Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

38

So schritt er, in selige und träumerische Gedanken versunken, im Garten hin und her, bis ihn die Stimme des Pflanzers aus seinem Brüten weckte:

»Hier seid Ihr, Monsieur Adler! Ich suche Euch überall. Eure Anwesenheit ist sehr nothwendig.«

»Ich stehe zu Diensten, Monsieur,« antwortete Adler, noch halb wie im Traume.

»Schön! Es handelt sich darum, einige ebenso gute Schüsse zu thun, wie Ihr damals thatet, als Ihr auf den Bruder des rothen Burkers zieltet.«

»Doch nichts Aehnliches!«

»Ganz dasselbe sogar. Der Burkers ist in der Nähe, um sich heute Nacht zu rächen. Kommt mit mir! Ich will es Euch erzählen.« – –

Sam war, nachdem er sich bei dem Pflanzer und dessen Tochter verabschiedet hatte, wieder zu Jim und Tim gekommen. Der Erstere hatte vorwurfsvoll gebrummt:

»Wo steckst Du denn? Wir warten bereits zwei volle Ewigkeiten. Hattest Dich wohl in die Kleine vergafft, mit der Du da drüben sprachst?«

»Ja. Es ist sehr rasch gegangen. Sehen, Verlieben, Geständniß, Verlobung, Alles ist vorbei. Sie zieht als meine Squaw mit nach dem Westen und wird meine Bärin sein.«

»O weh! Das wird junge Bären die schwere Menge geben. Da kann der Alte fleißig für Wildpret und Himbeeren sorgen.«

»Das wird er gern und fleißig thun. Ihr aber könnt zusehen und Euch die Mäuler putzen. Kriegen thut Ihr nichts davon. Ich habe den Herrn der Plantage aufmerksam gemacht auf heute Abend. Wir kehren nachher zu ihm zurück, um Kriegsrath zu halten. Jetzt aber suchen wir zunächst unseren guten Monsieur Walker auf. Kommt!«

Sie setzten ihren Weg ganz in der früheren Reihenfolge fort. Sam voran.

Er war ein ausgezeichneter Pfadfinder. Noch weit über zwei Stunden bestimmte er, selbst auf dem offenen Wege, ganz genau die Spuren, welche der Gesuchte zurückgelassen hatte. So gelangten sie aus dem Garten hinaus und an die Zuckerpflanzung, welche der Weg in zwei Hälften zerschnitt.

Weit draußen dehnte sich am Horizonte der Wald, einzelnes Buschwerk weiter hereinsendend. Dort erblickten die Drei die Hütte Bommy's.

Sam blieb halten und musterte das Terrain. Nachdem er einige Male den Kopf nachdenklich hin und her gewiegt hatte, sagte er:

»Das ist ohne Zweifel die Hütte des Niggers und dieser Weg führt schnurgerade auf sie zu. Wenn wir ihn gehen, so wird man uns ganz gewiß schon von Weitem sehen, und dann ist Walker für uns verloren. Wir müssen uns also anschleichen. Das geschieht am Besten, wenn wir um die Zuckerplantage schleichen. Sie wird vom Gebüsch eingezäunt, und wenn wir uns in dem Letzteren halten, wird man uns nicht bemerken. Kommt!«

Sie folgten seiner Ansicht ohne Widerrede und befanden sich nach wenig über einer Viertelstunde in einem dichten Buschrande versteckt, von welchem aus man die hintere Seite der Hütte genau überblicken und auch mit einer Gewehrkugel erreichen konnte. Sie lag in einer Entfernung von vielleicht achtzig Schritten. Der Zwischenraum war mit einigen auch sehr dichten Büschen und Gesträuchsgruppen besetzt.

»Jetzt bleibt Ihr hier,« sagte Sam. »Ich schleiche mich weiter vor und suche die Sträucher zu erreichen, welche der Thür gegenüber stehen. Seht Ihr mich in Gefahr, so sendet Ihr mir Eure Kugeln zu Hilfe.«

»Ist es nicht besser, wir gehen sofort hinein?« fragte Jim ungeduldig.

»Nein, Alter. Erst will ich wissen, woran ich bin. Das scheinbar Unnöthige ist sehr oft am Allernöthigsten, und nicht der kürzeste Weg ist stets der beste. Warten führt manchmal am schnellsten zum Ziele.«

Er kroch aus seinem Versteck heraus und auf dem Boden weiter bis hinter den nächsten Busch. So kroch er von Strauch zu Strauch, bis er das Gebüsch erreichte, welches sich höchstens sechs Schritte weit von der Thür befand. Es bestand aus strauchartigem Flieder, von wildem Wein durchzogen, und bildete, wenn man sich erst einmal hinangearbeitet hatte, selbst bei hellem Tage ein ganz genügendes Versteck. Sam befand sich trotz seines bedeutenden Körperumfanges sehr bald im Innern des Strauchgewirres, und er wußte sich da so schlau einzurichten und mit Zweigen zu maskiren, daß es des Auges eines geübten Westmannes bedurft hätte, ihn zu entdecken.

Die Hütte war aus sogenannten Loggs, aus starken, massiven Holzklötzen errichtet; auch das Dach bestand aus solchen starken Stämmen. An jeder der vier Seiten befand sich eine hineingehauene Oeffnung von wenig über einem Quadratschuh als Fenster. Die Thür führte, wie dies häufig vorkommt, auf der hinteren Seite in das Innere. Sie war nicht nach innen, sondern nach außen zu öffnen, wie auch die Läden, und bestand aus starken, doppelt übereinander genagelten Brettern.

Das betrachtete sich Sam sehr genau.

»Hm!« brummte er für sich hin. »Gut, daß Thür und Fenster nach außen aufgehen. So kann man sie verrammeln, so daß die Insassen gefangen sind wie die Wassermaus im Uferloche. Ich werde – –«

Er hielt inne. Es gab Besseres zu thun, als den eigenen Gedanken Audienz zu geben. Die Thür wurde aufgestoßen. Ein Neger trat heraus und schritt, sich vorsichtig und höchst aufmerksam nach allen Seiten umblickend, um die Hütte. Als er von der anderen Seite zur Thür zurückkehrte, sagte er in die Oeffnung hinein:

»Es geht. Es befindet sich kein Mensch in der Nähe. Komm heraus, Daniel.«

Es erschien ein zweiter Neger, in blaugestreiftes Zeug gekleidet, barfuß, ohne Waffen und Kopfbedeckung. Er blieb stehen und blickte sich auch um. Als er nichts Besorgniß Erregendes bemerkte, sagte er:

»Dumm, daß man bei Dir nur flüstern darf. Wer ist denn noch bei Dir?«

»Auch ein Freund.«

»Wo denn?«

»Das geht Dich nichts an. Die Botschaft hast Du mir gesagt; ich mache mit, und was es noch zu bemerken giebt, das kannst Du jetzt noch hinzufügen. Der drin hört uns hier nicht.«

»Ist er heute Abend auch noch da?«

»Ich glaube nicht.«

»Das ist gut. Wir brauchen keine Zeugen. Erst hatten wir einen andern Plan, aber es schien, als ob sich Fremde in unserer Nähe befunden hätten, um uns zu belauschen. Der Hauptmann glaubt zwar nicht daran, aber besser ist besser. Da ich Dich so gut kenne und Du uns auch schon andere Dienste erwiesen hast, natürlich gegen gutes Geld, so wurde ich zu Dir geschickt, um bei Dir anzufragen. Ich bin auf einem Schilfbündel über den Fluß. Punkt neun Uhr kommen wir hier an. Wann es dann im Schlosse losgeht, das richtet sich nach den Umständen und wird vom rothen Burkers bestimmt werden. Hast Du Schnaps genug?«

»Mehr als Ihr braucht.«

»Gut! Schaffe also den drin fort, damit wir am Abend allein sind!«

Er ging fort, auch nach dem Walde zu, um dort Deckung zu finden. Bommy, der Wirth, blieb noch eine kleine Weile stehen und trat dann wieder in die Hütte. Sam hielt es für nicht gerathen, allein in das Innere zu treten. Er war überzeugt, daß Walker sich in derselben befinde. Vielleicht gab es einen Kampf; der Neger half dem Andern. Es war unnöthig, sich in Gefahr zu begeben. Darum kroch er aus seinem Verstecke hervor, nachdem er noch einige Zeit gewartet hatte, und umschlich das Blockgebäude, aufmerksam horchend, ob er vielleicht eine Stimme, ein verrätherisches Geräusch vernehme; aber es ließ sich nichts hören. Jetzt kehrte er an die Thür zurück und winkte nach der Stelle hin, wo sich die beiden Brüder befanden. Er gab ihnen auch durch Zeichen zu verstehen, daß sie möglichst Deckung suchen sollten, um unbemerkt heran zu kommen, aber Tim sagte zu Jim:

»Nun ist's gleich, ob man uns sieht. Hinein gehen wir doch, und da wird Alles unser, was drin ist.«

»Sam wird zanken.«

»Pschaw! Er macht zu viele Umstände. Jetzt hat er eine Menge Zeit vertrödelt und wozu? Da hat er im Busch gelegen, um einen alten Nigger anzusehen. Lächerlich! Komm!«

Er verließ sein Versteck und schritt ganz offen auf die Hütte zu. Jim folgte ihm. Sie hatten Sam noch nicht erreicht, als die Thür, welche nicht verschlossen, sondern nur angelehnt gewesen war, zugezogen und geräuschvoll verriegelt wurde.

»Verdammt!« zürnte Sam. »Was fällt Euch Kerls denn ein, so offen herbeizulaufen! Glaubt Ihr etwa, die einzigen Menschen zu sein, welche Augen im Kopfe haben? Oder meint Ihr, daß man hier in dieses Nest vier Fensterlöcher gemacht hat, nur daß man hinein schauen kann, nicht aber daß die Bewohner auch ausgucken!«

»Tim that es nicht anders,« entschuldigte sich Jim.

»Und wenn er eine Dummheit ausheckt, da mußt Du mitmachen, he? Westmänner wollt Ihr sein? Das müßt Ihr andern Leuten weiß machen, aber ja nicht etwa mir! Wer einen Vogel fangen will, der muß sich fein im Verborgenen anschleichen, nicht aber so offen dreindratschen, wie Ihr es hier gethan habt!«

»Nun, der Vogel, den wir hier haben wollen, wird uns doch wohl nicht entgehen. Ich hoffe, daß er sich bereits da in diesem alten Käfige befindet.«

Er deutete dabei auf die Hütte. Sam aber zeigte sich wenig zur Entschuldigung ihrer Unvorsichtigkeit geneigt. Er war wirklich und allen Ernstes zornig geworden. Sein sonst bereits rothes Gesicht zeigte vor Aerger eine noch dunklere Farbe. Er antwortete:

»So! Meinst Du, daß er sich da drin befindet? Wenn dies nun nicht der Fall ist?«

»So hast Du gar keine Veranlassung, uns auszuschelten.«

»Und wenn er drinnen ist?«

»So hast Du ebenso wenig Grund. In diesem Falle kann er uns ja doch nicht entgehen.«

»Ja, Du hast einen sehr klugen Kopf, Alter! Wie willst Du Dich denn seiner bemächtigen?«

»Nun, wir gehen einfach hinein und holen ihn uns heraus.«

»Schön! Thue das, mein Sohn!«

Er deutete nach der Thür. Dieser Wortwechsel war nicht etwa in lautem Ton geführt worden. Dazu waren die Drei denn doch viel zu klug. Sie hatten so leise geflüstert, daß man im Innern der Hütte kein Wort hatte verstehen können. Jim schlich sich an die Thür und versuchte, sie zu öffnen.

»Verdammt!« murmelte er enttäuscht. »Sie ist ja von innen zugeriegelt.«

»Ja,« brummte Sam erbost. »Erst war sie offen. Als Ihr aber miteinander so offen daher kamt, als ob Ihr von dem Nigger zu Gevatter gebeten gewesen seid, da schloß man natürlich schleunigst zu.«

»So klopfen wir!«

»Man wird sich hüten, aufzumachen.«

»So treten wir die Thür ein.«

»Wirklich? Wie klug! Eine Thür, welche sich nach außen öffnet, nach innen einzutreten, zumal wenn sie aus so starkem und noch dazu doppeltem Holze besteht.«

»So sprengen wir sie auf!«

»Versuche es! Ich habe nichts dagegen, wenn Du eine Kugel vor den Kopf haben willst.«

»Meinst Du etwa, daß der Nigger schießen werde?«

»Warum soll er es nicht? Ich würde es ihm keineswegs übel nehmen.«

»Er sollte es wagen!«

»Pschaw! Er ist Besitzer des Hauses. Er kann sein Hausrecht in Anwendung bringen. Er braucht nur Demjenigen zu öffnen, welcher ihm willkommen ist, kann jeden Anderen abweisen und darf einen Jeden, der gegen seinen Willen den Eingang erzwingen will, mit der Waffe abweisen.«

»Ein Nigger! Wo denkst Du hin!«

»Er ist freigelassen und die Hütte wurde ihm geschenkt. Er ist Eigenthümer und hat ganz dasselbe Recht wie ein Weißer, sein Eigenthum zu vertheidigen. Daran kannst Du nun wohl nichts ändern.«

»Der Teufel hole ihn und auch Denjenigen, welcher ihn freigelassen hat!«

»Hättet Ihr die nöthige Vorsicht angewendet, so wäre die Thür nicht verschlossen worden, und wir ständen jetzt drin und hätten unsern Fisch an der Angel!«

»Ist er denn wirklich drin?«

»Ja. Die Beiden, die ich belauschte, sprachen davon.«

»Wer war denn der andere Schwarze? Wohl ein Neger Monsieur Wilkins'?«

»Prosit die Mahlzeit! Es war einer der Schwarzen, welche wir gestern draußen im Walde bei der Bande des rothen Burkers belauschten.«

»Was Du sagst!«

»Ich erkannte den Kerl, als er heraustrat, sofort an den gestreiften Fetzen, welche er auf dem Leibe hatte. Und selbst, wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, so wüßte ich, woran ich bin. Er sprach mit Bommy von Burkers. Hätten die Beiden gewußt, daß der dicke Sam da in dem Busche steckte, so hätten sie wohl ihre dicken Mäuler gehalten.«

Sie äußerten ihr Erstaunen darüber, daß der ursprüngliche Plan des rothen Burkers verändert worden war, aber auch ihre Freude, daß der gute Sam ihn doch erfahren hatte. Dieser meinte:

»Wir dürfen uns aber bei Leibe nicht merken lassen, daß Einer von uns gelauscht hat, sonst machen sie uns einen Strich durch die Rechnung.«

»Was aber thun wir jetzt, um in die Hütte zu kommen?«

»Wir müssen eben versuchen, ob man uns einlassen wird.«

»Werden sich hüten!«

»Natürlich! Da es aber nichts Anderes giebt, so müssen wir wenigstens diesen Strohhalm ergreifen.«

»So klopfe einmal an!«

Sam machte ein im höchsten Grade erstauntes Gesicht.

»Ich?« fragte er. »Seid Ihr des Teufels?«

»Nun, warum denn nicht?«

»Wahrhaftig, Ihr seid nicht die Jäger, für welche ich Euch gehalten habe. Fast könnte man glauben, Ihr hättet Euch nur für Jim und Tim genannt, ohne es aber wirklich zu sein. Meint Ihr etwa, daß mich die beiden Kerls, die sich in der Hütte befinden, auch so genau wie Euch gesehen haben?«

»Nein, gewiß nicht.«

»Nun, so werde ich es ihnen auch nicht auf die Nase binden, daß ich da bin. Das wäre doch die allergrößte Dummheit, welche sich nur denken läßt. Ihr klopft selbst an, und wenn die Verhandlung zu keinem Ziele führt, so geht Ihr wieder so offen fort, wie Ihr gekommen seid, so daß man Euch von innen sehen kann. Ich vermuthe, daß man Euch dann nachfolgen wird, um zu sehen, ob Ihr Euch auch wirklich entfernt. In diesem Falle husche ich rasch in die Hütte und bin dann Herr des Hauses. Ihr lauft so weit fort, daß man annehmen muß, Ihr hättet Euch in das Unvermeidliche gefügt, und dann kommt Ihr heimlich in das Gesträuch zurück, in welchem Ihr vorhin gesteckt habt. Ihr werdet wohl so klug sein, zu bemerken, wo ich mich befinde und wie es mit mir steht. Das Uebrige ist dann Eure Sache. Auf alle Fälle aber könnt Ihr von Eurem Verstecke aus mit Euren Kugeln die Hütte erreichen und diesen Walker, auf welchen wir es abgesehen haben, einige Loth Blei geben, falls er es wagt, herauszutreten oder gar sich auf und davon machen zu wollen.«

Jim nickte zustimmend und sagte:

»Sam, Du bist wirklich ganz und gar der schlaue Kopf, als welchen man Dich uns geschildert hat.«

»Meint Ihr? Ja, es ist auch nothwendig, daß wenigstens ich den Verstand zusammen nehme, da mit Euch nicht einmal eine armselige Gans, viel weniger aber ein Pferd zu mausen ist. Also klopft einmal an. Laßt Euch aber ja nicht merken, daß Ihr wißt, daß sich der Gesuchte in der Hütte befindet. Wir müssen sie sicher machen.« – – –

Walker war, beinahe betrunken von der Schönheit der jungen Pflanzerin, von seinem Lauscherorte fortgegangen, natürlich in der Richtung, in welcher die drei Jäger einige Stunden später seine Spuren gefunden hatten.

Der Weg führte mitten durch die Zuckerplantage geradeaus nach dem Vorwalde, an dessen Gebüsch, wie bereits bekannt, die Hütte des Negers Bommy lag. Es traf sich gerade, daß der einsame, vorsichtig um sich schauende Wanderer keinen Menschen erblickte, welchen zu begegnen er hätte befürchten müssen.

So erreichte er ungesehen das Blockhäuschen, dessen Thür, wie gewöhnlich, offen stand. Diebe gab es ja hier wohl nicht, da die splendide Natur jener Gegenden selbst dem Aermsten fast mühelos erringen läßt, was er zu seines Leibes Nahrung und Nothdurft bedarf. Höchstens waren da jene fremde Banden zu fürchten, welche zuweilen selbst hier im Süden von sich reden machten und aber nach jedem Streiche, den sie einmal ausführten, sofort auf längere Zeit wieder verschwanden.

Der Neger saß gleich hinter der Thür auf einem Holzblock, welcher ihm als Lieblingssessel zu dienen schien. Er rauchte aus einem nach und nach immer kürzer gebissenen Holzstummel einen selbst erbauten Tabak, dessen Geruch oder vielmehr Gestank einen Ochsen hätte in Ohnmacht werfen können. Die Nerven dieser Leute sind stark, wie aus Eisendraht gemacht.

Er erhob die großen, weiß aus dem dunklen Gesichte glänzenden Augen zu dem Fremdlinge, blieb aber sitzen und sagte auch kein Wort des Willkommens. Er schien es nur allein für angezeigt zu halten, den Eingetretenen mit scharfem Blick vom Kopf bis zum Fuß zu mustern, um sich sagen zu können, was er wohl von ihm zu erwarten habe.

» Good morning, Sir!« grüßte Walker.

Bommy antwortete nicht. Dieser höfliche Gruß eines Weißen einem Schwarzen gegenüber verstärkte nur sein Mißtrauen.

»Guten Morgen, Sir, habe ich gesagt!« wiederholte der Gast in scharfem Tone. –

»Hab's gehört,« antwortete der Neger gleichmüthig.

»Könnt Ihr den Gruß nicht erwidern?«

»Nein.«

»Ah! Warum nicht?«

»Weil er nicht aufrichtig gemeint ist.«

»Oho! Wie wollt Ihr das beweisen?«

»Ihr nennt mich nicht Du, und Ihr gebt mir den Titel Sir. Das thut ein Weißer nur dann, wenn er es übel mit dem Schwarzen meint.«

»Vielleicht thue ich es, weil ich es besser mit Euch meine, als tausend Andere!«

»Wenn es wahr wäre!«

»Ihr könnt es glauben.«

»Zunächst glaube ich es noch nicht.«

»Donnerwetter! Ihr seid sehr aufrichtig.«

»Das ist besser als hinterlistige Höflichkeit.«

»Aber eine zu große Aufrichtigkeit geht leicht in das über, was man Grobheit nennt.«

»Nehmt es, wie Ihr wollt.«

»Meinetwegen! Nicht wahr, Ihr nennt Euch Bommy?«

»Ja, Master.«

»Habt Ihr nicht einen Schnaps für mich?«

»Nein.«

»Ich denke, Ihr seid Schänkwirth.«

»Das bin ich.«

»So werdet Ihr doch einen Schnaps haben!«

»Aber nicht für Alle.«

Er saß auch jetzt noch auf seinem Klotze. Er hatte keine andere Bewegung gemacht als diejenige, welche nöthig war, den Rauch aus seinem Stummel zu ziehen und wieder von sich zu blasen. Er war eine breite Gestalt mit übermäßig langen Extremitäten, wie man es bei Negern ja gewohnt ist. Sein Gesicht besaß eine außerordentliche Häßlichkeit. Es war von den Blattern zerrissen. Seine Augen hatten einen stieren, tückischen Ausdruck, fast wie man ihn bei dem wilden Büffel der Prairie beobachtet.

Walker hatte sich mit ausgespreizten Beinen vor ihn hingestellt und den bisherigen Theil der Unterhaltung mit lächelndem Gesicht geführt. Das knurrige Wesen des Negers schien ihm Spaß zu verursachen. Auf die letzten groben Worte antwortete er im ruhigsten Tone:

»Also für mich habt Ihr wohl keinen Schluck?«

»Nein.«

»Warum nicht?«

»Ich kenne Euch nicht.«

»Hm! So ist es freilich nothwendig, daß wir uns so schnell wie möglich kennen lernen.«

»Pfui, Alter! Vorher schient Ihr mir nur originell zu sein; jetzt aber werdet Ihr grob. Schämt Euch!«

»Habe keine Zeit dazu!«

»Aber ich will nun partout einen Gin oder Whisky mit Euch trinken, und da Ihr dies nur mit Bekannten thut, so werde ich bleiben, bis Ihr mich kennen gelernt habt.«

Es waren verschiedene Pfähle in die Erde geschlagen und mit Brettern versehen worden; das gab primitive Tische und Bänke, welche den hier verkehrenden Gästen genügen mochten. Walker setzte sich auf eine dieser rohen Bänke und legte nach Yankeemanier die Beine gemüthlich auf den Tisch. Der Neger sah dies einige Augenblicke ruhig an; dann stand er auf und sagte:

»Wie lange gedenkt Ihr Euch denn hier niederzulassen, Mylord?«

»So lange, bis wir alte Bekannte sind.«

»Das wird wohl niemals werden, denn in weniger als zwei Minuten werdet Ihr hier zur Thür hinausfliegen.«

»Macht keine dummen Witze!«

»Witze? Ich spreche in völligem Ernste.«

»Das glaube ich nun freilich nicht.«

»So werdet Ihr es gleich glauben müssen. Thut einmal Eure Beine da vom Tisch herab, sonst helfe ich nach!«

Er machte Miene, nach den Beinen des Weißen zu greifen; dieser zog sie schnell an sich und sagte lachend:

»Wahrhaftig, der Mann macht Ernst! Nun, das gefällt mir! Ich ersehe daraus, daß Ihr ein thatkräftiger Mensch seid, der zu gebrauchen ist. Sagt mir einmal: Verdient Ihr Euch nicht vielleicht gern zwei Goldstücke oder auch drei?«

Die Augen des Schwarzen blitzten auf.

»Zwei oder drei?« fragte er. »Sehr gern, hundert aber noch lieber.«

»Gut! Es können wohl hundert werden, wenn ich in Euch einen nützlichen Mann kennen lerne.«

»Jessus! Jessus! Ist's wahr? Hundert?«

»Ja, hundert. Vielleicht auch noch mehr.«

»Ach, Mylord, thut Eure Beine getrost wieder auf den Tisch. Ihr könnt sie hinlegen, wo es Euch nur immer gefällig ist.«

»Sogar Euch auf den Buckel?«

»Ja, mir sogar auf den Buckel, nämlich wenn es gut bezahlt wird.«

»Was das betrifft, so braucht Ihr Euch keine Sorge zu machen. Ich pflege das, was man mir leistet, stets gut zu bezahlen.«

»Was verlangt Ihr denn?«

»Zunächst ein Glas Schnaps.«

Der Neger zog die Stirn wieder kraus und antwortete:

»Euer verdammter Schnaps. Könnt Ihr denn gar nichts Anderes verlangen?« –

»Das werde ich auch noch thun. Aber jetzt bin ich noch nüchtern. Ich muß dem Magen guten Morgen sagen.«

»Wie aber nun, wenn Euch Master Wilkins geschickt hat, um mich auf die Probe zu stellen!«

»Pfui Teufel! Das thäte ich nicht.«

»So sagt Jeder.«

»Fürchtet Ihr Euch denn vor Master Wilkins?«

»Fürchten? Ich? Pschaw!«

Er nahm die Achsel in die Höhe und zog ein Gesicht, in welchem sich die außerordentliche Geringschätzung aussprach. Walker sah dies und bemerkte:

»Warum fragt Ihr so nach ihm, wenn Ihr Euch nicht vor ihm fürchtet?«

»Weil ich gern gute Nachbarschaft halte.«

»Dürft Ihr Euern Gin nicht geben, wem Ihr wollt?«

»Warum nicht, wenn es mir beliebt. Der Master hat es seinen Leuten verboten, zu mir zu gehen, und wenn ich mich auch nicht etwa vor ihm fürchte, so kann er mir doch schaden, wenn ich mich nicht wenigstens einigermaßen nach seinem Willen richte.«

»Und Ihr haltet mich für einen Abgesandten von ihm?«

»Ist's nicht möglich, daß Ihr einer seid?«

»Ich? Niemals! Im Gegentheile!«

»Was wollt Ihr damit sagen?«

»Daß ich kein Freund Eures Wilkins bin.«

»Oho! Ihr wollt mich nur sicher machen.«

»Fällt mir nicht ein! Seid doch einmal kein Querkopf, und habt Vertrauen zu mir! Ich möchte gern Einiges über Wilkins erfahren.«

»Von mir erfahrt Ihr nichts.«

»Vielleicht doch. Ich werde Euch Eure Dienste ja sehr gut belohnen.«

»Wendet Euch an Andere!«

»Die giebt es nicht. Dieser Wilkins scheint es seinen Leuten ja förmlich angethan zu haben. Sie hängen an ihm wie die Kletten am Kleide, gerade als ob er der Herrgott Vater im Himmel sei! Ich aber brauche einen Mann, der einen klaren Kopf besitzt und sich nichts vormachen läßt.«

»Hm! Das bin ich,« schmunzelte Bommy.

»Ich will Euch aufrichtig gestehen, daß ich diesem Master Wilkins gern Einiges am Zeuge flicken möchte.«

Da machte der Neger eine Bewegung freudiger Ueberraschung und sagte:

»Am Zeuge flicken? Ah, wirklich? Sagt Ihr die Wahrheit?«

»Ja, freilich.«

»So seid Ihr wirklich nicht sein Freund?«

Walker stand von der Bank auf, legte ihm die Hand auf die Achsel und antwortete in finsterem, überzeugendem Tone:

»Sein Freund? Ich sage Euch, daß er keinen größeren Feind haben kann als mich.«

»Ah, wenn das wahr wäre!«

»Es ist wahr.«

»Könnt Ihr es beschwören?«

»Ja, mit allen Eiden der Welt.«

»Hat er Euch etwas gethan?«

»Das gehört jetzt nicht hierher. Es fragt sich nur, ob Ihr mir dienen wollt, wenn es sich darum handelt, ihm einen Streich zu spielen.«

»Gern, außerordentlich gern! Also um einen Streich nur handelt es sich? Das ist wenig, sehr wenig!«

Das Bedauern, welches aus diesen Worten klang, war ein höllisches. Sein Lachen dabei war das eines Teufels. Die Zähne blitzten aus dem aufgerissenen Munde wie das Gebiß eines Raubthieres, welches sich seiner Beute freut. –

»O, es ist nicht wenig. Streich und Streich ist ein sehr großer Unterschied. Es giebt verschiedenerlei Streiche, Schelmenstreiche, Bubenstreiche und so weiter. Ein lustiger Streich ist zum Lachen; ein sehr ernsthafter Streich, der einen Andern um Ehre und Leben bringt, kann noch viel mehr zum Lachen sein.«

»O Jessus, Jessus! Wenn es doch so ein Streich wäre!«

»Nun, es ist so einer. Ich will es Euch offen gestehen.«

»Ihr wollt ihm Ehre und Leben nehmen?«

»Hoffentlich. Zunächst aber habe ich es auf seinen Besitz abgesehen.«

»Auf die Pflanzung?«

»Ja, er wird sie am längsten besessen haben. Wollt Ihr mir dabei helfen?«

»Sehr, sehr gern, wenn Ihr gut bezahlt.«

»Das werde ich, wie ich Euch bereits gesagt habe. Also ich kann sicher auf Eure Dienste rechnen?«

»Ganz gewiß!«

»So macht dort die Thür zu, damit wir nicht überrascht werden. Ich muß Euch nämlich sagen, daß man mich hier bei Euch nicht sehen darf.«

»Weshalb nicht?« fragte der Neger, indem er den Riegel vor die Thür schob.

»Das werde ich Euch sagen, wenn Ihr mir vorher einen Schluck gegeben habt.«

Bommy ging nach der Ecke des Raumes und hob eine hölzerne Decke auf, unter welcher sich ein viereckiges Loch befand, welches seinen Keller bildete. Er nahm eine Flasche und zwei Gläser und setzte sich damit dem Weißen gegenüber.

Walker hatte sich indessen im Raume umgesehen. Er nahm das ganze Viereck der Blockhütte ein. Zwei Tische und vier Bänke, in der bereits angegebenen Weise gefertigt, der Holzklotz, auf welchem vorhin der Neger gesessen hatte, ein Heerd mit zwei Töpfen und einer Pfanne, das Loch mit mehreren Flaschen und Gläsern, ein Beil, ein Paar Messer auf dem andern Tisch, ein alter Regenschirm, in einer Ecke ein Lager von Laub und in der andern ein Haufen Brennholz, das war Alles, was das Auge erblickte.

Der Heerd befand sich an dem einen Giebelfenster, durch welches der Rauch zu ziehen hatte; einen Schornstein gab es nicht. Eine Decke war auch nicht vorhanden. Das Dach vertrat diese Stelle. Der Fußboden bestand einfach aus fest getretener Erde.

Der Neger sah den beobachtenden Blick seines Gastes und fragte:

»Gefällt Euch mein Palast?«

»Gar nicht,« antwortete Walker.

»Ja, wie in New-York oder New-Orleans bin ich nicht eingerichtet.«

»Ist auch gar nicht nöthig. Aber Etwas könntet Ihr doch bei aller Einfachheit haben. Etwas, was ein Mann wie ich und Ihr zuweilen gebrauchen kann.«

»Ich habe Alles, was ich brauche,« sagte der Neger unter einem schlauen Lächeln.

»Aber das, was ich meine, doch nicht.«

»Nun, was meint Ihr denn?«

»Hm! Ich meine ein kleines, stilles, lauschiges Oertchen, an welchem man nicht von Jedermann gesehen werden kann.«

»Ah, Ihr meint ein Versteck?«

»Ja freilich.«

»Hm! Ich habe Euch bereits gesagt, daß ich Alles habe, was ich brauche.«

»So so! Da scheint Ihr also ein solches Versteck gar nicht zu brauchen?«

Der Neger blinzelte listig, zeigte das Gebiß und sagte:

»Ich nicht, aber Andere zuweilen.«

»Donnerwetter! So habt Ihr ein Versteck?«

»Ja, Sir.«

Walker warf abermals einen sehr sorgfältigen, forschenden Blick umher und sagte dann:

»Aber nicht hier in der Hütte!«

»Nicht?«

»Nein, gewiß nicht!«

»Wie kommt Ihr zu dieser eigentümlichen Ansicht?«

»Man müßte doch eine Spur davon sehen.«

Da lachte der Neger laut und höhnisch auf:

»Hahahaha! Eine Spur davon sehen! Das wäre mir ein schönes Versteck, welches ein Fremder, wie Ihr seid, nach bereits fünf Minuten entdecken kann. Ich müßte ja wahnsinnig sein.«

»Hm! Ich habe ein sehr scharfes Auge. Ich würde unbedingt etwas bemerken. Euer Versteck wird sich also doch wohl außerhalb der Hütte befinden.«

»Macht Euch doch nicht lächerlich, Sir! Ich setze nun den Fall, wir Beide säßen hier, und es käme Jemand, der Euch nicht sehen dürfte; er klopfte draußen an. Könnte ich Euch da wohl hinaus schaffen, um Euch zu verbergen?«

»Allerdings nicht.«

»Das Versteck muß sich also hier befinden.«

»Aber wo? Etwa unter dem Laube Eures Nachtlagers?«

»Daß ich so albern wäre!«

»Oder dort unter dem Haufen Brennholz?«

»Wo denkt Ihr hin! Gerade an diesen beiden Orten würde man zuerst suchen.«

»Wo denn sonst?«

»Da fragt Ihr mich zu viel. Ihr seid erst wenige Augenblicke hier, und ich kenne Euch noch nicht. Da dürft Ihr nicht erwarten, daß ich Euch sofort mein größtes und bestes Geheimniß enthülle.«

»Ganz recht. Viel wird dieses Geheimniß aber wohl auch nicht werth sein.«

»Warum nicht?«

»Habt Ihr diese Hütte nicht vom Pflanzer geschenkt erhalten, wie ich hörte?« –

»Ja, und ein kleines Areal dazu.«

»Der Pflanzer hat wohl also die Hütte gekannt?«

»Sehr genau.«

»Nun, so kennt er also auch das Versteck, und es kann Euch also dieses gar nichts nützen.«

»Oho! Dieser verborgene Ort war erst gar nicht vorhanden. Ich habe ihn später erst mit eigener Hand angelegt, und es hat mich viele List und Mühe gekostet, nichts davon merken zu lassen und nicht dabei verrathen zu werden.«

»Hm! Wunderbar! Es ist fast gar nicht zu glauben. Die vier nackten Wände und das nackte Dach! Und da soll es ein Versteck geben!«

Er betrachtete sich abermals das Innere der Hütte genau, untersuchte dann das Bett und den Reißighaufen, griff dann auch in das, freilich kaum drei Fuß tiefe Kellerloch, trat sogar an den Heerd und wühlte in der Asche herum – vergebens.

Der Neger sah ihm mit stolzer Genugthuung zu.

»Nicht wahr?« sagte er, »Bommy ist gescheidt?«

»Außerordentlich, wenn es nämlich wahr ist, daß es hier einen solchen Ort giebt.«

»Es giebt ihn, und Keiner findet ihn.«

»So bin ich also bei Euch wirklich an den richtigen Mann gekommen. Ich muß Euch nämlich sagen, daß es vielleicht nothwendig ist, mich hier für kurze Zeit zu verbergen.«

»Vor wem?«

»Hm! Müßtet Ihr das wissen?«

»Natürlich. Ich muß doch erfahren, für wen und in welcher Angelegenheit ich mich in Gefahr begebe.«

»Nun ich will also einmal aufrichtig mit Euch sein, obgleich ich sonst nicht so schnell einem Menschen meine Angelegenheit auf die Nase binde.«

Er schenkte sich ein Glas ein, stürzte den Inhalt desselben hinab und füllte auch dasjenige des Negers. Er nahm eine Miene vertraulicher Aufrichtigkeit an, doch fiel es ihm gar nicht etwa wirklich ein, den Neger in seine Geheimnisse einzuweihen.

Dieser Letztere trank sein Glas zweimal aus; es ging ja wohl auf Rechnung des Fremden, und sagte:

»So laßt hören, Mylord. Ich bin sehr neugierig.«

»Nicht wahr, Master Wilkins hatte einen Bruder?«

»Ja, einen älteren Bruder.«

»Habt Ihr ihn gekannt?«

»Freilich habe ich ihn gekannt. Ich war sein Leibdiener. Ihr werdet bemerken, daß ich mich besser auszudrücken vermag, als gewöhnliche Neger. Das kommt daher, daß ich stets um die Person des Massa war. Er starb und ordnete in seinem Testamente an, daß ich freigegeben werden und diese Hütte als Eigenthum erhalten solle.«

»Sehr gut! So kennt Ihr also wohl die Verhältnisse der Familie Wilkins sehr genau?«

»So genau, wie ein Leibdiener dergleichen kennen kann. Man sieht da so Manches.«

»Hatte dieser ältere Wilkins nicht auch Kinder?«

»Nur einen Sohn.«

»Lebt er noch?«

»Ich weiß es nicht. Er ist auf Reisen gegangen und ist bis jetzt nicht wieder gekommen.«

»Wohin?«

»Ich weiß es nicht, aber Onkel und Neffe werden es wohl wissen. Es ist mir nie zu Gehör gekommen, daß irgend eine andere Person eine darauf sich beziehende Aeußerung gethan hätte. Ich war nicht mehr im Schlosse, als der Neffe fortging.«

»Wie standet Ihr Euch mit ihm?«

»Sehr schlecht Er war das Gegentheil von seinem Vater und konnte mich niemals leiden. Ich habe manchen Hieb und manchen Fußtritt von ihm erhalten. Er meinte, ich sei in Folge der Güte seines Vaters ein sehr frecher Bursche geworden.«

»Da hatte er wohl sehr Unrecht?« fragte Walker unter einem bezeichnenden Lächeln.

Der Neger lachte laut auf und antwortete:

»Höflich bin ich freilich mit diesem Knaben niemals gewesen. Darum nahm er es seinem Vater noch im Grabe übel, daß er mich im Testamente bedacht hatte.«

»Hm! Hm! Ich glaube, er lebt noch.«

»Wie? Was? Habt Ihr etwa eine Ahnung, wo er sich befindet?«

»Eine Ahnung, ja. Er sendet eben jetzt drei seiner besten Freunde hierher auf Besuch.«

»Was Ihr sagt, Mylord! Wer sind die Kerls?«

»Drei Jäger. Nämlich der dicke Sam und die – –«

»Der dicke Sam Barth etwa?« unterbrach ihn der Neger rasch.

»Ja. Kennt Ihr ihn?«

»Aus Erzählungen.«

»Die beiden Anderen sind die Gebrüder Snaker, die sich als Pferde- und Maulthierräuber lange da im Westen herumgetrieben haben. Sie kommen, wie ich glaube, in einem heimlichen Auftrage des jungen Wilkins hierher. Sie wissen, daß auch ich mich hier befinde, um ihre Absichten zu vereiteln, und so ist es möglich, daß sie nach mir suchen.«

»Sollen sie Euch nicht finden?«

»Nein, bei Leibe nicht! Sie dürfen nicht ahnen, in welcher Weise ich hier gegen sie agitiren will. Ich weiß ganz bestimmt, daß sie bereits heute am Vormittage nach mir suchen werden. Darum ist es mir lieb, zu hören, daß Ihr ein so gutes Versteck habt.«

»Das habe ich freilich; aber – – –«

Er stockte und blickte nachdenklich zu Boden. Das, was ihm Walker gesagt hatte, genügte ihm nicht; es war ihm zu dunkel, zu wenig, zu unzulänglich. Walker fühlte das sehr wohl. Was er gesagt hatte, war reine Erfindung. Er mußte einen anderen Grund bringen, und der triftigste der Gründe, der allerüberzeugendste ist stets derjenige, zu welchem er jetzt nun griff. Er langte nämlich in die Tasche und zog eine Börse heraus, durch deren Maschen der Glanz zahlreicher Goldstücke blitzte. Er nahm drei derselben heraus, hielt sie dem Neger hin und sagte:

»Hier, Bommy, ein kleines Draufgeld, wenn Ihr mein Cumpan werden wollt.«

Der Schwarze griff schnell und gierig zu; der Weiße aber zog die Hand mit dem Golde noch schneller zurück.

»Was? Warum gebt Ihr es nicht?« fragte Bommy.

»Ihr habt mir noch nicht geantwortet.«

»Ja, ja! Ich helfe Euch!«

»Ihr gebt mir auch Euer Versteck, wenn ich es brauchen sollte?«

»Freilich, freilich! Gebt nur her das Geld.«

»Nur Geduld, Geduld! Erst wird eingeschlagen!«

Er hielt die Hand hin; der Schwarze schlug kräftig ein und erhielt dann ins Geld. Er hielt es sich vor die Augen, zog eine Grimasse des Entzückens, that einen Luftsprung und rief:

»Gold, Gold, Gold! Und ich kann noch mehr erhalten?«

»Noch viel mehr, wenn Ihr mir treu dient.«

»O, ich bin treu, sehr treu. Ich kämpfe für Euch! Ich sterbe für Euch! Ich thue Alles, Alles für Euch! Ist das lauter Gold, welches Ihr da in dem Beutel habt?«

»Lauter Gold. Und ich habe auch noch mehr.«

»Noch mehr? Wo? Wo?«

Seine Augen blitzten gierig auf, beutegierig, raubgierig – – ja, blutgierig.

Walker sah diesen Blick und erschrak. Er erkannte, daß er sich in Todesgefahr begeben hatte. Darum beeilte er sich, zu antworten:

»Nicht hier, sondern auf der Bank.«

»Oh! Ah! Auf der Bank!« sagte der Schwarze im Tone der Enttäuschung.

»Da kann ich es mir an jedem Augenblicke holen.«

»Wann werdet Ihr es holen?«

»So bald ich es brauche – in einigen Tagen.«

»So seid Ihr also reich?«

»Sehr reich. Ihr seht also, daß ich Euch belohnen kann und auch belohnen werde, wenn – – – horch!«

Es ertönte der Hufschlag eines Pferdes. Der Reiter hielt draußen, an der Front der Hütte, wo sich die Thür aber nicht befand, an und schlug mit der Peitsche an den Rand der Fensteröffnung.

»Bommy, alter Rabe! Bist Du da?« rief er.

»Sapperment! Man kommt! Wird dieser Mann vielleicht hier eintreten?« fragte Walker ängstlich.

»Nein. Es ist Massa Leflor. Der reitet fast täglich vorüber, kommt aber sehr selten herein.«

Er ging hin an die Fensteröffnung und antwortete:

»Ja, Massa, Bommy ist da.«

»Bringe mir ein Glas heraus, aber schnell!«

Der Neger füllte ein Glas und trug es hinaus. Walker stand von seiner Bank auf und trat an das Loch. Er sah sich den Reiter an und hörte auch folgende Warte, welche zwischen diesem und dem Neger gewechselt wurden:

»Massa will zu Master Wilkins etwa?«

»Ja, alter Nachtschatten.«

»Und zu Missis Almy?«

»Was geht das Dich an, Bommy?«

»Mich? O gar nichts, gar nichts!«

»Aber Du machst ein so verschmitztes Gesicht!«

»Ist mein Gesicht nicht stets so?«

»Nein. Es ist so, als ob Du mit irgend etwas Wichtigem hinter dem Berge hieltest.«

»Hinter dem Berge? O, Ihr macht Spaß, Massa!«

»Unsinn! Ich kenne Dich! Was ist's, was Dir auf der Zunge liegt?«

»Jetzt nicht, jetzt nicht, Massa!«

»Nun, wenn denn?«

»Wenn – hm, wenn Massa mit Massa Wilkins gesprochen haben – dann!« –

»Gesprochen? Worüber und wovon?«

»Von Missis Almy.«

»Sapperment, Bommy! Du scheinst mir wirklich Etwas in petto zu haben. Ich bin neugierig, es zu erfahren; aber ich kenne Dich so genau, daß ich weiß, Du wirst es mir jetzt nicht sagen.«

»Nein, jetzt nicht, aber – dann.«

»Gut. Und da es so steht, so will ich Dir sagen, daß ich jetzt mit Monsieur Wilkins sprechen werde.«

»Jetzt? O Jessus, Jessus! Ich weiß sehr genau, welche Antwort Ihr erhalten werdet.«

»Nun, welche denn?«

»Laßt sie Euch von Missis Almy geben! Aber Massa, werdet Ihr bei der Rückkehr vielleicht auch ein Gläschen trinken?«

»Warum?«

»Weil ich Euch dann sagen werde, was ich Euch jetzt noch nicht sagen kann.« –

»Gut! Ich komme. Auf Wiedersehen, Bommy!«

Er ritt fort, und der Neger kehrte in das Innere der Hütte zurück.

»Wer war dieser Mann?«

»Massa Leflor, ein Plantagenbesitzer, unser nächster Nachbar. Habt Ihr etwa gehört, was ich mit ihm gesprochen habe?«

»Ja. Ihr spracht ja so laut, daß ich es geradezu hören mußte, wenn ich auch nicht gewollt hätte. Es schien sich um ein Geheimniß zu handeln.«

»O nein. Massa Leflor ist verliebt in Missis Almy, die Tochter von Master Wilkins.«

»Sapperment! Macht er seinen jetzigen Besuch vielleicht zu dem Zwecke, um ihre Hand anzuhalten?«

»Ja, das thut er.«

»Wird er das Jawort erhalten?«

»Nein, gewiß nicht.«

»Ah! Warum nicht?«

»Wenn es nicht Gründe giebt, von denen ich nichts weiß, so wird er von Wilkins abgewiesen werden, denn er ist leichtsinnig und auch bös.«

»O weh!« lachte Walker. »Ich glaube, das Letztere sind wir wohl auch!«

»Und selbst wenn Wilkins Ja sagte, so sagt Missis Almy doch Nein, denn sie liebt einen Andern.«

Da Walker das schöne Mädchen gesehen hatte, so interessirte ihn der gegenwärtige Gegenstand des Gespräches außerordentlich. Er fragte:

»Kennt Ihr diesen Andern?«

»Ja. Es ist Master Adler, der deutsche Oberaufseher der Pflanzung.«

»Und Leflor weiß das nicht?«

»Nein. Alle wissen es; Alle sehen es; aber die Beiden, die sich lieben, wissen es selbst noch nicht, und Wilkins und Leflor wissen es auch nicht. Leflor wird abgewiesen werden und einen entsetzlichen Haß auf Master Wilkins bekommen.«

Walker machte ein sehr nachdenkliches Gesicht, blickte eine Weile sinnend vor sich hin und fragte dann:

»Ist Leflor reich?«

»Sehr.«

»Hm, hm! Mir kommt da ein Gedanke. Wird er Euch bei seiner Rückkehr wohl aufrichtig sagen, daß er abgewiesen worden ist?«

»Warum nicht, Sir?«

»Er kann sich ja schämen!«

»Aber vor mir nicht. O, wir haben schon manchen Streich miteinander ausgeführt, Massa Leflor und ich! Und er weiß genau, daß er einen sehr guten Verbündeten zur Rache an mir haben wird.«

»An mir vielleicht auch. Könntet Ihr ihn nicht vielleicht einmal hereinrufen?« –

»Ja, wenn Ihr mit ihm reden wollt.«

»Nur in dem Falle, daß er abgewiesen worden ist, sonst aber ja nicht.«

In diesem Augenblicke klopfte es an die Thür, welche Bommy wieder zugeriegelt hatte.

»Sapperment! Man kommt!« flüsterte Walker besorgt. Wer ist es?«

Der Schwarze trat an die Thür. Es gab da einen kleinen Spalt, durch welchen er hinaus blicken konnte.

»Es ist Daniel, ein Bekannter von mir,« sagte er.

»Er darf mich nicht sehen. Wo ist das Versteck?«

»Kommt, Mylord!«

Er trat an den Heerd. Dieser bestand aus einer langen und breiten Steinplatte, welche mit der hinteren Seile in die Wand eingefügt war und mit den andern Seiten auf drei eichenen Klötzen ruhte, welche horizontal auf dem Boden standen, roh aus dem Baume gesägt waren und mehr als die Stärke eines Mannes hatten. Der Neger schob den linken der beiden Seitenklötze zur Seite, was verhältnißmäßig leicht geschah, und sagte:

»So habt Ihr es Euch wohl nicht gedacht?«

Der Raum unter dem Heerd war hohl und so tief, daß sich selbst ein großer Mann ganz gemüthlich hineinsetzen konnte. Luft zum Athmen gab es genug. –

»Alle Teufel!« sagte Walker erstaunt. »Das ist freilich ein Versteck, wie man sich ein besseres gar nicht denken kann!«

»So macht schnell hinein! Daniel klopft wieder. Er geht sonst fort, weil er denkt, daß ich nicht da bin.«

Walter setzte sich hinein. Der Schwarze rollte den runden Klotz wieder an seine frühere Stelle und überzeugte sich, daß er keine Spur außerhalb seiner jetzigen Lage zurückgelassen hatte. Sodann ging er zur Thür, um diese zu öffnen, und ließ den Neger Daniel ein.

Er legte dabei den Finger auf den Mund, zum Zeichen, daß nicht gesprochen werden solle, setzte sich mit ihm in die dem Heerde entfernteste Ecke und unterhielt sich im Flüstertone mit ihm. Sie sprachen, wie bereits erwähnt, von dem Vorhaben des rothen Burkers, doch konnte Walker natürlich kein Wort davon verstehen.

Bommy war dafür besorgt, daß Daniel bald wieder ging, und begleitete ihn hinaus, wobei Beide von Sam Barth belauscht wurden. Als er dann in die Hütte zurücktrat, vergaß er, die Thür wieder zuzuriegeln, und ging sogleich zum Heerde, um Walker wieder herauszulassen.

Dies geschah langsam und bedächtig, so daß Sam bereits das Haus umschlichen hatte, als Walker aus dem Verstecke hervorkroch. Der Blick des Letzteren fiel, zum Glück für ihn, auf die nur angelehnte Thür.

»Warum habt Ihr – – –«

Er hielt erschrocken inne. »Warum habt Ihr die Thür aufgelassen?« wollte er sagen, doch blieb ihm die zweite Frage im Munde stecken, denn er sah durch die Thürlücke Jim und Tim herbei eilen.

»Was ist's?« fragte der Neger.

»Pst! Um Gotteswillen, leise, leise!«

Er schnellte zur Thür, zog sie heran und schob den Riegel vor, welcher die Stärke eines Mannesarmes hatte. Der Neger begriff natürlich, daß sich Jemand in der Nähe befinde, und eilte zum Fenster. Er kam noch zeitig genug, die beiden Brüder bei ihren letzten Schritten zu bemerken.

»Wer sind diese Kerls?« flüsterte er.

»Es sind Jim und Tim Snaker. Da wird Sam Barth nicht entfernt sein.«

»Sie suchen natürlich Euch?«

»Ja.«

»Hm! Was machen wir?«

»Laßt sie um Gotteswillen nicht herein!«

Er fühlte eine wahre Todesangst. Er wußte ja, daß er verloren sei, wenn er diesen Jägern in die Hände fiel. Er bückte sich an die kleine Spalte, blickte durch dieselbe hinaus, und wandte sich flüsternd zurück:

»Da, seht hinaus! Da steht auch Sam, der Dicke. Er scheint die beiden Anderen auszuzanken.«

»Woher wissen sie denn, daß Ihr hier seid?«

»Sie müssen meine Spur gefunden haben. Ich wiederhole es: Laßt sie nicht herein!«

»Wo denkt Ihr hin! Einlassen muß ich sie!«

»Warum? Warum denn?« fragte Walker, vor Angst förmlich zitternd.

»Um Euretwillen.«

»Unsinn! Gerade um meinetwillen sollen sie ja draußen bleiben. Ihr seid hier Hausherr. Ihr könnt sie fortweisen.«

»Ja. Aber da ist der dicke Sam zu schlau. Er wird thun, als geht er, und sich in der Nähe auf die Lauer legen. Das giebt dann eine förmliche Belagerung, und sie bekommen Euch doch.«

»Verdammt! Was rathet Ihr?«

»Geht in's Versteck!«

»Aber wenn sie es finden!«

»Unsinn! Hustet oder nießet nur nicht!«

»Alle Teufel! Was thue ich!«

Er war todtesbleich. Es klopfte an der Thür.

»Schnell, schnell!« drängte der Schwarze.

»Ihr werdet mich nicht verrathen?«

»Fällt mir nicht ein!«

»Aber Walker hatte Bommy's Blicke gesehen; er traute ihm nicht. Er nahm noch drei Goldstücke heraus, gab sie ihm und raunte ihm zu:

»Wenn sie mich nicht entdecken, bekommt Ihr noch fünfzig, sobald ich das Geld von der Bank erhalten haben werde!«

»Gut, gut! Schnell hinein!«

»Hollah! Aufgemacht!« ertönte draußen die Stimme des langen Jim.

In wenigen Augenblicken steckte Walker unter dem Heerde. Der Schwarze trat zur Thür und fragte:

»Wer ist draußen?«

»Gäste.«

»Wie viele denn?«

»Zwei.«

»Oho! Es sind doch drei!«

Es entstand eine Pause. Draußen flüsterte man einen Augenblick lang. Dann sagte Jim:

»Wie viele wir sind, kann Dir egal sein. Mach nur auf, Mann.«

»Wer seid Ihr denn?.«

»Sei verdammt für Deine Neugierde! Ist das eine Art und Weise, ehrliche Leute auszufragen! Wir wollen einen Schluck trinken. Verstanden? Oder ist hier das Himmelreich, vor dessen Pforte eine jede Seele vorher examinirt wird. Da wollen wir zunächst Dir einmal die Deinige an die Nase binden.«

»Thut es meinetwegen, und kommt herein!«

Er schob den Riegel zurück. Die drei Jäger traten ein. Sams Plan war unnöthig geworden. Er hatte nicht an die Möglichkeit gedacht, daß auch er von innen gesehen worden sei.

Eintreten und mit einem einzigen, raschen Blick sich umschauen, das war natürlich Eins. Es war außer Bommy kein Mensch zu sehen. Die Drei setzten sich an den einen Tisch. Die Brüder Snaker überließen dem klugen Sam die Rolle des Fragenden.

»Gieb uns einen Morgentrunk, Schwarzer!« sagte der Dicke. »Du hast doch wohl Etwas, was den Magen eines alten Jägers wärmt?«

»Es wird ausreichen,« antwortete der Neger.

»Ach, ja! Da ist ein ganzer Keller voll.«

Er trat an das offene Loch, blickte hinein, knieete sodann nieder und that, als ob er die Etiquetten der Flaschen betrachten wolle, untersuchte dabei aber mit den tastenden Händen alle vier Seiten und auch den Boden des Loches. Ein kurzer Wink benachrichtigte dann die Gefährten, daß er nichts gefunden habe. Er kehrte also an seinen Platz zurück und griff zum Glase.

»Schänke Dir auch eins ein, und stoße mit uns an, Schwarzer! Geht Dein Geschäft gut?«

»Leidlich.«

»Man sieht es! Wer mit Goldstücken bezahlt wird, der hat keine Veranlassung, über schlechte Zeiten zu klagen.«

Walker hörte diese Worte natürlich. Der Angstschweiß brach ihm aus allen Poren. Auch der Neger erschrak. Er hatte in der Eile die letzten Goldstücke, welche er erhalten hatte, auf den Tisch gelegt, um beide Hände für die Bewegung des Eichenblockes frei zu haben. Dort lagen sie jetzt noch. Er bemühte sich, eine unbefangene Miene zu zeigen, stieß mit Sam an, ergriff dann das Geld, steckte es in die Tasche und antwortete:

»Ihr hättet Recht, wenn dies meine heutige Einnahme wäre. Alle Tage drei Goldstücke, das wäre sehr gut!«

»Was für Geld ist es denn?«

»Das wird Euch wohl gleichgiltig sein, Master. Ich frage Euch auch nicht nach Euren Beutel!«

»Sehr richtig. Aber wenn Du es thätest, würdest Du eine höflichere Antwort erhalten, als die Deinige ist. Hattest Du heute schon Gäste?«

»Ja.«

»Wie viele?«

»Es fehlen Einige am Hundert.«

»Das glauben wir Dir ungeschworen. Es würde uns aber weit lieber sein, wenn Du uns eine bestimmtere Antwort giebst. Wir denken nämlich, hier bei Dir mit einem guten Bekannten zusammen zu treffen.«

»Wer ist es?«

»Du wirst ihn auch bereits gesehen haben. Sein Name ist Walker.«

»Walker? Diesen Namen habe ich hier noch gar nicht gehört, Master.«

Er sagte damit die Wahrheit, da Walker ihm noch gar nicht gesagt hatte, wie er heiße.

»Nicht? Hoffentlich hast Du doch die lobenswerthe Angewohnheit, Deine Gäste nach dem Namen zu fragen!«

»Nein; ich thue das im Gegentheile niemals. So zum Beispiel werde ich auch Euch nicht fragen. Was geht mich Euer Name an, wenn ich nur bezahlt werde.«

»So thue uns wenigstens den Gefallen, uns zu sagen, was für Persönlichkeiten heute bei Dir eingekehrt sind!«

»Massa Leflor war hier.«

»Wer noch?«

»Weiter Niemand!«

»Hm! Bist Du vielleicht einmal für einen Augenblick von Deiner Hütte fortgewesen?«

»Nein.«

»Nicht? Sonst dächte ich, es hätte sich während Deiner Abwesenheit Jemand hier eingeschlichen und ohne Dein Wissen versteckt.«

»Meint Ihr jenen Walker?«

»Ja.«

»Das ist eine Unmöglichkeit. Wo sollte sich ein Mensch hier verstecken?«

»Vielleicht dort unter das Lager?«

»Seht nach.«

»Oder unter das Brennholz?«

»Da hätte er sich einen sehr unbequemen Platz herausgesucht.«

»Freilich: aber wir wollen doch einmal sehen, ob es nicht doch wohl der Fall ist.«

Die drei Jäger untersuchten das Laub und das Reißig sehr genau, fanden aber natürlich nichts. Der Schwarze sah ihnen angstvoll zu. Wie, wenn sie auf den Gedanken kamen, auch den Heerd zu untersuchen! Das konnte er ja verhüten!

Er nahm einen Arm voll Reißig, warf es auf den Heerd, brannte es an und ging sodann mit einem Topf hinaus, um Wasser zu holen.

»Verdammt!« sagte Jim. »Wo steckt er? Er muß hier sein!«

Sam winkte ihm und antwortete:

»Ich habe Euch doch gleich gesagt, daß er gar nicht in Wilkinsfield ist. Wir hätten ja auch das Kanot finden müssen. Er ist weiter flußabwärts gerudert. Nun haben wir hier die kostbare Zeit versäumt und können uns sputen, sie wieder einzuholen. Wenn der Schwarze wieder hereinkommt, werden wir bezahlen und dann sogleich aufbrechen.«

Bommy kam und stellte den Wassertopf auf das Feuer. Er schürte die Flamme an, um ein lautes Knistern zu erregen, damit man ein etwaiges Husten oder Niesen Walker's nicht hören könne. Dann wendete er sich mit freundlichem Grinsen an Sam:

»Ich braue mir jetzt ein Glas Grog. Hoffentlich bleiben die Masters hier, um eins mitzutrinken!«

»Danke für Dein Gebräu, Schwarzer! Wir werden machen, daß wir Deine rauchige Bude hinter uns bekommen.«

Er fragte nach der Zeche und bezahlte. Dann entfernten sich die Drei, in der Richtung nach dem Walde zu. Dort hinter den Büschen, wo sie von der Hütte aus nicht mehr gesehen werden konnten, blieben sie stehen.

»Du winktest uns,« sagte Tim. »Du glaubst also auch, daß er drin steckt?« –

»Ganz sicher!«

»Aber wo?«

»Das weiß der Teufel! Ein Loch muß es in der Bude irgendwo geben. Der Boden war so fest gestampft, daß man eine Spur gar nicht sehen konnte. Ich wette meinen Kopf, daß die Goldstücke von Walker waren. Es geht nicht anders. Zwei von uns legen sich hier in den Hinterhalt. Der Dritte eilt zu Monsieur Wilkins mit der Weisung, daß er schleunigst nach Van Buren nach Militär senden soll. Es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn wir den Vogel nicht doch noch erwischten!«

Bommy hatte ihnen nachgeblickt und natürlich hinter ihnen die Thür verriegelt. Dann ließ er Walker aus dem Verstecke hervor. Der Letztere sah wie eine Leiche aus, und doch standen ihm dicke Schweißtropfen im Gesicht.

»Das war entsetzlich!« sagte er. »Erst die Angst, daß sie mich entdecken würde», und dann die Hitze von dem Feuer!«

»O,« lachte der Neger, »vom Feuer hat es gar keine Hitze gegeben. Die Wärme steigt nach oben, und die Platte ist so stark, daß sie erst nach Stunden durchhitzt würde, namentlich von einem so kleinen Feuer. Die Hitze, welche Euch ausgetrieben ward, stammt nur von der Angst. Sind diese drei Jäger wirklich so furchtbar?«

»Sie trachten mir nach dem Leben. Es wäre um mich geschehen gewesen, wenn sie mich entdeckt hätten.«

»Was habt Ihr ihnen denn so gar Schlimmes gethan?«

»Das werde ich Euch später erzählen. Jetzt muß ich vor allen Dingen wissen, wo sie stecken.«

»Sie sind fort.«

»Das ist nicht wahr!«

»Ich sah sie ja gehen.«

»Sie haben nur so gethan, als ob sie sich entfernen. Der Dicke ist ein schlauer Kerl, heute aber hat er es einmal gar zu schlau angefangen. Während Ihr nach Wasser gingt, sagte er laut, daß sie sogleich weiter stromabwärts wollten – – –«

»Nun, das ist ja sehr gut für Euch!«

»Sehr schlimm im Gegentheile! Er weiß, daß ich hier bin, und hat es gesagt, um mich kirre zu machen. Daß sie hierher gekommen sind, ist ein deutlicher Beweis, daß sie meine Fährte gefunden haben. Sie werden sich ganz in der Nähe der Hütte auf die Lauer legen, um zu warten, bis ich gehe. Das ist so sicher wie irgend Etwas.«

»So müßt Ihr bleiben, bis es Nacht ist.«

»Warum nicht länger?«

»Ihr werdet mir doch nicht zumuthen, daß ich mir meine Wohnung für eine halbe Ewigkeit belagern lasse! Ihr könnt doch nicht tagelang da in dem engen Loche unter dem Heerde stecken, und ich habe auch mehr zu thun, als mich her zu setzen, um Euch zu bewachen. Heute Abend erhalte ich mehrere Gäste, welche Euch nicht sehen dürfen.«

»So wollt Ihr mich preisgeben?«

»Nein. Ihr bezahlt mich gut, und ich diene Euch. Es wird sich wohl bis heute Abend ein Mittel finden lassen, Euch ohne Gefahr von hier fort zu schaffen. Einen Ort, wo Ihr dann sicher seid, wird es auch geben. Wir wollen nachdenken!«

Da ertönte draußen der Hufschlag eines Pferdes. Leflor kehrte zurück. Er rief draußen:

»Bommy, bist Du da?«

Der Neger trat an die Fensteröffnung und antwortete:

»Ja, Massa. Hier bin ich.«

»Bringe mir einen Schnaps heraus, aber einen tüchtigen!«

»Hat Master Wilkins Ja gesagt?«

»Nein. Hole ihn der Teufel!«

»So kommt einmal herein zu mir. Ihr werdet etwas Gutes für Euch erfahren.«

Draußen gab es einen Pfahl, an welchem Leflor, als er abgestiegen war, sein Pferd band. Dann ging er nach der hinteren Seite des Hauses und trat ein, da der Neger die Thür geöffnet hatte, die er aber hinter ihm sofort wieder verriegelte. Als er Walker erblickte, stutzte er und fragte zornig:

»Da ist bereits Jemand. Warum rufst Du mich da herein, Schwarzer?«

»Zu Eurem Besten, Massa,« antwortete der Gefragte. »Dieser Master interessirt sich für Euch.«

»Wer ist er?«

Walker war von seiner Bank aufgestanden und antwortete an des Schwarzen Stelle:

»Verzeiht, Monsieur' Ich hoffe, daß unsere zufällige Begegnung für uns Beide von Vortheil sein wird. Ich heiße Walker.«

»Walker?« fragte Leflor erstaunt. »Alle Teufel! Herr, man sucht Euch!«

»So? Wer sucht mich?«

»Ein dicker Kerl, Namens Sam Barth, der noch zwei Begleiter bei sich hat.«

»Ich weiß es bereits. Woher aber wißt Ihr es?«

»Der dicke Hallunke war bei Wilkins. Er glaubte, Euch bei diesem zu finden.«

»Wann?«

»Vor vielleicht einer Stunde.«

»Verdammt! Sie sind dann also hierher gegangen. Also wissen sie genau, daß ich hier bin, und also werden sie auch in der Nähe auf mich warten.«

»Was wollen sie von Euch?«

»Wir haben ein kleines Geschäft miteinander, so was man eine Blutrache nennt.«

»Dann thut es mir leid um Euch. Dieser Sam Barth ist der beste Spürhund, den es giebt. Hat er Euch etwa eine Kugel zugedacht?«

»Etwas Anderes nicht. Er war mit den beiden Anderen soeben hier, hat mich aber nicht gefunden und wird mich nun auflauern. Ich hoffe, daß Ihr mir Euern Schutz gewähren werdet.«

»Ich? Mich geht Eure Angelegenheit gar nichts an!«

»Vielleicht doch!«

»Daß ich nicht wüßte. Der Dicke hat mich zwar bei Wilkins auf's Tödtlichste beleidigt, so daß ich, aufrichtig gestanden, darauf brenne, ihm einen Streich zu spielen, aber was Ihr mit ihm habt, das liegt mir außerordentlich fern.«

»Vielleicht näher, als Ihr denkt.«

»Wieso?«

»Verzeiht, Sir, wenn ich da eine Frage thue, welche Euch sehr zudringlich erscheinen wird! Aber sie gehört zur Sache.«

»Fragt nur zu.«

»Ihr habt um Wilkins' Tochter angehalten und einen Korb bekommen?«

»Donnerwetter! Hat hier dieser schwarze Schuft gegen Euch geplaudert?«

»Ja. Aber Ihr dürft es ihm verzeihen, denn er hat es nur zu Eurem Vortheile gethan.«

»Das möchtet Ihr mir wohl erklären!«

»Gern! Setzt Euch zu mir! Bommy mag Wache halten, damit wir nicht gestört werden.«

Sie holten sich eine Flasche Rum aus dem Loche, setzten sich zusammen und begannen, sich im Flüstertone zu unterhalten. Bommy setzte sich auf seinen Holzklotz, brannte sich seinen Pfeifenstummel an und beobachtete durch die Ritze der Thür mit scharfem Auge die draußen liegenden Gebüsche. Er konnte von dem leisen Gespräch der Beiden nichts verstehen, schien aber auch gar nicht darauf versessen zu sein, Etwas zu erfahren, was ihm nicht freiwillig gesagt wurde. –

Walker hatte die Unterhaltung mit der Bemerkung begonnen:

»Wenn ich um die Hand eines Mädchens anhalte und abgewiesen werde, so wird mein erstes Gefühl dasjenige sein, diese Niederträchtigkeit heimzuzahlen. Darf ich annehmen, daß bei Euch dasselbe der Fall auch ist?«

»Hm! Ich bin kein anderer Mensch als Ihr.«

»Es kommt freilich ganz auf die Art und Weise an, in welcher man den Korb erhält.«

»Die war allerdings so gemein wie nur möglich. Ich gestehe, auch ohne Euch und Eure Absichten zu kennen, daß ich sehr an Vergeltung denke.«

»Habt Ihr bereits einen Plan?«

»Ja.«

»Der sicher gelingen wird?«

»Von einer absoluten Sicherheit kann ich freilich nicht sprechen. Und das ist es, was mich ganz ungeheuer ärgert.«

»Beruhigt Euch. Ich habe die Mittel in der Hand, welche Euch eine ganz eklatante Rache ermöglichen.«

»Wie kämt Ihr dazu. Kennt Ihr Wilkins?«

*


 << zurück weiter >>