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Drittes Kapitel.

Man macht, daß ich im »Blauen Pfosten« sehr trübe sehe. – Ich finde wilde Geister um mich, bald nachher heiße in mir, welche mich zuletzt überwältigten. – Ich werde aufgefordert, dem Kapitän meine Ehrfurcht zu bezeugen, und finde, daß ich das Vergnügen gehabt habe, ihn schon früher zu treffen. – Aus einer Klemme in die andere.

—————

 

Als wir anhielten, fragte ich den Kutscher nach dem besten Gasthofe. Er antwortete: »es wäre der ›Blaue Pfosten‹ wo die Seekadetten lassen ihre Kästen, Thee verlangen und Toasten Geröstete Brotschnitten., und bisweilen vergessen zu zahlen ihre Kosten.« Er lachte, als er es sagte und ich dachte, er scherze mit mir; aber er deutete auf zwei große blaue Pfosten an der Thür, nächst dem Postkutschenbüreau und sagte mir, daß alle Seekadetten dieses Hotel besuchten. Er bat dann, mich an den Kutscher zu erinnern, was, wie ich mittlerweile begriffen, bedeutete, ich solle nicht vergessen, ihm einen Schilling zu geben; ich that es und trat in den Gasthof. Das Kaffeezimmer war voll Seeleute, und weil ich wegen meines Koffers in Angst war, fragte ich einen von ihnen, ob er wisse, wann der Wagen ankomme.

»Erwarten Sie Ihre Mutter damit?« versetzte er.

»O nein! aber ich erwarte meine Uniformsstücke; ich trage nur diese Flaschengrünen, bis sie kommen.«

»Um Vergebung, welchem Schiffe sind Sie zugewiesen?«

»Der Die-a-maid, Kapitän Thomas Kirkwall Savage.«

»Der Diomed? ei Robinson, ist dies nicht die Fregatte, auf welcher die Seekadetten vier Dutzend erhielten, weil sie ihre wöchentlichen Berichte am Samstag nicht eingeschrieben hatten?«

»Ja freilich,« entgegnete der andere; »der Kapitän gab dieser Tage einem der jungen Leute fünf Dutzend, weil er ein scharlachrotes Uhrband trug.«

»Er ist der größte Tartar im Dienste,« fuhr der andere fort; »er ließ bei der letzten Fahrt die ganze Steuerbordwache peitschen, weil das Schiff nur neun Knoten nach der Boleine segeln wollte.«

»Mein Gott,« sagte ich, »dann fürchte ich mich, dahin zu gehen.«

»Meiner Seele, Sie dauern mich, Sie werden zu Tode geprügelt werden; es sind just nur drei Seekadetten auf dem Schiffe – alle übrigen liefen davon. Nicht wahr, Robinson?«

»Es sind nur noch zwei da; denn der arme Matthews starb vor Anstrengung. Er wurde bei Tag geschunden und mußte sechs Wochen lang alle Nacht Wache halten; an einem Morgen fand man ihn tot auf seinem Koffer.«

»Gerechter Gott!« rief ich aus, »und am Lande sagt man, er sei so artig gegen seine Seekadetten.«

»Ja,« erwiderte Robinson, »er sprengt überall dies Gerücht aus. Nun, merken Sie, wenn Sie ihm zuerst aufwarten und melden, daß Sie gekommen sind, um auf sein Schiff zu gehen, wird er Ihnen sagen, er sei sehr erfreut, Sie zu sehen, und hoffe, Ihre Familie befinde sich wohl; dann wird er Ihnen empfehlen, an Bord zu gehen und Ihren Dienst zu lernen. Nach diesem gehen Sie ihm aus dem Wege. Nun vergessen Sie nicht, was ich sagte, und Sie werden sehen, ob es nicht eintritt. Kommen Sie, setzen Sie sich zu uns und nehmen Sie ein Glas Grog; es wird Ihren Geist erheitern.«

Die Seekadetten sprachen nun so viel von meinem Kapitän und den schrecklichen Grausamkeiten, die er verübte, daß ich einigermaßen zweifelte, ob es nicht besser wäre, wieder heim zu gehen. Als ich sie um ihre Meinung befragte, sagten sie, wenn ich dies thue, so werde ich als Deserteur eingefangen und gehängt; am besten sei es, ihn um die Annahme von einigen Gallonen Rum zu bitten; denn er sei sehr auf den Grog versessen, und dann möchte ich vielleicht so lange in seiner Gunst stehen, als der Rum wirke.

Leider muß ich sagen, daß die Seekadetten mich diesen Abend ganz betrunken machten. Ich erinnere mich nicht mehr, wie ich zu Bette kam, aber ich fand mich daselbst den andern Morgen mit furchtbarem Kopfweh, und konnte mich nur ganz verwirrt an das erinnern, was vorgefallen war. Ich ärgerte mich sehr darüber, daß ich die Ermahnungen meiner Eltern so bald vergessen hatte, und gelobte, nie wieder so thöricht zu sein, als der Seekadett, welcher die Nacht vorher so artig gegen mich gewesen, hereinkam.

»Kommen Sie, Herr Flaschengrün,« rief er, indem er vermutlich auf die Farbe meiner Kleider anspielte. »Aufgestanden und gezäumt. Des Kapitäns Beischiffsführer wartet unten auf Sie; bei Gott, Sie sind in einer schönen Klemme wegen gestern nachts.«

»Gestern Nacht!« erwiderte ich erstaunt. »Wie, weiß der Kapitän, daß ich betrunken war?«

»Ich denke, Sie ließen es ihn verdammt gut merken, als Sie im Theater waren.«

»Im Theater! war ich im Theater?«

»Gewiß! Wir thaten alles, Sie davon abzuhalten, aber Sie wollten gehen, obschon Sie so betrunken waren, wie David's Sau. Ihr Kapitän war da mit des Admirals Töchtern. Sie hießen ihn einen Tyrannen und schlugen ihm Schnippchen. Wie, erinnern Sie sich nicht? Sie sagten, Sie fragten den Teufel nach ihm?«

»O mein Gott, was soll ich thun, was soll ich anfangen!« rief ich aus. »Meine Mutter warnte mich so vor dem Trinken und schlechter Gesellschaft!«

»Schlechter Gesellschaft? Sie Bube, was meinen Sie damit?«

»O, ich bezog es nicht gerade auf Sie.«

»Hoffentlich nicht! Doch rate ich Ihnen als guter Freund, gehen Sie, so schnell Sie können, in Georges Inn und besuchen Sie Ihren Kapitän. Denn je länger Sie es anstehen lassen, desto schlimmer ist es für Sie. Auf alle Fälle wird es sich entscheiden, ob er Sie annimmt oder nicht. Es ist ein Glück für Sie, daß Sie noch nicht in den Schiffsbüchern sind. Kommen Sie, hurtig, der Beischiffsführer ist zurückgegangen.«

»Nicht in den Schiffsbüchern?« versetzte ich ängstlich, »ich erinnere mich doch eines Briefes vom Kapitän an meinen Vater, worin es heißt, er habe mich in die Schiffsbücher eingetragen.«

»Auf Ehre, es thut mir wirklich leid,« erwiderte der Seekadett und sah, als er das Zimmer verließ, so ernsthaft aus, als ob das Unglück ihm selbst begegnet wäre. Ich stand mit schwerem Kopfe, aber noch schwererem Herzen auf und fragte, nachdem ich angekleidet war, nach Georges Inn. Ich nahm meine Empfehlungsschreiben mit, obschon ich fürchtete, es werde mir wenig nützen. Als ich ankam, fragte ich mit zitternder Stimme, ob Kapitän Thomas Kirkwall Savage von Seiner Majestät Schiff Diomed sich hier aufhalte.

Der Kellner versetzte, er sei bei Kapitän Courtney beim Frühstück, aber er wolle meinen Namen melden. Ich sagte ihm denselben; in einer Minute kam der Kellner zurück und bat mich, hinaufzugehen.

Wie schlug mein Herz! Nie war ich so erschrocken – ich dachte, ich müsse auf der Stiege umsinken. Zweimal versuchte ich, ins Zimmer zu treten, und jedes Mal versagten mir die Füße; endlich trocknete ich den Schweiß von meiner Stirne, und trat mit verzweifelter Anstrengung ein.

»Herr Simpel, freut mich Sie zu sehen«, sprach eine Stimme.

Ich stand mit gesenktem Kopfe da; denn ich scheute mich, ihn anzublicken; aber die Stimme klang so freundlich, daß ich Mut faßte, und als ich aufschaute, saß da in Uniform und Epaulette, den Degen an der Seite – der Fremde im schottischen Mantel, welcher meinen Brief öffnen wollte, und dem ich ins Gesicht sagte, er sei kein Gentleman. Ich glaubte, sterben zu müssen, wie jener Seekadett auf seinem Koffer, und wollte gerade auf meine Kniee niedersinken und um Gnade bitten, als der Kapitän, welcher meine Verwirrung bemerkte, in ein lautes Gelächter ausbrach und sagte:

»So, kennen Sie mich nun, Herr Simpel. Nun, beunruhigen Sie sich nicht; Sie thaten Ihre Schuldigkeit, daß Sie mich den Brief nicht öffnen ließen, indem Sie mich für eine andere Person hielten, und Sie hatten unter dieser Voraussetzung ganz recht, zu sagen, ich sei kein Gentleman. Ihr Benehmen gefällt mir. Nun setzen Sie sich, und nehmen Sie etwas Frühstück. Kapitän Courtenay«, sagte er zu dem anderen Kapitän, der am Tische war, dies ist einer meiner jungen Leute, der gerade in den Dienst tritt. Wir reisten gestern mit einander in der Postkutsche.« Er erzählte ihm dann den Vorfall, worüber beide herzlich lachten. Ich konnte nun wieder ein wenig leichter atmen, aber die Theatergeschichte war noch da, und ich dachte, er erkenne mich vielleicht nicht mehr. Ich wurde jedoch bald von meiner Angst befreit, und zwar durch den anderen Kapitän, welcher fragte:

»Waren Sie gestern Abend im Theater, Savage?«

»Nein, ich speiste bei Admirals, man kann von diesen Mädchen nicht wegkommen, so unterhaltend sind sie.«

»Ich denke, Sie sind da ein wenig gefangen.«

»Nein, auf mein Wort. Es könnte wohl sein, wenn ich Zeit hätte zu entdecken, welche mir am besten gefällt, allein gegenwärtig ist mein Schiff mein Weib, und das einzige Weib, das ich haben werde, bis man mich aufs Brett legt.«

»Gut«, dachte ich, »war er nicht im Theater, so kann ich ihn auch nicht beleidigt haben. Wenn ich ihm jetzt nur den Rum geben und ihn zum Freunde gewinnen könnte.«

»Herr Simpel, wie befinden sich Vater und Mutter?« sagte der Kapitän.

»Sehr wohl, ich danke Ihnen, Sir; ich soll Ihnen viele Empfehlungen ausrichten.«

»Ich bin Ihnen verbunden. Nun, ich denke, je schneller Sie an Bord gehen und den Dienst lernen, desto besser. (Gerade, was der Seekadett mir sagte – dieselben Worte, dachte ich – dann ist alles wahr – und ich fing wieder zu zittern an.) Ich habe Ihnen einigen Rat zu erteilen«, fuhr der Kapitän fort, »zuerst gehorchen Sie Ihren vorgesetzten Offizieren ohne Zaudern; ich habe zu entscheiden, nicht Sie, ob ein Befehl gerecht ist oder nicht. Sodann fluchen Sie nicht und trinken keine geistigen Getränke. Jenes ist unsittlich und steht einem Gentleman nicht an, dieses ist eine gemeine Gewohnheit, welche sich bei Ihnen festsetzen würde. Ich selbst rühre nie ein geistiges Getränk an und erwarte, daß meine jungen Gentlemen sich ebenfalls dessen enthalten. Nun können Sie gehen, und sobald Ihre Uniformstücke ankommen, werden Sie sich an Bord verfügen. Zugleich lassen Sie mich Ihnen, da ich, während wir mit einander reisten, einige Einsicht in Ihren Charakter gewinnen konnte, empfohlen haben, nicht auf den ersten Anblick mit denjenigen allzu vertraut zu sein, welchen Sie begegnen, oder Sie könnten in Verlegenheit kommen. Guten Morgen.«

Ich verließ das Zimmer mit einem tiefen Bückling, froh, was mir ein Chaos von Schwierigkeiten schien, so leicht überwunden zu haben; allein mein Geist war durch die Aussage des Seekadetten verwirrt, da sie von der Sprache und dem Betragen des Kapitäns so sehr verschieden war. Als ich in den Blauen Pfosten kam, fand ich alle Seekadetten im Kaffeezimmer und wiederholte ihnen, was vorgekommen war. Nachdem ich geendigt hatte, brachen sie in ein helles Gelächter aus und sagten, sie hätten mit mir nur gescherzt.

»Nun«, erwiderte ich demjenigen, welcher mich am Morgen gerufen hatte, »Sie mögen es scherzen heißen, ich nenne es lügen.«

»Um Vergebung, Herr Flaschengrün, geht dies mich an?«

»Ja, allerdings«, versetzte ich.

»Dann Sir, verlange ich als ein Gentleman Satisfaktion. Donnerwetter! Lieber Tod als Schande, Gott straf mich!«

»Ich werde sie Ihnen nicht verweigern«, antwortete ich, »obschon ich noch nie ein Duell hatte; mein Vater warnte mich davor, und bat mich, es womöglich zu vermeiden, denn dies heiße seinem Schöpfer Trotz bieten; allein wohl wissend, daß ich meinen Charakter als Offizier aufrecht erhalten muß, überließ er es meiner eigenen Klugheit, sollte ich je so unglücklich sein, in einen solchen Fall zu kommen.«

»Gut, wir wollen Ihres Vaters Predigt nicht aus der zweiten Hand«, versetzte der Seekadett (ich hatte ihnen nämlich gesagt, daß mein Vater ein Geistlicher sei), »die einfache Frage ist die – wollen Sie sich schlagen oder nicht?«

»Kann die Sache nicht anders beigelegt werden?« unterbrach ein anderer. »Wollen Sie nicht zurücknehmen, Herr Flaschengrün?«

»Mein Name ist Simpel, Sir, und nicht Flaschengrün«, erwiderte ich, »und da er eine Unwahrheit sagte, so will ich nicht zurücknehmen.«

»Dann muß die Sache vorwärts gehen«, sprach der Seekadett. »Robinson, willst Du mein Sekundant sein?«

»Es ist ein unangenehmes Geschäft«, versetzte dieser. »Du bist ein so guter Schütze, allein weil Du es verlangst, kann ich es nicht abschlagen. Herr Simpel hat, glaube ich, auch keinen Freund?«

»O ja«, entgegnete ein anderer Seekadett; »er ist ein mutiger Bursche, ich will ihm sekundieren.«

Es wurde nun ausgemacht, daß wir den anderen Morgen auf Pistolen losgehen sollten. Ich erwog, daß ich als Offizier und Gentleman es nicht abschlagen konnte, aber fühlte mich sehr unglücklich. Noch nicht drei Tage meiner eigenen Führung überlassen – und schon einen Rausch gehabt, und ein Duell auszufechten! Ich ging in mein Zimmer und schrieb einen langen Brief an meine Mutter, in welchen ich eine Haarlocke einschloß. Nachdem ich bei dem Gedanken, wie bekümmert meine Mutter sein würde, wenn ich fiele, einige Thränen vergossen, borgte ich von dem Kellner eine Bibel, und las den Rest des Tages darin.

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