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Kapitel IX.
Von der Perception.

§ 1. Philal. Wir wollen jetzt zu den Ideen der Reflexion im besonderen kommen. Die Perzeption ist das erste Vermögen der Seele, wenn diese sich mit unseren Ideen beschäftigt; demgemäß ist sie auch die erste und einfachste Idee, die wir von der Reflexion empfangen. Der Ausdruck » Denken« bezeichnet oft die Tätigkeit, die der Geist an seinen eigenen Ideen ausübt, sofern er ihnen aktiv und mit einem bestimmten Grad willkürlicher Aufmerksamkeit gegenübertritt: dagegen ist der Geist in dem, was man Perzeption nennt, gewöhnlich rein passiv, indem er nicht vermeiden kann, sich desjenigen bewußt zu sein, dessen er sich wirklich bewußt ist.

Theoph. Vielleicht könnte man hinzufügen, daß die Tiere Perzeption, aber nicht notwendigerweise Denken, d. h. Reflexion und das, was den Gegenstand der Reflexion ausmachen kann, besitzen. So haben wir selbst schwache Perzeptionen, die wir in unserem gegenwärtigen Zustand nicht gewahr werden. Allerdings könnten wir sie sehr wohl gewahr werden und über sie reflektieren, wenn wir nicht durch ihre Menge, die uns zerstreut, abgelenkt, oder wenn sie nicht durch stärkere ausgelöscht oder vielmehr verdunkelt würden.

§4. Philal. Ich gestehe, daß, wenn der Geist tief in der Betrachtung bestimmter Gegenstände versunken ist, er in keiner Weise den Eindruck gewahr wird, den gewisse Körper auf das Gehörorgan machen. Dieser Eindruck kann ziemlich stark sein, aber er bringt trotzdem keine Perzeption hervor, wenn die Seele nicht von ihm Notiz nimmt.

Theoph. Ich würde vorziehen, zwischen Perzeption und Apperzeption zu unterscheiden. Die Perzeption des Lichts oder der Farbe z. B., die wir gewahr werden, ist aus einer Menge kleiner Perzeptionen zusammengesetzt, die wir nicht gewahr werden, und ein Geräusch, das wir perzipieren, auf das wir aber nicht achtgeben, wird durch eine kleine Zugabe oder Vermehrung merklich. Denn wenn das, was vorangeht, keinerlei Wirkung auf die Seele täte, so würde auch diese kleine Zugabe, und somit auch das Ganze, keine Wirkung tun. Ich habe diesen Punkt schon § 11, 12, 15 usw. des zweiten Kapitels dieses Buches berührt.

§8. Philal. Es ist hier der Ort, zu bemerken, daß die Ideen, die aus der Sinnlichkeit stammen, oft durch das Urteil des Geistes unvermerkt geändert werden. Die Idee einer Kugel von gleichmäßiger Farbe stellt sich uns als flacher Kreis von verschiedener Schattierung und Beleuchtung dar. Aber da wir gewohnt sind, die Bilder der Körper und die Veränderungen der Lichtreflexe nach der Gestaltung ihrer Oberfläche zu unterscheiden, so setzen wir an Stelle der Erscheinung das, was wir als die Ursache des Bildes ansehen und vermischen so das Urteil mit dem Anblick.

Theoph. Dies ist vollkommen wahr, und die Malerei benutzt diesen Umstand, um uns durch den Kunstgriff einer richtigen Perspektive zu täuschen. Da die Körper ebene Begrenzungsflächen haben, so lassen sie sich darstellen, ohne Schatten anzuwenden, indem man sich nur der Konturen bedient und Malereien einfach nach der Weise der Chinesen, aber mit besserer Proportion, als jene herstellt. Auf diese Art pflegt man Medaillen zu zeichnen, damit der Zeichner sich weniger von den genauen Zügen der antiken Vorbilder entferne. Aber genau läßt sich das Innere eines Kreises von dem Innern einer, von diesem Kreise begrenzten, sphärischen Fläche ohne Hilfe von Schatten in der Zeichnung nicht unterscheiden, denn beide besitzen keine hervorstechenden Punkte, noch unterscheidende Züge, obgleich doch zwischen ihnen ein sehr großer Unterschied besteht, der zum Ausdruck gebracht werden muß. Herr Desargues hat deswegen über die Stärke der Farbentöne und Schatten eigene Vorschriften gegeben Desargues (1593-1662), einer der Begründer der descriptiven Geometrie; vgl. seine Schrift: Brouillon project d'exemple d'une manière universelle … touchant la practique du trait à preuves pour la coupe des pierres en l'architecture etc. (1640); sein größeres Werk über Perspektive ist 1648 von Abraham Bosse herausgegeben worden.. Wenn uns also ein Gemälde täuscht, so irren wir auf zweifache Art in unserem Urteil. Erstens nämlich setzen wir die Ursache an Stelle der Wirkung und glauben das, was die Ursache des Bildes ist, unmittelbar zu sehen, worin wir ein wenig einem Hunde gleichen, der gegen einen Spiegel anbellt. Denn eigentlich sehen wir nichts weiter als das Bild und empfangen lediglich von den Strahlen eine Wirkung. Da nun die Lichtstrahlen eine, wenn auch noch so geringe Zeit brauchen, so ist es möglich, daß der Gegenstand in dieser Zwischenzeit zerstört worden und in dem Moment, in dem der Strahl zum Auge gelangt, nicht mehr vorhanden ist: was aber nicht mehr ist, kann auch nicht der gegenwärtige Gegenstand des Sehens sein. Zweitens täuschen wir uns auch, indem wir an Stelle einer Ursache eine andere setzen und etwa glauben, daß das, was nur von einem ebenen Gemälde herrührt, von einem Körper herstammt: so daß in diesem Falle unsere Urteile zugleich eine Metonymie und eine Metapher in sich schließen In der » Metonymie« findet, gemäß dem Gebrauch dieses Ausdrucks in der Rhetorik, eine Vertauschung zweier, in naher Beziehung zueinander stehender Gegenstände, in der Metapher eine Vertauschung des Gegenstandes mit seinem Bilde statt., denn auch die rhetorischen Figuren werden zu Sophismen, wenn wir uns durch sie täuschen lassen. Die Verwechslung der Wirkung mit der wahren oder vermeintlichen Ursache kommt auch sonst noch oft bei unseren Urteilen vor. So glauben wir, wenn wir unseren Körper oder die äußeren ihn berührenden Gegenstände fühlen, oder wenn wir unsere Arme bewegen, hierin einen unmittelbaren physischen Einfluß zu verspüren, der, wie wir meinen, die Verbindung von Seele und Körper ausmacht; während in Wahrheit alles, was wir hierbei fühlen und was wir hierbei verändern, lediglich in uns selbst liegt.

Philal. Bei dieser Gelegenheit will ich Ihnen ein Problem vorlegen, welches der gelehrte Molineux, der seinen herrlichen Geist so nützlich dem Fortschritt der Wissenschaften widmet, dem berühmten Locke mitgeteilt hat William Molyneux (1656-1698); das im Folgenden behandelte Problem bildet einen Anfangspunkt der modernen Psychologie der Raumwahrnehmung; insbesondere hat Berkeley in seiner »New theory of vision« (1709) daran angeknüpft.. Folgendes sind ungefähr seine eigenen Worte: Denken wir uns einen Blindgeborenen, der jetzt erwachsen ist und den man gelehrt hat, durch den Tastsinn einen Würfel von einer Kugel zu unterscheiden, die aus demselben Metall gefertigt und fast von gleicher Größe ist: so daß er also, wenn er das eine oder andere berührt, sagen kann, welches der Würfel und welches die Kugel ist. Man nehme nun an, daß der Würfel und die Kugel auf einen Tisch gestellt werden und daß der Blinde plötzlich das Gesicht erhalte. Es fragt sich, ob er sie nun, wo er sie sieht, ohne sie zu berühren, unterscheiden und sagen kann, dies ist der Würfel, dies ist die Kugel. Ich bitte Sie, mir Ihre Meinung darüber zu sagen.

Theoph. Um diese Frage, die mir sehr merkwürdig scheint, zu überlegen, müßten Sie mir Zeit lassen; da Sie mich aber sofort zu antworten drängen, will ich Ihnen unter uns auf gut Glück antworten und, Ihnen sagen, daß ich der Ansicht bin, daß der Blinde, wenn er weiß, daß die zwei Figuren, die er vor sich sieht, ein Würfel und eine Kugel sind? beide wird unterscheiden und auch ohne Berührung wird sagen können: dies ist die Kugel, dies der Würfel.

Philal. Ich fürchte, daß auch Sie zu der großen Zahl derer gehören, die die Frage des Herrn Molineux falsch beantwortet haben. Denn in dem Schreiben, das diese Frage enthält, berichtet Herr Molineux, daß er sie, im Anschluß an Lockes Schrift über den menschlichen Verstand, verschiedenen höchst scharfsinnigen Männern vorgelegt habe, daß aber kaum einer von ihnen ihm sogleich die nach seiner Meinung richtige Antwort gegeben habe, wenngleich sie sich, nachdem sie seine Gründe vernommen, von ihrem Irrtum überzeugt hätten. Die Antwort dieses scharfsinnigen und gründlichen Autors ist verneinend: denn, fügt er hinzu, mag auch jener Blinde durch Erfahrung gelernt haben, auf welche Weise die Kugel und der Würfel seinen Tastsinn affizieren, so weiß er darum doch nicht, daß das, was den Tastsinn auf diese oder jene Weise affiziert, sich den Augen so oder so darstellen müsse, noch, daß die vorspringende Ecke eines Würfels, welche seine Hand auf ungleiche Weise drückt, seinen Augen so erscheinen müsse, wie sie am Würfel erscheint. Der Verfasser des »Versuchs« erklärt, daß er ganz derselben Ansicht ist.

Theoph. Vielleicht sind Herr Molineux und der Verfasser des »Versuchs« von meiner Meinung nicht so weit entfernt, als es zunächst scheint; auch sind die Gründe ihrer Ansicht, durch die Molineux die Leute von ihrem Irrtum überzeugt hat, in seinem Brief an Locke allem Anschein nach enthalten gewesen, von diesem aber absichtlich unterdrückt worden, um den Leser im eigenen Nachdenken zu üben. Wenn Sie meine Antwort erwägen wollen, so werden Sie finden, daß ich eine Bedingung hinzugefügt habe, welche man als in der Frage inbegriffen betrachten kann: daß nämlich die Aufgabe lediglich darin bestehen solle, beide Körper zu unterscheiden, und daß der Blinde wisse, daß er die Körper, die er unterscheiden soll, vor sich hat, und daß also von den beiden Gesichtsbildern, die sich ihm darbieten, das eine das Bild einer Kugel, das andere das eines Würfels ist. In diesem Falle scheint es mir unzweifelhaft, daß der Blinde, der soeben von seiner Blindheit geheilt worden ist, auf Grund der Prinzipien der Vernunft, im Verein mit dem, was ihm der Tastsinn vorher an sinnlicher Erkenntnis geliefert hat, die Körper unterscheiden kann. Denn ich spreche hier nicht von dem, was er vielleicht in Wirklichkeit und auf der Stelle, noch geblendet und durch die Neuheit der Dinge verwirrt, oder auch sonst wenig daran gewöhnt, Schlüsse zu ziehen, tun wird. Meine Ansicht stützt sich darauf, daß die Kugel an ihrem Rand keine hervortretenden Punkte enthält, sondern alles an ihr gleichmäßig und ohne Ecken ist, während an dem Würfel acht Punkte sind, die sich von allen anderen unterscheiden. Bestünde nicht dies Mittel, die Gestalten zu unterscheiden, so könnte ein Blinder nicht die Anfangsgründe der Geometrie durch den Tastsinn lernen. Gleichwohl sehen wir, daß Blindgeborene imstande sind, die Geometrie zu erlernen, ja daß sie stets gewisse Elemente einer natürlichen Geometrie besitzen, während man andererseits die Geometrie zumeist, ohne vom Tastsinn Gebrauch zu machen, bloß durch den Blick erlernt, wie dies ein Gelähmter oder jemand, dem das Tasten so gut wie versagt ist, machen könnte und müßte. Diese zwei Arten der Geometrie nun, die des Blinden und des Gelähmten, müssen sich begegnen und zueinander stimmen, ja sie müssen auf dieselben Ideen zurückkommen, obgleich beiderseits keine gemeinsamen Bilder bestehen. Auch hieraus geht hervor, ein wie großer Unterschied zwischen Bildern und exakten Ideen, die auf Definitionen beruhen, besteht. Es wäre in der Tat äußerst interessant und lehrreich, die Ideen eines blind Geborenen genau zu untersuchen und die Beschreibungen, die er von den Gestalten macht, zu vernehmen. Denn so weit kann er kommen, ja er kann selbst die Theorie der Optik, insofern sie von deutlichen und mathematischen Ideen abhängig ist, verstehen, wenngleich er nicht dazu gelangen kann, jenes Klar-Verworrene zu erfassen, das sich im Bilde des Lichtes und der Farben darstellt. Daher antwortete ein blind Geborener, nachdem er Unterricht in der Optik gehabt hatte, den er wohl zu verstehen schien, auf die Frage, wie er sich das Licht vorstelle, er denke sich, es müsse etwas Angenehmes sein, wie der Zucker. Ebenso wäre es sehr wichtig, die Ideen zu prüfen, die jemand, der von Geburt an taubstumm ist, sich von gestaltlosen Dingen bilden kann, die wir gewöhnlich in Worten beschreiben, die er aber auf ganz verschiedene Art, wenngleich sie der unserigen äquivalent sein mag, haben muß: in der Art, wie die Schrift der Chinesen in ihrer Wirkung unserem Alphabet äquivalent, zugleich aber von ihm unendlich verschieden ist, so daß man meinen könnte, sie sei von einem Tauben erfunden worden. Ich erfahre durch die Güte eines großen Fürsten von einem geborenen Taubstummen in Paris, der endlich das Gehör erlangt und jetzt die französische Sprache erlernt hat (denn der französische Hof hat ihn vor kurzem kommen lassen). Dieser Mann wird uns über die Begriffe, die er in seinem früheren Zustand hatte, und über die Veränderung seiner Ideen mit der allmählichen Ausbildung seines Gehörsinns sehr merkwürdige Dinge erzählen können. Solche geborenen Taubstummen können weiter kommen, als man denkt. Es gab einen solchen zu Oldenburg, zur Zeit des letzten Grafen, der ein guter Maler geworden war und sich auch sonst sehr intelligent zeigte. Ein großer Gelehrter, von Geburt ein Bretone, hat mir erzählt, daß es 10 französische Meilen von Nantes zu Blainville, einer Besitzung des Herzogs von Rohan, um 1690 einen Armen gab, der in einer Hütte nahe am Schloß vor der Stadt wohnte und, ein geborener Taubstummer, Briefe und andere Gegenstände in die Stadt trug, wobei er die Häuser nach bestimmten Zeichen fand, die die Leute, die ihn zu benutzen pflegten, ihm gaben. Endlich wurde der arme Mensch noch blind, hörte aber nicht auf, manche Dienste zu leisten und die Briefe, auf Zeichen hin, die man ihm durch den Tastsinn gab, in die Stadt zu tragen. Er hatte in seiner Hütte ein Brett, welches von der Tür bis zu dem Orte lief, wo er die Füße hatte und das ihm durch die Bewegung, in die es geriet, erkennen ließ, ob jemand bei ihm eintrat. Es ist eine große Nachlässigkeit, daß man sich keine genaue Kenntnis der Weise, wie solche Menschen denken, verschafft. Wenn er nicht mehr lebt, so wird wahrscheinlich doch noch jemand an Ort und Stelle darüber Nachricht geben können, wie man ihm das, was er ausführen sollte, bezeichnete. Aber um auf die Frage zurückzukommen, welches Urteil ein Blindgeborener, der zu sehen beginnt, über die Kugel und den Würfel fällen würde, wenn er sie sieht, ohne sie zu berühren, so antworte ich, daß er sie, wie ich eben gesagt habe, unterscheiden wird, wenn ihm jemand angibt, daß die eine oder die andere Erscheinung oder Wahrnehmung, die er vor sich hat, der Kugel oder dem Würfel angehört. Ohne diese vorgängige Anweisung aber wird er, wie ich gestehe, nicht sogleich auf den Gedanken verfallen, daß diese Art Bilder, die er sich in der Tiefe seiner Augen macht und die auch von einer flachen Zeichnung auf dem Tische herrühren könnten, Körper darstellen, bis der Tastsinn ihn davon überzeugt, oder er infolge des Nachdenkens über die Strahlen auf Grund der Optik durch die Lichter und Schatten begreifen lernt, daß etwas da sein muß, was diese Strahlen aufhält und daß dies gerade das sein muß, was ihm beim Betasten bleibt. Hierzu wird er endlich gelangen, wenn er die Kugel und den Würfel sich bewegen, und der Bewegung gemäß Schatten und Lichter wechseln sehen wird, oder selbst dann, wenn das Licht, das diese Körper erleuchtet, seinen Platz wechselt, während sie selbst in Ruhe verharren, oder wenn seine Augen ihre Lage ändern. Denn das sind ungefähr die Mittel, auf Grund deren wir von fern ein Bild oder eine perspektivische Zeichnung, die einen Körper darstellt, von dem wirklichen Körper unterscheiden können.

§ 11. Philal. Kehren wir nun zur Perzeption im allgemeinen zurück. Sie unterscheidet die Tiere von den Wesen, die unter ihnen stehen.

Theoph. Ich neige der Ansicht zu, daß auch die Pflanzen eine Art Perzeption und Begehrung besitzen, der großen Analogie wegen, die zwischen den Pflanzen und Tieren obwaltet; und wenn es, wie die allgemeine Meinung ist, eine vegetative Seele gibt, so muß sie auch Perzeption besitzen Über den Begriff der »vegetativen Seele« (θρεπτικὴ ψυχή), als des Prinzips der Ernährung und Fortpflanzung s. Aristoteles, De anima II. 3, 415 a, 23.. Nichtsdestoweniger führe ich alle Vorgänge im Körper der Pflanzen und Tiere – ihre erste Bildung ausgenommen – auf den Mechanismus zurück. Ich gebe also zu, daß die sogenannte »sensitive« Bewegung der Pflanze vom Mechanismus stammt, und billige es nicht, wenn man zur Seele seine Zuflucht nimmt, sobald es sich darum handelt, die Erscheinungen bei Pflanzen und Tieren im einzelnen zu erklären.

§ 14. Philal. Ich kann mich des Glaubens nicht erwehren, daß selbst bei solchen Tierarten, wie den Austern und Muscheln, die Perzeption nur schwach ist; denn lebhafte Empfindungen würden ein Tier nur belästigen, das gezwungen ist, stets an dem Orte zu bleiben, wohin der Zufall es gesetzt hat und wo es von kaltem oder warmem, reinem oder trübem Wasser, je nachdem es zu ihm gelangt, benetzt wird.

Theoph. Ganz recht; und ich glaube, daß man fast dasselbe von den Pflanzen sagen kann; was aber den Menschen anbetrifft, so sind seine Perzeptionen von dem Reflexionsvermögen begleitet, welches, sobald sich dazu Gelegenheit bietet, in Wirksamkeit tritt. Wenn er aber in einen Zustand verfällt, wo er in einer Art Lethargie befangen und fast ohne Empfindung ist, so hören Reflexion und deutliches Bewußtsein, sowie das Denken an allgemeine Wahrheiten auf. Die eingeborenen und erworbenen Fähigkeiten und Dispositionen hingegen, ja selbst die Eindrücke, welche man in diesem Zustand der Verwirrung empfängt, schwinden darum nicht und sind, wenngleich man sie vergißt, doch nicht völlig ausgelöscht. Vielmehr werden auch sie an die Reihe kommen, um einmal zu einer merkbaren Wirkung beizutragen. Denn in der Natur ist nichts unnütz, jede Verwirrung muß sich lösen, und die lebendigen Wesen müssen sich, auch wenn sie in einen Zustand der Stumpfheit herabgesunken sind, dereinst wieder zu höheren Perzeptionen erheben. Denn da die einfachen Substanzen immer währen, so darf man nicht aus der Erfahrung einiger Jahre über die Ewigkeit urteilen.


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