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Waren die beiden Wegelagerer darüber einig, daß Burdhill durch eine zweizöllige eichene Planke hindurchzusehen vermöge, so hatten sie bis zu einem gewissen Grade Recht.
Nach Eintreffen bei der Quelle überzeugte er sich, daß die drei geheimnißvollen Reiter, deren Spuren er im Laufe des Tages mehrfach beobachtete, offenbar um ihre Nähe zu verheimlichen, nicht daselbst angekehrt waren. Dann begab er sich nach der Nordseite des Moro herum, wo er dicht an den schroff aufstrebenden Felsen hin seinen Weg unter dem Schutze der Tannen und Cedern fortsetzte. Nach einer Viertelstunde stieß er auf einen Pfad, welcher von der Ebene her sich nach dem bewaldeteten Abhange hinaufschlängelte und in der Nähe der Felswand seine Fortsetzung westlich fand. Weitere Prüfungen ergaben, daß nicht lange vorher drei Pferde oder Maulthiere, hintereinander einherschreitend, den Pfad betreten hatten. Die Fährten standen westlich, es ließ sich also voraussetzen, daß die verdächtigen Reisenden im Eingange zu dem natürlichen Hofe lagerten, wo sie Wasser wenigstens für den eigenen Bedarf fanden. Langsamer verfolgte Burdhill nunmehr seinen Weg, langsamer und jeden Schatten zwischen dem Gestrüpp, in welchem sich Jemand verborgen haben konnte, argwöhnisch abspähend. Allmälig wurde der Pfad rauher und hindernißreicher, und näher rückte er dem Rande des Plateau's, indem dieses sich senkte und der Erdwall höher anstieg. So erreichte er endlich einen Punkt, auf welchem niedergerollte Felstrümmer es ihm ermöglichten, sich ganz nach dem Plateau hinaufzubegeben. Oben auf der massiven Gesteinsfläche fand er verhältnißmäßig gangbaren Boden, so daß er mühelos nach der Schlucht hinübergelangte, welche den Moro bis in den natürlichen Hof hinein in zwei Theile spaltete.
Dort befand er sich kaum dreißig Fuß hoch über dem Schluchtboden, zugleich oberhalb der Quelle, welche einer Ritze in der nördlichen Felswand spärlich enttropfte. Behutsam drang er bis an den äußersten Rand vor, und kaum hatte er den Kopf ein wenig über den Abgrund hinausgeschoben, als der Duft brennenden Holzes ihn über die Richtigkeit seiner Vermuthung belehrte. Zwei abgetriebene Maulthiere und ein Pferd entdeckte er zunächst. Sie weideten abwärts zwischen den im Schatten vereinzelter Bäume üppig grünenden Kräutern und Gräsern. Weiter schob Burdhill sich über den Felsrand hinaus, und einen vollen Anblick des Lagers gewinnend, bemerkte er ein fast rauchloses Feuer, über welchem an einem einfach hergestellten Gerüst ein rußiger Blechkessel hing. Drei Sättel mit den entsprechenden Decken und Taschen lagen in der Nähe. Vor dem Feuer kauerte eine Frauengestalt, deren jugendlich kraftvoller Wuchs erst zur Geltung gelangte, als sie sich erhob und, um den Inhalt des Kessels zu würzen, etwas aus einer der geräumigen Satteltaschen herbeiholte. Ihre Kleidung bestand aus einem blauen Matrosenhemde, welches über einem Rock von demselben Stoff geschnürt wurde. Wie bei den Genossen, die noch oben auf dem Plateau weilten, diente auch ihr Gurt zur Aufnahme eines breiten Messers und eines Dragonerrevolvers. Dabei konnten die Bewegungen jener nicht entschiedener und zuversichtlicher sein, als die ihrigen, indem sie sich ab und zu bewegte. Die abgeschiedene Wildniß galt ihr eben als Heimat, in welcher sie sich vollständig zu Hause fühlte. Ihr Haupt war unbedeckt; frei und ungehindert sank das starke, braune Haar ihr über den Nacken und Schultern nieder. Ihr Antlitz, ursprünglich weiß, war durch Witterungseinflüsse stark gebräunt, zeichnete sich aber durch regelmäßige Formen aus. Ihre etwas hageren Wangen, eine natürliche Folge des beschwerlichen Wanderlebens, strotzten förmlich vor Gesundheit, während die braunen Augen furchtlos blickten und die Lippen sich so üppig emporkräuselten, als wären sie einzig und allein zum Küssen geschaffen worden. Nur in ihren Worten – und um sich zu zerstreuen, sprach sie fortgesetzt mit sich selbst – offenbarte sie den Einfluß der Gesellschaft, in welcher sie lebte.
»Es wär mir 'ne Kleinigkeit, die Thiere zu satteln und durchzugehen,« sprach sie leichtfertig, indem sie den siedenden Kessel mit verschränkten Armen überwachte, »aber wohin und nicht von ihnen gefunden werden?« Sie sann ein Weilchen nach, dann nahm sie einen zur Hand liegenden dürren Ast, und ihn um's Haupt schwingend, schmetterte sie ihn mit solcher Gewalt gegen die nächste Tanne, daß er in lauter zum Feuern geeignete Stücke zersplitterte.
»Der Schlag hätte manchen harten Schädel zerbrochen, und 'nen härteren obenein, als der meines Freundes Sculpin,« sprach sie wohlgefällig; »zum Henker mit ihm. Hat er mich für'n Lumpengeld aus den Schulden herausgekauft, die mein armer todter Mann machte, so will ich wohl für ihn arbeiten; aber mich von ihm küssen lassen – Karamba!«
Sie hatte wieder einen Ast ergriffen, um ihn auf ihre eigenthümliche Art zu Brennholz zu zerkleinern, als sie plötzlich hoch aufhorchte und sich der Schluchtmündung zukehrte. Das Geräusch knackender Zweige und eines trippelnden Hufschlages war zu ihr herübergedrungen. Da die Rückkehr der Genossen aus dieser Richtung nicht zu erwarten stand, schob sie den mittelst einer Laufschlinge an ihrem Gurt befestigten Revolver nach vorn, worauf sie sich so hinter einen Baum stellte, daß dessen Stamm ihr als Deckung diente. Bei der hereinbrechenden Dunkelheit vermochte Burdhill ihre Gestalt nur noch nothdürftig zu unterscheiden. Mit der linken Hand sich an den Baum stützend, die rechte auf dem Pistolenkolben rastend und den kraftvollen Körper zur Seite und zugleich nach vorn geneigt, erinnerte sie in ihrer Regungslosigkeit an einen jungen Panther, welcher, seiner Stärke und Gewandtheit bewußt, nur auf den günstigen Zeitpunkt harrt, die scharfbewehrten Pranken in die Weichen seiner Beute zu schlagen. Nach kurzem Spähen mußte sie sich indessen von der Gefahrlosigkeit ihrer Lage überzeugt haben, denn die Hand glitt von dem Baumstamm, und einen Schritt zur Seite tretend, gab sie ihre Gestalt dem von der Schluchtöffnung her Nahenden sorglos preis.
»Wenn Ihr nicht ein Pueblo-Indianer seid,« rief sie in schlechtem Spanisch aus, »so will ich in meinem Leben keinen Fuß mehr über 'nen Sattel schlagen.«
»Ich sah Rauch aus der Ferne,« hieß es in ziemlich geläufigem Spanisch zurück, »wo Rauch ist, brennt Feuer, wo Feuer brennt, sind Menschen nahe.«
»Das glaub' Euch der Teufel, alte quere Rothhaut,« versetzte die wilde Beß lachend, »wenn Eure Knochen sechs Monate zwischen Sonnen und Feuer gehangen haben, können sie nicht so trocken sein, wie das Holz hier. Nicht so viel Rauch wie von 'ner Cigarrette ist über die Baumwipfel hinausgestieben. Werdet wohl andere Gründe haben, hier herumzukriechen, alter Bursche.«
Der flinke Hufschlag verstummte einige Schritte vor dem jungen Mannweibe, und Burdhill erkannte einen in Leder gekleideten, langen hageren Indianer, welcher sich durch den von seinem Hinterkopf abstehenden kurzen, rothumwundenen Zopf als ein Mitglied der Städte bauenden Stämme auswies. Er ritt einen Esel, und obwohl derselbe hoch gesattelt war, reichten seine Füße doch beinahe bis zur Erde nieder. Eine lange Büchse ruhte vor ihm auf dem Sattel, welchen außerdem ein Säckchen Mehl und ein mit Wasser gefüllter Flaschenkürbis beschwerten. Abgesehen von dem zu kriegerischen Zwecken wenig geeigneten Thier, welches unter der ihm aufgebürdeten Last des hochgewachsenen Mannes fast verschwand, trug dieser in seinem tiefgefurchten Antlitz wie in der ruhigen Haltung einen so friedlichen Ausdruck, daß auch eine minder beherzte Person, als die Beß, schwerlich Scheu vor ihm empfunden hätte.
Indem der Zuñi, und es war der Gobernador Pedro Pino selber, abstieg und mit seinem schwarzbehaarten Haupte eben so hoch hinaufreichte, als kurz zuvor vom Sattel aus, erzeugte es fast den Eindruck, als sei der Esel plötzlich unter ihm fortgeglitten. Da dieser nicht aufgezäumt war und nur mittelst eines Stäbchens gelenkt wurde, so begann er sofort mit großem Eifer zu grasen, während der Zuñi sich dem jungen Weibe mit ausgestreckter Hand näherte.
»Meine Augen sehen eine kluge Frau,« sprach er mit einer gewissen höflichen Würde, als die Beß nach Männerart seine Hand kräftig schüttelte, »wenn ich frage, was sie hier sucht, so antwortet sie, was ihr am besten gefällt. Ich könnte es ebenso machen, aber ich liebe die Wahrheit. Gefällt mir die Wahrheit nicht, so schweige ich. Zwei Quellen hat der Moro. Diese hier und eine andere, wo er am höchsten. Suche ich Jemand, so finde ich ihn hier oder da, wo vor vielen, vielen Jahren fremde Menschen ihre Sprache in den Stein geschnitten.«
»Und da Ihr mich nicht sucht, muß es wohl ein anderer sein,« versetzte Beß spöttisch.
»Ich sehe drei Thiere. Wer sind die Gefährten der Frau mit dem Herzen eines Mannes?«
»Wenn Ihr 'ne Weile wartet, alte quere Rothhaut, mögt Ihr sie kennen lernen. Nach dem Moro sind sie hinaufgestiegen, um Kaninchen zu schießen.«
Der Zuñi sann eine Weile tief nach. Beß beobachtete ihn unterdessen argwöhnisch. »Kann die kluge Frau im Wasser leben, wie eine Forelle?« fragte er plötzlich mit einem bezeichnenden Lächeln, »kriecht der Adler in Erdhöhlen und hat das Kaninchen Schwingen, daß es nach dem Moro hinauffliegen könnte?«
»Ihr seid scharf, alte, quere Rothhaut,« erwiderte Beß hell auflachend, »allein mir fehlt ebenfalls nichts. Wenn ich nicht reden will, rede ich nicht.«
Der Spott eines Weibes mochte den Häuptling verletzen, denn er schritt nach seinem Esel hin, und das rechte Bein über denselben schlagend, saß er ebenso schnell im Sattel.
»Ich will weiter,« kehrte er sich dem jungen Mannweibe zu, »was ich hier nicht fand, treffe ich auf einer anderen Stelle.« Er berührte die langen Ohren des Esels mit dem Stäbchen, und oberflächlich grüßend, ritt er dem Ausgange der Schlucht zu.
Das Geräusch der flink trippelnden Hufe drang nur noch dumpf herüber, als Beß, die dem Scheidenden so lange nachgespäht hatte, ihre Verwunderung wieder sorglos in laute Worte kleidete.
»Die querste alte Rothhaut, die ich je sah,« sprach sie munter, »wenn die nicht ihre Heimlichkeiten hat, welche zu erfahren Sculpin und Bunslow gern 'ne Nacht d'rangeben, sind meine Augen nicht mehr werth, als die paar Fettringeln auf unserer Brühe.«
Sie kehrte sich dem Felsenkessel zu, und zwei Finger in den Mund legend, stieß sie den hellen Pfiff aus, welcher die beiden Genossen veranlaßte, schleunigst in den Hof hinabzusteigen.
Jetzt erst rührte Burdhill sich auf der Felswand. Geräuschlos, wie eine Katze kehrte er nach der Stelle zurück, auf welcher er das Plateau erstiegen hatte. Zwischen dem schweren Geröll sich hintastend, gelangte er in den Pfad hinab, auf welchem er einige Minuten später das flinke Trippeln des Esels unterschied.
Als der Gobernador bei ihm eintraf, begrüßten sie sich wie alte Freunde. Was sie sich gegenseitig mitzutheilen hatten, beschränkte sich auf das, was beide zugleich in der Schlucht hörten und beobachteten. Den Zweck von Perennis' Reise berührten sie mit keiner Silbe. Nur Gills, des schlanken Zuñi-Burschen, gedachten sie, der seine Botschaft pünktlich ausgerichtet hatte, dagegen auf des Häuptlings Wunsch in der Zuñi-Stadt zurückgeblieben war. –
Im Lager war man bereits besorgt um Burdhill geworden. Um so größer war dafür die Freude, als das persönliche Erscheinen des Gobernadors für seine dem Unternehmen günstige Stimmung zeugte. Die Nähe der Wegelagerer und deren verdächtiges Benehmen – man kannte ja die wilde Beß und ihre Beziehungen – bewirkten, daß man die Wachsamkeit verdoppelte. In ungestörter Ruhe verstrich daher die Nacht, und die Sonne hatte kaum den ersten Blick über die Sierra Madre geworfen, als die Gesellschaft die Weiterreise antrat. Bevor man die Nachbarschaft des Moro verließ, spürte man dem geheimnißvollen Kleeblatt nach. Es war verschwunden. Wohl entdeckte man die untrüglichen Spuren, daß drei berittene Personen in der Schlucht übernachtet hatten; von dort aber standen die Fährten südlich in die Wildniß hinein. Man schrieb diese Bewegung der berüchtigten Pferdediebe der Nähe der Zuñi-Stadt zu und glaubte, vorläufig gegen deren Räubereien sicher zu sein. –
»Also nicht nach der Stadt?« kehrte Perennis nach sechsstündigem, scharfem Marsch sich dem Gobernador zu, als hinter einem gewaltigen Felsplateau hervor ein terrassenförmig übereinander geschichteter Häuserhaufen in seinen Gesichtskreis trat.
»Nicht in die Stadt,« antwortete der Zuñi, »zu viele Gemächer und Gänge in derselben. Wenn ich spreche, soll's nicht zu allen Leuten getragen werden. Weiber giebt's überall, und unter den Männern einzelne, die nicht verschwiegener sind, als ein Weib. Braucht Jeder zu erfahren, was ich mit den Weißen verhandle?«
»Gern hätte ich die Stadt kennen gelernt,« versetzte Perennis zu Plenty und Burdhill gewendet, indem sie, dem Gobernador folgend, in einen dem Plateau zuführenden Pfad einbogen.
»Was wollen Sie in dem Ameisenhaufen?« fragte Plenty, jedoch mit einem neugierigen Blick auf die an eine alte mexikanische Stufenpyramide erinnernde Stadt, »unser Freund Pino hat unstreitig seine Gründe, uns fern zu halten, calculir' ich.«
Die hohe Sonnengluth und der Umstand, daß in dem schmalen Pfade die Thiere nur hintereinander gehen konnten, brachte die Unterhaltung gänzlich ins Stocken. Wohl eine Stunde bewegte der Zug sich zwischen kahlen, steinigen Hügeln hin. Erst nach Durchschreiten einer wasserhaltigen Schlucht wand der Pfad sich nach der Höhe hinauf. Allmälig wurde die Bahn schwieriger und hindernißreicher, so daß die Reiter gezwungen waren, abzusteigen und die Thiere hinter sich am Zügel zu führen. Eine eigenthümlich feierliche Stimmung hatte sich des Häuptlings bemächtigt. Ehrerbietung offenbarte sich in seiner Haltung, wenn er hier an einer höhlenartigen Felsnische vorüberschritt, in welcher reihenweise geopferte kleine Vögel und Zauberamulette lagen, dort wieder, hart am Rande des Abgrundes, Anhäufungen schwerer Geröllblöcke von den Tagen erzählten, in welchen seine Vorfahren dieselben aufschichteten, um sie auf die Köpfe der sie verfolgenden Spanier hinabzustoßen. Auch schmale Abflachungen berührte der schwindelnde Pfad, auf welchem trotz der Dürre des felsigen Bodens reich belaubte und mit Früchten beladene Pfirsichbäume sichtbar gediehen.
Endlich, nachdem in mühevoller Wanderung ein Höhenunterschied von mehr als tausend Fuß überwunden worden war, dehnte sich die Oberfläche des gigantischen Plateau's vor den Reisenden aus. Verkrüppelte Cedern, bald zerstreut stehend, bald in Haine sich zusammendrängend, hemmten die Aussicht über dieselbe hin. Zahllose Scherben bemalter Töpferwaaren gaben Kunde von dem regen Leben, welches einst dort oben herrschte, gleichviel, woher es seinen Unterhalt nahm, ob tief unten aus dem Thal, ob von den kleinen Beeten und Feldern, welche auf halber Höhe, versteckt zwischen dem zerklüfteten Gestein, ihre Nahrung von den in cisternenartigen Höhlen sich sammelnden Wolkenniederschlägen bezogen. Nur einen kurzen Blick gönnte der Gobernador den Reisenden in das breite Thal und auf die wunderbare Terrassenstadt, deren Zinnen und Mauern zahlreiche Menschen, nur noch Punkten ähnlich, eigenthümlich belebten; dann drängte er der Mitte des Plateau's zu. Etwa sechshundert Schritte weit von dem schroff abfallenden Uferrande bogen sie um ein dichtes Cedernwäldchen herum, und vor ihnen lag wieder eine Trümmerstadt, deren Erdgeschosse zum Theil noch standen. Zwischen zerbröckelnden Mauern und Schutt einherschreitend, blieb der Zuñi, dessen Esel ihm wie ein Hund folgte, vor einer noch überdachten Ruine stehen.
»Eine gute Stätte zum Rasten,« bemerkte er einladend, »die Sonne scheint nicht hinein, wenn das Gestein ringsum glüht, und wer da drinnen schläft, dem fällt der Thau nicht auf die Augen. Auch Wasser ist nahe,« und er wies auf eine von Cedern beschattete natürliche Cisterne, in welcher das Regenwasser aus weiterem Umkreise zusammengeflossen war und, trotz der sommerlichen Hitze, durch Verdunstung noch nicht wesentlich abgenommen hatte; »hier werden die Fremden weilen, der Verwandte unseres weisen Freundes Rothweil, hier werden sie rasten, bis ich selber komme oder Jemand sende, der zu ihnen spricht.«
»Und Ihr?« fragte Plenty argwöhnisch.
»Ich gehe in die Stadt hinab. Zwischen Abend und Morgen hört Ihr von mir. Es giebt einen Zauber, welcher die Schritte lenkt; ohne diesen Zauber bin ich blind.«
»Zum Henker,« versetzte Plenty etwas lebhafter als gewöhnlich, »was hat der Zauber mit uns zu thun? Warum sollen wir nicht hinab und den Zauber von Angesicht zu Angesicht kennen lernen?«
»Mögen da unten nicht Leute weilen, die anders denken, als Ihr und ich?« fragte der Häuptling ruhig.
»Wer könnte das sein?«
»Missionäre,« antwortete der Zuñi ernst, »sie sind gekommen, um zu predigen und die jüngsten Kinder zu taufen.«
»Goddam!« stieß Plenty förmlich hervor, das einzige Zeichen seiner Ueberraschung, und in sorgloserem Tone fuhr er fort: »Feine Christen seit Ihr. Laßt Euch taufen und die Ohren vollblasen, bekreuzigt Euch in aller Form, und seid dabei so gute Heiden, wie nur je welche die Sonne anbeteten, calculir' ich.«
»Wir sind Christen,« gab der Gobernador zu, »Montezuma ist unser Gott, Ihr nennt ihn Christus. Montezuma kehrt wieder, dann hat die Noth der Indianer ein Ende.«
»Das laß ich gelten,« spann Plenty das Gespräch weiter, während Perennis' und Burdhill's Blicke mit ungeheuchelter Theilnahme auf dem betagten Häuptling ruhten, »Ihr gönnt den Pfaffen die Ehre und steht zugleich mit Montezuma auf dem besten Fuß. Zum Teufel, Mann, noch eine Frage: Habt Ihr die Missionäre erwartet, oder sind sie unvermuthet gekommen?«
»Es ist sonst nicht ihre Zeit,« entgegenete der Zuñi, »sie scheuen den heißen Sommer und den kalten Winter. Wenn das erste Gras sprießt und wenn die Blätter von den Pfirsichbäumen fallen, kommen sie gewöhnlich. Aber sie finden auch jetzt Arbeit.«
»Schöne Arbeit, calculir' ich,« spöttelte Plenty, »und einen Maulwurf nennt mich, wenn hinter diesem Pfaffenbesuch nicht eine Teufelei steckt.«
»Was sollten gerade die Missionäre gegen die Zuñis oder gar gegen uns bezwecken?« fragte Perennis befremdet.
»Ich meine so im Allgemeinen,« wich Plenty anscheinend sorglos aus »sicher ist, daß sie dem guten Gobernador 'ne Million Jahre Fegefeuer mehr zuerkennen, sobald sie erfahren, daß er trotz seines Christenthums uns mit seinen Zaubermitteln zur Seite stehen will. Uns selber wäre damit am Wenigsten geholfen, und das weiß der Gobernador, oder er scheute sich nicht, uns in seine Wohnung zu führen.«
Der Häuptling hatte das Gespräch seiner Gäste kaum beachtet. Sobald sie schwiegen, verabschiedete er sich von ihnen mit kurzen Worten.
»Ich kenne Euren Plan und stehe zu Euch,« sprach er nachdenklich, »dem todten weisen Freunde habe ich's versprochen. Wollt Ihr nicht vergeblich gekommen sein, so verlaßt diese Höhe nicht anders, als wenn Euch Jemand ruft.«
Er schwang das Bein über seinen Esel und ritt, das Haupt gesenkt, der Stelle zu, auf welcher sie das Plateau erstiegen hatten.
Die Thiere waren bereits ihrer Lasten und Sättel entledigt worden. Bald darauf flackerte ein rauchloses Feuer, vor welchem die Hände sich emsig bei der Zubereitung eines Mahles sich regten. Burdhill, der gewandte Jäger und Kundschafter, hatte sich wieder auf den Weg begeben, das Plateau abzuspüren. Seitdem er der wilden Beß begegnete, gönnte es ihm keine Ruhe. Ueberall glaubte er sich überwacht, überall fürchtete er, von den verrufenen Pferderäubern überlistet zu werden.