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Als Emil Gugenzeil am Tage nach dem versäumten Fastnachtsball wieder nach Schlesien fuhr, kam es zum ersten Male seit seiner fast dreijährigen Ehe zu einem feierlichen Abschiednehmen.
»Am liebsten bliebe ich hier, bis Hilde da ist«, sagte er, schon im Reisemantel, zu seiner Frau, die noch verschlafen im Bett lag.
»Wenn du mich wenigstens hättest aufstehen lassen«, erwiderte sie, legte den Arm um seinen Hals und zog ihn zu sich herab – »jetzt mache ich mir wieder Vorwürfe, wenn du fort bist.«
»Vorwürfe? Weshalb?«
»Weil ich dich habe allein frühstücken lassen.«
»Liebes, du sollst dich schonen, um der großen Aufgabe, die dich erwartet, gewachsen zu sein.«
»Du tust grade, als ob ich die erste Frau bin, die Mutter wird.«
»Für mich bist du's – und ich weiß, ich habe, solange ich fort bin, keine ruhige Minute.«
»Ich hätte dich doch mit dem Kinde überraschen sollen.«
»Sage ein Wort – und ich bleibe.«
»Willst du unserer Tochter, noch ehe sie auf der Welt ist, ein schlechtes Beispiel geben?«
»Du hast recht, die Pflicht geht vor.«
Er küßte sie – und als er noch immer keine Anstalten machte, zu gehen, sagte sie:
»In dem dicken Mantel – du wirst dich erkälten.«
Gugenzeil richtete sich hoch, schob ein Riesenpaket, das an der Tür stand, an ihr Bett und sagte:
»Für den Fall, daß Hilde doch früher kommt – und ich nicht hier bin.«
Dann ging er eilig hinaus.
Frau Kaete telephonierte mit ihrem Arzt:
»Meinen Sie, daß ich noch reiten kann?«
»Aber nein! Sind Sie etwa gestern noch . . . ganz abgesehen von dem nassen Wetter? – Gehen Sie spazieren, ein, zwei Stunden lang, wenn es Sie nicht anstrengt – aber vermeiden Sie jede nur im geringsten erschütternde Bewegung.«
»Eine recht langweilige Angelegenheit ist das«, – sie öffnete, während sie sprach, mit der freien Hand das Paket, das Gugenzeil ihr aufs Bett gelegt hatte, und lachte plötzlich laut auf.
»Was ist Ihnen?« fragte der Arzt besorgt.
»Raten Sie, was mir mein Mann zurückgelassen hat – für den Fall, daß ich während seiner Abwesenheit niederkomme.«
»Das ist schwer zu erraten.«
»Eine Puppenvilla in zwei Etagen, mit Garage, Auto, Herrschaft, Kindern und Dienerschaft – für ein neugeborenes Kind! Ist er nicht himmlisch? – und an der Tür, die in das Kinderzimmer führt, hat er eine Guirlande und ein Medaillon befestigt, auf dem steht: Herzlich willkommen! – Sagen Sie, Doktor, sind alle Männer so närrisch, wenn ihre Frau ein Kind erwartet?«
»Nur die Männer, die ihre Frau lieben.«
»Finden Sie das nicht beängstigend?«
»Es wäre beängstigend, wenn Ihr Mann das Kind bekäme. Gott sei Dank bekommen Sie es!«
»Sie haben recht.«
»Wenn die Männer die Kinder bekämen, so würden 50 Prozent von ihnen größenwahnsinnig werden, und die andere Hälfte würde an Angstpsychose eingehen.«
Frau Kaete stimmte lachend zu, verabschiedete sich und bestellte ihr Bad.