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Ein Fremder war im Lager, er stand mit Stamer vor dem Zelt, sein Gesicht war eingefallen, die Hände fuhren ihm unruhig hin und her, sie zuckten nach einer Flasche, die in der Jacke steckte, er trank. Danach wurde er ruhiger, ja heiter. Er blickte links, er blickte rechts, der graue Schnurrbart war gestutzt, er hatte tiefe Falten in den Mundwinkeln und wenn er lachte, zuckte sein ganzes Gesicht. Stamer blickte an ihm vorbei zu den Mädchen hin, die mit Michael Fis am Feuer standen. Fis erzählte ihnen Geschichten, doch die Mädchen hörten nicht hin, sie blickten zu dem Fremden hinüber. Nach einer Zeit vernahm Stamers geschärfter Sinn ein Geräusch aus dem Walde. Er führte den Fremden am Arm und zog mit ihm den Lagerplatz zum Feuer hin, wo er weiter mit ihm auf und ab ging, nun gingen sie Arm in Arm; das Feuer beleuchtete sie. Das geschah mit Bedacht von Stamer, er führte ihn aus der Richtung, woher das Geräusch kam, und rückte ihn ins Licht. Und so verkommen der Fremde aussah, er fühlte doch, was Stamer beabsichtigte, er wurde unruhig und blickte sich scheu um, er strebte vom Feuer fort, aber Stamer hielt ihn am Arm und sprach auf ihn ein: Seit Jahren kennen Sie Jens, seit Jahren, sagten Sie? Ich bin sein Freund, mir hat er verschwiegen, daß er Sie kennt … darum glaube ich Ihnen aber doch, daß Sie ihn lange Jahre kennen. Es hat wohl seinen Grund, daß er mir diese Bekanntschaft verschwieg.
Nein, sagte der Fremde, es hat sicher keinen Grund.
Ah! sagte Stamer plötzlich, sie kommen, dorther kommen sie …! er führte aber den Fremden irre, er wies in eine falsche Richtung und stellte sich wieder so, daß das Feuer auf den Fremden fiel.
Die Ketten klirrten, zuerst kam Scould aus dem Wald in die Helligkeit, danach Jens an Maduns Seite und im Haufen die anderen. Und Stamer wandte alle Künste an, den Fremden auf der Stelle zu fesseln, er redete und wischte sich den Schweiß von der Stirn, er sprach von seinem Fieber, lachte und führte einen Tanz auf, bis er glaubte, daß Jens den Fremden erkannt hatte. Er stellte sich zur Seite und sah, wie Jens daher kam, das Gewehr über der Schulter und das Beil im Gürtel.
Jens fühlte ein Beben in all seinen Gliedern als er den Mann sah, er erkannte ihn in all seiner Zerlumptheit. Es war Tucy. Sein Herz klopfte hart, er trat weiter auf den Platz hinaus, und Tucy kam ihm entgegen.
Jens! rief er.
Niemals klang ihm sein eigener Name so schrecklich in den Ohren und niemals nachdem entsann er sich wie es geschah, daß Tucy schluchzend an seiner Brust lag. Er sah Tucy an, das Erbarmen regte sich in ihm, er murmelte: Was treibt dich in meinen Weg? – – Zugleich aber fühlte er Stamers brennenden Blick und sah die Mädchen an. Die Scham überwältigte ihn, daß Tucy ihn umarmte, er riß sich los und sagte: Gebt ihm zu essen!
Und zu kleiden … platzte Stamer heraus. Ich gebe ihm von meinen Kleidern. Siehst du denn nicht, wie zerrissen dein Freund ist? Bist du barmherzig? Er soll auch in meinem Zelt schlafen, bis er sich erholt hat. Bist du barmherzig, Jens?
Schweig!
Schweigen soll ich, weil du dich deiner Freunde schämst. Gib ihm zu trinken, er ist ein Trinker. Fis! Gib ihm zu trinken und Brot, ihr Mädchen Madun, gebt ihm zu essen! Jens wünscht es, er schämt sich nur, es zu sagen.
He! Stamer, rief Jens und der Haß glomm in ihm hoch, entsinne dich, daß mein Erbarmen dich am Leben hielt. Heute erst schrie ich dich um eine Sekunde zu früh an. Und dieser da ist mein Gast, Tucy heißt er, ich kenne ihn, ich fuhr mit ihm zur See. Nun gib uns zu trinken, Fis! … Er wankte zu seinem Zelt, als sei er berauscht und blieb eine Stunde fort. Als er wieder auf den Platz heraustrat, warf er liederlich seine Jacke auf die Erde, als sei es ihm in der kalten Nacht zu warm. Madun! rief er, bringen Sie Ihre Töchter ins Zelt, wir wollen in dieser Nacht trinken!
Später, erwiderte Madun freundlich und setzte bedeutsam hinzu: Wir wissen nicht, welche Schwäche uns die nächste Stunde bringt …
Dann sagte Jens sehr laut: Denkt euch einen Mann, der eine große Farm besitzt und einen Freund hat …
Einen Freund? warf Stamer spöttisch ein.
Tucy zog ein ängstliches Gesicht.
... Ich sage nichts weiter, flüsterte Jens ihm zu, ich spreche nicht davon. Wie aber fandest du mich am Kaministiquia?
Tucy sagte ihm: In Sault St. Marie und an der Oberküste spricht man von deinen Weihnachtsbäumen.
Man spricht von mir? Und er fragte laut und gereizt weiter: Wie erging es dir? Wo steckt Kal? Hast du deinen blinden Hund getötet! Rede, es sind alles meine guten Freunde hier. Auch jener, welcher Stamer heißt.
Ich danke, ich danke! rief Stamer witzig aus. Er saß da mit fiebrigem Kopf, er hatte sich eine Decke umgelegt und machte eine ärmliche Figur. Sein heißer Atem ging durch die frostige Luft. Scould trug Holz herbei und schürte ein großes Feuer. Sie tranken alle miteinander. Varin blickte die schöne Jeanne unentwegt an, und Madun streichelte zärtlich seine weißen Haare.
Du schuldest mir eine Erklärung, sagte Jens leise an Tucys Ohr. Warum suchtest du mich auf?
Tucy blickte ängstlich und verquält um sich. Wer ist jener? fragte er.
Daß du dich nicht mit ihm einläßt! fauchte Jens ihm zu, er ist mein Feind. Nun rede, du hast deine Farm verlassen?
Tucy stammelte: Es ist nicht mehr meine Farm, Mac Allister hat sie mir abgekauft.
Dann bist du reich … flüsterte Jens.
Ich bin arm, erwiderte Tucy heiser, Fanny nahm das Geld an sich.
Ah, Fanny nahm das Geld! Wo steckt sie denn?
Allister nahm sie mit sich, sagte Tucy mit irrem Blick.
Und Jens erhob sich, seine Augen glänzten. Hei! rief er, Jeanne, trinken Sie mit mir! Sie sind es und Varin!
Varin? rief Jeanne, eine tiefe Überraschung flog über ihr Gesicht, sie blickte ihn bittend an.
Sie blickten Varin so herzlich an, rief er aus, ich freute mich darüber.
Nein, sagte sie, Sie irren sich, ich blickte nicht auf Varin! ihre Augen flammten ihn an.
Ja, aber ich glaubte, es sei Varin, lachte er. Sei mir nicht gram, Varin, sie blickte dich nicht an! Aber ihr beide seid füreinander wie geschaffen, Jeanne und Varin, ich trinke auf euer Glück …!
Es ist nicht zum Aushalten, wie er euch verspottet! rief Irene laut, und das Blut ging durch ihre Wangen. Heute morgen wollte er mich mit Scould verheiraten. Ja, hört nur, mit Scould, der mir wie ein Bruder ist!
Nehmt mich hin, wie ich sein will! rief Jens. Mein Freund Tucy brachte mir eine Nachricht, die mich aufwühlte. Er erzählte mir davon, wie sich ein jeder den Schuh wählt, der ihm paßt. Du guter Gott, er sitzt neben mir, der alles verlor und sein Weib dazu. Aber nun ist alles abgetan, was ich ihm nachtrug. Ich bin sicher, daß ich nie mehr daran denke!
Du gute Seele, rief Stamer mit überschlagender Stimme. Du gute Seele, so gib mir auch das Gewehr wieder!
Ja! antwortete Jens. Sie hörten es alle und blickten Stamer an, der ohne Gewehr dasaß und mit zitterndem Kopf. Er rief Jens zu: Du sollst nur sehen, wie ehrbar ich sein werde, du sollst nur sehen!
Sie wollten Stamer ins Zelt tragen; aber er ließ es nicht zu, und legte sich ans Feuer, die Farbe in seinem Gesicht wechselte von der heftigsten Röte zur tödlichen Blässe. Er klopfte mit einem Stück Holz die Glut, tausend rote Würmer sausten durch die Luft. Zuletzt überwältigte ihn doch das Fieber, aber auch im Schlaf hielt er seine Augen offen, er blickte groß und irr in die Nacht. –
Eine Stunde ging hin. Der Himmel mußte sich bezogen haben, der kalte Nebel verschwand. Ein Bündel dürrer Zweige nach dem andern flog in die Glut. Oh, wie sie tranken! Die Mädchen gingen, gute Nacht auch, gute Nacht! – – Der Himmel war voll drohender Wolken, und durch den Wald drang der abgerissene Schrei des Wildes. Stamer schlief.
Nun war auch Tucy trunken. Varin und Madun würfelten und alle jubelten und starrten ins Feuer. Einmal erschien Irene an Stamers Lager, sie flößte ihm etwas ein. Stamer lächelte matt.
Jens zog Tucy zur Seite. Na, aufgepaßt! flüsterte er. Stamer ist kein Mann für dich. Ich nehme dich mit nach Buffalo, dieser da aber braucht einen Aufpasser. Du sollst so viel sein wie ich. So, und nun sage mir, welches war der Inhalt des Briefes, den Allister seiner Tochter nachschickte …
Tucy blickte ihn ergeben an.
Wie war es? fragte Jens eindringlich, was schrieb Allister?
Daß du ihn schlugst …
Warum schlug ich ihn?
Tucy schnitt eine Grimasse und stieß hervor: Fanny gab ihm den Gedanken ein, Fanny war es, sie sagte, du habest sie in deine Kammer gelockt, einmal und ein anderes Mal.
Jens biß die Zähne aufeinander, er stierte in die Luft. Niemals! sagte er, und tat nichts anderes, als vor sich hinstarren. Plötzlich lachte er und trank unmäßig.
Bald darauf regnete es, sie brachten Stamer ins Zelt. Das war um zwei Uhr in der Nacht und Madun sagte: Der Regen ist ein Segen, die Stämme und Schlittenkufen werden nun glatt, die Christbaumfahrt kann beginnen. Und Scould rief: Drei Tage soll es regnen, der Kaministiquia braucht Wasser zur Flößerei. – Varin aber sagte zu Jens: Dann gibt es eine Hochzeit in Port Williams, eine Hochzeit und ein Federbett. Ich danke dir auch, weil du mich auf ihren Blick hingewiesen hast. Jeanne starrte mich den ganzen Abend an, sie ist mir fast zu heftig, haha!
Es regnete kräftig, sie taumelten und sprangen unter das Zelt, nun schoß der Regen dreimal so stark; die Zeltlücken wurden zugebunden und das Zelttuch mit Steinen beschwert, unter dem Zelt ging die Trinkerei weiter.
Draußen fiel ein Schuß, aber es waren in den Nächten alleweil Schüsse gefallen, sie beachteten es nicht. Jens aber verließ das Zelt, er sprang durch den Regen zu seinem Zelt hinüber, um Stamers Gewehr zu suchen. Er fand das Gewehr nicht. Dann nahm er ein Licht und ging zu Stamer hinüber. Stamer lag auf dem Rücken und schlief. Er fühlte ihn an, doch war er trocken. Nein, Stamer hatte das Zelt nicht verlassen, und das Gewehr lag auch nicht in seinem Zelt.
Als er in sein Zelt zurückkam, ahnte er etwas, er hob das Licht und sah Jeanne, die das Gewehr in der Hand hielt, sie zitterte und die Haare waren ihr naß.
Er nahm ihr das Gewehr ab und löschte das Licht.
Wenn uns jemand hört, flüsterte sie.
Jeder hörte den Schuß, sagte er, Sie gaben einen Schuß ab! Wen wollten Sie herbeirufen, Jeanne!
Varin! stammelte sie, Varin sollte kommen.
Gut, ich hole ihn.
Nein, bleiben Sie, es ist nicht wahr, es war ein Versehen. Ich wollte das Gewehr haben, wegen Stamer … damit er nicht im Fieber schießt.
Aber die Büchse war ja nicht geladen, sagte er.
Sie war geladen, widersprach sie.
Er stand und überlegte; nein, die Büchse war nicht geladen. Er schloß Jeanne in die Arme, und sie war gut zu ihm.
Er flüsterte: Es ist zum erstenmal in diesem Jahr, daß ein Mensch gut zu mir ist … Und nach einer Zeit: Hörst du Stamer schlafen? – – Sie horchten, der Wind tobte, und der Regen fegte über das Zelt, die Erde wurde naß. Sie flüsterte: Nein, ich höre Stamer nicht schlafen. Wenn er nun stürbe? … Sie küßten sich. Ein Windstoß riß die Zeltklappe auf und es war nichts als Dunkel um sie.
Gott, wie du mich küßt … Kein Mann vor dir, je vor dir, hat mich so geküßt … Sein Herz flog ihr zu.
Du fährst bald fort und kommst nie wieder, raunte sie ihm zu.
Ich kehre wieder! schwor er ihr.
Sie lachte an seinem Halse. Ich bin so traurig, weil du schwörst, daß du willst wiederkommen.
Bei meiner Seele! flüsterte er.
Still. Es ist jemand im Zelt … Sie zitterte und kroch in seine Arme, er riß ein Licht an, es war niemand im Zelt. Es ist niemand anwesend, sagte er fest.
Aber es war mir … ich bitte dich, ich will gehen.
Er zündete seine Lampe an, er war vollkommen nüchtern, besah das Gewehr und schlug das Zelt auseinander. Das Licht fiel durch die Klappe, dort stand Stamer im Regen, er starrte mit einem geisterhaften Gesicht Jeanne an. Ein leiser Schrei entfuhr ihr, dann wandte sie sich und mit einem überschwenglichen Glücksschrei warf sie die Arme auseinander und küßte Jens.