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Kapitän Kearney. – Der Honoratiorenball.
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Am nächsten Morgen tauschten wir mit Tagesanbruch die Signale aus, begrüßten die Flagge und um acht Uhr lagen schon alle Schiffe vor Anker. Herr Falkon begab sich an Bord des Admiralschiffes, um Depeschen und die Meldung vom Tode des Kapitäns Savage zu überbringen. Nach etwa einer halben Stunde kehrte er wieder zurück, und wir waren erfreut, aus dem Lächeln auf seinem Gesichte den Schluß ziehen zu dürfen, daß er seine wirkliche Ernennung als Kommandant erhalten haben mußte, was immer noch etwas zweifelhaft war, da der Admiral die Macht hatte, die erledigte Stelle wem er wollte zu übertragen, obgleich es allerdings nicht recht gewesen wäre, wenn er sie nicht Herrn Falkon gegeben hätte; zwar konnte diesem seine Ernennung zum Kapitän nicht wohl entgehen, denn Kapitän Savage starb, während das Schiff nicht unter dem Oberbefehl eines Admirals stand, und Herr Falkon hatte sich selbst zum Kapitän gemacht; doch hätte der Admiral ihm kein Schiff geben und ihn nach Hause schicken können. Er übertrug ihm aber ein solches und ernannte den Kapitän der Minerva auf den Sanglier, den Kapitän des Opossum auf die Minerva, und Kapitän Falkon erhielt den Befehl auf dem Opossum. Er empfing seine Ernennung des Abends, und am nächsten Tag schon ging der Tausch vor sich. Kapitän Falkon wollte mich mit sich nehmen, und machte mir das Anerbieten, aber ich konnte mich nicht von O'Brien trennen, und so zog ich es vor, auf dem Sanglier zu bleiben.
Wir waren alle sehr besorgt, zu erfahren, was für ein Mann unser neuer Kapitän sei, dessen Name Kearney lautete; aber wir hatten keine Zeit, die Seekadetten zu fragen, außer wenn sie mit den Booten kamen, worin sie sein Gepäck brachten; sie erwiderten im allgemeinen, er sei ein ganz gutartiger Patron und nichts Böses an ihm. Während ich jedoch in der Nacht die Wache mit Swinburne hatte, kam dieser mit den Worten auf mich zu:
»Nun, Herr Simpel, jetzt haben wir ja einen neuen Kapitän; ich segelte vor zwei Jahren mit ihm auf einer Brigg.«
»Und bitte, Swinburne, was für ein Mann ist er?«
»Nun, ich will's Ihnen sagen, Herr Simpel, er ist ein gutmütiger und ganz freundlicher Mann, aber –«
»Aber was?«
»Solch 'n Protzer!!«
»Was meinen Sie damit? er ist kein sehr starker Mann.«
»Gott segne Sie, Herr Simpel! Sie verstehen doch auch gar nicht unsere gute Muttersprache. Ich meine, daß er der größte Lügner ist, der je auf einem Verdeck herumlief. Sie wissen doch, Herr Simpel, ich kann auch bisweilen mein Garn spinnen.«
»Ja, daß Sie's können, beweist der Sturm von der vorigen Nacht.«
»Also gut, Herr Simpel, ich kann ihm nicht das Wasser reichen. Nicht, als ob ich nicht gern bisweilen, so weit ich kann, zum Spaß hinausstreife, aber verdamm' mich, er ist immer auf der Streife. In der That, Herr Simpel, er sagt nie die Wahrheit, außer aus Versehen. Er ist so arm wie eine Kirchenmaus, aber seinem Gerede nach hätte er wenigstens so viel im Vermögen, als das Greenwichhospital. Doch Sie werden ihn bald genau kennen lernen und tüchtig über ihn zu lachen kriegen, hinter seinem Rücken nämlich, denn ins Gesicht, Herr Simpel, wissen Sie wohl, geht das nicht.«
Am nächsten Tage traf Kapitän Kearney an Bord ein; die Mannschaft war zu seinem Empfang aufgestellt und alle Offiziere befanden sich auf dem Hinterdeck.
»Sie haben eine hübsche Abteilung Seesoldaten, Kapitän Falkon«, sagte er; »die, welche ich an Bord der Minerva gelassen habe, waren nichts wert als das Aufhängen – und auch eine gute Schar Reffer haben Sie – die, welche ich an Bord der Minerva gelassen habe, waren das Aufhängen nicht wert. So es Ihnen gefällig ist, will ich meine Ernennung vorlesen, wenn Sie die Leute nach hinten beordern mögen.« Dies geschah, und während er seine Ernennung ablas, standen alle mit abgezogenen Hüten da, aus Ehrfurcht vor der Gewalt, von der dieser Akt ausging.
Dann sprach er zur Schiffsmannschaft: »Nun, Ihr Bursche, Euch habe ich nur 'n paar Worte zu sagen. Ich bin zum Befehlshaber dieses Schiffes ernannt, und Ihr habt, scheint's, ein gutes Zeugnis von Eurem bisherigen ersten Leutnant. Alles, was ich von Euch verlange, ist dies: seid rasch und rührig im Dienste, haltet Euch nüchtern und sprecht immer die Wahrheit – damit genug. Pfeifen Sie die Leute hinab. Gentlemen«, fuhr er fort, zu den Offizieren gewandt, »ich hoffe, daß wir gute Freunde werden, denn ich sehe nicht ein, warum es anders sein sollte.«
Dann drehte er sich um und rief seinem Beischiffführer zu: »William, Ihr müßt an Bord und meinem Steward sagen, ich habe dem Gouverneur versprochen, heute bei ihm zu speisen, und er müsse deshalb kommen mich anzukleiden; und Beischiffführer, vergeßt mir nicht, das Schaffell hinten in meinem Gig auszubreiten, nicht das, dessen ich mich in der Kutsche bediente, sondern das blaue, das für die Kalesche benützt wurde – Ihr wißt ja wohl, welches ich meine.« Hier sah ich zufälligerweise Swinburne ins Gesicht, der gerade auch die Augen auf mich gerichtet hatte, als wollte er sagen: »Jetzt ist er wieder drin.« Die Offiziere der Minerva, die wir später trafen, bestätigten alles, was Swinburne gesagt hatte; doch bedurfte es dessen eigentlich nicht, denn des Kapitäns eigene Worte bekundeten jede Minute die Wahrheit jener Schilderung.
Die auf der Insel herrschende Gastfreundschaft ist weltbekannt, und so erhielten auch wir eine Menge Einladungen zu Gesellschaftsessen, diese dehnten sich auf die Seekadetten aus, und es ward mir manches gute Diner, mancher freundliche Empfang während meines dortigen Aufenthaltes zu teil. Das aber, wovon ich schon so viel gehört hatte, und dem ich so sehnlich einmal beizuwohnen wünschte, war ein Honoratiorenball; um dem Leser aber verständlich zu werden, muß ich mich hier in eine kleine Auseinandersetzung einlassen. Die farbigen Einwohner von Barbados sind aus Gründen, die sie selbst am besten kennen, über alle Maßen stolz und schauen auf alle diejenigen Schwarzen, die auf andern Inseln geboren werden, als auf gemeine Neger verächtlich herab; sie haben zugleich eine außerordentliche Idee von ihrer eigenen Tapferkeit, obgleich ich nie hörte, daß solche auf die Probe gestellt worden. Die meisten unter den freien Barbadern sind sehr reiche Leute; deshalb tragen sie auch ihre Nasen tüchtig hoch und benehmen sich überhaupt höchst lächerlich. Sie äffen die Manieren der Europäer nach, während es doch auf der andern Seite scheint, daß sie dieselben als weit unter ihnen stehend betrachten. Ein Honoratiorenball also ist ein Ball, der von den bedeutendsten unter der farbigen Einwohnerschaft veranstaltet wird; und des Spaßes halber, sowie verschiedener anderer Gründe wegen, besuchen auch in der Regel die Offiziere des Landheeres und der Flotte einen solchen zahlreich. Die Preise der Eintrittskarten waren hoch – ich glaube, ein halber Joe, das heißt acht Dollars für die Person.
Der Gouverneur ließ Einladungen zu einem großen Balle mit Abendessen für die nächste Woche ergehen, und kaum hatte dies Miß Betsy Austin, eine Quadronenfrau D. i. Viertelsschwarze, Tochter eines Weißen und einer Mulattin., erfahren, als auch sie für denselben Abend Karten ausschickte. Dies geschah nicht sowohl aus nebenbuhlerischem Ehrgeiz, als vielmehr aus einem andern Grunde: sie dachte nämlich, die meisten der Offiziere und Seekadetten von den Schiffen werden Erlaubnis bekommen, des Gouverneurs Ball zu besuchen; sie würden sich aber von dort, da sie denn doch wohl dem ihrigen den Vorzug geben dürften, fortschleichen, zu ihr kommen und so dem von ihr veranstalteten Balle zahlreichen Besuch sichern.
Am Tage der Einladung kam unser Kapitän an Bord und sagte dem ersten Leutnant (von dem ich später mehr erzählen werde), der Gouverneur bestehe darauf, daß doch alle seine Offiziere kommen möchten, er nehme keinerlei Entschuldigungsgrund an, und erwarte deshalb, daß sie unfehlbar erscheinen; dies komme nämlich daher, daß der Gouverneur ein Verwandter seiner Frau sei, und hinsichtlich seiner Ernennung auf die Gouverneursstelle einige Verbindlichkeiten gegen ihn habe. Er, der Kapitän, hatte natürlich mit dem Premierminister über die Besetzung jenes Postens gesprochen, und da war es in Anbetracht der freundschaftlichen und innigen Beziehung, in welcher er von Kindheit an zu dem Premier stand, nicht unmöglich, daß seine Verwendung einigen Erfolg hatte; jedenfalls war es erfreulich, zu finden, daß es noch hier und da einen dankbaren Menschen auf der Welt gab. Demgemäß erschienen auch alle Offiziere mit Ausnahme des Schiffsmeisters, der erklärte, er wolle lieber zweimal um seine Klüse herumgehen, als den Leuten da zusehen, wenn sie ihre Beine wie Narren herumschleudern, und überdies habe er auf das Schiff acht zu geben.
Der Ball des Gouverneurs war höchst glänzend, doch waren die Damen infolge der Einwirkung des Klimas ziemlich gelb. Es gab übrigens auch Ausnahmen, und im ganzen genommen ging es ganz unterhaltend zu; uns allen aber war es eben sehr darum zu thun, den Honoratiorenball der Miß Betsy Austin zu besuchen; ich schlich mich deshalb mit drei andern Seekadetten fort und wir kamen bald am Hause der Miß an. Eine Menge Neger waren außen um dasselbe herum geschart, der Ball jedoch hatte wegen Mangel an Herren noch nicht begonnen; er wurde übrigens streng etiquettenmäßig abgehalten, indem niemand unter Mulattenfarbe Zutritt erhielt. Ich habe hier wohl nötig, folgende Bemerkung einzuschalten: die von Weißen mit Negern Erzeugten heißen Mulatten oder halb und halb, die von Weißen mit Mulatten aber Quadronen oder Viertelsschwarze, und diese Rasse bildete den größern Teil der Gesellschaft. Quadronen und Weiße erzeugen, soviel ich mich erinnern kann, Mustihs oder Achtelsschwarze, und Mustihs und Weiße die Mustafinas oder Sechzehntelschwarze; die nach diesen folgenden endlich Weißgewaschene, welche wie Europäer betrachtet werden. Es herrscht in Westindien ein arger Farbenstolz, und es giebt hierfür dort so viele Abstufungen als ein deutscher Fürst in seinem Wappenschilde Felder führt; ein Quadrone sieht stolz auf einen Mulatten herunter, der Mulatte auf einen Sambo, der halb Mulatte, halb Neger ist, während der Sambo seinerseits verächtlich auf den gemeinen Neger herabblickt. Die Quadronen sind unstreitig die schönste Rasse unter allen, und viele unter den Frauenzimmern sogar ausgezeichnet schön; sie haben lange und ganz glatt anliegende Haare, große schwarze Augen und vollendete Formen; auch sieht man auf ihren Wangen den Wechsel der Gesichtsfarbe eben so gut und mit derselben Wirkung wie bei den Europäerinnen.
Die mit Orangenzweigen bekränzte Thür von Miß Austins Hause stand offen, als wir hereintraten; wir wurden von einem Mulattenherrn angeredet, der dem Anscheine nach ›Ceremonienmeister mit dem schwarzen Stabe‹ war. Er trug den Kopf stark gepudert, weiße Hosen, eine nicht sechs Zoll lange Weste und eine halb abgetragene Postmeisters-Uniform als Livree. Sich tief verbeugend, nahm er sich die Freiheit, die Gentlemen um ihre Ballkarten zu bemühen, und als wir diese vorzeigten, wurden wir von ihm in den Ballsaal geführt, an dessen Thür Miß Austin stand, um ihre Gäste zu empfangen. Sie machte uns einen tiefen Knix mit den Worten: »Sir, ganz glücklich, die Gentlemen des Schiffes zu sehen, aber hoffen, auch die Offiziere auf ihrem Honoratiorenballe zu sehen.«
Diese Bemerkung trat nun unserer Würde zu nahe, und einer meiner Kameraden erwiderte: daß wir Seekadetten uns selbst als Offiziere betrachten, und zwar nicht für geringere als irgend ein anderer, und wenn sie auf die Leutnants des Schiffes warte, so müsse sie sich eben so lange gedulden, bis es ihnen auf des Gouverneurs Ball verleidet sei, wir hingegen hätten dem ihrigen den Vorzug gegeben.
Diese Bemerkung brachte alles ins richtige Geleise; Sangaree wurde herumgereicht, und ich sah mich nun in der Gesellschaft etwas näher um. Selbst auf die Gefahr hin, die gute Meinung meiner schönen Landsmänninnen zu verlieren, muß ich gestehen, daß ich noch nie so viele schöne Gestalten bei einander gesehen hatte. Da die Offiziere noch nicht eingetroffen waren, so erwies man uns alle Aufmerksamkeit, und ich wurde nacheinander der Miß Euridice, der Miß Minerva, Miß Silvia, Miß Aspasia, Miß Euterpe und mancher andern vorgestellt, deren Namen sichtlich von verschiedenen Kriegsschiffen entlehnt waren, die hier eingelaufen sein mochten; alle diese jungen Damen gaben sich das Ansehen, als gehörten sie zu Almacks. Ihre Kleidung darf ich wohl nicht versuchen zu beschreiben: Juwelen von Wert fehlten nicht, aber die Kleider waren dünn. Sie schienen Schnürleibchen weder zu tragen noch zu bedürfen, und ihre Formen waren, wie schon bemerkt, so vollendet, daß sie durch zu viel Kleidung nur beeinträchtigt werden konnten.
Nachdem jetzt noch einige Seekadetten und einige Leutnants, unter diesen auch O'Brien, gekommen waren, ordnete Miß Austin den Beginn des Balles an. Ich bat Miß Euridice um die Ehre ihrer Hand für den Kotillon, womit der Ball eröffnet werden sollte. In diesem Augenblicke trat Massa Johnson, der erste Violinist, Ceremonien- und Balletmeister, der ein sehr starker Mann war und allen den »Badiandamen« Tanzunterricht gab, hervor. Er war ein dunkler Quadrone mit leicht gepuderten Haaren, und trug einen lichtblauen Rock, der ziemlich weit nach hinten geschlagen war, um seine lilienweiße Weste sehen zu lassen, und auch von dieser konnte er sich nur einen Knopf zuzuknöpfen entschließen, um ja vollen Platz zu haben für den Stolz seines Herzens, seine Hemdkrause, die allerdings un jabot superbe war; sie war vier Zoll breit und reichte vom Halse hinab bis zu dem Hosenbande seiner enganliegenden Nankingbeinkleider, die an den Knieen mit einer dicken Bandschleife endeten. Seine Beine steckten in seidenen Strümpfen, was übrigens nicht viel guten Geschmack seinerseits bekundete, da er so den augenscheinlichen Vorteil, den ein Europäer in der Bildung der Beine vor einem Farbigen hat, an den Tag legte; denn anstatt gerade zu sein, waren seine Schienbeine krumm gebogen wie ein Käsemesser, und überdies waren die Beine in den Fuß hineingepflanzt, wie der Stiel bei einem Besen oder einer Scheuerbürste, die Füße waren nämlich an der Fersenseite eben so lang wie an den Zehen. So war die äußere Erscheinung des Herrn Apollo Johnson, den die Damen als das non plus ultra des guten Tones und als arbiter elegantiarum betrachteten. Sein Krumm-Tock (d. i. Stock), das heißt sein Fidelbogen, war der Zauberstab, dessen magisches Streichen über die Geige seinen Befehlen unverzüglichen Gehorsam verschaffte.
»Ladies und Gentlemen, nehmen Sie Ihre Plätze ein.« Alles stand auf. »Miß Euridice, Sie eröffnen den Ball.«
Miß Euridice hatte einen jämmerlichen Tänzer an mir, doch nahm sie sich die Mühe mich zu belehren. O'Brien war mit Miß Euterpe unser Vis-à-vis. Die andern Herren waren Offiziere der Schiffe, und so standen wir zu zwölf, Weiße und Braune durcheinander gewürfelt, wie auf einem Schachbrett, da. Aller Augen waren auf Herrn Apollo Johnson gerichtet, der zuerst die Paare, dann seine Geige und zuletzt die andern Musikanten anblickte, um nachzusehen, ob alles in Ordnung sei; hierauf begann auf einen Wink von seinem ›Krumm-Tock‹ die Musik.
»Massa Leutnant«, rief er O'Brien zu, »hinüberchassieren zu gegenüberstehender Dam, recht Hand und link, dann Figuren zu Miß Euridice – so ist's recht; jetzt vier Händrunden. Sie kleiner Seekadett, nehmen Ihre Dame, Sir; dann herumdrehen; gut so, jetzt halten. Erste Figur aller über.«
Jetzt dachte ich wohl auch einige Worte mit meiner Tänzerin reden zu dürfen, und erlaubte mir eine Bemerkung gegen sie. Zu meinem Erstaunen antwortete sie ganz bissig: »ich komme her für Tanzen, Sär, und nicht für Schwatzen; sehen Massa Johnson, er klopfe Krumm-Tock.«
Die zweite Figur begann, und ich machte manche arge Schnitzer; wie auch in der dritten, vierten und fünften, denn ich hatte nie einen Kotillon getanzt. Als ich meine Dame, die unstreitig das schönste Mädchen im ganzen Saale war, an ihren Platz führte, sah sie mich ganz verächtlich an und sagte zu einer Nachbarin: »Ich wirklich bedaure den Gentleman, daß kommen von England und nicht wissen tanzen, noch sonst irgend etwas, außer er haben Unterricht in Barbados.«
Jetzt wurde ein Kontretanz angesagt, und dies kam auch allen Mitgliedern erwünschter, da Herrn Apollo Johnsons Zöglinge in ihrem Kotillon nicht sehr fest waren, und von den Offizieren, mit Ausnahme O'Briens, keiner etwas davon verstand. Letzteren machte seine überlegene Erziehung in diesem Punkte, in Verbindung mit seinen Leutnantsepauletten und seiner hübschen Figur, zum Gegenstande allgemeiner Aufmerksamkeit und Artigkeit; aber er schloß sich an Miß Euridicen, nachdem ich von ihr weggegangen war, an und blieb den ganzen Abend in ihrer Nähe, wodurch er die Eifersucht des Herrn Apollo Johnson erregte, der, wie es schien, in dieser Richtung verliebt war. Unsere Gesellschaft wurde immer zahlreicher: alle Offiziere der Garnison erschienen, und endlich auch, sobald sie nur abkommen konnten, die Aide-de-camps des Gouverneurs, sämtlich in Muftis, das heißt, in bürgerlicher Kleidung. Das Tanzen währte bis drei Uhr morgens, und ging endlich in eine förmliche Quetscherei über, infolge des fortwährenden Zuströmens neuer Gäste aus allen Häusern der Insel. Ich muß gestehen, ein paar Flaschen Eau de Cologne, im Saale herumgesprengt, würden die Atmosphäre wesentlich gebessert haben; denn die Hitze wurde jetzt fürchterlich, und das Verzerren der Gesichter von Seiten der Damen nahm gar kein Ende. Den Besuch eines Honoratiorenballes möchte ich allen den wohlbeleibten Herren vom Stande empfehlen, die um einen oder zwei Steine Gewicht von meist 14 Pfund Avoirdupoids (s. S. 105). leichter zu werden wünschen.
Es ward jetzt zum Abendessen gerufen, und da ich die letzte Tour mit Miß Minerva getanzt hatte, so wurde mir auch das Vergnügen zu teil, sie zur Tafel zu führen. Ich kam gerade einer türkischen Henne gegenüber zu sitzen, und fragte meine Tänzerin, ob ich ihr ein Stückchen von der Brust vorlegen dürfe. Hierauf sah sie mich ganz verächtlich an mit den Worten:
»Verflucht sei Ihre Unverschämtheit, Sär, ich wundere, wo Sie lernen Manieren. Sär, ich nehme ein wenig Hennen busen, wenn es Ihnen gefällig ist. Von Brust zu einer Dame sprechen, Sär! – das ist ja ganz abscheulich!«
Ich ließ mir noch mehrere fürchterliche Verstöße zu Schulden kommen, ehe das Essen zu Ende ging; endlich war dieses vorbei, und ich muß gestehen, ich hatte nie an einer besseren Tafel gesessen.
»Stillschweigen, Gentlemen und Ladies«, schrie Herr Apoll Johnson, »mit der Erlaubnis unserer liebenswürdigen Wirtin will ich einen Toast vorschlagen. Gentlemen und Ladies – alle wissen, und wenn Sie es nicht wissen, so ich's jetzt sag', daß es keinen Ort auf der Welt giebt, der Barbados gleich kommt. Die ganze Welt ficht gegen England, aber England nimmer sich fürchten; König Georg nimmer sich fürchten, weil Barbader 'tehen 'teif. Badian fechten für König Georg bis auf seinen letzten Blutstropfen. Nimmer den Tag man sieht, wo Badian flieht; Ihr alle wissen die Franzmanns in San Lucy gehen auf Morne Fortunee, als sie hören Badian Freiwillige gegen sie anrücken. Ich hoffe niemanden beleidigen in dieser Gesellschaft, aber es thut mir leid, sagen zu müssen, Engländer kommen her zu eifersüchtig auf Badians. Gentlemen und Ladies – Barbadian geboren – hab' nur einen Fehler – sie in der That zu tapfer. Ich schlag' vor, das Wohl ›der Insel Barbados‹.«
Auf diese höchst bescheidene Rede folgten Beifallsrufe auf allen Seiten, und der Toast wurde mit Begeisterung getrunken; die Damen waren entzückt über Herrn Apollos Beredsamkeit, so wie darüber, daß er sich zum Vorsitzenden aufgeworfen hatte.
Jetzt erhob sich auch O'Brien und redete die Gesellschaft folgendermaßen an:
»Ladies und Gentlemen – Herr Poll hat besser gesprochen, als ich es je von einem Papagei in diesem Lande hörte; aber da er es für gut fand, das Wohl der ›Insel Barbados‹ zu trinken, so gedenke ich etwas mehr ins einzelne zu gehen. Ich wünsche mit ihm der Insel alles Gute, aber es giebt auf ihr einen Reiz, ohne welchen sie eine Wüste wäre – das ist der Kranz der liebenswürdigen Jungfrauen, die hier um uns herum sind, und unsere Herzen im Sturme erobern – (dabei schlang er seinen Arm ganz artig um Miß Euridicens Taille und Herr Apollo knirschte mit den Zähnen, daß man es am fernsten Ende des Saales hörte). – Deshalb, Gentlemen, will ich mit Ihrer Genehmigung vorschlagen das Wohl der ›Badian-Damen‹.«
War der erste Toast schon mit Beifall aufgenommen, so wurde dieser mit Enthusiasmus angehört; doch wurde derselbe gleich gedämpft; denn die Dame vom Hause stand auf und sagte –
»Jetzt, Gentlemen und Ladies, ich halt' für recht, zu sagen, daß es Zeit, nach Haus zu gehen; denn ich hab' nicht gern, daß Leute sich in meinem Haus betrinken und Händel anfangen, so ich für besser halten, wir Abschiedsglas trinken; – und ich Ihnen sehr verbunden für Ihre Gesellschaft.«
O'Brien meinte, das heiße ziemlich deutlich ausgeboten; wir tranken deshalb unser Abschiedsglas und brachen dem Begehren unserer Wirtin und unseren eigenen Wünschen gemäß auf, unsere Damen auf dem Heimwege zu begleiten. Während ich Miß Minerva bei dem Umlegen ihres roten Kreppshawls behilflich war, zog in einer andern Ecke ein Sturm auf, nämlich zwischen Herrn Apollo und O'Brien. Letzterer war unablässig bemüht, sich Euridice aufmerksam zu erzeigen, wobei er ihr das, was er »süßlichen Unsinn« nannte, ins Ohr flüsterte, als Herr Apollo, dem die Eifersucht im Hirn sprudelte, herbeikam und Miß Euridice sagte, er wünsche die Ehre zu haben, sie nach Hause zu begleiten.
»Diese Mühe können Sie sich ersparen, Sie häßlicher Fidelbogenheld«, erwiderte O'Brien; »die Dame steht unter meinem Schutze, und packen Sie sich jetzt mit Ihrem garstigen schwarzen Gesichte, oder ich will Ihnen zeigen, wie ich verfahre gegen einen ›Badian‹, der wirklich zu tapfer ist.«
»So helf mir Gott, Massa Leutnant, wenn Sie heben einen Finger gegen mich, Sie sehen, was Badian kann thun.«
Mit diesen Worten suchte sich Apollo zwischen O'Brien und seine Dame zu drängen, aber O'Brien stieß ihn mit großer Heftigkeit zurück und verfolgte seinen Weg gegen die Thür zu. Sie standen gerade am Durchgange, als ich hinzukam, denn sobald ich O'Briens zornige Stimme vernahm, überließ ich Miß Minerva sich selbst.
Miß Euridice hatte nun O'Briens Arm auf dessen Wunsch losgelassen, und er und Apollo standen miteinander am Durchgange, O'Brien dicht an der geschlossenen Thür und Apollo mit ihm herumpolternd. O'Brien, der die empfindliche Stelle der Schwarzen kannte, begrüßte Herrn Apollo mit einem Tritt gegen das Schienbein, der mir jedenfalls den Fuß entzwei geschlagen hätte. Massa Johnson brüllte vor Schmerz auf, und wich, zwischen dem hinter ihm stehenden Haufen hindurch, ein paar Schritte zurück. Nun boxen die Schwarzen nicht mit den Fäusten, sondern stoßen wie die Böcke außerordentlich heftig mit den Köpfen. Nachdem sich Herr Apollo zurückgezogen hatte, rieb er sein Schienbein ein paar Mal, stieß einen lauten Schrei aus und stürzte auf O'Brien, seinen Kopf wie einen Mauerbrecher gegen dessen Brust gerichtet, los. O'Brien, der diese Art zu kämpfen kannte, wich geschickt auf die Seite aus und ließ Herrn Apollo an sich vorbeischießen, was dieser auch mit einer solchen Gewalt that, daß sein Kopf das Feld der hinter O'Brien befindlichen Thür ganz durchbrach; hier steckte er nun fest wie in einem Halseisen und schrie, schäumend vor Wut, gleich einem Schweine, jämmerlich um Hilfe. Er wurde nicht ohne einige Schwierigkeiten befreit und zeigte nun eine jämmerliche Gestalt. Sein Gesicht war ganz zerrissen und sein wunderschöner Jabot hing in Fetzen herab; doch schien er nun genug zu haben und zog sich, gefolgt von einigen seiner Bewunderer, nach dem Speisesaale zurück, ohne O'Brien eines Blickes oder eines Wortes zu würdigen.
Aber wenn auch Herr Apollo genug hatte, so waren doch seine Freunde zu entrüstet, um uns ungestraft fortgehen zu lassen. Eine große Volksmenge hatte sich in der Straße versammelt. Rache gelobend wegen der Art und Weise, wie wir den Glanzpunkt ihrer männlichen Gesellschaft behandelt hatten, und ein förmlicher Auflauf stand zu erwarten. Miß Euridice war entflohen, so daß O'Brien seine Hände frei hatte. »Kommt heraus, Ihr Henkerdiebe, kommt heraus, nur wünschen Felsenblöcke zu haben, Eure Köpfe damit zu zermalmen«, schrie der Negerhaufen. Die Offiziere machten nun in geschlossenem Carré einen Ausfall, und wurden alsbald mit allen Arten Geschoß, mit faulen Orangen, Kohlstengeln, Schlamm und Kokusnußschalen empfangen. Wir schlugen uns mannhaft durch, aber als wir uns der Bucht näherten, wuchs der Haufen zu Hunderten, und zuletzt konnten wir keinen Schritt mehr weiter gehen, denn wir waren ganz umzingelt von den Negern, gegen deren Köpfe wir nicht besser eindringen konnten, als gegen Marmorblöcke. »Wir müssen unsere Degen ziehen«, meinte einer der Offiziere. »Nicht doch«, erwiderte O'Brien, »das wollen wir nicht thun; denn wenn wir einmal Blut vergießen, so werden sie uns nicht lebend an Bord gelangen lassen. Auch muß die Bootsmannschaft jetzt schon davon in Kenntnis gesetzt sein, daß hier ein Volksauflauf stattfindet.« Dies war allerdings ganz richtig, denn O'Brien hatte kaum ausgesprochen, als wir sahen, daß in der Entfernung durch die Menge hindurch Bahn gebrochen wurde, die in ein paar Minuten auch schon für uns offen stand. Swinburne erschien inmitten dieses Durchganges, gefolgt von der übrigen Mannschaft seines Bootes, die sich mit Enterhaken bewaffnet hatte, und diese nicht gegen die Köpfe der Schwarzen, sondern gleich Sensen gegen deren Schienbeine richteten. Dies setzten unsere Leute, rechts und links um uns herum, fort, während wir durch den Haufen hindurch zu unsern Booten gelangten. Die Matrosen schlossen den Zug mit ihren Haken, mit denen sie von Zeit zu Zeit den schwarzen Burschen auf den Leib gingen, wenn sie zu nahe kamen. Es war nun heller Tag geworden, und in einigen Minuten befanden wir uns wieder wohlbehalten an Bord der Fregatte. So endete der erste und letzte Honoratiorenball, dem ich beiwohnte.