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Die Dichtungen von den Lieblingen der Götter erhalten einen vorzüglichen Reiz durch eine Art von schwermütigem trübem Dämmerschein, der sie umhüllt. Wenn Jugend und Schönheit ein Raub des Todes wurden, so hieß es, irgendeine Gottheit habe ihren Liebling von der Erd' entführt. Auf die Weise war die Trauer mit Freude vermischt und die Klage um den Toten gemildert. Man findet daher auch diese Dichtungen auf den Marmorsärgen der Alten am häufigsten dargestellt.
Vom Ganymedes, einem Sohn des Tros und Urenkel des Dardanus, des ersten Stifters von Troja, sagt der Dichter: Er war der schönste unter den sterblichen Menschen. – Die Götter selbst entführten ihn, seiner Schönheit wegen, damit er dem Jupiter den Becher reichte und in der Gesellschaft der Unsterblichen wäre.
In der Gestalt des Adlers, welcher den Donnerer trug, entführte Jupiter seinen Liebling von dem Gipfel des Ida und trug ihn sanft in den gekrümmten Klauen schwebend von der Erd' empor.
In diese schöne Dichtung hüllte die tröstende Phantasie den frühen Verlust des Jünglings ein, dessen Jugend und Schönheit man sich unmöglich als sterblich denken konnte und daher sein Verschwinden als eine Hinwegrückung von der Erde zum Sitz der unsterblichen Götter sich erklärte.
In dieser Sehnsucht nach dem Genuß eines höhern Daseins löst, nach der erhabenen Darstellung eines neuern Dichters, die schöne Fabel von Ganymed sich auf:
Ganymed
Wie im Morgenglanze Du rings mich anglühst, Frühling, Geliebter! Mit tausendfacher Liebeswonne Sich an mein Herz drängt Deiner ewigen Wärme Heilig Gefühl, Unendliche Schöne! Daß ich dich fassen möcht' Ach, an deinem Busen Hinauf! Hinauf strebt's. |
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Goethe |
An der Göttertafel den Nektar einzuschenken war nun das Geschäft des Ganymedes. Vor ihm verwaltete Hebe, die Tochter der Juno, dieses Amt, bis sie durch einen Fehltritt desselben verlustig wurde, indem sie einst im Fallen durch eine unanständige Stellung die Grazie entweihte, welche bei diesem hohen Götteramte jede Bewegung begleiten mußte.
Auch Cybele, die ernsthafte Mutter der Götter, wählte sich den schönen Knaben Atys zu ihrem Lieblinge. Er verließ seine väterlichen Fluren und eilte in die phrygischen Wälder, um dem Dienste der strengen und keuschen Göttin sich ganz zu widmen.
Als er aber einst ihres Verbots vergaß, der Liebe nie zu pflegen, und, von den Reizen der schönen Nymphe Sangaris hingerissen, mit dieser der Liebe pflog, brach über ihn und den Gegenstand seiner Liebe der Zorn der Göttin aus. Er selber bestrafte sich durch Entmannung für sein Vergehen und mußte durch immer wiederkehrende Anfälle von Raserei für seinen zu nahen Umgang mit der zu hoch erhabnen, geheimnisvollen Gottheit büßen.
Eine schöne Dichtung aus dem Altertum stellt ihn dar, am Ufer des Meeres stehend und, eine kleine Weile seines Bewußtseins mächtig, sehnsuchtsvoll nach dem entfernten Ufer hinüberblickend, wo er im Schoße seiner Eltern und mit seinen Gespielen der Kindheit süßen Traum verlebte.
Aber ihm nähert sich die Göttin auf ihrem mit Löwen bespannten Wagen, und plötzlich ergreift den Atys wieder rasende Wut; er eilt des Berges waldichten Gipfel hinauf, um alle Tage seines Lebens in weibischer Weichlichkeit der mächtigen Göttin zu dienen.
Dieser schöne Jüngling war ein Sohn des trojanischen Königs Laomedon und Bruder des Priamus. Die Dichtung hüllte seinen Verlust in die Fabel ein, daß Aurora ihn einst bei seinen Herden erblickt und wegen seiner Schönheit ihn entführt habe.
Sie erbat vom Jupiter für ihn die Unsterblichkeit, und ihre Bitte ward ihr gewährt. – Nun hieß es in der Dichtersprache, daß Aurora jeden Morgen aus dem Bette des Tithonus emporstiege, um am Himmel zu glänzen. Aurora erzeugte mit ihm den Memnon, dessen schon gedacht ist, wie die metallne Säule, die nach seinem Tode ihm errichtet wurde, einen hellen Klang von sich gab, sooft die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne sie beschienen.
Das Glück des Tithonus aber, in Aurorens Arm zu ruhen, blieb dennoch unvollkommen. Aurora hatte aus der Acht gelassen, mit der Unsterblichkeit zugleich die Befreiung vom Alter für ihn vom Jupiter zu erbitten. Und nun welkte ihr Liebling von Alter und Schwachheit aufgezehrt dahin, daß kaum noch die Stimme von ihm übrigblieb und er zuletzt selber die Göttin bat, sein Wesen aufzulösen.
Kein Glück, sagt daher ein Dichter des Altertums, kein Glück ist durchaus vollkommen! Den jungen Achilles raffte ein schneller Tod dahin, den Tithonus zehrte ein langsames Alter auf, seine Unsterblichkeit selbst ward ihm zur Bürde.
Merkwürdig ist die Anrede der Venus an ihren Liebling Anchises, dessen schon gedacht ist, daß er den Held Äneas mit ihr erzeugte. Sie spricht zu ihm, da sie als Göttin sich ihm zu erkennen gibt: »Sei ohne Furcht! Du wirst nichts Schlimmes wegen meiner Liebe erdulden. Ich werde nicht wie Aurora für ihren Tithonus die Unsterblichkeit für dich erbitten, sondern dich wird das schnelle Alter so wie die andern Sterblichen überschleichen. Die Nymphen des Waldes aber sollen den Sohn, den ich gebäre, erziehen. Wenn er mannbar ist, sollst du an seiner göttergleichen Gestalt dich weiden. Und wenn dich jemand fragt, wer diesen Sohn geboren, so sollst du sagen: eine der Nymphen, die diese Berge bewohnen; – rühmst du dich aber töricht, daß du in Cytherens Arm geruht, so wird dich Jupiters Blitz zerschmettern! Dies präge tief dir ein, und fürchte den Zorn der Götter!«
Die Liebe der Venus zu dem schönen Jüngling Adonis ging bald in die Klage um seinen Tod hinüber. Adonis war ein Sohn der Myrrha, der Tochter des Cinyras, mit dem sie im nächtlichen Dunkel, ihm selber unbewußt, eine Zeitlang blutschändrischer Liebe pflog, bis einst zufällig die gräßliche Szene erleuchtet wurde und der Vater unter tausend Verwünschungen und Flüchen mit dem tötenden Eisen seine Tochter verfolgte, die bis nach Arabien flohe, wo sie, ihr Vergehen bereuend, so lange Tränen weinte, bis sie zuletzt, in eine Myrrhe verwandelt, das Bewußtsein von ihrer Tat verlor.
Noch während ihrer Verwandlung ward Adonis von ihr geboren, den die Nymphen des Waldes erzogen und welchen Venus, da er ein Jüngling war, vor allen zu ihrem Lieblinge wählte und, weil sie keinen Augenblick ihn verlassen wollte, sogar einen Teil ihrer Sanftheit ablegte und auf der Jagd der Hirsche und Rehe ihn begleitete.
Sooft er aber allein die Spur der reißenden und gefährlichsten Tiere verfolgte, warnte sie ihn jedesmal, wenn er von ihr ging, sein ihr so teures Leben nicht in Gefahr zu setzen. Allein bei dem jungen Adonis überwand sein kühner Mut die Zärtlichkeit – er folgte der Warnung der Göttin nicht.
Schon schwebte sein schwarzes Verhängnis über ihm: er stieß auf einen ergrimmten Eber, schoß vergebens seinen Jagdspieß ab, schon senkte des Ebers weißer Zahn sich in des Jünglings Hüfte. Häufiges Blut entströmte der Wunde, und Venus, welche schon mit Angst und Zagen ahndungsvoll ihren Liebling suchte, fand ihn erblaßt in seinem Blute liegend.
Vergebens suchte sie ihn ins Leben zurückzurufen und klagte zürnend das Schicksal an. Allmählich verwandelte ihre Verzweiflung sich in sanftere Traurigkeit; sie ließ aus ihres Lieblings Asche die Anemone entsprießen und gab ihm dadurch eine Art von Unsterblichkeit.
Dem Adonis wurde ein Fest gefeiert, wo die Weiber seinen Tod beklagten und, indem sie Körbe mit Blumen ins Wasser stürzten, des Lebens kurze Blüte beweinten. – Es scheint, als ob die Klage um den Adonis, welche im Orient allgemein war, sich auf noch eine weit ältere Dichtung gründe, die in diese Einkleidung der neuern griechischen Fabel sich gehüllt hat.
Ein Liebling des Apollo war der schöne Hyacinthus, ein Sohn des Öbalus, eines lacedämonischen Fürsten. Apollo und sein Liebling wetteiferten einst im Scheibenwerfen; aus der Hand des Gottes flog die Wurfscheibe, und Boreas, auf den Apollo eifersüchtig, lenkte sie in der Luft und trieb sie an des Jünglings Haupt, welcher tot darniedersank. – Apollo ließ aus seines Lieblings Asche die Hyazinthe hervorgehen, und die Lacedämonier feierten jährlich ein Fest bei dem Grabe des Jünglings, der in des Lebens Blüte ein Raub des Todes ward.
Auch diesem Liebling des Apollo war nur ein kurzes Alter bestimmt. – Der schöne Knabe besaß einen zahmen Hirsch, der ihm vorzüglich lieb war und von seiner Kindheit an ihm Freude machte. Diesen erschoß er unversehens im Dunkel des Waldes, und sein zu weiches Herz ließ ihn diese Tat so sehr bereuen, daß er unaufhörlich traurend die einsamsten Schatten suchte und sich in kurzem zu Tode härmte. Als er gestorben war, so ließ Apollo aus seinem Grabe die dunkle Zypresse emporsteigen, die den Namen des Entschlummerten verewigte und immer ein Sinnbild der Trauer blieb. – Man siehet aus dieser, so wie aus den vorhergehenden Dichtungen, was Jugend und Schönheit, vom Tode dahingerafft, auf jene sanften Gemüter für einen unauslöschlichen Eindruck machten.
Ohngeachtet Apollo selber der Gott der Jugend und Schönheit war, so war er doch selten in der Liebe glücklich. – Leukothoe, des Orchamus Tochter, pflog mit dem Apollo einer verstohlnen Liebe. Klytie, eine andre Geliebte des Apollo, hierüber eifersüchtig, verriet dem strengen Orchamus das Liebesverständnis seiner Tochter. Dieser vergrub sie lebendig in die Erde, und Apollo, der sie nicht retten konnte, ließ zum bleibenden Andenken ihrer Zärtlichkeit und ihres Schicksals die Weibrauchstaude aus ihrem Grabe emporwachsen.
Klytie hatte nun durch ihren Verrat des Gottes Liebe auf immer verscherzt; untröstlich darüber kehrte sie neun Tage lang, ohne Speise und Trank zu nehmen, ihr Antlitz nach der Sonne, dem glänzenden Urbilde des Gottes mit dem silbernen Bogen. Zuletzt ward sie von Gram und Kummer aufgezehrt, in eine Blume verwandelt, in welcher Gestalt sie immer noch wie ehemals sich nach der Sonne wendet.
Auch Daphne entschlüpfte der Umarmung des Apollo. Als sie, von ihm verfolgt, nicht weiter fliehen konnte, flehte sie ihren Vater, den Flußgott Peneus, um Rettung an, und dieser verwandelte sie in einen Lorbeerbaum, der nachher dem Apollo beständig heilig war und mit dessen Zweigen er seine Schläfe umkränzte. – So täuschen den Gott der Dichter in diesen Fabeln seine Wünsche. Lorbeer, der sein Haar umkränzt, Weihrauch der ihm duftet, sind sein Ersatz für den Genuß versagter Liebe.
Unter allen Lieblingen der Götter hat die Dichtung den schönen Jäger Endymion des größten Vorzugs gewürdigt, weil Diana, die strenge Göttin der Keuschheit, selber, von seinen Reizen gefesselt, die Macht der Liebe empfindet.
Auf dem einsamen Gebirge Latmus in Karien war Endymions Aufenthalt. Er jagte beim nächtlichen Schein des Mondes in den Wäldern, bis er ermüdet entschlummerte. – Schlummernd erblickte ihn einst Diana, als sie mit ihrer Fackel die Nacht erleuchtend am Himmel aufstieg; alles war einsam und still; sie hielt die Rosse vor ihrem Wagen an und senkte sich langsam aus der Höhe bis zu der Lippe des Schlummrers nieder, die sie zum ersten Mal mit heißer Liebe küßte.
Oft senkte sie nun nachher den Schlummer auf Endymions Augenlider, der schlafend des Glücks genoß, das Göttern und Menschen noch nie zuteil ward. –
Unter dem schönen Sinnbilde vom schlummernden Endymion ließ ein zartes Gefühl die Alten den Tod darstellen; und man siehet auf ihren Marmorsärgen, welche die Asche früh verblühter Jünglinge umschlossen, den glücklichen Schläfer abgebildet, wie Diana auf ihrem Wagen zu seinem Kuß sich herniedersenkt.
Den schönen Schäfer Acis in Sizilien liebte Galatea, eine der Nereiden. Vergebens warb der ungeheure Polyphem um ihre Gunst. Als er aber einst am Fuß des Ätna die Nymphe den schönen Acis umarmend erblickte, riß er voll wütender Eifersucht einen Felsen los und schleuderte ihn, die Liebenden zu zerschmettern. Die Nymphe entfloh ins Meer, den Acis traf der Stein, und plötzlich löste sein Wesen in einen Bach sich auf, der nachher seinen Namen führte.
Einer der glücklichsten Sterblichen war Peleus, der Sohn des gerechtesten Fürsten, der Vater des tapfersten Helden und der Gemahl einer Göttin, die vom Jupiter selbst geliebt war.
Eben die Thetis, des Nereus Tochter, vor deren Umarmung Prometheus den Jupiter warnte, war es, welche mit dem Peleus, des Äakus Sohn, obgleich sich eine Zeitlang sträubend, auf aller Götter Zureden sich vermählte und von dem Peleus den Achill gebar, der, mächtiger als sein Vater, den glänzendsten Heldenruhm erwarb.
Bei der Hochzeit des Peleus waren alle Götter versammelt, nur war Eris, die Göttin der Zwietracht, ausgeschlossen. Und diese warf in das glänzende Gemach den goldnen Apfel mit der unglückbringenden Inschrift, die ihn der Schönsten unter den Göttinnen weihte.
Diese glänzende Hochzeitfeier enthielt den ersten Keim zu dem verderblichen Kriege, der Troja verwüstete und Griechenland seiner tapfern Söhne beraubte. Auch des Peleus Glück war nicht von Dauer; ihn überschlich das drückende Alter; er überlebte seinen tapfern Sohn. Von Gram gebeugt und kummervoll beschloß er seine Tage.
Von den Lieblingen der Götter ist auf der hier beigefügten Kupfertafel nach einem antiken geschnittenen Steine Ganymedes dargestellt, wie Jupiter in der Gestalt des Adlers ihn entführt. Auch ist auf ebendieser Tafel nach einer andern antiken Gemme der Sturz des Phaeton abgebildet.