung des Prometheus, das Ende seiner Macht, deren Besitz er nun aufs neue dem von ihm so hart gequälten Bilder der Menschen dankte. – Nun spannte der Sohn des Donnergottes den Bogen und erschoß den Geier, der dem Prometheus die Leber nagte. Die Bande des an den Felsen Geschmiedeten fielen ab.
Die Aufrichtung der Säulen an der Meerenge zwischen Europa und Afrika
Die Dichtungen von den Taten des Herkules werden am Ende ganz kolossal und verlieren sich in dem Begriff einer Kraft, der Götter und Menschen nicht widerstehen können und die das Unmögliche möglich macht. – Als Apollo einst sich weigerte, dem Herkules wahrzusagen, so nahm er den goldnen Dreifuß weg, bis jener sein Verlangen erfüllte. – Die Götter im Olymp beklagen sich über ihn, daß er einst selbst die Juno verwundet und den Pluto mit seinen Pfeilen nicht verschont habe.
Als auf seiner Fahrt nach Westen die Sonne ihm zu heiß schien, so spannte er seinen Bogen und schoß nach dem Lenker des Sonnenwagens, der durch ein großes goldnes Trinkgefäß ihn zu versöhnen suchte. – Auch mit dem Neptun, da dieser einen Sturm schickte, nahm es Herkules auf und schoß seine Pfeile auf ihn ab. Dieser, um ihn zu besänftigen, ließ schnell die Sturmwinde schweigen und ließ die Wellen das goldne Trinkgefäß emportragen, dessen sich Herkules wegen seiner Größe zugleich statt eines Fahrzeuges auf dem Meere bediente, ohne zu fürchten, daß es untersänke, da selbst der König der Gewässer und die Wasserwogen ihm untertänig waren.
Da er nun auf seinem Zuge nach Westen an das äußerste Ende der Erde kam, durchbrach er die Erdenge zwischen Europa und Afrika und vereinte das Weltmeer mit dem Mittelländischen Meere.
Da richtete er an der Meerenge zum Andenken seiner vollbrachten Taten und um das Ziel seiner Reise zu bezeichnen auf den gegeneinander über liegenden Bergen Kalpe und Abyla zwei Säulen auf, zu deren Andenken die Nachwelt jene beiden Berge selber die Säulen des Herkules nannte.
Die Einbildungskraft konnte in dieser Dichtung sich nicht höher schwingen; denn erst da, wo nach der Vorstellungsart der Alten der Erdkreis selbst sich endigt und die Sonne ins Meer sinkt, war das Ziel der mächtigen Heldenlaufbahn. – Nur noch ein Zug wurde hinzugesetzt: Der, welcher den Prometheus befreite, half auch auf eine Weile dem Atlas den Himmel tragen und nahm die ewig drückende Last von Japets Sohn auf seine Schultern, um jenem eine kleine Zeit Erleichterung zu verschaffen. – So findet man auch auf alten Denkmälern den Herkules abgebildet, den Himmelsglobus auf den Schultern tragend.
Dies sind nun außer den zwölf Arbeiten des Herkules seine vorzüglichsten Taten. Die Dichtungen schreiben ihm noch viel mehrere zu, weil alles, wozu Standhaftigkeit, Heldenmut und Stärke gehörte, sich gerne an diesen Namen knüpfte, der einmal alles Göttliche in sich faßte, was durch die Körperkraft sich offenbart.
Wenn aber bei irgendeiner Götter- oder Heldengestalt der Begriff der Macht und Stärke über alles andre überwiegend ist, so ist dies beim Herkules der Fall, der gleichsam die aus ihrem ersten Schlummer erwachte Menschheit im Gefühl ihrer ganzen Kraft, ohne müßiges Denken in sich abbildet, immer rastlos irgendein Ziel verfolgend, unbekümmert, was um ihn her steht oder fällt. –
Der Begriff von einem Helden war in der Vorstellungsart der Alten mit dem Begriff von einem Weisen gemeiniglich nicht verknüpft. Selbst beim Ulysses geht die Weisheit in Verschlagenheit über, und bei dem weisen Nestor ist durch das Alter die Heldenkraft schon gelähmt. Bei den Helden findet sich immer viel Licht und Schatten, und Herkules selbst muß noch mit manchen Schwächen für seine Heldenstärke büßen. –
In seinen Vermählungen und in seinen Ausschweifungen in der Liebe fand Herkules sein Unglück und zuletzt einen qualenvollen Tod, welcher demohngeachtet der Übergang zur Unsterblichkeit für ihn war.
Zuerst vermählte Kreon, Thebens Fürst, ihm seine Tochter Megara, zur Dankbarkeit für einen wichtigen Dienst, den Herkules ihm geleistet, welcher durch seine Tapferkeit die Stadt von einem lästigen Tribut befreite, den sie den Orchomeniern zahlen mußten.
Nachdem er nun acht Kinder mit der Megara erzeugt hatte, versetzte Juno ihn in eine rasende Wut, worin er Mutter und Kinder erschlug, deren abgeschiedenen Seelen man nachher in Theben jährlich Totenopfer brachte.
Um diese schreckliche, obgleich unverschuldete Tat zu büßen, unterzog sich Herkules desto freiwilliger den Arbeiten, die ihm Eurystheus anbefahl, bis, nahe an der Vollendung seiner Taten, eine neue Liebe ihn fesselte und er sich, ohngeachtet des tragischen Ausganges seiner ersten Ehe, zum zweitenmal vermählte.
Er kam nämlich auf einem seiner Züge nach Kalydon zum König Öneus und sahe dessen schöne Tochter Deianira, welche dem Flußgott Achelous schon verlobt war. Mit diesem ließ sich Herkules in einen Zweikampf ein, und da er ihn überwunden hatte, war Deianira der Preis des Sieges.
Als nun Herkules auf seiner Reise mit der Deianira an den Fluß Evenus kam, an dessen Gestade der Centaur Nessus seine Wohnung hatte, so trug er diesem auf, die Deianira auf seinem Rücken durch den Strom zu tragen.
Nessus wollte diese Gelegenheit nutzen, um die Vermählte des Herkules zu entführen; als diese aber um Hilfe schrie, spannte Herkules schnell den Bogen und durchschoß den Centaur mit einem in das Blut der Lernäischen Schlange getauchten Pfeil. Nessus gab sterbend der Deianira eine Handvoll von seinem Blute als ein kostbares Geschenk in einer Flasche und verhieß ihr, daß sie durch dies Mittel auf immer des Herkules Zuneigung sich versichern und jede fremde Liebe aus seiner Brust verscheuchen könne, wenn sie dereinst ein dicht am Leibe anliegendes Gewand mit diesem Blute bestriche und es dem Herkules, um es anzulegen, schickte.
Herkules, der nun wieder auf Taten ausging, entfernte sich von Zeit zu Zeit von der Deianira. Einst blieb er lange, ohne daß Deianira etwas von ihm vernahm. Ihn fesselte eine neue Liebe, die ihn mehr als alle seine überstandenen Gefahren darniederbeugte, weil sie ihn zu einer ungerechten Tat verleitete.
Als Herkules nämlich auf einem seiner letzten Züge nach Euböa kam, erblickte er Iolen, die Tochter des Eurytus, der über Öchalien herrschte. Er ward von Iolens Reizen schnell besiegt und warb um sie bei ihrem Vater. Als dieser sein Verlangen abschlug, verließ er zürnend und auf Rache denkend die Wohnung seines Gastfreundes.
Und als bald darauf Iphitus, des Eurytus Sohn, beim Herkules seine entlaufenen Stuten suchte, führte ihn dieser, der selber die Stuten bei sich verbarg, auf einen Hügel und stürzte den Sohn seines Gastfreundes, ehe dieser sich's versahen vom jähen Felsen herab.
Durch diese Tat befleckte Herkules seinen Ruhm und mußte auch auf den Befehl der Götter auf eine schändliche Weise dafür büßen. Er mußte sich der wollüstigen Königin Omphale in Lydien zum Sklaven verkaufen lassen und weibliche Geschäfte auf ihren Befehl verrichten.
Hier stellt die bildende Kunst Omphalen mit der Löwenhaut umgeben und mit der Keule in der Hand, den Herkules aber in Weiberkleidern am Rocken spinnend dar. Der Held, der seine Laufbahn nun vollendet hatte, mußte vor seiner Vergötterung noch das Los der Sterblichkeit empfinden und so tief von seiner Größe sinken, als hoch er gestiegen war.
Allein die bestimmte Zeit dieser Dienstbarkeit verfloß, und nun rüstete Herkules sich gegen den Eurytus, der seine Tochter Iole ihm versagt hatte. Mit stürmender Hand eroberte er die Stadt Öchalia und zerstörte sie, erschlug den Eurytus selber, nahm Iolen gefangen und schickte sie als eine Sklavin seiner eigenen Gemahlin Deianira zu.
Deianira nahm die Iole gütig auf. Als sie aber durch das Gerücht vernahm, daß ebendiese Gefangene ihre Nebenbuhlerin sei, da glaubte sie, daß es Zeit wäre, von dem Geschenk des Nessus Gebrauch zu machen, wodurch die Liebe des Herkules ihr versichert und jede fremde Zuneigung aus seiner Brust verscheucht würde.
Sie nahm des toten Nessus langverwahrtes Blut und färbte damit ein köstliches Unterkleid, das sie dem Herkules durch den Lichas versiegelt entgegenschickte, mit der Bitte, es nicht eher zu tragen, als bis er sich an einem Opfertage, schön geschmückt, den Göttern damit gezeigt habe.
Schon lange hatte ein Orakelspruch dem Herkules geweissagt, daß er den Tod von keinem Lebenden, sondern nur von einem Toten befürchten dürfe. Diese Prophezeiung war nun ihrer Erfüllung nahe. –
Auf dem Vorgebirge Cenäum von Euböa errichtete Herkules nach dem Siege über den Eurytus dem Jupiter Altäre und war die Opfertiere zu schlachten im Begriff, als Lichas ihm das Geschenk der Deianira überbrachte.
Herkules freute sich des Geschenks und zog sogleich das Kleid als einen festlichen Schmuck zum Opfer an, brachte nun eine Hekatombe den Göttern dar und ließ die Flamme von den Altären gen Himmel lodern, als plötzlich das Gewand wie angeleimt an seinem Körper klebte und Zuckungen durch alle seine Glieder fuhren. Es war das Gift der Hydra, die er selbst erlegt hatte, das nun sein Innerstes verzehrte.
Er rief dem unglücklichen Lichas, der ihm das Kleid gebracht, und schleuderte ihn, da der Schmerz in seinen Eingeweiden wütete, an einen Felsen, an welchem sein Schädel zerschmettert ward. – Mitten in seinen Qualen ließ Herkules sich nach Trachina bringen. – Kaum aber hatte Deianira die Würkung ihres Geschenks vernommen, so gab sie verzweiflungsvoll sich selbst den Tod.
Hyllus, ein Sohn des Herkules, den er mit der Deianira erzeugte, stand ihm in seinen Qualen bei und brachte auf seinen Befehl ihn auf den Berg Öta, wo Herkules auf dem lodernden Scheiterhaufen seine Leiden durch einen freiwilligen Tod zu enden beschlossen hatte, indem er zugleich dem Hyllus seine geliebte Iole empfahl und Pfeile und Bogen seinem treuen Gefährten, dem Philoktet, des Päas Sohn, zum Erbteil hinterließ.
Als Herkules nun den Scheiterhaufen bestiegen hatte und die lodernde Flamme ihn umgab, da heiterte sich sein Antlitz auf. Er hatte die Leiden der Menschheit ausgeduldet und ihre Schwächen abgebüßt; die sterbliche, den Schmerzen unterworfene Hülle fiel von ihm ab; sein Schattenbild nur sank zum Orkus nieder, sein eigenes Selbst stieg in die Versammlung der Götter zum Olymp empor. – Juno war versöhnt, und Hebe, die Göttin der ewigen Jugend, ward nach des Schicksals Schluß dem neuen Gott vermählt.
Auf der hier beigefügten Kupfertafel befinden sich nur zwei Abbildungen von Herkules. Die erste, nach einem antiken geschnittenen Steine, stellt ihn als Jüngling dar, wie er den Nemeischen Löwen erdrückt, die andre, ebenfalls nach einer antiken Gemme, wie er nach vollendeter Laufbahn von seiner vollbrachten Arbeit ausruht.