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Tod des Kapitän Savage. – Seine Bestattung. – Pröbchen eines echten geborenen Barbader. – Das Säugen der Affen. – Wirkungen eines Sturmes.
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Am andern Morgen, nachdem wir einen Teil der Nacht hindurch beigelegt hatten, wurde Land gesehen, und in demselben Augenblick, als der Matrose von der Mastspitze dies meldete, kam der Arzt auf das Verdeck, um den Tod unseres edlen Kapitäns anzuzeigen. Obgleich man nun diesem Ereignisse allerdings seit den letzten zwei oder drei Tagen entgegengesehen hatte, so verbreitete doch die Trauerkunde eine tiefe Düsterheit auf dem ganzen Schiffe; die Leute arbeiteten in aller Stille und sprachen nur ganz leise miteinander; Herr Falkon war, wie wir alle, schmerzlich ergriffen.
Im Laufe des Vormittags liefen wir auf der Insel ein, und so trüb gestimmt ich auch damals war – das Gefühl der Bewunderung kann ich nie vergessen, das mich erfüllte, als wir an der Needham-Spitze vorbei in die Carlisle-Bucht fuhren. Vor uns lag die Bucht so rein und blendend weiß, mit den hohen, grünen Kokosnußbäumen im Hintergrunde, deren breite Kronen vom frischen Winde hin und her bewegt wurden, das tiefe Blau des Himmels und das noch tiefere der durchsichtigen See, das bisweilen ins Grüne überging, wenn wir an den Korallenfelsen vorbeifuhren, die ihre Zweige aus der Tiefe herausstreckten; auch die Aussicht auf die Stadt öffnete sich unseren Blicken allmählich, die Häuser traten nach einander in ihrer niedlichen Bauart mit den grünen Jalousieläden hervor – fürwahr eine bezaubernd schöne Landschaft, oben mit den flatternden Fahnen das Fort – Gruppen von Offizieren nach der Stadt herunter reitend, und endlich eine geschäftige Bevölkerung in allen Farben, gehoben durch das schöne Weiß der Kleidung. Hier sah ich also meine ersten Ideen vom Feenlande völlig verwirklicht, und nie noch glaubte ich so etwas Schönes erblickt zu haben. »Und ist's möglich«, dachte ich, »daß dieser Ort so schrecklich ist als man sagt?«
Die Segel wurden zusammengezogen, die Anker geworfen, und ein Salutschuß unseres Schiffes, vom Fort aus erwidert, erhöhte noch den Eindruck des ganzen Anblicks. Nun rollte man die Segel zusammen, ließ die Boote herunter, und der Bootsmann brasste die Raaen der vordersten Jolle. Herr Falkon kleidete sich an und fuhr, als sein Boot bemannt war, mit Depeschen ans Land.
Nachdem man sämtliche Arbeiten auf dem Schiffe verrichtet hatte, bot sich den Seekadetten, die so lange von Seiner Majestät Rationen gelebt, eine neue Aussicht auf Hochgenuß dar. Rings um das Schiff herum lagerten sich Boote mit Körben voll Paradiesfeigen, Pompelnüssen, Breiäpfeln und allen Arten tropischer Früchte; mit gebackenen fliegenden Fischen, Eiern, Hühnern, Milch und allem möglichen, was nur irgend Reiz haben kann für einen armen Burschen, der so lange zur See gewesen war. Sobald man die Wache aufgerufen hatte, sprangen wir alle eilends in die Boote hinab und kehrten mit Schätzen beladen zurück, die wir schnell wieder verschwinden zu machen wußten. Nachdem ich so viel Früchte zu mir genommen, als in England zum Dessert bei einem Diner von zwanzig Personen hingereicht hätte, begab ich mich wieder auf unser Verdeck.
Es lag kein anderes Kriegsschiff in der Bucht, meine Aufmerksamkeit richtete sich dagegen auf ein schönes, kleines Fahrzeug, einen Schooner, dessen zauberhaft niedlicher Bau bedeutend abstach gegen ein daneben befindliches westindisches Handelsschiff. Während ich gerade die schöne Außenseite desselben ansah, erhob sich plötzlich ein Geschrei darauf, das mich recht erschreckte, und gleich nachher füllte sich das Verdeck mit etwa zweihundert nackten, wollhaarigen Gestalten, die einander anschnatterten und angrinsten. Es war nämlich ein erbeutetes spanisches Sklavenschiff, das man den Abend zuvor hierher gebracht hatte; die Sklaven befanden sich noch immer an Bord, in Erwartung der Befehle des Gouverneurs. Sie waren noch keine zehn Minuten auf dem Verdeck, als drei oder vier Männer mit Panamastrohhüten auf den Köpfen und langen Palmstöcken in den Händen heraufkamen und sie samt und sonders schnell wieder hinunterjagten.
Als ich mich umdrehte, gewahrte ich eine schwarze Frau, die soeben an der Seite auf unsere Fregatte heraufgestiegen war. O'Brien stand gerade auf dem Verdeck und sie ging in der ernsthaftesten Weise von der Welt mit den Worten auf ihn los:
»Was machen Sie, Sär? ganz glücklich Sie wiederkommen!«
»Ich dank' Ihnen, Madame, ich bin ganz wohl«, erwiderte dieser, »und gedenke auch so wieder von hier fortzugehen; da ich jedoch dieses Land noch nie betreten habe, so haben Sie allerdings etwas voraus vor mir.«
»Noch nie hier gewesen, so helf' mir Gott! ich denke, Sie kennen – ich glaube, Ihr hübsches Gesicht mir bekannt sein. – Ich, Lady Rodney, Sär. Ah, Piccaninny Vuccra! wie geht's?« sagte sie, zu mir gewandt, und dann wieder, sich gegen O'Brien verbeugend: »ich hoffe die Ehre haben, für Sie waschen, Sär.«
»Was berechnen Sie hier dafür?«
»Alles zum gleichen Preis, jedes Stück ein Bit.«
»Was verstehen Sie unter Bit?« fragte ich.
»Ein Bit, klein Massa? was ein Bit sei? davon vier scharfe Stück zu ein Pictareen.«
Auf unserem Verdecke war es nun recht lebhaft; verschiedene Offiziere und sonstige Bewohner der Stadt kamen herbei, um Neuigkeiten zu erfahren, Einladungen zu dem Offizierstisch und in die Privathäuser wurden erlassen, und als unsere Gäste wieder fortgingen, kehrte Herr Falkon an Bord zurück. O'Brien und den andern Offizieren sagte er, der Admiral und das Geschwader werden in einigen Tagen zurückerwartet, bis dahin müßten wir in der Carlisle-Bucht verweilen und unverzüglich die nötigen Ausbesserungen vornehmen.
Hatte nun auch die Furcht vor dem gelben Fieber in unserer Brust bedeutend nachgelassen, so drängte sich uns doch der Gedanke, daß unser armer Kapitän tot in der Kajütte liege, beständig auf – die ganze Nacht hindurch waren die Zimmerleute damit beschäftigt, seinen Sarg zu machen, da er den nächsten Tag schon bestattet werden sollte. In den tropischen Klimaten darf man nämlich den Leichnam nicht lange liegen lassen, weil die Verwesung so schnell eintritt.
Am folgenden Morgen war die Mannschaft schon mit Tagesanbruch auf den Beinen, die Verdecke zu waschen und das Schiff in Ordnung zu bringen; die Leute arbeiteten willig, aber mit einem stillschweigenden Anstand, der ihre Gefühle bekundete. Nie wurden die Verdecke sauberer gereinigt, nie die Taue sorgfältiger heruntergeflemmt; – die Hängematten wurden in ihre weißen Tücher verpackt, die Raaen sorgfältig gerichtet und das Tauwerk gestrafft. Um acht Uhr wurden die Fahnen und Wimpel auf halbe Masthöhe gehißt, dann schickte man die Leute hinunter, um zu frühstücken und sich sauber anzukleiden. Während dieser Zeit gingen alle Offiziere in die Kajütte, um unsern herrlichen Kapitän noch einmal zu sehen, und ihm das letzte Lebewohl zu sagen. Er schien ohne Schmerzen gestorben zu sein, und eine himmlische Ruhe lag auf seinem Gesichte, aber schon war eine Veränderung an seinem Körper eingetreten, die uns die Notwendigkeit zeitiger Beerdigung erkennen ließ. Wir sahen noch, wie er in den Sarg gelegt wurde, und verließen die Kajütte, ohne ein Wort mit einander zu sprechen. Nachdem der Sarg zugenagelt war, wurde er von der Mannschaft des Offizierbootes auf das Hinterdeck gebracht, auf der Mitte desselben aufgestellt und mit der Unionsflagge bedeckt. Die Leute kamen herauf, ohne auf das Zeichen mit der Pfeife zu warten, und ein feierlicher Ernst zeigte sich in jeder Bewegung. Allgemeine Ruhe und Ordnung herrschte, aus Hochachtung für den Hingeschiedenen. Als der Befehl erteilt wurde, die Boote zu bemannen, schienen sich die Leute eigentlich nur hinein zu stehlen. Der Sarg wurde in die Barke gebracht und im Stern derselben aufgestellt; dann kamen auch die andern Boote herbei und nahmen die Offiziere und Matrosen, welche dem Leichenbegängnisse folgen sollten, an Bord. Als alles fertig war, wurde die Barke von den Schiffsleuten abgeschoben. Die Mannschaft des kleineren Bootes tauchte ihre Ruder ohne Geplätscher in die See und schlug den »Minutenstreich«, die andern Boote folgten nach, und sobald sie vom Schiffe weg waren, rollten von der entgegengesetzten Seite der Fregatte die Minutenschüsse über den glatten Spiegel der Bucht hin, während die Raaen gegen das Steuerbord und den Hafen getopt waren und die Taue schlaff und unordentlich herunter hingen, um den Kummer und die Vernachlässigung darzustellen. Jetzt ließen sich auch ein Dutzend Matrosen, die schon bereit gestanden hatten, an verschiedenen Stellen auf der Seite des Schiffes, mit Farbe und Pinseln in der Hand, herab und verwischten in wenigen Minuten die breite, weiße Borte, die den schönen Lauf der Fregatte bezeichnete, und übermalten sie zum Zeichen tiefer Trauer ganz schwarz. Die Kanonen von den Forts erwiderten nun unsere Schüsse. Die Kauffahrer senkten ihre Flaggen und die Mannschaft stand überall in achtungsvoller Stellung mit abgezogenen Hüten da, während der Zug sich allmählich nach dem Landungsplatze hinbewegte. Der Sarg wurde von der Barkenmannschaft nach dem Kirchhof getragen, gefolgt von allen Offizieren des Schiffes, die an Bord entbehrlich waren, von hundert Matrosen, die zu zwei und zwei gingen, und den Marinesoldaten mit ihren Waffen. Dem Zuge schlossen sich die Offiziere des Landheeres an, während die Truppen Spalier durch die Straßen bildeten und die Musikbanden den Totenmarsch spielten. Nachdem die Leichenrede über dem Grabe gehalten und die vorgeschriebene Zahl von Musketensalven abgefeuert worden war, kehrten wir in gedrückter Stimmung nach den Booten und an Bord unserer Fregatte zurück.
Da schien es mir, und bis auf einen gewissen Grad hatte ich auch recht, daß wir unsern Kummer vergaßen, sobald wir der Leiche unsere letzte Achtung erzeigt hatten. Die Raaen wurden wieder gerichtet, die Taue gestrafft, die Arbeitskleider angezogen, und alles war voll Thätigkeit und Leben; das kommt aber daher, daß Matrosen und Soldaten keine Zeit zum Jammern haben, und wie sie von einem Himmelsstrich nach dem andern eilen, so folgen bei ihnen auch die Scenen in derselben Verschiedenheit mit schneller Abwechselung auf einander. In einem oder zwei Tagen schien der Kapitän vergessen zu sein, obgleich dies durchaus nicht der Fall war.
Unser erstes Geschäft bestand darin, unser Schiff mit Wasser zu versehen, zu welchem Geschäfte wir alle Gefäße in Anspruch nahmen und dann ans Land führten. Ich hatte wieder das Boot zu beaufsichtigen und Herrn Swinburne zum Beischiffführer. Während wir ans Land fuhren, badeten viele Neger in der Brandung und tauchten ihre wolligen Köpfe unter die Wogen, wenn sie so in die Bucht hineinrollten.
»Nun, Herr Simpel«, sagte Swinburne, »sehen Sie 'mal, wie ich die Neger zum Ausreißen bringen will.« Dabei stand er auf, trat auf den Stern vor, streckte seine Hand hinaus und rief: »Ein Haifisch, ein Haifisch!« Plötzlich eilten alle Badenden, dem gefürchteten Feinde zu entgehen, stoßend und drängend dem Lande zu, aber keiner von ihnen sah sich eher um, als bis sie oben auf dem Ufer in völliger Sicherheit standen. Als wir jetzt in ein lautes Gelächter ausbrachen, nannten sie uns alle »Henkerdiebe«, und erteilten uns alle möglichen Schimpfnamen, die sie nur in ihrem Wörtervorrat finden konnten. Diese Scene belustigte mich sehr, sowie auch später die Neger, die sich beim Landen um uns herum versammelten. Sie zeigten sich als ganz fidele Kerle, immer lachend, plaudernd, singend und ihre weißen Zähne gegen einander fletschend. Einer von ihnen tanzte um uns herum, wobei er mit den Fingern schnappte und Lieder ohne Anfang und Ende sang: »Eh. Massa, was Sie sagen nun? Ich nicht Sklav' – echt geborener Barbader, Sär! Eh!
Nimmer den Tag man sieht,
Wo Rodney davon flieht:
Nimmer die Nacht anbricht,
Wo Rodney nicht kühn ficht.
Massa, ich frei Mann, Sär. Hoff', Sie geben mir Piktareen, trinken Massa Wohl.
Nimmer den Tag siehst, Bursch,
Da Pompejus dreschen den Cäsar.
Eh, und Sie nimmer sehen den Tag, daß der Grashopper auf dem Warrington läuft.«
»Aus dem Weg, ihr Neger!« schrie einer der Matrosen, der eine Tonne herunterrollte.
»Eh, wie könnt Ihr Neger sagen? ich frei' Mann und geborener Barbader. Geht Eures Weges, Ihr Kriegsschiffmann.
Kriegsschiffmann, Buccra,
Kriegsschiffmann, Buccra,
Der ist mein Mann;
Soldat Buccra,
Soldat Buccra
Ist es nie,
Ist es nie,
Ist nie mein Mann,
Soldat giebt mir ein Schilling,
Matrose zwei.
Massa, nun glaube, Sie geben mir doch ein Piktareen, Sie wirklich schöner junger Gentleman.«
»Jetzt schert Euch aber zum Teufel«, sagte Swinburne, und hob einen Stock in die Höhe, den er an der Bucht fand.
»Eh fortgehen
Nimmer den Tag siehst, Bursch,
Barbader fortspring', Bursch.
Gehen Sie an Ihre Arbeit, Sär. Weshalb Sie sprechen mit mir? An Ihre Arbeit gehen, Sär, ich frei Mann und echt geborener Barbader.
Neger an dem Strand
Sieht das Schiff lauf' inn,
Buccra kommt ans Land
Mit der Hand am Kinn.
Kriegsschiffmann Buccra,
Kriegsschiffmann Buccra,
Der ist mein Mann,
Kriegsschiffmann Buccra,
Kriegsschiffmann Buccra
Giebt mir Pikt'rin.«
In diesem Augenblicke richtete sich meine Aufmerksamkeit auf einen anderen Neger, der rollend und mit schäumendem Munde an der Bucht lag und einen Anfall zu haben schien.
»Was ist's mit dem Burschen da?« fragte ich den ersten Neger, der trotz Swinburnes aufgehobenem Stocke noch immer dicht bei mir stand.
»Eh nennen ihn Sam Slack, Massa. Er haben einen Tiktikanfall;« und so war es auch allem Anschein nach. »Halt, ich ihm helfen«, und dabei riß er Swinburne den Stock aus der Hand, stürzte auf den Mann, der noch immer an der Küste hinrollte, los, und prügelte ihn ohne Barmherzigkeit durch.
»Eh Sambo«, schrie er zuletzt ganz außer Atem. »Du nicht besser jetzt – wieder versuchen.« Dann fing er noch einmal an, auf ihn loszuschlagen, bis der Mensch endlich aufstand und davon sprang, so schnell als er nur konnte. Nun weiß ich nicht, ob es bei dem Manne Verstellung oder ein wirklicher Tiktik- oder Epilepsieanfall war; aber noch nie hatte ich von einer solchen Kur gehört. Ich warf dem Kerl einen halben Piktareen zu, teils für den Spaß, den er mir gemacht hatte, teils um ihn los zu werden.
»Danke, Massa; nun, mein Kriegsschiffmann, da Ihr Stock wieder, um all' die verdammten Neger abzuhalten.« Mit diesen Worten reichte er Swinburne den Stock, machte eine höfliche Verbeugung und ging fort.
Wir waren jedoch bald wieder von anderen, besonders von einigen farbigen Frauen mit Fruchtkörben umringt, die, wie sie sagten, »verkaufen all' Ding«. Ich sah, daß meine Matrosen besondere Liebhaber von Kokosmilch waren, und da dies ein unschuldiges Getränk ist, so hatte ich nichts dagegen, und ließ sie bei den Frauen einkaufen, die vorzügliche Kokosnüsse in den Körben hatten. Da ich dies Getränk noch nie versucht hatte, wünschte ich zu wissen, was es denn eigentlich sei, und wollte mir auch eine Kokosnuß kaufen, wobei ich eine der größten auswählte.
»Nein, Massa, das nicht für Sie. Bessere für Buccraoffizier.«
Ich wählte eine andere, und dieselbe Einwendung wurde gemacht.
»Nein, Massa – aber dies ganz gute Milch – ganz gut für den Magen.«
Ich trank nun die Milch aus den Öffnungen an dem oberen Ende der Kokosnuß, und fand, daß es ein sehr erfrischendes Getränk sei; meine Matrosen anlangend, so schienen diese ganz besondere Liebhaber davon zu sein. Bald genug jedoch fand ich, daß wenn das Getränk auch ganz gut für den Magen war, es doch für den Kopf nicht gut sei; denn anstatt die Gefäße herunterzurollen, fingen meine Leute selbst an, nach allen Seiten hinzurollen, und als die Zeit zum Mittagessen herbeikam, lagen die meisten derselben, bis auf den Tod betrunken, im Boot herum. Sie behaupteten steif und fest, es sei nur die Sonne, die ihnen so zugesetzt habe, und da es allerdings sehr heiß war, so glaubte ich es ihnen auch anfangs, so lange sie nur schwankten; als ich jedoch sah, daß sie ganz besinnungslos waren, wurde ich vom Gegenteil überzeugt; wie sie sich jedoch das geistige Getränk verschafft hatten, konnte ich mir nicht enträtseln.
Als ich an Bord der Fregatte kam, fragte mich Herr Falkon, der, obgleich nun funktionierender Kapitän, seinen Dienst als erster Leutnant fortwährend so pünktlich versah, wie früher, warum ich denn den Leuten erlaubt hätte, sich so zu betrinken. Ich versicherte ihm, daß ich nicht sagen könne, wie das zugegangen sei, denn ich hätte keinem gestattet, von der Stelle, wo wir Wasser geschöpft, wegzugehen, oder irgend ein geistiges Getränk zu kaufen; das einzige, was sie getrunken hätten, sei ein bißchen Kokosmilch, und dagegen hätte ich, da es so außerordentlich heiß gewesen sei, nicht wohl etwas einwenden können. Herr Falkon erwiderte mir lächelnd:
»Herr Simpel, ich bin ein alter Praktikus in Westindien, und will Sie da jetzt in ein Geheimnis einweihen. Wissen Sie, was man unter'm Säugen der Affen versteht?«
»Nein, Sir.«
»Gut, so will ich es Ihnen sagen; dieses Ausdruckes bedienen sich die Seeleute, wenn sie Rum aus Kokosnüssen trinken, aus denen die Milch herausgeschüttet und durch geistiges Getränk ersetzt worden. Kapieren Sie jetzt, warum Ihre Leute so betrunken sind?«
Ich blickte ihn ganz verwundert an, denn es wollte mir gar nicht in den Kopf; ich sah nun aber auch ein, warum mir die schwarze Frau die Kokosnüsse nicht geben wollte, die ich zuerst ausgewählt hatte, ich erzählte Herrn Falkon diesen Umstand, worauf er mir erwiderte:
»Gut, es war nicht Ihre Schuld, nur dürfen Sie es für ein andermal nicht vergessen.«
Ich hatte die erste Wache diese Nacht, und Swinburne war als Quartiermeister auf dem Verdeck.
»Swinburne«, sagte ich, »Sie sind doch früher schon so oft in Westindien gewesen, warum sagten Sie mir denn nicht, daß die Leute ›Affen säugten‹, während ich glaubte, sie trinken nur Kokosnußmilch?«
Kichernd antwortete er mir:
»Ja sehen Sie, Herr Simpel, als Kamerad durfte ich doch nicht wohl den Angeber machen, 's kommt ohnehin so selten vor, daß ein armer Teufel Gelegenheit hat, sich ein bischen glückselig' zu machen, und da wäre es doch nicht schön gewesen, ihnen so einen günstigen Zufall zu rauben; ich denke wohl, Sie werden sie nicht wieder Kokosnußmilch trinken lassen?«
»Nein, das will ich nicht; aber ich kann mir gar nicht denken, welches Vergnügen die Leute dabei finden können, sich so zu betrinken.«
»Das kommt nur daher, weil's ihnen nicht erlaubt ist, Sir. Da haben Sie die ganze Geschichte in wenigen Worten.«
»Nun, davon glaubte ich, sie heilen zu können, wenn mir ein Versuch gestattet würde.«
»Ich möchte gerne hören, wie Sie das machen wollten, Herr Simpel.«
»Nun, ich würde einen Mann zwingen, eine halbe Pinte geistigen Getränks zu sich zu nehmen, und ihn dann ganz allein einsperren; ich würde keine Kameraden zu ihm lassen, mit denen er sich belustigen und so ein Vergnügen aus dem berauschten Zustande machen könnte. Dann würde ich bis zum nächsten Morgen warten, bis er ganz nüchtern wäre, und ihn mit dem folternden Kopfweh bis zum Abend allein lassen, wo ich ihm eine neue Dosis geben und so lange damit fortfahren würde, ihn zum Rausch zu nötigen, bis ihm der Geruch geistiger Getränke verhaßt wäre.«
»Ja, Herr Simpel, das möchte wohl bei einigen anschlagen, aber manche von unseren Burschen würden verlangen, daß die Dosis gar oft repetiert werde, bevor sie eine Heilung bewirkte; und noch mehr, sie wären gerne Patienten und würden keine krummen Mäuler machen bei dieser Arznei.«
»Das möchte allerdings der Fall sein, aber ich wollte sie doch am Ende heilen. – Doch sagen Sie mir, Swinburne, waren Sie je bei einem Orkane?«
»Ich bin, glaub' ich, überall gewesen, Herr Simpel, nur in keiner Schule, denn da hatte ich keine Zeit hinzugehen. Sehen Sie die Batterie auf Needham-Spitze? nun ja, bei dem Orkane von Zweiundachtzig wurden gerade diese Kanonen durch den Wind fortgewirbelt und von da herunter auf die andere Seite hinüber geschleudert, und die Schildwachen in ihren Schilderhäusern hinterdrein. Einigen von den Soldaten, die mit dem Gesicht gegen den Wind standen, wurden die Zähne losgerissen und in den Schlund hinunter geweht, wie zerbrochene Backspfeifen; anderen wurden die Köpfe herumgedreht wie Wetterfahnen, weil sie auf das Kommando ›rechts umkehrt‹ warteten, und die ganze Luft war voll von jungen Negern, die heruntergeweht wurden wie Kraut und Rüben.«
»Sie denken wohl nicht, daß ich das alles glaube, Swinburne?«
»Das mag sein, Herr Simpel, aber ich habe die Geschichte so oft erzählt, daß ich sie jetzt selbst glaube.«
»Auf welchem Schiffe waren Sie damals?«
»Auf der Blanche, Kapitän Faulkner, der eben ein so herrlicher Mann war wie unser armer Kapitän Savage, den wir gestern bestattet; es kann keinen besseren geben als die beiden. Bei der Wegnahme der Pique trug ich ihn herunter, nachdem er seine Todeswunde empfangen hatte. Wir führten da einen köstlichen Streich aus, als wir Fort Royal mittelst eines Coup-de-main nahmen, das heißt, wir landeten von der Hauptraa der Fregatte und sprangen in das Fort hinein. Aber was ist da unter dem Monde? – da ist 'n Segel in der Aufduning.«
Swinburne holte sein Glas und richtete es nach dem Punkte hin.
»Eins, zwei, drei, vier, 's ist der Admiral, Sir, und das Geschwader legt für die Nacht bei; eines davon ist ein Linienschiff, ich möchte darauf schwören.«
Ich besichtigte nun selbst die Fahrzeuge genau, und da ich Swinburne's Ansicht teilte, so machte ich Herrn Falkon Meldung. Meine Wache war jetzt zu Ende, und sobald ich abgelöst wurde, begab ich mich in meine Hängematte.