Antoine de la Salle
König Ludwigs galante Chronika
Antoine de la Salle

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Der gewappnete Ehekrüppel.

Damals, als König Karl der Siebente in seiner lieben Stadt Tours weilte, verliebte sich ein schottischer Edelmann, der als Bogenschütze der königlichen Leib- und Ehrenwache angehörte, in ein wunderhübsches, zieres Weiblein, die Frau eines Kurzwarenhändlers. Bald hatte der Jungherr eine Gelegenheit erwischt, wo er ihr in wohlgesetzten Worten und so schonend als möglich sein holdes Mißgeschick unterbreiten konnte. Aber die Antwort, die er einheimste, war minder sanft und fiel so sehr zu seinen Ungunsten aus, daß er sich hernach weder zu rechter Zufriedenheit noch gar zu herzlicher Freude aufschwingen konnte. Natürlich mochte ihm die Sache durchaus nicht aus dem Sinn: er lief dem holden Weiblein immer weiter nach und verfolgte sein Ziel mit so verbissener Hartnäckigkeit, daß die Angebetete sich entschloß, ihn mit Schwung zu allen Teufeln zu jagen und sich auf Nimmerwiedersehen von ihm zu verabschieden. Deshalb erklärte sie ihm eines Tages, sie würde ihren Mann davon in Kenntnis setzen, wie jener ihr in so überaus ehrloser und gottverdammter Weise nachstelle und bemüht sei, seine argen Wünsche zu verwirklichen. Und obendrein führte sie ihre Drohung aus und erzählte ihrem Eheherrn all ihren Gram.

Der Krämer war ein gar kluger, sittsamer Herr, und zudem, wie man im folgenden sehen wird, riesig kühn und wagemutig. So stieg denn auch gleich ein bitterer Groll in ihm auf wider den Schotten, der ihn und obendrein gar sein gutes Weib zu entehren gedachte. Und um so recht in aller Gemütsruhe und ein für allemal an dem Frevler Rache üben zu können, befahl er seinem Weibe: Wenn selbiger nochmals mit seinem Begehren an sie herantrete, dann sollt sie ihm ein Stelldichein geben und ihn für einen bestimmten Tag in ihr Haus laden; und wenn dann der Kerl die Narrheit beginge, wirklich zu kommen, dann würde er sein schändliches Vorhaben teuer bezahlen.

Die gute Frau war nur allzu bereit, ihrem Eheliebsten alles Denkbare zu Gefallen zu tun. Deshalb versprach sie ihm denn auch, seinen Anordnungen Folge zu leisten, und es dauerte gar nicht lange, da hatte der arme, liebesgeplagte Schotte es wieder durch allerlei listenreiche Kombinationen ermöglicht, sie zu erwischen und zu stellen. Alsbald begrüßte er die holde Krämersfrau gar demütig und erging sich in sanften, herzbewegenden Liebesklagen, die nur allzusehr die Befürchtungen bestätigten, deren sich das arme Weiblein ob seiner früheren Bitten versehen hatte; Wenn sie ihn so hörte, dann konnte keine Frau des Erdenrundes einen ergebeneren und aufmerksameren Diener finden, als sie an ihm haben würde, wenn sie in Hulden seinem Flehen ein geneigtes Ohr liehe.

Alsbald ward die schöne Krämersfrau, die ihres Gatten kluge Weisungen nicht vergessen hatte, inne, daß nunmehro wohl der geeignete Augenblick gekommen sei, um besagte Weisungen auszuführen. Deshalb unterließ sie nicht, dem hartnäckigen Tugendjäger einige zierliche Worte zu sagen und ihre bisherige Härte wiederholentlich zu entschuldigen, und vereinbarte dann mit ihm, er solle am folgenden Abend in allereigenster Person zu ihr in ihr Zimmer kommen, allwo er ja Gelegenheit hätte, ihr ungestört und in aller Heimlichkeit zu künden, was er noch alles auf dem Herzen habe und wieviel Glück er ihr zu spenden bereit sei.

Was brauche ich erst zu sagen, daß der Schotte sanft wie ein fügsames Lämmlein ihren Worten lauschte und ihr überströmende Dankesworte stammelte; daß er ihr versicherte, wie sehr es ihn dränge, ihr zu gehorchen; und daß er nach diesem hoffnungsvollen Bescheide von der Schönen so fröhlich Abschied nahm, wie der glücklichste Mensch des Erdenrundes.

Als der Ehemann heimkam, da empfing ihn sein Weib sogleich mit der Neuigkeit: der Schotte sei bei ihr gewesen, habe ihr wieder sein Leid geklagt und die verheißungsvollsten Anerbieten gemacht; und sie könne ihm nun die erfreuliche Mitteilung machen, daß er morgen abend zu ihr ins Zimmer kommen wolle.

»Laß ihn nur kommen!« polterte der Ehemann. »Ich werde ihm schon zeigen, daß er damit die größte Dummheit seines Lebens begeht! Hei! Wie wird er vor mir knien und sein schändliches Begehren beichten und mir abbitten, bevor er mein Haus verläßt! Das wird auch für die andern anmaßlichen, liebestollen Narren seines Schlages ein belehrsames Exempel sein!«

So kam denn mählich der Abend des folgenden Tages heran, nach dem sich der arme Schotte in seinen Liebesnöten so schrecklich sehnte, weil er doch nun endlich seine Holde in Ruhe sehen und genießen sollte; auf den aber auch der wackere Krämer mit allen Fibern seines mutigen Herzens harrte, sintemalen er seine freventliche Rache ins Werk zu setzen gedachte, die den Verächter seiner Ehre von dem tollen Wunsche heilen sollte, eines Ehemannes Stellvertreter zu sein; – der Abend, vor dem der holden Ehefrau recht bänglich zumute war, maßen die Erfüllung der ehelichen Weisungen sie einen blutigen Streit befürchten ließ. Wie es so weit war, begannen alle Teile ihre Vorbereitungen: Der Krämer ließ sich in einen gewaltigen, schweren, alten Harnisch einschnallen, setzte sich einen Kampfhelm auf, zog furchtbare Fausthandschuhe an und nahm eine riesige Streitaxt in die Hand. Solchermaßen sah er weiß Gott entsetzlich gefährlich aus, und man glaubte einen alten, erfahrenen Haudegen zu erblicken, der schon manche Schlacht erlebt und viel Blut gerochen hatte. Und wie ein sieggewohnter Held, der zu früh auf dem Kampfplatze ist und in Erwartung seines Feindes sein Zelt aufsucht, so kroch er hinter den Vorhang der Bettnische und verbarg sich dorten so wohl, daß man ihn nicht bemerken konnte.

Indessen sah der liebeskranke Schotte, daß die ersehnte Stunde gekommen war, und eilte zum Hause, darinnen seine Liebste wohnte. Immerhin vergaß er nicht, sich sein gutes, großes, starkes, zweihändiges Schlachtschwert mitzunehmen. Als er ins Haus kam, stieg die Schöne vor ihm, ohne ihre Angst zu zeigen, zu ihrem Zimmer hinauf, und er folgte ihr sanft und sachte. Als er dann aber oben anlangte, da fragte er seine Angebetete, ob sich außer ihr noch jemand in dem Zimmer befände, worauf sie arglistig und mit seltsamer, aber keineswegs sicherer Stimme entgegnete: »Nein.«

»Sagt mir die Wahrheit!« beharrte der Schotte. »Ist Euer Mann nicht hier?« »Nein, nein!« stammelte sie.

»Gut – laßt ihn nur kommen: beim heiligen Trignanus! wenn er sich blicken läßt, dann spalte ich ihm den Schädel bis zu den Zähnen! Bei Gott – und wenn's ihrer drei wären, ich würde auch noch mit ihnen fertig.«

Und während er diese freventlichen Worte sprach, zückte er sein gutes, gewaltiges Schwert, schwang es drei, viermal und legte es dann auf das Bett, wohl zur Hand. Dann begann er eilends die Schöne zu umhalsen, zu herzen und zu küssen, und obendrein hielt er damit noch keineswegs in seinem Tun inne, sondern führte es mit viel Behagen und ganz nach Wunsch zu Ende, derweile der arme Hahnrei hinter dem Vorhange sich mit nichten zu zeigen wagte, vielmehr vor lauter Herzensangst zu sterben vermeinte.

Als dann unser Schotte sein kühnes Wagnis geglückt sah, nahm er von der Schönen Abschied und wünschte ihr und sich ein baldiges frohes Wiedersehen. Des ferneren sagte er ihr als wohlerzogener junger Mann seinen geziemlichsten Dank, wandte sich hinweg und begann die Stiege hinabzusteigen. Sobald der gewappnete Held inne ward, daß der Schotte die Stube verlassen hatte, kam er schlotternd und schier wortlos vor Angst aus seinem Kriegszelt hervorgestolpert und begann seinem Weibe dafür arge Dinge zu sagen, daß es von dem Schützen so vergnügliche Pein geduldet hatte, worauf sie ihm entgegnete: daran sei doch einzig und allein er schuld, maßen er ihr befohlen habe, dem Keckling ein Stelldichein zu geben.

»Ich befahl dir doch aber nicht, ihm allen Willen zu lassen!« rief der Ehemann.

»Und wie konnte ich ihm wehren,« entgegnete sie, »wo er doch sein großes Schwert zur Hand hatte, wenn ich ihm nicht zu Willen gewesen wäre!«

In diesem Augenblick macht unser guter Schotte wieder kehrt, steigt von neuem die Stiege hinauf, springt ins Zimmer und donnert: »Was gibt's da?«

Worob der biedere Krämer sich schnell wie der Wind zu retten sucht und unters Bett kraucht, um sich nur recht sorglich in Sicherheit zu bringen. Denn ihm wurde noch mehr angst als zuvor. Die Schöne aber sah sich alsbald von neuem in den Armen ihres holden Freiers, der ihr nochmals in aller Ausführlichkeit und voll Behagens seine Liebe erzeigte – wie zuvor mit dem Schwert an seiner Seite. Danach pflog er noch manch zärtliche Zwiesprach, und als endlich die Abschiedsstunde geschlagen hatte, da wünschte er ihr eine geruhsame Nacht, zog sich zurück und verschwand.

Der arme Märtyrer unterm Bett wagte kaum hervorzukommen; denn er hatte eine Mordsangst, sein schrecklicher Gegner oder richtiger, sein Waffengefährte, könne nochmals wiederkehren. Endlich nahm er sich ein Herz und kam mit Hilfe seiner Frau Gott sei Dank endlich auf die Füße. Hatte er schon zuvor sein Weiblein geschmählt und schlecht gemacht, so begann er jetzt, ihr noch viel unfreundlichere Dinge zu sagen. Denn nunmehr hatte sie doch seine und ihre Ehre entwürdigen lassen, nachdem er ihr das ausdrücklich zuvor verboten hatte.

»Ach, schweig stille!« rief sie. »Wo gibt es denn eine so mutige Frau, die solch tollköpfigem, liebesglühendem Manne zu widerstehen wagte in einer Lage, in der Ihr, der Ihr gewappnet und bewehrt und obendrein voll zornflammenden Mutes waret (sintemalen er sich doch noch schlimmer an Eurer Ehre verging als an der meinen), es dennoch nicht gewagt habt, ihn niederzumachen und mich zu verteidigen?«

»Hol's der Teufel!« tobte der Mann. »Was ist das für eine Antwort?! Wenn du nicht gewollt hättest, dann hätte er nimmermehr seine Lust an dir büßen können. Du bist ein schlechtes, ehrloses Frauenzimmer!«

»Und Ihr seid ein Feigling!« schrie sie. »Ein Bösewicht, ein Schandbube! Durch Euch wurde ich entehrt, denn nur um Euch zu gehorchen, habe ich dem Schotten dies Stelldichein gegeben! Und Ihr hattet nicht den Mut, Eurem Weibe ein Schutz und Schirm zu sein, obgleich ich Eure Ehre und Euer teuerstes Gut bin. Glaubt mir: ich wäre viel lieber gestorben, statt solcherart selbst die Hand zu dieser Missetat zu bieten. Und Gott weiß, welche Trübsal mich darob umfängt und mein Lebelang umfangen wird, daß Ihr, von dem ich Schutz und Hilfe erwarten mußte und erhoffte, ruhig dabei standet und gar selbst dazu beitruget, daß ich diese Schande erlitt.«

Solchermaßen muß man also annehmen und glauben, daß sie des Schotten Zärtlichkeit nicht um der Freuden willen duldete, die sie dabei empfand, sondern daß sie selbig wider Willen und gezwungenermaßen über sich ergehen lassen mußte, weil sie auf Widerstand zugunsten ihres Mannes verzichtet hatte, der doch ihre Verteidigung kühnlich übernahm und dafür einigermaßen hinreichend gerüstet war.

Und nachdem jede Seite der Gegenpartei noch einen gehörigen Haufen Argumente und Gegenargumente an den Kopf geworfen hatte, ließen beide vom Zank und Streiten ab. Immerhin ergab sich ja durchaus augenscheinlich, daß der Ehemann den kürzeren gezogen hatte, sintemalen er, so wie das oben beschrieben war, von dem Schotten hinters Licht geführt wurde und diese Sache hinfüro auf ihm sitzen blieb.


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