Antoine de la Salle
König Ludwigs galante Chronika
Antoine de la Salle

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Die richtigen Väter.

In Paris lebte einst eine Frau, die rechtzeitig mit einem schlichten Manne verheiratet wurde. Übrigens war er seinerzeit mit uns befreundet, so gut man nur befreundet sein kann. Diese Frau also, die in ihrer Jugend schön, reizend und anmutig war, denn ihre Augen waren allerorten, wurde von verschiedenen umworben. Und da die Natur sie mit viel Zärtlichkeit bedacht hatte, so war sie dem Flehen derer, die ihr gefielen, nicht unerbittlich, und daher hatte gar mancher seine Freude an ihr. Kurz, es fügte sich, daß sie mit der Zeit teils von den andern, teils von ihrem Manne zwölf bis vierzehn Kinder hatte.

Da geschah es nun einmal, daß sie schwer erkrankte und auf dem Totenbette lag. Aber sie wurde begnadet, also daß sie Zeit und Möglichkeit fand, zu beichten, ihre Sünden zu gestehen und ihr Gewissen zu erleichtern, während ihrer Krankheit sah sie nun ihre verschiedenen Kinder umhertrotten und es machte ihrem Herzen großen Kummer, sie derart zurückzulassen. Sie bedachte, wie arg es für ihren Mann sein würde, wenn dieser ganze Haufe ihm zur Last fiele, deren Vater er doch zumeist gar nicht war, obgleich er das glaubte und so gut für sie sorgte, wie kein anderer Mann in Paris.

Mit Hilfe einer Frau, die sie betreute, richtete sie es ein, daß zwei Männer zu ihr kamen, die in vergangenen Zeiten gar manche glückliche Stunde mit ihr verbracht hatten. Die langten rechtzeitig an, während ihr Mann noch in der Stadt war und alle Ärzte und Apotheker um ihrer Krankheit willen abklapperte, so wie sie ihn geheißen und gebeten hatte.

Als sie die beiden Männer erblickte, ließ sie alsbald alle ihre Kinder herbeirufen, hub an und sagte:

»Ihr, so und so, wißt, was seinerzeit zwischen Euch und mir gewesen ist. Heute bekümmert mich das schwer, und es wird mir in der andern Welt teuer zu stehen kommen, wenn unser Herr nicht barmherzig ist, dem ich mich anempfehle. Jedenfalls habe ich eine Torheit begangen und das sehe ich ein. Würde ich aber eine zweite machen, dann wäre es wohl schon zu arg. So seht denn: Diese und diese meine Kinder stammen von Euch, wenn auch mein Mann glaubt, daß es die seinigen sind. Ich würde mich gegen mein Gewissen verstoßen, wenn ich sie ihm auf dem Halse ließe; und deshalb bitte ich Euch: sobald ich gestorben bin, was in kurzer Zeit geschehen wird, nehmt sie zu such, zieht sie auf und nährt sie, und tut alles, was eines guten Vaters Pflicht ist, denn es sind Eure Kinder.«

Ebenso sagte sie zu dem andern, dem sie andere Kinder übergab:

»Diese und diese dort gehören Euch, das kann ich Euch versichern. Ich empfehle sie Euch an und bitte Euch, sie zu übernehmen. Wollt Ihr mir das versprechen, dann würde ich leichter sterben.«

Während sie derart ihre Kinder verteilte, kam ihr Mann ins Haus zurück. Das merkte einer seiner Söhne, der vier oder sechs Jahre alt war, lief schnell die Treppe hinab ihm entgegen, und eilte in seinem Schrecken so schnell hinunterer daß er ganz atemlos unten ankam. Und als er nun seinen Vater sah, rief er ihm zu:

»Ach, Vater, kommt doch um Gottes willen schnell her!«

»Was gibt es denn Neues?« erkundigte sich der Vater. »Ist deine Mutter gestorben?«

»Nein, nein,« versetzte das Kind, »aber kommt nur schnell nach oben, sonst bleibt Euch gar kein Kind mehr, da sind oben zwei Männer zu meiner Mutter gekommen und unter die verteilt sie meine Brüder und Schwestern, und macht Ihr nicht flink, dann wird sie alle fortgeben.« Der brave Mann wußte nicht, was sein Sohn damit sagen wollte. Er stieg hinauf und fand seine kranke Frau, die Wärterin, zwei seiner Nachbarn und seine Kinder. Alsbald erkundigte er sich, was das heißen sollte, einer seiner Söhne habe eben erzählt, daß sie alle ihre Kinder verschenke.

»Das werdet Ihr dann schon erfahren,« versetzte sie. Weiter erkundigte er sich denn auch vorläufig nicht, sintemalen er nichts ahnte. Seine Nachbarn gingen fort, empfahlen die Kranke Gott und versprachen ihr, alles zu tun, worum sie gebeten hatte.

Sie dankte ihnen, und als der Tod kam, da bat sie ihren Mann um Verzeihung, gestand ihm, was sie sich während ihres Zusammenlebens mit ihm hatte zuschulden kommen lassen, und daß dieses und jenes Kind von dem Herrn soundso, diese und jene anderen aber von einem andrem wären, nämlich von den beiden, von denen vorhin die Rede war; daß die beiden aber nach ihrem Tode die Kinder an sich nehmen würden, so daß sie ihm niemals zur Last fielen.

Er war baß erstaunt, als er diese Neuigkeit hörte. Aber er vergab ihr doch alles, und alsbald starb sie. Und er schickte seine Kinder zu denen, die sie ihm genannt hatte, und die behielten sie auch. So war er seine Frau und seine Kinder los; aber den Verlust seiner Frau hat er bei weitem nicht so bedauert wie den seiner Kinder.


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