Antoine de la Salle
König Ludwigs galante Chronika
Antoine de la Salle

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Der hineingelegte Ehekrüppel.

Eines Tages begab es sich, daß in einer reizenden Stadt im Hennegau ein wackerer Kaufmann sich mit einer Frau verheiratete, die es hinter den Ohren hatte. Er ging gar oft seinem Handel außer Hause nach, und das bot seinem Weibe die schönste Gelegenheit, einen anderen als ihn lieb zu haben. Und so trieb sie es gar manche Weile.

Immerhin, – der Trug kam durch einen Nachbarn heraus, der mit dem Ehemann verwandt war und dem Hause des Kaufmanns gegenüber wohnte. Von dort aus sah er oft den Liebhaber nächtens eintreten oder aus des Kaufmanns Hause schlüpfen.

Als dem Ehemann die Geschichte mitgeteilt wurde, die sich ihm zum Schaden zutrug, ging ihm daß arg zu Herzen. Er dankte seinem Nachbarn und Verwandten und erklärte, er werde der Sache in kurzem beikommen und wolle sich am Abend in seinem Hause verstecken, um genau zu sehen, wer dort bei ihm aus und ein ginge. Zu dem Ende stellte er sich, als habe er außerhalb zu tun, und bedeutete seiner Frau und seinen Leuten, daß er nicht wisse, wann er heimkäme. Ganz früh am Morgen ging er hinweg, blieb aber nur bis zum Abend fort, brachte sein Pferd irgendwo unter, begab sich insgeheim zu seinem Vetter und spähte durch eine kleine Luke in der Erwartung, das Schauspiel zu erblicken, das ihm so wenig Freude versprach.

Solcherart lauerte er bis gegen die neunte Abendstunde, als endlich der Liebhaber – den die Frau benachrichtigt hatte, daß ihr Mann außer Hause sei – einige Gänge vor den Fenstern der Schönen machte und auf die Tür schaute, um zu sehen, ob er jetzt hinein könne. Noch aber fand er sie geschlossen.

Er sagte sich, daß doch noch nicht die Stunde sei, wo man vor Dieben Angst zu haben braucht, und deshalb spazierte er noch einiges hin und wieder. Der wackere Kaufmann derweile dachte sich, daß dies sein Mann sei, ging hinunter, kam zur Tür und sagte:

»Lieber Freund, unsere Frau hat Euch wohl bemerkt; da es aber noch Zeit genug ist und sie nicht gewiß weiß, ob unser Herr nicht zurückkommt, so hat sie mich beauftragt, Euch hineinzulassen, wenn's Euch gefällig ist.«

Der Bursche meinte, da sei einer der Knechte, ließ es darauf ankommen und ging mit ihm ins Haus. Ganz sacht wurde die Tür aufgemacht und der Mann führte ihn ganz hinten in eine Stube, wo eine riesengroße Kleiderkiste stand. Die schloß er auf und ließ ihn hineinklettern, damit der Kaufmann ihn nicht finden sollte, wenn er etwa heimkäme. ›Seine Herrin‹, meinte er, ›würde sicher bald kommen, ihn hinauslassen und mit ihm sprechen‹. All das nahm der edle Liebste geduldig hin, um es später um so besser zu haben, zumal aber, weil er meinte, daß der andere die Wahrheit rede, der Kaufmann aber machte sich unverzüglich, so heimlich er konnte, hinweg, ging zu seinem Vetter und dessen Frau und berichtete ihnen:

»Ich verspreche euch, die Ratte sitzt in der Falle; aber wir müssen nun beschließen, was wir damit anfangen.«

Darob waren sein Vetter und insonderheit dessen Frau, die für die andere keinerlei Liebe empfand, strahlend froh, wie sich die Sache gemacht hatte. Sie meinte, es wäre gut, ihn den Verwandten der Frau zu zeigen, damit sie sich von deren arger Aufführung ein recht anschaulich Bild machen könnten. Nachdem sie das einträchtiglich beschlossen hatten, eilte der Kaufmann zum Hause von dem Vater und der Mutter seiner Frau und sagte ihnen: ›Wenn sie ihre Tochter noch am Leben sehen wollten, dann sollten sie flugs zu ihr hinkommen‹.

Die sprangen jäh in die Höh', und während sie sich ankleideten, ging er weiter zu zwei Brüdern und zwei Schwestern von ihr, um auch sie zu rufen, und sagte ihnen das gleiche wie dem Vater und der Mutter. Und dann führte er sie allesamt zum Haus seines Vetters, und dort erzählte er ihnen die ganze Geschichte, so wie sie sich zugetragen hatte, und die Art, wie die Ratte in die Falle gegangen war.

Nun muß man aber wissen, wie sich der edle Liebste derweile in jener Truhe verhielt, aus der er gar spaßig befreit wurde: daher denn das Abenteuer.

Die Frau fiel nämlich aus einer Verwunderung in die andere, wo ihr Freund wohl bleiben mochte und warum er nicht kam. Sie ging nach hinten und wieder nach vorn, um nachzuschauen, ob sie keinerlei Nachricht oder Merkzeichen erkunden könnte. So dauerte es nicht sehr lange, da hörte sie der schmucke Jüngling ganz dicht bei sich vorübergehen, und als man ihn immer weiter in der Kiste stecken ließ, begann er mit der Faust die Truhe zu bearbeiten, also daß die Frau es hörte und bis ins Innerste hinein erschrak. Trotz ihres Entsetzens aber fragte sie, wer da sei, und der Bursche erwiderte ihr:

»Ach, holdseligste Schöne, ich bin es ja, und ich sterbe hier vor Hitze und vor Bangen. Ich komme gar nicht aus dem Staunen heraus, daß Ihr mich hier habt einsperren lassen und weder hierher geht noch kommt.«

Wer aus den Wolken fiel, war sie.

»Ach,« rief sie, »heilige Jungfrau Maria! – glaubt Ihr wirklich, liebster Freund, daß ich Euch hier verstecken ließ?«

»Mein Wort!« versetze er, »ich weiß nicht recht! Zum mindestens kam doch Euer Knecht zu mir und hat mir gesagt, Ihr hättet ihm aufgetragen, mich ins Haus zu lassen. Und ich sollte in diese Truhe schlüpfen, damit mich Euer Mann nicht finden könne, wenn er heut nacht unversehens etwa zurückkäme.«

»Ach, bei meinem Leben, das ist mein Mann gewesen!« rief sie. »Ich bin verloren, und all unsere Missetat ist erkannt und entdeckt!«

»Wißt Ihr, was man da tut?« meinte er. »Das richtigste ist, daß ich hinausgelassen werde, sonst zerschlage ich alles, denn länger kann ich es hier nicht aushalten.«

»Weiß Gott,« meinte die Frau, »ich habe keinen Schlüssel, und wenn Ihr den Kasten aufbrecht, bin ich vernichtet. Denn mein Mann wird sagen, daß ich es getan habe, um Euch zu erretten.«

Immerhin suchte die Frau so lange, bis sie alte Schlüssel fand, unter denen auch einer war, der den armen Gefangenen befreite.

Als er draußen war, bekam er seine Buhlin zu packen und ließ all seinen Grimm an ihr aus. Als dann aber der edle Liebste sich davon machen wollte, da hielt die Frau ihn fest und tat gar zärtlich, und erklärte ihm, wenn er also davonginge, sei sie nicht minder entehrt als wenn er die Truhe aufgebrochen hätte.

»Also was denn tun?« meinte der Liebste.

»Wenn wir nicht irgend etwas dort hineinstecken, also daß mein Mann es findet, kann ich keine Entschuldigung ausdenken, wie Ihr entkommen sein solltet ohne mich.«

»Und was soll man dort hineinstecken,« erkundigte sich der andere, »damit ich fort kann? Denn es ist höchste Zeit.«

»Wir haben hier im Stall einen Esel,« erwiderte sie, »den wollen wir hineinsperren, wenn Ihr mir dabei helft.«

»Mein Wort, so ist's recht,« versetzte er.

So wurde also dieser Esel in den Kleiderkasten gesteckt; sie schlossen ihn zu und der Liebste nahm mit einem zärtlichen Kusse Abschied. Dann machte er sich durch einen Hinterausgang davon und die Frau ging eilends schlafen.

Das dauerte freilich nicht lange. Der Ehemann hatte nämlich, während dies geschah, seine Leute versammelt und in das Haus seines Vetters geführt, wie oben erzählt wurde, und dort berichtete er ihnen die ganze Geschichte, – wie man ihm die Sache gesteckt hatte, und auch, wie er den zärtlichen Gast beim Kragen gekriegt hatte.

»Damit ihr nun nicht sagen könnt,« fuhr er fort, »daß ich eure Tochter ohne Grund mit Schande belade, will ich euch leibhaftigen Auges und greifbar den Lumpen zeigen, der uns diesen Schimpf angetan hat. Und ich flehe zum Himmel, daß er des Todes sein soll, ehe er noch hinausschlüpfen kann.«

Worauf alle erklärten, daß es so sein solle.

»Weiter aber«, erklärte der Kaufmann, »will ich euch eure Tochter in ihrer ganzen Ehrlosigkeit zurückgeben.«

Dann setzten sich die anderen mit in Bewegung, und düsterer Gram nagte ihnen am Herzen ob solch bedauerlicher Nachrichten. Alle hatten Fackeln und Leuchter in der Hand, um besser überall nachspüren zu können und sich nichts entgehen zu lassen.

Sie pochten derart grob an die Tür, daß die Frau als erste herzusprang, ehe noch einer im Hause erwachte, und ihnen flugs die Tür aufmachte. Und als sie eingetreten waren, begrüßte sie ihren Mann, ihren Vater, ihre Mutter und die andern unfreundlich und bedeutete, daß sie aufs tiefste verwundert sei, was sie alle zu dieser nächtlichen Stunde herführe. Bei diesen Worten reckte sich ihr Ehegemahl, gab ihr eine gehörige Backpfeife und meinte:

»Das wirst du gleich erfahren, du falsches Frauenzimmer, das du bist.«

»Ach, bedenkt doch, was Ihr sagt. Führt Ihr deshalb meinen Vater und meine Mutter hierher?«

»Gewiß,« versetzte die Mutter, »du falsche Dirne, die du bist. Dein Schürzenjäger wird dir auf der Stelle gezeigt werden.«

Worauf ihre Schwestern sagten:

»Weiß Gott, Schwester, du bist doch nicht aus anständiger Familie hierhergekommen, um dich derart aufzuführen!«

»Liebe Schwestern,« versetzte sie, »bei allen Heiligen Roms! – nichts habe ich getan, was eine wohlanständige Frau nicht tun dürfte und könnte, und ich fürchte nicht, daß man mir das Gegenteil beweisen könnte.«

»Da hast du gelogen,« rief der Ehemann, »denn ich werde es dir sofort zeigen und der Schuft soll vor deinen Augen getötet werden. Vorwärts, öffne mir die Truhe dort!«

»Ich!« entgegnete sie, »wirklich, ich glaube, Ihr träumt oder Ihr seid von Sinnen! Denn Ihr wißt doch ganz gut, daß ich niemals den Schlüssel davon hatte, sondern daß er mit all Euren Schlüsseln an Eurem Gürtel hängt seit der Zeit, wo Ihr Eure Sachen hier hinein tatet. Wenn Ihr sie aber trotzdem aufgetan haben wollt, so öffnet sie doch. Ich aber flehe zu Gott: so wahr, als ich niemals dem, was da drinnen eingeschlossen ist, zärtlich zugetan war, möge er mich zu meiner Freude und Ehre erretten. Alle Bosheit, die man gegen mich sinnt, möge hier erzeigt werden und zutage kommen. Ja, ich habe die feste Hoffnung, daß es so sein wird!«

»Ich glaube,« meinte der Ehemann, als er sie weinend und seufzend niederknien sah, »sie kann recht gut das zierliche Kätzlein spielen, und wenn ihr einer Glauben schenken wollte, wüßte sie ihn gar schön hinter's Licht zu führen. Ihr braucht nicht zu zweifeln, ich bin hinter diese Schliche gekommen. Also voran, ich will den Kasten aufmachen, und ich bitte euch, ihr Herren, packt den Schuft sofort fest, damit er uns nicht entwischt, denn es ist ein starker, strammer Kerl.«

»Nur keine Angst,« riefen sie alle zusammen, »wir werden die Sache schon recht machen!«

Sie zogen alle ihre Degen und nahmen Knüppel, um den armen Liebhaber zusammenzuhauen, ja, sie riefen ihm schon zu:

»Auf, beichte nur schnell, denn nie mehr wirst du einen Priester zur Hand haben!«

Die Mutter und die Schwestern wollten den Mord nicht mitansehen und drängten zur Seite. Sobald nun aber der wackere Mann den Kasten geöffnet hatte und der Esel das Licht sah, begann er zu wiehern und schrie so greulich, daß auch den Kecksten Sinn und Erinnerung entschwand.

Als sie inne wurden, daß dort ein Esel steckte und der Kaufmann sie also falsch unterrichtet hatte, wollten sie diesem an den Kragen und überhäuften ihn mit ebenso viel Schmähungen, wie je Sankt Peter ehrfurchtsvolle Worte zu hören bekommen hat. Selbst die Frauen wollten ihren Zorn an ihm auslassen. Wahrhaftig, – wäre er nicht davon geflohen, dann hätten ihn die Brüder der Frau auf dem Fleck getötet, weil er ihnen so argen Schimpf und Schande angetan hatte oder hatte antun wollen.

Es gab gar viel zu tun, bis es nur gelang, daß schließlich durch die vornehmen Bürger der Stadt wieder Friede und Eintracht zustande kam, und seine Ankläger blieben ihr lebelang aufs höchste gegen den Kaufmann aufgebracht. Es heißt sogar, daß man die größten Schwierigkeiten hatte, eine friedliche Aussöhnung zustande zu bekommen. Die Freunde der Frau wollten immer weiter nichts davon wissen, und der Kaufmann mußte seinerseits gar manche bindende Versprechung abgeben. Seitdem hat er sich gar brav und liebenswürdig daheim geführt, und nie lebte wohl ein Mann besser mit seiner Frau, als er fortan und sein lebelang mit der seinen stand. Und so sind sie allezeit geblieben.


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