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§ 1. Philal. Von den Modi, die aus den Sinnen stammen, wollen wir zu denen übergehen, welche die Reflexion uns gibt. Die Sensation bedeutet sozusagen das wirkliche Eintreten der Ideen in den Verstand vermittels der Sinne. Wenn dieselbe Idee in den Geist zurückkehrt, ohne daß der äußere Gegenstand, der sie zuerst entstehen ließ, auf unsere Sinne wirkt, so heißt dieser Akt des Geistes Wiedererinnerung; wenn der Geist sie sich zurückzurufen sucht und sie endlich nach einiger Anstrengung findet und sich vergegenwärtigt, so heißt dies: Sammlung. Wenn der Geist eine Idee lange mit Aufmerksamkeit verfolgt, so ist dies: Betrachtung (Kontemplation); wenn aber die Idee, die wir im Geiste haben, sozusagen dahinfließt, ohne daß der Verstand auf sie merkt, so befinden wir uns in dem Zustand, den man Träumerei zu nennen pflegt. Wenn man auf die Ideen reflektiert, die sich von selbst darbieten, und sie sozusagen im Gedächtnis einregistriert, so ist das Aufmerksamkeit, vertieft sich aber der Geist in eine Idee mit großem Eifer, so daß er sie von allen Seiten betrachtet und sich von ihr trotz anderen Ideen, die ihm dazwischenkommen, nicht abwendig machen läßt, so nennt man das Studium oder Anspannung des Geistes. Im Schlaf hört, wenn er traumlos ist, dies alles auf: träumen aber heißt, Ideen im Geiste haben, während die äußeren Sinne verschlossen sind, so daß sie den Eindruck der äußeren Gegenstände nicht mit der gewöhnlichen Lebhaftigkeit empfangen können. Wir träumen also, wenn wir Ideen haben, ohne daß sie durch einen Gegenstand von außen oder durch irgendeine sonstige bekannte Veranlassung in uns erweckt werden und ohne daß sie vom Verstand in irgendeiner Weise gewählt oder bestimmt worden sind. Was die sogenannte Ekstase anbetrifft, so überlasse ich es anderen, darüber zu urteilen, ob sie nicht etwa ein Träumen mit offenen Augen ist.
Theoph. Es ist wichtig, diese Begriffe klar zu machen, und ich will dazu beizutragen versuchen. Ich sage also: daß die sinnliche Wahrnehmung das Gewahrwerden eines äußeren Gegenstandes, Wiedererinnerung aber die Wiederholung der Idee, ohne daß der Gegenstand wiederkehrt, bedeutet; verbindet sich hiermit das Bewußtsein, daß man die Idee bereits gehabt hat, so heißt dies: »sich entsinnen«. Was den Ausdruck »Sammlung« betrifft, so wird er gewöhnlich in einem anderen Sinne als von Ihnen gebraucht: nämlich für einen Zustand, in dem man sich von allen Geschäften fernhält, um in Muße über irgend etwas nachzudenken. Da es aber, soviel ich weiß, kein Wort gibt, das Ihrem Begriffe vollkommen entspricht, so könnte man das von Ihnen angewandte Wort hierfür gebrauchen. Wir wenden denjenigen Gegenständen Aufmerksamkeit zu, die wir von den übrigen unterscheiden und die wir ihnen vorziehen. Dauert die Aufmerksamkeit im Geiste an, gleichviel ob der äußere Gegenstand verharrt oder nicht, ja gleichviel, ob er vorhanden ist oder nicht, so heißt dies Betrachtung und, wenn sie auf bloße Erkenntnis ohne Beziehung aufs Handeln zielt, Kontemplation. Verfolgt die Aufmerksamkeit den Zweck, zu lernen (d. h. Kenntnisse zu erwerben, um sie zu behalten), so heißt sie Studium. Eine Betrachtung, die auf die Erreichung eines bestimmten Zieles gerichtet ist, heißt Nachdenken (Meditieren); während Träumen nichts anderes zu sein scheint, als bestimmten Gedanken bloß des Vergnügens wegen, das man an ihnen hat, nachzuhängen, ohne dabei einen anderen Zweck zu verfolgen. Darum kann das Träumen zur Narrheit führen; man vergißt sich, vergißt das » dic cur hic«, gerät auf Hirngespinste und Chimären und baut Luftschlösser. Wir können die Träume von den sinnlichen Wahrnehmungen nur dadurch unterscheiden, daß sie mit diesen in keinerlei Zusammenhang stehen, sondern eine besondere Welt für sich bilden. Der Schlaf ist ein Aufhören der sinnlichen Empfindungen, und die Ekstase läßt sich auf diese Weise als ein sehr tiefer Schlaf auffassen, aus dem man sich nur mit Mühe ermuntern kann und der aus einer vorübergehenden inneren Ursache stammt. Die Hinzufügung der letzteren Bestimmung ist notwendig, um dadurch jenen tiefen Schlaf auszuschließen, der von einem narkotischen Mittel oder irgendeiner dauernden Verletzung der Lebensfunktionen herkommt, wie es in der Lethargie der Fall ist. Die Ekstasen sind mitunter von Visionen begleitet, aber es gibt solche auch ohne Ekstase, und die Vision ist, wie es scheint, nichts anderes als ein Traum, der für eine sinnliche Wahrnehmung genommen wird, als ob er uns wahrhaftige Gegenstände darstellte. Und wenn diese Visionen göttliche sind, so ist in der Tat Wahrheit in ihnen enthalten, was sich z. B. daran erkennen läßt, daß sie ganz bestimmte, ins einzelne gehende Weissagungen enthalten, die der Ausgang bestätigt.
§4. Philal. Aus den verschiedenen Graden der Anspannung oder Abspannung des Geistes folgt, daß der Gedanke die Tätigkeit der Seele, nicht aber ihre Wesenheit bildet.
Theoph. Zweifelsohne ist der Gedanke eine Tätigkeit und kann nicht das Wesen selbst sein; aber er ist eine wesentliche Tätigkeit, und alle Substanzen haben dergleichen. Ich habe vorhin gezeigt, daß wir immer eine Unendlichkeit von schwachen Perzeptionen in uns tragen, ohne sie gewahr zu werden. Wir sind niemals ohne Perzeptionen, aber wir sind notwendigerweise oft ohne Apperzeption: nämlich immer dann, wenn unsere Perzeptionen nicht deutlich voneinander unterschieden sind. Weil man diesen wichtigen Punkt nicht genügend beachtet hat, hat eine schlaffe und ebenso unedle, als ungegründete Philosophie bei soviel tüchtigen Geistern Eingang gefunden und dazu geführt, daß uns bis jetzt der beste Teil dessen, was wir in unserer Seele besitzen, fast unbekannt geblieben ist. Dies ist auch der Grund, daß man dem Irrtum, daß die Seelen vergänglich seien, so viel Wahrscheinlichkeit beigemessen hat.