Antoine de la Salle
König Ludwigs galante Chronika
Antoine de la Salle

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Der Papstmacher oder Gottesmann.

Auch die weiten Gefilde Burgunds sind nicht arm an Ereignissen, die es wohl verdienen, aufgezeichnet und der Nachwelt überliefert zu werden. So will ich aus den Geschichten, von denen zurzeit viel die Rede ist, eine herausgreifen und hier mitteilen, die sich erst ganz kürzlich zugetragen hat.

Unweit eines hübschen, großen Dorfes an der Ouches, in den Waldungen des Berges, der dieses Dorf beherrscht, lebte ein Klausner – Gott weiß, was für ein Kerl! Umschattet von dem trügerischen Mantel gleißnerischer Heuchelei, trieb er dort die seltsamsten Dinge, die erst ans Licht kamen und dem Volke bekannt wurden, als Gott seine schändlichen, verdammenswerten Mißbräuche nicht länger mehr dulden wollte. Dieser heilige Klausner, der am Ende nur knapp dem verdienten Tode entschlüpfte, war so wollüstig, wie ein alter Affe boshaft ist. Aber er wußte sich so pfiffig einzurichten, daß er alles Denkbare an List in den Schatten stellte. Er ging folgendermaßen zu Werke:

Unter den Frauen und schönen Mägdelein der Umgegend schien ihm am liebenswertesten und verlockendsten die Tochter einer schlichten Wittib, die fromm und demütig lebte und ihren letzten Pfennig für die Kirche dahinzugeben bereit war. Er kam zu der Überzeugung, daß er an dieser sehr wohl seine Lust büßen könne, wenn ihn nicht alle Sinne trogen.

Als es daher eines Nachts so recht finster und das Wetter recht schlecht war, stieg er um die zwölfte Stunde vom Berge hernieder, schlich sich auf Pfaden und unbegangenen Waldwegen zu dem Häuschen, wo jene Mutter mit ihrer Tochter wohnte, und langte dort auch richtig an, ohne jemandem zu begegnen. Das Häuschen war nicht groß, und er hatte es oft genug bei seinen frommen Besuchen gesehen, um all seine Einzelheiten zu kennen. So bohrte er in die nicht sehr dicke Wand, an der drinnen das Bett der schlichten Wittib stand, ein Loch, ergriff dann einen langen, hohlen Stock, den er mitgenommen hatte, brachte dessen Öffnung vorsichtig, ohne das Weiblein dabei zu erwecken, in die Nähe ihres Ohres und sprach mit gedämpfter Stimme zu dreien Malen: »Lausche meinem Worte, du Weib Gottes! Ich bin der Engel des Herrn, der mich zu dir entsandte und mich dir ob all des Glückes, so er dir in seiner Gnade bescheren will, verkünden und befehlen hieß: ein Sproß deines Leibes, so da ist deine Tochter, soll seine Braut, die heilige Kirche, einigen, erneuen und wieder zu der Blüte zurückführen, die ihr zukommt. Wisse denn, wie solches geschehen wird: Wandle den Berg hinan zu dem heiligen Klausner und nimm auch deine Tochter dorthin mit. Erzähle ihr unter Weges, was Gott dir eben durch meinen Mund verkünden ließ. Der Klausner wird dein Töchterlein erkennen, und davon wird ein Sohn entsprießen, der wird sein der Auserwählte Gottes, wird den heiligen Stuhl zu Rom besteigen und alldorten so viel Gutes tun, wie man gleiches nur vom heiligen Petrus und Paulus erlebt hat. Solches sollte ich dir künden – so sei denn deinem Gotte gehorsam!«

Das arme Weiblein war wie vom Donner gerührt und glaubte, halb erschrocken, halb beglückt, daß wirklich Gott ihm diese Botschaft gesandt habe. Alsbald war es innerlich fest entschlossen, dem Befehl getreulich zu gehorchen, wälzte sich noch lange schlaflos auf seinem Lager, und als ihm endlich die Augen wieder zufielen, schlief es doch nicht mehr fest ein, denn die Erwartung des herandämmernden Tages setzte ihm gar gewaltig zu. Derweile aber hatte sich der Klausner wieder zu seiner Hütte droben am Berge zurückgeschlichen.

Als nun der ersehnte Tag anbrach und die ersten Sonnenstrahlen sich durch die Vorhänge des Fensters ins Zimmer hineinstahlen, waren Mutter und Tochter flink auf den Beinen. Kaum hatten sie sich fertiggemacht, angekleidet und ihr bißchen Haushalt in Ordnung gebracht, da fragte schon das Weiblein seine Tochter, ob sie heut nacht nichts gehört habe. Das Mägdelein erwiderte:

»Gewiß nicht, Mutter.«

»Ja, ja,« nickte die Alte. »Die erste Kunde solch holder Botschaft dürfte freilich nicht zu dir dringen, so nahe sie dich auch betrifft.«

Und dann begann sie dem Mägdelein des langen und breiten von der engelischen Botschaft zu berichten, die ihr Gott heut nacht hatte verkündigen lassen, und fragte es schließlich, was es davon denke. Die holde Maid, die gleich ihrer Mutter schlichten, frommen Sinnes war, entgegnete:

»Gott sei gelobt, liebe Mutter, und es soll allezeit geschehen, was ihm gefällt.«

»Wohlgesprochen,« erfreute sich die Mutter. »So wollen wir denn zum Berge wallen und den heiligen Mann aufsuchen, so wie der liebe Engel das befohlen hat.« Der Klausner saß bereits auf der Lauer, als die betrogene Alte ihr einfältiges Töchterlein zu ihm brachte. Als er die beiden kommen sah, ließ er die Tür zu seiner Hütte halb offen, begab sich in seine Stube und versenkte sich alldorten in ein tiefandächtiges Gebet, auf das jene ihn in frommer Glaubensübung antreffen konnten. So geschah es auch: denn als das Weiblein und deren Tochter die Tür nur angelehnt sahen, traten sie ohne alle Umstände in die Klause; und als sie den Heiligen in andächtiger Versunkenheit erschauten, da ehrten sie ihn, als ob er der liebe Gott selber wäre. Der Klausner hielt seine Augen demütig zu Boden gesenkt und grüßte sie in Gottes Namen mit unterwürfiger, gebrochener Stimme. Aber die Alte wollte ihm gleich mitteilen, weshalb sie gekommen sei, und deshalb nahm sie ihn beiseite und erzählte ihm von Anfang bis zu Ende ihr Erlebnis, das er ja viel besser kannte als sie selbst. Während sie voller Ehrfurcht ihren Bericht abstattete, verdrehte der fromme Mann seine Augen zum Himmel und erhob seine gefalteten Hände flehend empor, und die Alte heulte darob vor Freude und Erbauung. Als dann ihr wortreicher Bericht zu Ende war und sie eine Antwort erhoffte, beeilte sich der Schlaufuchs keineswegs. Endlich aber öffnete er das Gehege seiner Zähne und sprach die schönen Worte:

»Gott sei gelobt und gepriesen! Aber liebe Frau, seid Ihr auch ganz sicher, zweifelt Ihr wirklich nicht, daß alles das, was Ihr mir eben so frei heraus erzähltet, kein Trug noch Sinnestäuschung war? Lasset Euer Herz richten! Bedenket, daß es sich hier um etwas Großes, etwas Gewaltiges handelt!«

»Wahr und wahrhaftig habe ich die Stimme vernommen, die mir diese herzerquickende Verkündigung tat!« beteuerte die Alte. »Glaubet mir, guter Vater, was ich Euch sagte, ist wahr, und seid versichert, daß ich nicht schlief.«

»Sehr wohl,« murmelte der Klausner. »Dennoch scheint es mir angebracht, daß von Euch wie von mir die Sache sorglich beschlafen werden muß, – nicht etwa, daß ich meinem Schöpfer widersprechen wollte, Gott behüte! Ader solltet Ihr nochmals die gleiche Erscheinung haben, dann kehret hier zu mir zurück, und Gott wird uns dann schon einen Rat und Entschluß eingeben. Man soll nicht allzu leichtfertig in Glaubensfragen sein, teure Mutter: der Teufel hat es bisweilen auf uns arme Menschenkinder abgesehen, und dann findet er allerlei Listen und verwandelt sich wohl gar in eines lichten Engels Gestalt. Bedenket, teure Mutter, daß es sich hier um keine Kleinigkeit handelt, und es deshalb nicht verwunderlich ist, wenn ich zögere: Habe ich nicht vor Gott das Gelübde der Keuschheit abgelegt? Und Ihr bringet mir von ihm einen Befehl, dessen Erfüllung dies Gelübde brechen würde. Kehret also in Euer Haus zurück, betet zu Gott, und dann wollen wir abwarten, was morgen sein wird. Und nun, Gott befohlen.«

Die beiden erschöpften sich in Ehrfurchtsbezeugungen, ehe sie endlich des Einsiedlers Klause verließen und in eifrigem Gespräche heimwandelten. Um kurz zu sein: Zur gleichen mitternächtigen Stunde kam der fromme Mann mit seinem hohlen Pilgerstabe wieder zu dem Häuschen, und kündete durch ihn dem lauschenden Ohre der Alten mit etwa den gleichen Worten, was er ihr in der vorigen Nacht gesagt hatte; worauf er wiederum schleunigst in seine Klause zurückeilte. Das Weiblein war ganz närrisch vor Freude; ihr schien, daß sie nun schon gewissermaßen dem lieben Gott selbst zu Füßen läge; sie sprang aus dem Bette, noch ehe überhaupt der Morgen recht angebrochen war, weckte ihre Tochter und erzählte, was sich Neues zugetragen habe, und daß man nach dieser Bestätigung der gestrigen Erscheinung nun überhaupt nicht mehr an der Richtigkeit zweifeln könne. Darum kurz und gut: »Wir wollen zu dem heiligen Manne eilen!«

Sie eilen hin, und er sieht sie kommen, greift daher flugs zum Stundenbuch, beginnt seinen Gottesdienst von neuem und läßt sich in dieser andächtigen Tätigkeit vor der Tür seiner Hütte ›überraschen‹ und von den einfältigen Frauenzimmern ehrfürchtiglich begrüßen. Alsbald fängt die Alte an, ihre nächtliche Erscheinung zu schildern und mit der vorigen zu vergleichen, der sie so aufs Haar gleich war. Der fromme Mann ist die Verwunderung selbst; er schlägt ein Kreuz und sagt endlich: »So wahr ein Gott im Himmel ist, was mag das heißen ?! O du mein Herr da droben, mache mit mir, was du willst, obgleich ich deiner großen Gnade nicht wert noch würdig bin, ein so herrliches Werk auszuführen!«

»Aber,« redete ihm die Alte zu, »Ihr seht nun doch und müßt zugeben, daß mir der Engel wahrhaftig und wirklich erschienen ist, maßen es nun wiederum geschah.«

»Ich muß Euch gestehen, teure Freundin,« entgegnete der Klausner, »daß die ganze Sache so über meine Begriffe geht, mir so schwierig scheint und allen meinen Erfahrungen so fern liegt, daß ich Euch keine entscheidende Antwort geben kann. Nicht wahrlich will ich damit sagen (verstehet mich recht!), daß Ihr Gott versuchen und eine dritte Erscheinung abwarten müßt. Aber man sagt gewöhnlich: ›Aller guten Dinge sind drei!‹ Darum bitte ich Euch inständigst: lasset noch diese Nacht vorübergehen, ehe Ihr mich zur Entscheidung dränget, und harret, was Gott in seiner Gnade für gut befinden wird. Und wenn er in seinem unendlichen Erbarmen auch in dieser Nacht Euch dieselbe Erscheinung sendet wie in den früheren, dann werden wir tun, wie er befiehlt; Preis sei ihm!«

Der guten Alten war das gar nicht recht, daß man so lange zögern sollte, Gottes Befehlen zu gehorchen. Aber sie fügte sich dem Klausner, der das ja besser wissen mußte. Als sie im Bett lag, allwo sie emsig über die himmlischen Botschaften nachgrübelte, die ihr nicht aus dem Kopfe wollten, kam der geile Heuchler wieder vom Berge herabgeschlichen und gab ihr von neuem durch sein Sprachrohr in Gottes Namen, als sei er ein Engel, den endgültigen Befehl, ihre Tochter für den angegebenen Zweck zu dem Klausner zu geleiten. Und es war noch nicht recht Tag geworden, da führte sie dies Geheiß schon aus: eilends sprach sie mit ihrer Tochter das Morgengebet, und dann begaben sich die zwei zu seiner Hütte. Der fromme Mann kam ihnen bereits entgegen, begrüßte sie in Gottes Namen und segnete sie. Und die gute Alte, deren Freude nun keine Grenzen mehr kannte, platzte denn auch sogleich mit dem Bericht der dritten Erscheinung heraus, worob der Klausner, der ihre Hand ergriffen hatte, sie in seine Kapelle führte, wohin ihnen das Mägdelein folgte. Und dort drinnen stimmten sie andachtsvolle Lobgesänge auf den Herrn da droben an, der sie in seiner Allmacht dieses erhabenen Mysteriums gewürdigt hatte, dann hielt der Klausner eine gar erbauliche Predigt, wo er von Träumen, Gesichten, Erscheinungen und Verkündungen sprach, die bisweilen den Menschen zuteil würden. Dann schien es ihm angebracht, von dem Zwecke zu reden, der sie hier zusammengeführt hatte, und – weiß Gott! er sprach voll schöner, herzergreifender Salbung:

»Sintemalen Gott wünscht und befiehlt, daß ich dem Papsttum einen Erben schenke, und er solches nicht nur ein- oder zweimal zu verkünden geruht hat, sondern zum Überfluß gar noch ein drittes Mal, so müssen wir dem Wunder Glauben schenken und zu dem Schlusse kommen und sagen: Wahrlich, das ist eine gar gewaltige, erhabene Gottesgabe, die der Welt hierdurch zuteil werden wird. Und darum scheint mir, wir tun am besten, wenn wir die Sache nicht länger hinausschieben, maßen ich schon so gar lange gezögert hatte, bis ich der heiligen Botschaft Glauben schenkte.«

»Wohlgesprochen, mein guter Vater!« rief die Alte, »Wie wünschet Ihr, daß die Zeremonie vor sich gehen soll?« »Lasset Euer schönes Töchterlein hier bei mir,« entgegnete der Klausner. »Sie wird sich mit mir in Gebete versenken, und dann werden wir vollziehen, was Gott uns lehren wird.«

Die gute Alte war damit einverstanden und hieß ihrer Tochter, gehorsam zu sein. Als der verdammte Klausner mit dem Mägdelein allein war, hieß er ihr, sich zu entkleiden, maßen er sie in schlichter Nacktheit neuerlich taufen wollte; und daß er seine Kutte nicht anbehielt, werdet ihr wohl glauben. Kurz und gut, sie blieb lange Zeit bei ihm, als wäre sie sein Meßner; und als er anfing, das Gerede der Leute zu fürchten, besuchte er sie oft und reichlich in ihrem Häuschen, also daß schließlich ihr Leib zu schwellen begann. Darüber war sie so beglückt, daß es sich gar nicht beschreiben läßt; aber strahlte die Tochter über diese Frucht ihres Leibes, so strahlte die Mutter noch hundertmal mehr. Und auch der gottverfluchte Pfaff tat ganz glückselig, aber innerlich barst er schier vor Wut.

Die arme, betrogene Wittib, die da vermeinte, daß ihre schöne Tochter wirklich einen bildschönen Sohn zur Welt bringen würde, der in der Zukunft von Gott zum Papst in Rom gemacht werden sollte, konnte natürlich auf die Dauer ihre Zunge nicht im Zaume halten: sie erzählte es ihrer besten Freundin in der Nachbarschaft, die so erstaunt war, als wären ihr plötzlich Hörner gewachsen. Ich will nicht gerade behaupten, daß sie den Betrug ahnte; aber jedenfalls erzählte sie die Geschichte wieder andern Nachbarn und Nachbarinnen: die Tochter der Soundso sei durch den heiligen Klausner schwanger und würde einen Sohn gebären, der später Papst in Rom würde. Und sie beteuerte:

»Alles, was ich weiß, hat mir die Mutter selbst mitgeteilt, der es Gott zu verkündigen geruhte.«

So verbreitete sich die Nachricht auch in den benachbarten Städten. Aber da geschah es, daß das Mägdelein niederkam und eines schönen Töchterleins genas! Darob waren alle, die Tochter, ihre dumme Mutter und sogar die Nachbarsleute wie vom Schlage getroffen, und sie verfielen in wilde Wut. Denn sie hatten wahrhaftig geglaubt, der zukünftige heilige Vater würde zur Welt kommen. Die neue Kunde verbreitete sich wie der Wind; aber einer der ersten, der sie erfuhr, war der Klausner, der sich nicht erst lange besann und Hals über Kopf in ein ander Land enteilte – in welches, weiß ich nicht; aber sicher hat er dorten bald ein ander Weib oder Mägdelein gefunden, das er in gleicher Weise betrog, dafern er nicht in die Wüsten Ägyptenlandes geflüchtet ist, um seine Seele in reuiger Zerknirschung wieder von Sünden rein zu waschen. Das Mägdelein freilich blieb entehrt, und das war tief bedauerlich, denn es war schön, anmutig und voller Herzensgüte.


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