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Ein zahlreiches und äußerst gewähltes Publikum hatte sich am Nachmittage des 5. Juni 1867 auf dem Nordbahnhof zu Paris versammelt. Der Bahnhof selbst war festlich dekoriert, auf den rings umher erbauten Tribünen sah man das diplomatische Korps mit den Damen und eine große Zahl von Personen der ersten Gesellschaft. Der Perron war vollständig freigehalten. Sergeants de ville mit ihren dreieckigen Hüten, langen Fracks und spitzen Degen hielten überall den Andrang des großen Publikums zurück, welches sich in dichter Masse versammelt hatte, und an den Ausgängen des Bahnhofs herandrängend, den ganzen Platz erfüllte.
Man erwartete die Ankunft des Königs Wilhelm von Preußen, dessen Besuch der großen Weltausstellung lange zweifelhaft gewesen war, und der nun doch kam, um hier in Paris mit seinem kaiserlichen Neffen, dem Selbstherrscher aller Reußen, zusammenzutreffen. Ein unruhiges Wogen ging durch die dichte Menge, und über dieser ganzen gedrängten Menschenmasse schwebte jenes unbestimmbare brausende, bald anschwellende, bald leiser verwehende Geräusch, welches aus einer ruhig wartenden Menschenmenge hervorsteigt wie die fernher tönende Stimme des Meeres, der erste Anfang jenes tobenden, vernichtend daherrollenden Donners, welcher dem Zorn der im Sturm aufwallenden Fluten wie der furchtbaren Erhebung der wild bewegten Volksmassen vorhergeht.
Die Pariser waren in sehr gemischter und ziemlich unklarer Stimmung dem fürstlichen Gaste gegenüber, welcher kommen sollte, um die Wunder der Ausstellung zu sehen, um den Kaiser und die französische Nation zu besuchen.
Das französische Volk hatte den Preußen gegenüber sehr verschiedenartige und sehr geteilte Empfindungen. Die ältesten Traditionen waren freundlicher Natur – Frédéric le Grand ist den Franzosen trotz Roßbach eine sympathische Erscheinung, zu welcher sie voll hoher Bewunderung aufblicken, und welche sie wegen seiner äußerlich französischen Richtung und seiner Protektion Voltaires ein wenig zu den Ihrigen zählen. Die Erinnerungen von 1813 sind zwar nicht freundlicher Natur, aber der Zorn der Besiegten hat allmählich in der langen Reihe von Jahren der Achtung vor den Siegern Platz gemacht, dagegen war aber in allen Herzen, aufgeregt und genährt durch die Reden in der Kammer, durch die Artikel in den Journalen, eine gewisse feindliche Stimmung gegen den Sieger von Sadowa vorhanden, der, ohne Frankreich, diese erste schiedsrichterliche Macht Europas, zu fragen, die politischen Verhältnisse der Welt so tiefgreifend verändert hatte und sich anschickte, dies zerstückelte, ohnmächtige Deutschland, auf welches man mit einer Art von mitleidiger Ironie herabzublicken gewohnt war, zu einer geeinigten großen Nation an den Grenzen Frankreichs zusammenzufügen.
Dies war in den Augen der Pariser eine arge Vermessenheit von seiten des Herrschers eines halbbarbarischen Volks, wie diese Preußen ja nach allem sein mußten, was man über sie hörte, eine Vermessenheit, über welche Frankreich früher oder später sein endgültiges, entscheidendes Wort sprechen müßte und würde.
Aber auch mit diesem Gefühl der Verstimmung mischte sich wieder eine gewisse achtungsvolle Bewunderung; man war hoch gespannt, diesen König zu sehen, der in sieben Tagen die österreichische Macht zertrümmert, diese Macht, welche in einem schweren und fast zweifelhaften Siege zu überwinden Frankreich bei Solferino so viele Mühe gekostet hatte. Voll hoher Empfänglichkeit für die Würdigung militärischer Eigenschaften konnten sich die Franzosen trotz aller Deduktionen der Presse, trotz aller Reden in den Klubs und den Kammern eines sympathischen Gefühls für diesen Soldatenkönig nicht erwehren, der im vorgerückten Greisenalter mit jugendlicher Frische und unbeugsamer Kraft seine Armee selbst auf das Schlachtfeld und zum Siege geführt hatte und der alle Mühen und Anstrengungen des Feldzuges mit seinen Soldaten geteilt hatte. Wie mußte er aussehen, dieser König der Schlachten, mit dem Degen von Sadowa an der Seite, von dem man so viel gesehen und gelesen hatte? – Und dann sollte ja mit ihm jener merkwürdige Mann kommen – der Graf Bismarck, in dessen feiner und kühner Staatskunst der Kaiser seinen Meister gefunden hatte, der Kaiser, dessen Kombinationen und politische Berechnungen damals für die Pariser noch von dem Nimbus einer Art von Vorsehung umgeben waren – und fest hielt jeder auf seinem Platze aus trotz der drängenden Enge, um die tête de Bismarck zu sehen, dieses Bismarck – »qui avait roulé l'Empereur,« wie man sich ganz leise zuflüsterte.
Gerüchte hatten die Luft erfüllt in den letzten Tagen von Verabredungen, die mit dem Kaiser von Rußland stattgefunden hätten, um eine Verständigung mit den nordischen Mächten herbeizuführen, und wenn auch die Verstimmung über den so plötzlichen umwälzenden Erfolg von Sadowa groß war, so freute man sich doch über jene Gerüchte, und in den inneren Gedanken der meisten Pariser hätte man den Wunsch finden können, trotz aller Erregung der Presse und der öffentlichen Meinung, daß es doch viel besser wäre, wenn Frankreich mit dem siegreichen Deutschland und dem mächtigen Rußland sich vereinigen würde, als wenn es gezwungen würde, den schweren Kampf gegen die behelmten preußischen Bataillone aufzunehmen.
Über alle diese wechselnden Stimmungen und Anschauungen dominierte aber das in dem guten, französischen Publikum stets vorherrschende Gefühl gastfreundlicher Höflichkeit. Mochte dieser König von Preußen das französische Prestige schwer erschüttert haben, mochte man in ihm vielleicht den Gegner in künftigen Kämpfen erblicken – er kam hierher als Gast an den Herd Frankreichs, er kam zu dem Rendezvous, welches die französische Nation der Industrie der Welt eröffnete, er kam, um den Glanz des kaiserlichen Paris zu bewundern, man wollte ihm keine bemerkbaren Beweise von Sympathie geben, aber er sollte die Höflichkeit und Artigkeit finden, welche man dem Gaste schuldete, und wer es hätte wagen wollen, irgendeine feindliche Demonstration zu machen, irgendeinen kränkenden Ruf auszustoßen, den würde diese erwartungsvolle Menge niedergeschlagen und den an den Straßenecken postierten Beamten der Sicherheitspolizei ausgeliefert haben.
In der Nähe des Einganges zum Bahnhofe standen zwei Personen und ließen ihre Blicke mit dem Ausdruck finsterer Geringschätzung über die dichtgedrängte Menge gleiten.
Der eine dieser Männer, eine magere, starkknochige Gestalt in einem zugeknöpften Überrock, trug auf seinem Gesicht, das auf ein Alter von vierzig bis fünfzig Jahren schließen ließ, die tief eingedrückten Spuren eines von mächtigen Leidenschaften bewegten und zerrissenen Lebens. Seine Haltung und der Schnitt seines Bartes gaben ihm etwas Militärisches, in den finster glühenden Augen, welche unter der schmalen, scharf geschnittenen Stirn hervorblickten, lag, wenn man ihrem Blicke begegnete, eine Welt von düstern Gedanken, eine unergründliche Tiefe von Haß, Tücke und Verschlagenheit. Es war der frühere französische Kapitän Cluseret, der in Algier gedient, dann unter Garibaldi in Sizilien und Neapel, unter Fremont in den Vereinigten Staaten gefochten hatte, und der nun, nachdem er von den Feniern in Newyork zum General der fenischen Republik ernannt war, sich in England aufhielt, um dort als militärischer Führer der Fenier zu studieren, wie London genommen und in Brand gesteckt werden könne, und wie man durch einen Überfall der Magazine von Woolwich die Mittel erlangen könne, um mit einem Schlage die englische Armee und Flotte zu vernichten.
Neben ihm stand ein ganz junger Mensch mit kaum keimendem Schnurrbart auf der Oberlippe seines blassen, etwas aufgedunsenen Gesichts, auf welchem jugendlicher Leichtsinn sich mit dem Ausdruck niedriger Debauche, übermütiger Selbstüberschätzung und eines gewissen kalten, schneidenden Hohnes vermischte. Dieser junge Mensch, der mit einer Art von gesuchter Eleganz gekleidet war, zu welcher seine schmutzige Wäsche, seine wenig glänzenden Stiefel und sein fettglänzender, etwas fadenscheiniger Hut nicht im Einklang stand, war Herr Raoul Rigault, eine jener pariser Existenzen, von denen man niemals genau weiß, woher sie in gewissen Momenten die Mittel zu einem mehr oder weniger verschwenderischen Leben nehmen, und wie sie die Zeiten zubringen, welche zwischen diesen einzelnen Lichtblitzen ihres Daseins liegen.
Cluseret stand da mit untereinandergeschlagenen Armen und ließ seinen brennenden Blick, von wildem Feuer glänzend, über diese dichtgedrängte, so ruhig erwartungsvoll dastehende Menge hingleiten.
»Welche verächtliche Gesellschaft!« sagte er in dumpfem Tone, halb zu sich selbst, halb zu seinem Begleiter sprechend, »da stehen sie wie eine Herde Schafe, glücklich, den glänzenden Aufzug ihrer Tyrannen zu sehen, ohne daran zu denken, daß sie ihr Fett und ihre Wolle hergeben müssen, um diese Familie von Wölfen zu ernähren, um all diese glänzenden Flittern zu bezahlen und um diese Söldnerheere zu unterhalten, auf welche die Tyrannei sich stützt.«
»Was wollen Sie, mein lieber General,« sagte Raoul Rigault lächelnd, indem er mit seinem dünnen Stöckchen an seinen Stiefel schlug, »die blöde Menge hat einmal den Charakter jenes wolletragenden Wiederkäuers – das ist nicht zu ändern, und das ist auch weiter nicht schlimm, es erleichtert gewissermaßen die Sache, sie werden stets willig und gehorsam dem Führer folgen, und dem am willigsten, den sie am meisten fürchten; es kommt nur darauf an, daß wir uns mehr fürchten machen als jene augenblicklichen Herrscher, daß wir an der Stelle jener die Führung übernehmen.«
Er wiegte sich leicht in den Hüften, warf ein kleines, viereckiges Glas an schwarzem Bande ins Auge und lorgnettierte nach zwei in der Nähe stehenden, jungen Damen von ziemlich zweifelhaftem Aussehen hinüber.
»Ich bin hierher gekommen,« sprach Cluseret in demselben düstern Tone weiter, »auf die Gefahr hin, mich in Unannehmlichkeiten mit der Polizei zu verwickeln, um die Stimmung hier gerade während der Zusammenkunft der drei größten und gefährlichsten Militärautokraten der Welt zu beobachten, dieser Zusammenkunft, die eine furchtbare Drohung für alle unsere Pläne und Hoffnungen einschließt, ich hoffte, daß diese Gelegenheit ein günstiges Terrain schaffen sollte, um eine feste, geschlossene Verbindung herzustellen mit jener Organisation, welche in Amerika und England die große kommunistische Republik vorbereitet – und was finde ich? Überall Freude, fast Stolz über den flimmernden Theaterglanz, den diese Souveräne hier zur Schau stellen, und was noch schlimmer ist, Freude über die Aussicht auf den allgemeinen Weltfrieden, dessen Grundlagen man in der Zusammenkunft der drei Autokraten erblickt. – Ihre Arbeiter machen Friedensdemonstrationen,« rief er mit zitternden Lippen, »Friedensdemonstrationen! – als ob nicht der Friede die ewige Kette wäre, welche das Volk in die Gewalt der Machthaber schmiedet!«
Eine Bewegung wogte durch die Massen. Man sah die wehenden Fähnchen an den Lanzenspitzen einer Abteilung von Gardelanciers erscheinen, welche dem kaiserlichen Galawagen mit den grüngoldenen Piqueurs voranritten. In dem offenen Wagen saß der Kaiser Napoleon in der großen Generalsuniform mit dem breiten Orangeband des preußischen, schwarzen Adlerordens. Ihm zur Seite saß der Prinz Joachim Murat. Eine zahlreiche Reihe von Hofwagen folgte, in welchen sich die Adjutanten und Ordonnanzoffiziere des Kaisers befanden. Der Kaiser fuhr langsam durch die bis zum Anfang des Boulevard Magenta reichende Aufstellung der Gardetruppen, stieg dann aus und begab sich auf den Perron. Hier erwarteten ihn die Marschälle, sowie die Botschafter. Der tief ernste, fast leidende Ausdruck, welchen das Gesicht des etwas vornüber gebeugt im Wagen sitzenden Kaiser gezeigt hatte, verschwand, mit heiterer Artigkeit grüßte er die Damen auf den Tribünen und begann sich dann mit den Anwesenden zu unterhalten.
»Wenn ein entschlossener Mann in dieser ganzen Masse wäre,« sagte Cluseret, der mit Blicken voll brennenden Hasses die Anfahrt des Kaisers mit angesehen hatte, »wie leicht wäre es für eine feste Hand und ein sicheres Auge, hier die zwei größten Feinde unserer Zukunftshoffnungen auf einmal zu vernichten! Die unverständige Menge würde die Führung verlieren, die Zügel würden zu Boden fallen – und vielleicht würde es uns gelingen, sie aufzunehmen.«
Raoul Rigault sah ihn mit einem gewissen überlegenen Lächeln an, indem sein großes, etwas hervortretendes Auge sich mit einem kalten Glanz erfüllte.
»Mein General,« sagte er, »das Mittel, welches Sie da eben andeuten und von welchem man wohl schon öfter gesprochen hat, würde seinen Zweck nicht erreichen. Erstens ist es schon an sich unsicher – sollten wir die Zukunft auf die zufällige Chance setzen, welche in dem Drucke eines Fingers und in dem richtigen Augenmaß eines Blickes liegt? Aber – selbst diese Chance des Zufalls zu unsern Gunsten angenommen, was würden wir gewinnen können? Sie glauben, daß die Zügel zu Boden fallen würden und daß wir sie ergreifen könnten? Ich glaube das nicht,« fuhr er mit einem leichten Seitenblick nach den beiden zweifelhaften Damen fort, welche seine Augensprache zu erwidern begonnen hatten, »die Hände sind vollkommen bereit, welche die Zügel aufnehmen würden, die Personen würden wechseln, die Sache würde dieselbe bleiben.«
»Immerhin würde die Verwirrung uns Spielraum geben,« sagte Cluseret, »und man muß jede Gelegenheit herbeiführen, eine wird sich doch einmal benutzen lassen!«
»Sehen Sie, mein General,« fuhr Raoul Rigault fort, »diese Souveräne mit allem ihrem Anschein von Macht und Herrschaft sind nicht unsere eigentlichen und wahren Feinde, denn ihre Macht ruht nicht in ihnen selbst – sie ruht nur in den Werkzeugen, durch welche sie dieselbe ausüben. Diese Werkzeuge, das sind ihre Generale, ihre Minister, ihre hohen Beamten, welche mehr von den Fäden der Herrschaft in Händen halten, als die Kaiser und Könige selbst; ihre Werkzeuge, das sind ferner die Priester und die Bischöfe, die diese schwarze Armee kommandieren, das sind aber vor allem jene Besitzer des Kapitals, die Industriellen, die Fabrikanten, welche liberale Phrasen im Munde führen und doch stets die autokratische Fürstenherrschaft stützen, damit sie unter ihrem Schutz die Peitsche über die weißen Sklaven der Arbeit schwingen können, ihre Werkzeuge sind auch die Advokaten, welche von der Freiheit sprechen, aber von dem Besitz und dem Streit über Mein und Dein leben, welche aus den verschlungenen Stollengängen der alten Gesetze Geld zu Tage fördern. – Was würde es uns helfen,« fuhr er fort, seinen Arm in den Cluserets legend, »wenn wir die Fürsten vernichteten und alle jene Werkzeuge ihrer Gewalt bestehen ließen? Nein, mein General,« sagte er lebhaft, aber die Stimme zu leiserem Tone dämpfend, »die Werkzeuge müssen wir zerstören, die Fundamente der alten Gesellschaft zerbrechen, damit wir auf den Trümmern die neue Welt erbauen können.«
Cluseret blickte sinnend vor sich hin.
»Aber wo sind die Hände,« sprach er, »um dies Werk zu vollführen? – wie wenige finden sich, um mit Entschlossenheit ein solches Ziel zu verfolgen?«
»Sie werden sich mehr und mehr finden,« antwortete Raoul Rigault, »wenn wir nur ruhig, klar und geduldig weiter arbeiten! Ich habe einen vortrefflichen Plan gefaßt,« sagte er, »bei dessen Ausführung die Zahl der Handelnden nicht so gar groß sein darf und der doch erreicht, was der große Marat so klar als notwendig erkannte, die alte Gesellschaft zu zerstören, was er aber nicht erreichte, weil er in jener schwerfälligen und langsamen Zeit lebte und sich mit der Detailarbeit der Guillotine abgeben mußte und mit den albernen Formen von Anklagen und Prozessen. – Mein Plan ist einfach und hat den großen Vorzug, daß nur wenig Blut dabei vergossen wird, denn,« fügte er mit einem entsetzlichen Lächeln hinzu, »ich habe die Schwäche, kein Blut sehen zu können! – Sobald,« fuhr er fort, während Cluseret ihn halb ungläubig, halb erwartungsvoll ansah, »sobald ein fester Bund von entschlossenen Leuten durch das ganze Land gebildet und die Stunde der Erhebung festgesetzt ist, geht eine Anzahl kräftiger, junger Leute nach den vorher auf die Liste gesetzten Wohnungen der gefährlichsten und einflußreichsten Werkzeuge der Tyrannei, dringt in ihre Zimmer und schlägt sie auf der Stelle tot. Dies Blut ist leider nicht zu ersparen, denn die wichtigsten Feinde müssen einzeln vernichtet werden. Die übrigen, alle Beamten, alle jene heuchlerischen Advokaten der Kammer, alle jene Stutzer der sogenannten höheren Stände und vor allem alle Besitzer und Kapitalisten, aus ihren Betten führt man sie in großen Hürden, welche man eiligst auf dem Marsfelde erbaut, und vernichtet sie durch die Schläge gewaltiger, elektrischer Batterien auf einmal, – Zugleich werden die Paläste, die Kirchen, die Banken und Fabriken durch Petroleum, Pikrinsäure und Nitroglycerin mit einem Schlage vernichtet, damit auch nicht eine Stätte übrig bleibt, in welche sich die Erinnerung an die Vergangenheit einnisten könne. Am anderen Morgen ist die alte Gesellschaft einfach tot und man kann dann ein letztes Lot Pulver an die Souveräne verschwenden! – Sie sehen, mein General,« sagte er nach einem Augenblick, »das ist ein vortrefflicher, einfacher Plan, die praktische Anwendung der Naturwissenschaften und der Chemie auf die Gesellschaftsreform, es ist das meine Idee und ich bin stolz auf sie, denn durch ihre Ausführung werden wir einst siegen.«
Cluseret blickte ihn mit einem gewissen mitleidigen Erstaunen an, dennoch sprühte ein Blitz des Verständnisses in seinem Auge, es lag in der abenteuerlichen Auseinandersetzung dieses jungen Menschen etwas, das seine wilden Instinkte sympathisch berührte.
Bevor er antworten konnte, drang durch die Menge jenes unbestimmte Geräusch gespannter Erwartung, die Köpfe wogten hin und her, die den Eingängen zum Bahnhof zunächst Stehenden drängten voran.
Man hatte den scharfen Pfiff einer Lokomotive gehört und unmittelbar darauf konnten die durch ihren Platz Begünstigten den Zug mit dem kaiserlichen Salonwagen an den Perron heranfahren sehen.
Napoleon III. eilte an die rasch geöffnete Türe des Waggons, aus welchem die hohe, ritterliche Gestalt des Königs Wilhelm, in der großen, preußischen Generalsuniform mit dem dunkelroten Bande der Ehrenlegion, heraustrat.
Der Kaiser reichte dem Könige beide Hände entgegen, welche der König ergriff und in herzlicher Begrüßung kräftig schüttelte. Hinter dem Könige erschien der Kronprinz Friedrich Wilhelm, der, schon seit einiger Zeit in halbem Inkognito in Paris anwesend, dem Könige bis Compiègne entgegengefahren war, Graf Bismarck in der weißen Uniform und General von Moltke, sowie der Botschafter Graf Goltz, der General Reille und die zur Dienstleistung kommandierten französischen Offiziere, welche den hohen Gast des Kaisers auf der Station Jeumont empfangen hatten.
Von den Tribünen herab wurden die Hüte und Taschentücher geschwenkt, der König winkte verbindlich mit der Hand hinauf, während der Kaiser den Kronprinzen begrüßte.
Die Musik spielte die preußische Nationalhymne.
Nach der Vorstellung des Gefolges führte der Kaiser den König am Arm zu den am Ausgang vorgefahrenen Wagen, den Monarchen gegenüber setzte sich der Kronprinz und der Prinz Joachim Murat, langsam fuhr der Wagen, die Gardelanciers voran, an der Front der Truppenaufstellung herab, im nächsten Wagen folgte Graf Bismarck und General Moltke. – In Zwischenräumen von einigen Augenblicken hörte man »Vive l'Empereur« ertönen.
In einem Augenblick der Stille erklang von der Stelle her, wo Cluseret und Raoul Rigault standen, ein einzelner lauter und kräftiger Ruf: »Vive l'Empereur d'Allemagne!« Wie zusammenschreckend warf Napoleon einen schnellen Blick nach der Stelle, woher dieser Ruf erklungen war – dann wendete er sich verbindlich mit einer Bemerkung an seinen königlichen Gast, der die Honneurs der Truppen mit dem preußischen militärischen Gruß erwiderte, während er mit tiefem Ernst und gedankenvoll sinnendem Ausdruck seinen Blick über diese versammelte Menge und über die Häuserreihen des vor ihm sich öffnenden Boulevard Magenta schweifen ließ.
In der Menge hörte man mehrfach die Worte: Quelle bonne figure! als der König vorüberfuhr, und dann richtete sich die ganze Aufmerksamkeit auf das Gefolge, um in den nächsten Wagen den Grafen Bismarck zu entdecken, was jedoch den Meisten nicht gelang, da sie in dem weißen Kürassier den vielberühmten und gefürchteten Staatsmann am wenigsten suchten.
Die Wagen hatten das Ende der Truppenaufstellungen erreicht und fuhren in raschem Trabe den in der Mitte freigehaltenen Boulevard entlang, dessen beide Seiten dicht mit Menschen besetzt waren.
»Sie haben vorhin Ideen ausgesprochen,« sagte Cluseret zu Raoul Rigault, indem beide dem Zuge der Menge folgten, die nach der Stadt zurückwogte, »Ideen, in welchen – Sie verzeihen – viel von jenem jugendlichen Zukunftsvertrauen enthalten ist, das man mit den Jahren mehr und mehr verliert, welche aber doch zwei Dinge enthalten, ohne die nichts in der Welt ausgeführt werden kann – das feste Ziel und die rücksichtslos entschlossene Handlung. Wie aber halten Sie es für möglich, zu jenem Ziel zu gelangen, jene Handlung vorzubereiten? Bei dieser trägen Willenlosigkeit der Massen, bei dieser solidarisch verbundenen Macht der Autokraten?«
»Solidarisch verbunden?« fragte Raoul Rigault lächelnd, »ja, wenn sie das wären, dann hätten wir schwere Arbeit, aber sehen Sie,« fuhr er lebhaft fort, »darin liegt ja gerade unsere nächste Aufgabe, daß wir eine Verbindung unserer mächtigen Gegner verhindern müssen.«
Er schwieg einen Augenblick und führte den fenischen General nach einer stilleren Straße, in welcher sie von dem Gedränge weniger belästigt waren und welche sie nach den alten Boulevards zurückführte.
»Ich weiß,« sagte er dann mit Betonung, »wir sind über solche Dinge gut unterrichtet, man hat seine Verbindungen in der Presse und der Polizei und man hat ein wenig Kombinationstalent, ich weiß, daß dieser träumerische Imperator, welcher das Leben Cäsars schreibt, damit man die vergleichende Parallele zwischen dem großen Tyrannen Roms und seinem kleinen Zerrbilde ziehe, daß er daran arbeitet, eine Verständigung, eine feste Allianz mit den zwei nordischen Mächten zu begründen, deren Beherrscher jetzt hier sind, er hofft noch immer, von diesem preußischen Minister eine Kompensation zu erhalten, welche den Schein des französischen Prestige rettet und welche ihm erlaubt, seine Pläne von dem Nationalgefühl Frankreichs angenommen und ratifiziert zu sehen. – Aber das darf nicht geschehen – und wird nicht geschehen!« rief er mit zuversichtlichem Tone.
»Aber wie das verhindern?« fragte Cluseret. Raoul Rigault schwieg einen Augenblick.
»Haben Sie neben uns den Ruf gehört: › Vive l'Empereur d'Allemagne‹?« fragte er dann.
»Ja, und ich habe mich darüber geärgert, wie ist es möglich, daß aus dem französischen Volk heraus ein Ruf ertönen kann, der den preußischen Ehrgeiz zu bestärken scheint?«
»Dieser Ruf,« sagte Raoul Rigault, »war viel wert für unsere Sache und wohl überlegt, man wird ihn in den Journalen widerhallen lassen, und er wird der Anfang einer fortwährenden Propaganda zur Erregung des Nationalgefühls und der nationalen Eitelkeit sein, dieses Gängelbandes,« fügte er mit verächtlichem Lächeln hinzu, »an welchem man die kindische Menge noch immer leiten kann, und das wir dann später vernichten werden, wenn wir erst die neue menschliche Gesellschaft an die Stelle der veralteten lächerlichen Nationalitäten gesetzt haben werden.«
Cluseret hörte mit wachsender Aufmerksamkeit zu. »Diese Propaganda,« fuhr Raoul Rigault fort, »wird den Kaiser zwingen, immerfort wieder seine Kompensationsforderungen zu stellen, die ihm Herr von Bismarck,« sagte er lachend, »niemals gewähren wird, und dadurch wird eine Verständigung mit diesem preußischen Minister unmöglich. Das ist der erste Schritt, denn,« rief er mit überzeugtem Tone, »dieser feudale Cavour in Deutschland, das ist unser wahrer und ernster Gegner, er hat die festbegründete Macht in Händen und den Willen, sie zu gebrauchen, er hat den Geist, die Ideen zu erfassen, mit welchen man das Volk lenkt und unseren Händen entzieht; mit ihm vor allem darf sich Herr Napoleon nicht verbinden, er muß isoliert bleiben in Frankreich, er muß unseren Händen vorbehalten bleiben!« sagte er mit einem Lächeln voll Haß und kaltem Hohn.
»Und weiter?« fragte Cluseret. »Weiter? Nun, in kurzer Zeit wird dies Spiel dahin führen, daß in den Händen dieser kaiserlichen Regierung das nationale Prestige vollständig in den Schlamm sinkt, und dann wird diese flitterglänzende Baracke zusammenbrechen wie eine morsche Ruine, oder man wird sich im letzten Augenblick in einer Aufwallung der Verzweiflung zum Kriege emporraffen, was vielleicht noch besser ist, denn man wird geschlagen werden, und das geschlagene Kaiserreich, das ist der Anfang unserer Ära.«
Cluseret schwieg in tiefem Nachdenken. »Da ist noch der Kaiser von Rußland, dem man ebenfalls lockende Aussichten im fernen Osten vorhält, nun, er wird wenig Neigung für die französische Freundschaft haben, man hat ihm einige hübsche Unverschämtheiten gemacht, diese superklugen Herren Advokaten Floquet, Arago usw., die für die alberne mittelalterliche polnische Nationalität schwärmen, um sich populär zu machen, haben uns gute Dienste geleistet.« »Ich habe davon gehört,« sagte Cluseret, »am Musée de Cluny und im Justizpalast –«
»Hat man den russischen Gast Frankreichs mit dem Ruf: › Vive Ia Pologne!‹ begrüßt, der in seinen Ohren als das ewige Menetekel widerklingt, ich hoffe, er wird ein wenig degoutiert von einer französischen Allianz sein, und ist das nicht genug, nun so kann vielleicht –«
Er schwieg mit einem eisigen Lächeln und schritt einige Augenblicke in schweigendem Nachdenken weiter.
»Alles, was Sie mir sagen, frappiert mich,« sprach Cluseret, »ich werde darüber weiter nachdenken, doch,« fuhr er fort, »wie denken Sie zu der Organisation zu gelangen, welche im letzten Augenblicke handeln, und die elektrischen Batterien spielen lassen soll?« fügte er unwillkürlich lächelnd hinzu.
»Die Grundlagen der Organisation sind da,« sagte Raoul Rigault, »die internationale Assoziation besteht und gewinnt täglich an Ausbreitung.«
»Die Internationale!« rief Cluseret mit höhnischem Lachen, »Diese Internationale, die so zahm aus der Hand der kaiserlichen Regierung frißt, die von der Politik nichts wissen will, die das Eigentum und die Familie respektieren und schützen will, die nicht einmal zu dem Prinzip sich hat aufraffen können, den Grund und Boden für Allgemeinbesitz aller zu erklären, mit dieser Organisation wollen Sie die alte Gesellschaft vernichten? Ich habe gesehen, was sie in London treiben, und doch sind sie dort noch weiter vorgeschritten als hier, hier, wo dieser Tolain, dieser Fribourg –«
»Diese Internationale,« sagte Rigault ruhig, »ist der große Rahmen, den wir bedürfen, um innerhalb desselben, gewissermaßen unter dem Schutz dieser törichten Polizei, welche die Sache zu ihren Zwecken als Schreckbild für die Bourgeoisie ausbeuten möchte, ganz im stillen unsere Organisation zu formen. Lassen Sie immerhin diese Internationale ihre utopischen, milchfrommen Grundsätze proklamieren, um so besser, das räumt uns viele Hindernisse hinweg, wir haben unsere Leute darin, ihr Losungswort ist: warten und schweigen. Innerhalb der sichtbaren wird eine unsichtbare Organisation gebildet, die Fäden gezogen, das Netz geknüpft, und wenn der Augenblick kommt, wird die organisierte Macht in unseren Händen sein. – Tolain – Fribourg, die braven Schwärmer,« sagte er mit mitleidigem Tone, »lassen Sie sie träumen und predigen, sie sind die Fahne, welcher die schwankende, unklare Masse folgt, und welche uns deckt mit ihrer unschädlichen, verwaschenen Farbe. Wir haben Varlin – vielleicht Bourdon – und bei der vorschreitenden Entwicklung der Sache werden jene verschwinden, und die Massen, einmal organisiert und an die leitende Führung gewöhnt, werden uns folgen, wie sie ihnen folgten.«
»In der Tat,« sagte Cluseret, »ich fange an, Sie zu bewundern; was ich anfangs, ich gestehe es, für die unklare Idee eines jugendlichen Kopfes hielt, erscheint mir jetzt immer mehr als ein wohlgefügter, richtiger Plan.«
Raoul Rigault lächelte geschmeichelt. Ein großer, magerer Mann mit scharfem, blassem Gesicht voll tiefer Leidenschaftlichkeit, mit unstet blickenden, fast fieberhaft glänzenden Augen ging an ihnen vorüber und grüßte Herrn Rigault, der seinen Gruß mit einer gewissen Vertraulichkeit erwiderte.
»Wer war das?« fragte Cluseret, der betroffen von dem eigentümlichen Ausdruck dieses Gesichts dem Vorübereilenden nachgeblickt hatte.
»Einer, der für uns arbeiten wird, den man als éclaireur, wenn Sie wollen als Mauerbrecher gebrauchen wird, um die ersten Breschen in das scheinbar so gewaltige Bollwerk dieses kaiserlichen Gesellschaftsgebäudes zu stoßen, der Vicomte von Rochefort!«
»Vicomte von Rochefort?« sagte Cluseret mit fragendem Tone, als suche er in seinen Erinnerungen nach diesem Namen.
»Ein früherer Beamter der Seinepräfektur,« sagte Raoul Rigault, »er ist mehr oder weniger ruiniert und fand in seiner Karriere keine Befriedigung für den Ehrgeiz, der ihn verzehrt wie ein hitziges Fieber, er sucht nach einem Weg, diese krankhaft gereizte Gier nach Größe und Berühmtheit zu befriedigen, wir ziehen ihn heran, noch schwebt er zwischen Himmel und Hölle, aber er ist uns verfallen. Er wird niemals von Herzen zu den Unseren gehören, aber um so besser wirken, er ist eine Karikatur des Catilina und träumt sich einen Mirabeau, aber einmal losgelassen, einmal auf die Bahn gedrängt, wird ihn sein ehrgeiziger Wahnsinn unermüdlich und unversöhnlich machen, er wird einen unerhörten Lärm erregen, ohne die eigentlichen Fäden zu kompromittieren. Solche Leute sind immer sehr nützlich, man hat keine Verpflichtungen gegen sie.«
Sie waren auf dem Boulevard Montmartre angekommen. »Treten wir einen Augenblick in das Café de Madrid,« sagte Raoul Rigault, »ich sehe dort Delescluze, er ist zuverlässig, es wird Sie interessieren, sich mit ihm zu unterhalten.«
Sie traten in die offenen Räume des Café de Madrid. An einem Tische saß ein alter, dunkel gekleideter Mann mit strengem, kaltem Gesicht, dessen Erscheinung an einen Professor erinnern konnte.
»Herr Delescluze – General Cluseret,« sagte Raoul Rigault vorstellend, und während der Feniergeneral sich neben den unbeugsamen und kalten kommunistischen Theoretiker niedersetzte, wendete sich Raoul Rigault, mit einer gewissen Koketterie sein Glas in das Auge weisend, zu einem Tisch in der Nähe, an welchem jene zweifelhaften Damen, welche ihm in einiger Entfernung gefolgt waren, soeben Platz genommen hatten.
Als Cluseret und sein jugendlicher Begleiter in das Café de Madrid traten, gingen an ihnen zwei Herren von vornehmster Eleganz vorüber, welche, von den äußersten Boulevards kommend, nach den eleganteren Stadtteilen hinabschlenderten.
Es war der Graf Rivero und der junge Herr von Grabenow.
»Sie waren also auf der Tribüne und haben die Ankunft des Königs gesehen?« fragte Herr von Grabenow, »ich habe es leider versäumt, mir einen Platz zu verschaffen, wie war der Empfang?«
»Sehr herzlich,« sagte der Graf, »der Kaiser war von äußerster Heiterkeit und Liebenswürdigkeit, der König ernst und still, ich muß Ihnen sagen,« fuhr er fort, »daß ich wahrhaft betroffen war von der prächtigen Erscheinung Ihres Monarchen, welch eine herrliche, fürstliche Gestalt, welch ein mildes und schönes Antlitz!«
»Ich habe die Herrschaften nur auf dem Boulevard Magenta vorüberfahren sehen,« sagte Herr von Grabenow, »ich kann Ihnen nicht sagen, wie glücklich es mich machte, hier im fremden Lande meinen König und die preußischen Uniformen zu sehen. Sie wissen,« fuhr er fort, »bei uns in meiner Heimat ist die Monarchie eine heilige Tradition, ein Glaube –«
»Das ist der Segen der legitimen alten Monarchie,« sagte der Graf langsam, »und selten ist mir ihre Bedeutung so klar geworden, als in dem Augenblick, da ich diese beiden mächtigen Herrscher nebeneinander sah, den Imperator in der Lichtwolke seiner Herrlichkeit, welche dahinschwebt über den finster gähnenden Abgründen, und den König, der in einfacher Ruhe auf dem festen Felsengrunde des Throns, den seine Vorfahren aus der Geschichte ihres Volkes heraus aufgerichtet haben –«
»Der Rocher de bronze,« sagte Herr von Grabenow mit freudigem Lächeln.
Ernst blickte der Graf vor sich hin.
»Gehen Sie mit zum Klub?« fragte er dann.
»Ich habe einen Besuch zu machen,« erwiderte Herr von Grabenow mit einem leichten Anklang von Verlegenheit, »ich werde später vielleicht dorthin kommen.«
»Auf Wiedersehen also,« sagte der Graf, dem jungen Mann lächelnd die Hand drückend, und während sich dieser nach der Seite der Rue Notredame de Lorette wendete, ging er langsam dem Boulevard des Italiens zu, umringt von der bunten, lachenden und plaudernden Menge, welche teils von dem Nordbahnhofe und den Gegenden, welche das kaiserliche Cortège passiert hatte, zurückkehrte, teils hinauszog zu dem so wunderbar veränderten Marsfelde, welches die Blüte der Kunst und Industrie der Welt vereinigte, und auf welchem die Völker aller Länder vor den Augen der Pariser defilierten.
Sie waren stolz und glücklich, die Pariser, über all diesen vereinigten Glanz, welcher Paris abermals zum bewunderten und beneideten Mittelpunkt der Welt machte, sie waren stolz und glücklich, daß die beiden mächtigsten Herrscher Europas hier am Hofe des Kaisers weilten, und unerschöpflich waren die politischen Konjekturen, welche sie an diese Anwesenheit knüpften, alle aber liefen darauf hinaus, daß nun eine Ära des Friedens, des Glanzes und des Wohlstandes beginne, deren schönste und reichste Blüten Paris, das große, das ewige Paris, schmücken würden.
Und während der König von Preußen in die Tuilerien einfuhr, wo er von der Kaiserin, umgeben von dem schimmernden Hofstaat, an der großen Treppe empfangen wurde, um dann in dem mit verschwenderischer Pracht geschmückten Pavillon Massan seine Wohnung zu nehmen, während das Palais Elysée erfüllt war von dem Glanz der Anwesenheit des russischen Kaisers, während die Pariser hinaufblickten zu diesen lichtstrahlenden Höhen, auf denen die Götter der Erde die Schicksale von drei gewaltigen Weltreichen in ihren Händen hielten, da saßen in dem unscheinbaren Café de Madrid die finsteren Apostel einer blutigen, furchtbaren Zukunftslehre in leisem Gespräch Zusammen und berieten die dunklen, verborgenen Minengänge, welche die tiefen Fundamente des Staates und der Gesellschaft unterhöhlen sollten, um demnächst in entsetzlichem Zusammensturz die Vergangenheit zu begraben und das Chaos herzustellen für die neue Schöpfung der Zukunft.