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VII.

Einsam in einem Segelboot zwischen Himmel und Wasser! Aber nicht mehr in romantisch überspannter Stimmung mit Herzklopfen und weggewandten Blicken, geheuchelter Kälte und heimlicher Sehnsucht. Ruhig, natürlich und innerlich vereint saßen sie da, glücklich über den gegenwärtigen Tag, und nichts von dem vermissend, was hinter ihnen lag.

Es war eigentlich eine peinvolle Stimmung gewesen, in der sie das erstemal in dem Boot zusammen gesessen hatten. Dieser Kampf gegen sich selbst, dieser Versuch, das beste Gefühl, was sie jemals empfunden hatten, zu beherrschen und zu unterdrücken, dieses ängstliche Streiten um die eigene Freiheit.

Ulla fragte sich, ob sie eigentlich in Wahrheit ihre Freiheit aufgegeben habe. Ja, die Liebe fesselte sie allerdings in jeder Weise – aber die Liebe hatte sie auch frei gemacht. Denn vordem hatte es doch wie ein Hemmschuh auf ihr gelegen, wie ein Zwang über ihrem geistigen und physischen Wesen – etwas künstlich Zurückgehaltenes, etwas unruhig Gärendes. In ihrer Phantasie hatte es beständig wie in einem siedenden Kessel gearbeitet, und zuweilen war sie so müde davon geworden, daß sie nicht malen konnte.

Welche Ruhe war dagegen jetzt über sie gekommen – wenigstens im Vergleich zu damals. Sie sah den weiten Horizont über dem Skagerrack und dachte daran, mit was für Gefühlen sie ihn das erstemal betrachtet hatte, an jenem Morgen, als sie mitten auf dem Meere erwachte. Damals war ihr das Leben ebenso grenzenlos, unbestimmt und hin und her bewegt erschienen wie das Wasser, das sie vorwärts schaukelte. Wie anders nun – das Leben war jetzt begrenzt. Sie hatte nicht mehr das Gefühl, daß sie immer jung bleiben würde, daß das Leben tausend unberechenbare Möglichkeiten hätte, daß die Wirklichkeit alles das geben könnte, was die Phantasie träumte – nun wußte sie ungefähr, was sie vom Leben zu erwarten hatte, daß es ihr niemals etwas Besseres schenken konnte als sie schon besaß, daß sie eigentlich nichts weiter wünschte. Der Horizont war nicht mehr unbegrenzt, sie sah Land an der andern Seite und wußte, wie es aussah, daß es dunkle Haine und sonnige Weiden, aber auch steinige Hügel und feuchte Sümpfe hatte.

Und in diesem Gefühl lag Ruhe. Es war eine stimmungsvolle, gesammelte Ruhe, die ihr wohl that. Vielleicht war es das gleichmäßige Schaukeln des Bootes und der eigentümlich beruhigende Einfluß der Seeluft auf die Nerven, der es machte – aber sie hatte das Gefühl, noch niemals so ruhig glücklich gewesen zu sein wie jetzt.



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