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Eines Morgens begehrte eine vornehme, schwarz gekleidete Frau Kornelia zu sprechen.
Der alte Diener schüttelte den Kopf und sagte: »So ohne weiteres geht das nicht. Ich muß doch wissen, wen ich melden soll.«
»Sagen Sie nur Frau van Jörgens mit Grüßen von Herrn van Gudry.«
Das verschaffte ihr Zutritt zu Brigitte, die grade in der Bibliothek saß und auf Johannes' Geheiß, ohne zu ahnen, was der damit bezweckte, die unzähligen Stiche, die dort herumlagen, aus den Mappen nahm und wieder hineinlegte.
Brigitte stand auf, als Frau van Jörgens die Bibliothek betrat, und ging ihr entgegen.
»Sie kannten mich dem Namen nach?« fragte Frau van Jörgens.
Brigitte erwiderte: »Nein!« und bat sie, sich zu setzen.
Sie saß kaum, da nahm sie ihren Schleier zurück, sah Brigitte groß an und sagte feierlich: »Kornelia van Vestrum! ich warne Sie!«
Brigitte war erstaunt und fragte: »Wovor?«
»Vor dem Manne, der Sie eingefangen hat.«
»Und mit welchem Recht geschieht das, wenn ich fragen darf?« erwiderte Brigitte.
Frau van Jörgens kämpfte schwer und sagte: »Ich liebe ihn – obschon ich weiß, daß er ein Schuft ist.«
Brigitte schloß die Augen. Zum ersten Male, seitdem sie auf Schloß Vestrum war, vergaß sie die Rolle, die sie hier spielte, war sie sie selbst – und sagte: »Auch ich weiß, daß er ein Schurke ist – auch ich liebe ihn.«
Frau van Jörgens erhob sich und sagte seufzend: »Arme Frau!«
»Ich verdien' es so!« erwiderte Brigitte und senkte den Kopf.
»Sie, Kornelia van Vestrum, verdienen es?«
Brigitte fuhr zusammen, besann sich auf die Rolle, die sie hier spielte und sagte: »Sie nicht – ich!«
»Hat er Sie so verwirrt?« fragte Frau van Jörgens.
Brigitte fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und sagte: »Es . . . scheint . . . fast . . . so. – Aber Sie irren. Es ist anders! – ganz anders! – und Sie können mir nicht helfen.«
»Ich will ja mir helfen!« beteuerte sie.
»Sich? – ja, wie?«
»Sagen Sie sich von ihm los! – Machen Sie sich frei von ihm! – Er richtet Sie zugrunde! – Glauben Sie es mir! – Ich bin ihm verfallen. – Kann ohne ihn nicht mehr sein! – Tue alles, was er will! – Gutes und Böses! – Aber Sie sind noch Herr über Ihre Entschließung! – Wie lange noch? – Vielleicht noch heute – und morgen nicht mehr! – Ich rate Ihnen gut!«
»Sie wollen ihn für sich haben!« sagte Brigitte grade heraus, und Frau van Jörgens erwiderte ebenso offen: »Ja! – Obgleich ich weiß, ich gehe bei ihm zugrunde.«
Johannes, der während der letzten Worte an der Tür gestanden hatte, trat ins Zimmer.
»Scheinbar soll ich hier verlost werden,« sagte er.
»Johannes!« rief Frau van Jörgens und wandte sich zu ihm.
»Was suchst du hier?«
»Verzeih! – Ich konnte nicht anders . . .«
»Ich liebe Kornelia!« sagte Johannes.
»Du liebst!« rief Frau van Jörgens und lachte laut auf. »Als wenn du lieben könntest! – Darin liegt ja deine Macht über uns, daß du es nicht kannst. – Oder glauben Sie« – wandte sie sich an Brigitte – »daß Johannes van Gudry fähig ist, zu lieben – daß er gar Sie liebt?«
»Ich habe darüber noch nicht nachgedacht.«
»Tun Sie's!« drängte Frau van Jörgens.
Brigitte schüttelte den Kopf und sagte: »Nein! – denn es bliebe, da ich ihn liebe, doch alles, wie es ist.«
»Dann ist Ihnen nicht zu helfen – so wenig wie mir!«
»Seit wann diese Nächstenliebe?« fragte Johannes spöttisch. »Hat mein Einfluß so veredelnd auf Sie gewirkt?«
»Treibe mich nicht zur Verzweiflung!« drohte Frau van Jörgens.
»Keine Komödie, wenn ich bitten darf,« erwiderte Johannes. »Kornelia van Vestrum ist ein Tatsachenmensch wie ich. Wir passen ausgezeichnet zusammen.«
»Bis du auch ihrer überdrüssig bist.«
»Das ist, da wir gemeinsame Pläne haben, fürs erste nicht zu befürchten.«
Frau van Jörgens erkannte, daß jeder weitere Versuch zwecklos war. Noch einmal wandte sie sich an Brigitte und sagte: »Sie werden an mich denken, Kornelia van Vestrum!«
»Möglich!« erwiderte Brigitte und sah sie scharf an. »Nie aber werde ich um Liebe betteln gehen.«
Frau van Jörgens zuckte zusammen.
»Kitsch! diese Komödie!« rief Johannes.
»Es ist keine Komödie,« wehrte sich Frau van Jörgens. »Du bist ein Vieh!«
»Das man trotzdem lieben muß,« fuhr er lachend fort – und lachte noch, als Frau van Jörgens längst draußen war.
Und als man sie am nächsten Morgen tot aus dem Schloßsee zog, stampfte er mit dem Fuß auf und wiederholte wütend: »Ein Kitsch ist dies ganze Frauenzimmer. Eine Lächerlichkeit!«
»Dir ist auch nichts heilig,« meinte Brigitte, aber Johannes, der im Reitdreß vor ihr stand, kniff die Augen zusammen und sagte: »Nun fang du nicht auch noch an, sentimental zu werden.«
»Fällt mir nicht ein,« erwiderte sie und schwang sich aufs Pferd. – Und nach einer Weile sagte sie: »Aber sehen möchte ich sie, wollen wir nicht am See vorbeireiten?«
»Danke!« erwiderte Johannes. »Das ist nichts auf nüchternen Magen. Komm in die Sonne!«
Da lachte Brigitte und sagte: »Und du willst ein Kerl sein?«
* * *