Antoine de la Salle
König Ludwigs galante Chronika
Antoine de la Salle

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Die drei Franziskaner.

Es ist so wahr wie das Evangelium, daß sich eines Tages drei biedere savoyische Kaufleute mit ihren drei Frauen auf den Weg machten, um zum heiligen Antonius im Viennerland zu wallfahren. Und damit das sonderlich demütig geschehe und dem Herrn und dem heiligen Antonius desto wohlgefälliger sei, beschlossen sie mitsamt ihren Frauen, von dem Augenblick an, da sie ihre Häuser verließen, wollten sie während der ganzen Reise nicht mehr mit jenen zusammen schlafen, sondern sich auf dem Hin- und Rückwege in Standhaftigkeit ihrer enthalten.

So kamen sie eines Abends in die Stadt Chambery und stiegen in einer recht guten Herberge ab. Dort nahmen sie ein gar vortreffliches Nachtmahl, wie Leute, die sich das leisten können, und die wissen, was gut schmeckt. Und man hätte wohl Stein und Bein darauf schwören können: hätten sie nicht für die Reise ihr Gelöbnis getan, dann wäre einer wie der andere mit seinem Weiblein schlafen gegangen. Aber daraus wurde nichts; denn als es Zeit wurde, sich zurückzuziehen, wünschten die Frauen ihren Männern eine gute Nacht, ließen sie sitzen und verstauten sich nebenbei in ein Zimmer, wo sich jede ihr Bettlein hatte herrichten lassen.

Wisset nun aber: just an diesem Abend kamen drei Franziskaner auf dem Wege nach Genf in die Herberge, denen nicht weit von der Stube der Kaufmannsfrauen ein Zimmer zum Schlafen angewiesen wurde. Als die Weiblein unter sich waren, begannen sie von hunderttausenderlei Dingen zu reden, und obgleich es ihrer nur drei waren, erhob sich ein Lärm, daß man meinen konnte, es sei eine ganze Schwadron da.

Die guten Mönche hörten das Geschnatter, ließen sich dadurch aber nicht schrecken, sondern schlüpften aus dem Zimmer und schlichen unbemerkt zur Tür, allwo sie durch die Ritzen diese drei schönen Weiblein erblickten, deren jegliche sich in ein eignes, schönes breites Bett legte, in dem wohl auch noch für einen zweiten Platz gewesen wäre. Dann wandten sie sich zur Seite und hörten, wie die Ehemänner sich im andern Zimmer niederlegten.

Nunmehr kehrten sie in ihre Stube zurück und stellten fest, daß ihnen Glück und Ehre geradeweges in die Arme liefe, und daß sie solches Abenteuers gar nicht wert wären, wenn sie sich das, was ihnen da begegnete, aus Schlappheit entgehen lassen würden.

»Wirklich,« meinte der eine, »in unserem Falle bedarf es keiner sonderlichen Überlegung: wir sind drei, und sie sind drei, und jeder mag, wenn sie eingeschlafen sind, sein Platzlein einnehmen.«

Gesagt, getan. Durch sonderliches Glück fanden die wackeren Brüder zu der Zimmertür der Frauen den Schlüssel und schlossen so sacht auf, daß keine Seele sie hörte. Aber sie verloren nicht etwa den Verstand, als ihnen dieser erste Streich gelungen war und es galt, den zweiten Wall zu erstürmen: vielmehr zogen sie den Schlüssel heraus, steckten ihn nach innen und schlössen die Tür gut zu. Dann nahm jeder ohne große Umstände sein Plätzlein und machte sich nach Kräften an sein Geschäft. Der beste Spaß dabei war aber, daß die eine, die ihren Mann bei sich glaubte, plötzlich sagte:

»Was wollt Ihr denn nur? Habt Ihr denn Euer Gelübde vergessen?!«

Der wackere Bruder sagte kein Wort, tat, wonach ihm so arg der Sinn stand, und sie konnte schließlich nicht umhin, sein Werk mit ihrer Huld zu besonnen. Auch die andern beiden waren nicht untätig: die guten Frauen wußten gar nicht, was sie von ihren Männern denken sollten: was mochte diese Schwerenöter wohl treiben, so bald ihr Gelöbnis zu brechen und unbeachtet zu lassen?! Da sie aber nun einmal gehorchen mußten, so nahmen sie alles in Geduld hin und sagten auch kein Wort, denn jede fürchtete, von den anderen gehört zu werden. Keine einzige glaubte anders, als daß sie allein diese Freude erlebe und dies Glück ernte.

Als die guten Mönche das ihre getan hatten, bis sie nicht mehr konnten, gingen sie stillschweigend wieder fort, kehrten in ihre Stube zurück, und ein jeglicher erzählte seine Leistung: der eine hatte drei, der andere vier, der dritte gar sechs Lanzen gebrochen. Wer konnte glücklicher sein als sie?!

Gen Morgen standen sie auf, und der Sicherheit halber machten sie sich davon. Die braven Frauen aber, die nur einen Teil der Nacht geschlafen hatten, konnten sich nicht so gar früh aus dem Schlummer reißen, denn sie waren erst gegen Morgen eingeschlafen und schnarchten bis in den tiefen Tag hinein. Hinwiederum hatten ihre Männer am Abend einen guten Trunk getan, rechneten damit, daß ihre Frauen sie rufen würden, und schliefen fest wie Murmeltiere bis zu einer Zeit, da sie an manchen Tagen schon ihre zwei Meilen Weges gemacht hatten.

Schließlich erhoben sich die Weiblein nach ihrer morgendlichen Ruhe, kleideten sich so flink an, als es nur irgend ging, und dabei fiel manch Wörtlein. Eine von ihnen hatte eine besonders lose Zunge, und die meinte:

»Unter uns, wie habt ihr die Nacht verbracht? Haben euch eure Männer genau so geweckt, wie meiner mich? Der hat die ganze Nacht nicht aufgehört, mir zuzusetzen.«

»Heiliger Johann!« riefen die beiden andern, »war Euer Mann heut nacht hinter seinen Pflichten her, so waren auch die unseren nicht untätig. Wirklich, sie haben gar bald vergessen, was sie bei der Abreise gelobt hatten und Ihr dürft glauben: wir werden nicht versäumen, ihnen das unter die Nase zu reiben.«

»Meiner bekommt etwas zu hören!« meinte eine. »Ich hab' ihn schon darauf aufmerksam gemacht, als er anfing; aber er mochte ja nicht ablassen. Er war eben durch die zwei Nächte, die er mir fern blieb, wie ausgehungert, und er hat losgelegt wie ein Wilder.«

Als sie fertig waren, kamen sie zu ihren Männern, die nun ebenfalls angekleidet und bereit standen:

»Guten Tag, guten Tag, ihr Langschläfer,« riefen sie.

»Danke, gleichfalls,« versetzten die. »Ihr habt ja vortrefflich und pünktlich geweckt.«

»Auf mein Wort,« meinte die eine, »wir bedauern unser Wecken heute morgen mehr, als ihr euch heut nacht ein Gewissen gemacht habt, euer Gelübde zu brechen.«

»Welch Gelübde?« verwunderte sich einer.

»Das Gelübde bei Eurer Abreise,« entgegnete sie, »nicht mit Eurer Frau zu schlafen.«

»Wer hat denn das getan ?« fragte er.

»Das wißt Ihr recht gut,« spottete sie, »und ich auch.«

»Ich auch,« rief ihre Gefährtin. »Seht nur meinen Mann, der noch nie solch Draufgänger war wie heut nacht. Hätte er nicht seine Pflicht so gut erfüllt, dann würde ich mit seinem Wortbruch weniger zufrieden sein. Aber so will ich's ihn, hingehen lassen, denn er tat wie die kleinen Kinder; wenn sie schon etwas ausfressen, wollen sie sich ihre Schläge wenigstens redlich verdienen.«

»Heiliger Johann, ob meiner seine Pflicht getan hat!« rief die dritte. »Aber ich werde ihm deshalb keine Vorwürfe machen. Tat er unrecht, so trägt er auch die Schuld.«

»Und ich möchte darauf schwören,« meinte der eine von den Männern, »daß ihr spinnt und noch ganz verschlafen seid. Denn ich wenigstens habe hier allein geschlafen und bin die ganze Nacht nicht hinausgegangen!!«

»Auch ich nicht!« rief der zweite.

»Und ich gleichfalls nicht, auf mein Wort!« versicherte der dritte. »Um nichts in der Welt würde ich mich gegen mein Gelübde verstoßen haben. Und ich glaube, auch meines Gevatters hier und auch meines Nachbarn sicher zu sein: die haben ihr Gelübde nicht getan, um es so bald zu vergessen!«

Die Frauen begannen die Farbe zu wechseln und argwöhnten einen Trug. Der wurde auch einem der Männer gar bald klar, und im Grunde seines Herzens dämmerte ihm, was sich wohl in Wahrheit zugetragen haben mochte. Er ließ ihnen also nicht erst Zeit, zu antworten, sondern er gab seinen Gefährten einen Wink und meinte lachend:

»Weiß der Himmel, der gute Wein hier im Hause und das treffliche Nachtmahl gestern abend hat uns unser Gelübde vergessen lassen. Aber nichts für ungut! Wenn's Gott gefällt, so hat heut nacht ein jeder von uns mit eurer Hilfe einem hübschen Kindlein das Leben geschenkt, und das ist gar verdienstlich und wird genügen, unserm Verstoß wider das Gelöbnis wieder gut zu machen.«

»Gott gebe es,« meinten die Frauen. »Wie konntet ihr uns aber nur so fest versichern, daß ihr nicht bei uns gewesen seid?! Das hat uns schon einen kleinen Schrecken eingejagt.«

»Das haben wir absichtlich getan,« meinte der Mann, »um zu hören, was ihr sagt.«

»So habt ihr doppelt gesündigt: habt euer Gelöbnis gebrochen, obendrein gelogen und uns in arge Verwirrung gestürzt.«

»Des mag euch nicht kümmern,« meinte der Mann, »das ist nicht so schlimm. Jetzt geht zur Messe, wir kommen gleich nach.«

Sie machten sich auf den Weg zur Kirche. Aber die Männer blieben etwas zurück, warteten ein wenig und einigten sich ohne langes Hin- und Herreden in der Feststellung: »Wir sind betrogen worden! Diese verteufelten Mönche haben uns hinters Licht geführt, haben unsern Platz eingenommen und gezeigt, was wir für Narren sind. Denn wenn wir schon nicht mit unseren Frauen schlafen wollten, so brauchten wir sie doch noch nicht in einem andern als unserm Zimmer schlafen zu lassen. Und Gefahr genug liegt in der Luft, denn wir sind ja in der Liebeszeit.«

»Freilich,« meinte einer, »wir sind für ein andermal hart genug belehrt. Aber es ist immer besser, daß wir allein von dem Truge wissen und nicht auch sie, denn die Gefahr wäre groß, wenn sie davon erführen. Ihr hört ja aus ihren Worten, daß diese verflixten Mönche wunders was geleistet haben, und nun werden sie mehr und besseres erhoffen, als wir zu geben vermögen. Wüßten sie das, dann würden sie sich mit einem Seitensprünge nicht begnügen, und darum gebe ich den guten Rat: schlucken wir den Bissen, ohne lange daran herumzukauen!«

»Deß mag mir Gott helfen!« versetzte der dritte. »Mein Gevatter hat ganz recht. Ich wenigstens widerrufe mein Gelöbnis und habe nicht die Absicht, mich nochmals in diese Gefahr zu bringen.«

»Ganz wie Ihr meint,« erklärten die beiden anderen. »So wollen auch wir Eurem Beispiel folgen.«

Fortan schliefen denn also die ganze Reise hindurch die Männer mit ihren Frauen wieder zusammen, hüteten sich aber wohl, ihnen den Grund davon zu sagen, obgleich die Frauen ihnen ganz gehörig zusetzten und immer wieder nach dem Grund dieser Sinnesänderung fragten. Um sich herauszureden antworteten sie, nachdem sie einmal ihr Gelöbnis gebrochen hätten, könnten sie nun auch dabei bleiben.

So wurden die drei Kaufleute von drei wackeren Mönchen betrogen, ohne daß die Frauen etwas davon erfuhren. Denn die wären sicherlich vor Schmerz gestorben, wenn sie die Wahrheit erfahren hätten, wie man ja alle Tage Frauen aus viel nichtigeren Gründen in gar mancherlei Fällen sterben sieht.


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