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1

Gar mancher hat sich die Füße von Cachel nach Sault St. Marie wund gelaufen. Wind, Wind in den Ohren, des Nachts kamen die blauen Vögel von den Ufern des Oberen-Sees. An den Rändern des Sees roch es nach Fischen; die Fichte stand an den Hängen und sah hinab auf den größten See der Erde.

Ja, wie mancher lief sich die Füße wund, um rechtzeitig, noch vor dem ersten Frost, in Sault St. Marie die Holzstraße zu erreichen. Und wenn noch einmal gegen Ende November die lauen Winde vom Huron-See herüberwehten, dann zogen die Forellen und Hechte schon durch die Wasser; sie sammelten sich zur Fahrt in die wärmeren Gründe. Denn sie wußten, daß der Winter an den Himmeln lauerte.

Ach, so mancher zog die Straße von Cachel nach Sault St. Marie, wenn der Wind kalt vom Kanadischen Landrücken blies, und lief und lief, die Füße wund, die Arme weit voraus und im schnellen Schritt. Es wird kalt, der Wind geht über die weiten Seen und noch einmal so kalt strömt er zurück.

Dann wird es Zeit, daß du die Holzstraße von Sault St. Marie erreichst und dich in einem warmen Hause ausstreckst. Denn der Frost kommt plötzlich, von Stunde zu Stunde wird der Wind eisiger, im Walde seufzt das Holz und der große Fahrweg wird hart. Frostadern laufen durch die Erde und jeder Tropfen Feuchtigkeit gefriert in der Luft. Und wenn die kalten Lüfte gegen den See ziehen, sammeln sich alsbald dunkle Wolken über dem Wasser und legen sich auch über die Wälder. Dann fällt der Schnee so dicht, daß du keinen Atem mehr auf der Erde findest.

Aber dieser Frosttag lag noch weit im Lande. Es war mitten im Jahr, im Sommer. Die Luft war heiß, von den Bergen wirbelte ein feuchter und schwüler Wind durch den unendlichen Wald. In den Riesenzedern sang der junge Sommer; die Silbertanne stand hoch und mächtig am Hang, sie wuchs und wuchs und streckte ihre Wurzeln durch das Dickicht an der Erde. Der Tag ist wie ein goldenes Licht, das über den Himmel fliegt. Die Tage jagen die kurzen Tage. Kommt aber der Herbst und der dunkle Winter, dann fliegt der Tag wie ein Zucken über den Himmel. Solch ein Wintertag ist wie eine schnell vorüberziehende Biene, die nicht flink genug zum Stock kommen kann. Im Sommer aber beginnen die Tage wie dahinfahrende Glockenstöße. Die hellen Streifen der Sonne rauschen auf, in den Gebirgen zuckt das Licht über die Wände, aus den Wurzeln der Bäume steigt der Dunst der Nacht. Der Basalt des Gebirges glänzt weiß und blau und dort hinten zieht der Föhn jauchzend durch den Windbruch im Walde.

 

Als sich der Morgen hob, standen drei lange Holzwagen am Fuße des Waldes. Die hohen Räder schnitten in den Boden nur schmale Streifen, denn die Erde war hartgebrannt von der Sonne. Vor jedem Wagen standen sechs Pferde geschirrt, die Wagen waren schwer beladen mit frisch geschälten Stämmen, die glatt und feucht glänzten. Vor den Wagen standen drei Männer. Es waren Sven, Daniel und Chester, die Männer von Tucys Farm, welche vor Tagen mit Jens Heyking ausgezogen waren, um Langholz aus dem Walde der Koniferen zu holen.

Nun pfeife Jens, sagte Sven, die Pferde sind geschirrt, wir wollen losreiten, er pflückt Blumen für Louison.

Die Männer lachten und pfiffen Jens, der noch einmal in den Wald geritten war, um Blumen zu pflücken. Aber es war nicht wahr, Jens pflückte keine Blumen, er hatte seinen Gaul am Zügel und strich um die hohen Bäume herum, die Augen auf den Boden gerichtet, als betrachte er das Golden-Rod, das so flammend gelb an der Erde leuchtete. Als er die Pfiffe seiner Männer hörte, blieb er stehen und blickte zurück in den hohen Wald und sah die goldenen Fahnen der Sonne durch die Baumkronen ziehen. Ach, dachte er, da geht das Licht durch die Äste und ich muß fort. Meine Leute pfeifen schon, aber ich komme wieder.

Er pfiff zurück und während er pfiff, blickte er sich sehnsüchtig unter den Bäumen um, es war ihm, als habe er etwas zu sagen. Aber es war niemand da, dem er es hätte sagen können, so murmelte er immer wieder: Ich komme zurück, eines Tages … Er bestieg sein Pferd und ritt los, das Pferd schritt vorsichtig durch das Astwerk an der Erde, Schritt für Schritt, Jens hielt die Zügel hoch in der Hand, und wenn das Pferd auf der Hinterhand sackte, legte er sich nach vorn. Der Wind hatte in Jahrzehnten viel Holz an die Erde geworfen, nun moderte es und wurde wieder Erde.

Vor dem Walde lag die Prärie. Dort standen die Wagen mit dem Holz und den Pferden. Achtzehn Pferde waren angeschirrt und die Männer sahen Jens kommen. Sie sahen, daß er zu Pferde war und wie der Gaul bockig durch das Unterholz sprang. Jens kommt geritten, flüsterte Daniel, er hat keine Blumen gepflückt. Seht ihr Blumen in seiner Hand?

Sie waren nicht älter als Jens. Junge Männer, die sich von Jens für Tucys Farm hatten anwerben lassen, während es für sie doch sicher besser gewesen wäre, wenn sie am Huron-See Lachs gefangen hätten. Wie viel mehr Geld hätten sie an einem einzigen Lachstag verdient. Jens hatte alle Künste angewandt und sie überredet, mit ihm auf Tucys Farm zu ziehen. Sein Wesen hatte Macht über sie, und allein, weil er sie gebeten hatte, verließen sie ihre guten Verdienste und zogen aufs Land. Jens Heyking aber tat es, weil er sich mit fünftausend Dollar an seines Freundes Farm beteiligt hatte. Es war ein Vertrag auf gegenseitiges Schweigen, denn nur einer konnte Herr auf einer großen Farm sein. Der Herr war Tucy.

Vier Tage hatten die Männer geschwitzt, sie hatten die hohen Stämme aus dem Walde geschleppt, geschält und verladen. Dreißig, vierzig Meter maß ein Stamm und es war eine harte Arbeit gewesen, die Stämme auf die Wagen zu bringen. Von Runge zu Runge lagen sie nun mit Ketten verschnürt, in der Mitte der Wagen war die schwere Last durch eine dritte Achse gestützt. Die Männer hatten bei der Arbeit geflucht, gelacht und sich heimlich nach dem Huron-See gewünscht, wo die Arbeit leichter ist und der Rum in Strömen fließt.

Jens überschaute sein Werk, er blickte seine Männer an und lachte. Sie hatten kein Geld in der Tasche, kein Rum war weit und breit zu finden, trockenes Büchsenfleisch, welker Tee und mürbes Brot war ihr Lohn in vier Tagen gewesen. Und doch waren sie stolz auf ihre Arbeit, die Wagen standen in einer Reihe, achtzehn Pferde davor, die immer wieder aus den Strängen traten. Ein warmer Wind pfiff über die Prärie. Auf den Wagen aber lag das Gerüst zu einem neuen Maststall für Tucys Farm, zu vollen Raummetern war das Holz berechnet. Und Jens dachte ängstlich daran, daß die Arbeit schon zwei Tage länger dauerte, als er erwartet hatte. Es war ihm nicht wohl bei dem Gedanken, daß ihn sein Freund Tucy jetzt mit Angst erwartete und ihn vielleicht schon suchen ließ. Denn in diesen Tagen wurden Pferd und Wagen auf der Farm gebraucht. Als sie zu Walde fuhren, stand die Gerste vor der Reife. Das Korn war schon gelblich, die Granen hart und der Halm verlor mit jeder Stunde seinen Saft. Jetzt, nach einer Woche, wird das Korn hart sein.

An die Pferde! rief Jens.

Auf! der Lachs streicht durch die Seen! schrie Sven mit dreister Stirn.

Nach Tucys Farm! sagte Jens verweisend, ihr seid auf Landarbeit verpflichtet, Jung's!

Damit ritt er an Sven vorbei, der sich schämte. Jens ritt auch an Daniel vorüber, welcher seine Pferde hinter die Stränge brachte, und rief ihm zu: In zwei Tagen sind wir auf der Farm! Und zu Chester, welcher der jüngste unter ihnen war, sagte er: Nicht so stolz, Chester, bück dich nach der Leine!

Ja, ja! sagte der junge Chester, es sind keine Fische, die Leine schwimmt nicht fort!

Nein! rief Jens, aber die Leine verdirbt unter den Hufen der Pferde, sie gehört Tucy und nicht dir.

Chester sagte kein Wort dagegen, aber die Wut zog durch sein Gesicht und er dachte, daß er nicht mehr lange auf Tucys Farm sein würde.

So fuhren sie mit den schweren Wagen los. Sven, Daniel und Chester saßen auf den Sattelpferden, sie hielten die langen Leinen in der Linken zusammengefaßt und die Peitsche in der Rechten. Jens ritt vor den Wagen her, seine Augen suchten an der Erde. Er hörte die schweren Wagen hinter sich und wußte, wie hart das schwere Holz in seinen Ketten an den Rungen und Polstern riß. Er suchte den besten Weg durch das hohe Gras, um die Wagen sicher über die Unebenheiten des Bodens zu führen. Er war darauf versessen, ohne Unfall die Flur von St. Martin zu erreichen. Er gestattete sich weder einen Radbruch noch ein klaffendes Achsenpolster. Den Pferden las er die Steine aus dem Weg, er ritt kreuz und quer und rief Chester an, welcher den ersten Wagen fuhr, sobald er einen großen Stein oder ein Loch an der Erde entdeckte. In der Prärie haben sich viele Pferde die Beine gebrochen. Die Pferde sind teuer, aber immer haben die sorglosen Fahrer die Schuld. Jens duldete es nicht, daß ein Pferd zu Bruch kam, auch dauerten ihn die Pferde, und er hatte Hausrecht auf seines Freundes Farm. Er fuhr Holz für Tucy und hatte im Winter eine warme Stube in einem gut angezogenen Hause. Oh, es waren der Guttaten viele, die ihm der Freund in seinem Hause erwies und Jens erzitterte bei dem Gedanken, daß Tucy ihn jetzt suchen könnte, und daß wieder zwei Pferde mehr vom Hofe abwesend waren.

Er blickte sich um, die Wagen fuhren genau in der Spur von Chesters Wagen. Vorsicht, Chester! fahre nicht zu schnell, fahre sicher, bleibe mir auf den Fersen! Achte auf die Stränge deiner Vorderpferde, damit kein Pferd stolpern kann, halt die Leine straffer!

Er ritt wieder voraus, die Wagen keuchten dumpf hinter ihm her. Auf Wagen, die Tucy gehören, sagte er sich. Gezogen von Pferden, welche Tucy gehören. Reicher Tucy, Pferde und Wagen zu haben, die über die Prärie keuchen. Morgen sind Pferde und Wagen auf St. Martins Flur, vorbei an Mac Allisters Farm, zu den goldenen Äckern Tucys. Wir werden in die Farm einfahren, überlegte er stolz, wie eine endlose Kolonne, voran reite ich, ein Seemann und Lachsfischer von den fünf Seen, ein Mann mit weichen Lederstiefeln an den Füßen und einer Blume am Hut. Und nach mir kommen Chester, Daniel und Sven. Auch sie müssen sich die Stiefel putzen und eine Blume an den Hut stecken. Dann sollen sie in langen Abständen einfahren. Wir bringen Holz, Tucy! Die Ochsen sollen im Winter warm stehen und nicht mehr so viel Fett an die Kälte verlieren.

Er seufzte und blickte sich schnell nach Chester um, der wie ein Wilder über die Pferde hinwegfluchte. Satanskatzen, Windhunde, Meerschweine, zottige Flundern! Jens lauschte den Flüchen. Er nickte nach jedem Schimpfwort. Es hat keinen Sinn, sagte er sich, aber es klingt gut in der Prärie. Er ritt ein wenig schneller und streifte mit den Augen die Erde ab. Sah er ein Loch, so streckte er seine Gerte aus und holte mit dem Pferde aus. –

Ich werde Tucys Frau an der Tür des Hauses begrüßen, spannen seine Gedanken weiter. Einen Blick auch in Louisons Augen, des Reverends Dickens Kind aus Cachel, welche in Tucys Haus wie eine Tochter lebt. Ich habe nichts mit ihr, weiß Gott, nichts. Danach werde ich Tucys feistes Gesicht wiedersehen. Wie ist er doch klein und dick. Darum aber glaubt nicht, daß er dumm wäre, oder auch nur gutmütig, wie es Dicke sonst sein mögen …

Er pfiff vor sich hin und sein Gesicht nahm einen schlauen Ausdruck an. Er überlegte, daß er Tucy doch nicht allzuviel verdankt. Ich werde aber meine Zunge hüten, sagte er sich, nie soll ein Wort über meine Lippen kommen, das Tucy herabsetzt. Zwar hat Tucy in seinem Leben eine Eselshaut empfangen, die ihn taub macht für alle Stockhiebe, aber er ist der Herr auf der Farm.

Er ritt ein Stück im Trab, ein Stück im Schritt. Die Sonne schob sich gegen Mittag, das Präriegras wurde hart und knackte unter den Pferdehufen. Aber dicht an der Erde, im Schatten des trockenen Grases, schimmerte es wieder grün. Wunderbar, im Dunkeln und versteckt vor der Sonne wuchs wieder grünes Gras. Ewig fruchtbar ist die Prärie, sie grünt in einer Nacht auf, nach einem einzigen Regen schießt das schöne Gras hoch; kommt der glühende Sonnenhauch und vertrocknet die Grasspitzen, dann war der ganze Wuchs des Grases nur den Schatten wert, in dem junges Grün sprießt. Danach vernarbt sich die Erde und hält das Wasser fest, das ihr die Sonne ausgerben will.

Am Nachmittag heulte der Präriewolf, die Insekten saßen wie Staub an den Grasspitzen, die Prärie dampfte und es war den Pferden besser, mit ihrer Last weiterzuziehen. Jens ging neben seinem Pferde, jetzt, wo die Luft an der Erde voll Staub war, sah er kein Loch und keinen Stein am Boden. Sein Gesicht und seine Kleidung waren grau vom Staub. Unter seinen Schuhen krachte das harte Gras, seine Haut juckte, Staub quälte seinen Hals, er hustete.

Sonne und Mond standen zu einer Zeit am Himmel, die Sonne wurde blasser und färbte den Horizont. Nun sank der Staub der Prärie zur Erde, das Gras wurde wieder schmiegsam und krachte nicht mehr, es peitschte die Stiefel. Der halbe Mond leuchtete matt, die Sonne war versunken. Die Nacht zog wie ein Blitz über die Prärie. Nun hab acht, daß die Pferde nicht stolpern. Sie sind müde und durstig und ihre Witterung ist eingeschlafen, verängstigt blicken sie in die endlose Nacht, sie schütteln sich und lecken an den Gräsern. Schon steht der Nachttau auf dem Gras, Wald und Gebirge liegen im Dunst der Nacht. Das weiße Licht des Mondes wandert und wird groß und mächtig. Dort liegt das Gebirge, aber der Wald ist nicht mehr zu sehen. Nur eine Tagesreise sind sie entfernt, aber wie Jens auch blicken mag, der Wald ist versunken.

Um Mitternacht taumelten die Pferde, Jens befahl Rast. Die Fahrer sprangen wie die Kröten von den Pferden, den Lachsfischern war der Rücken krumm vom Reiten. Die Pferde wurden losgeschirrt, mit zitternden Knien fraßen sie an der Erde. Das Gras stach ihnen in die Nüstern, sie warfen sich an die Erde und wälzten das Gras glatt, erhoben sich und stampften wütend. Danach fraßen sie ruhiger.

Sven vertrieb die Pferde und warf Schlafsäcke auf die geglättete Erde. Chester machte ein Feuer und hing einen Topf in die Feuergabel. Fleisch und Fett brieten. Am Huron-See war es Fisch, hier ist es nur Ochsenfleisch und kein Rost ist vorhanden, auf dem ein dicker Salm sein Fett verliert und keine Rauchtonne, in dem der feiste Lachs hängt.

Daran denkt Daniel und der Kummer darüber malt sich in seinen Augen ab. Wenn er darüber nachdenkt, möchte er weinen. Ein Jahr lang aßen sie Jens zu Liebe getrocknetes Ochsenfleisch. Fisch! Fisch! Zwanzig Klafter tief im See schwimmt der Salm und der Lachs jagt in Schwärmen wie der Strömling durch die lauen Wasser.

Jens legte sich still ins Gras, er faltete die Hände unter den Kopf und starrte in den Himmel. Das Land hält mich gefangen, dachte er. Wenn ich nicht zur See fahre, möchte ich im Walde leben. Auch die Prärie ist schön, im Sommer, wenn es milde ist, möchte ich wohl in der Prärie leben.

Da rief ihn Chester an: Der Sommer ist bald zu Ende, Jens. Zum Winter will ich in Buffalo sein, will im Hafen leben und mir ein Schiff suchen!

Du willst uns allein lassen, wo wir den Stall noch bauen müssen! Was soll Tucy sagen, wenn sein Zimmermann nach Buffalo will!

Hoho! rief Sven, was soll erst der dicke Tucy sagen, wenn ich noch vor Winter in Sault St. Marie sein will. Ich will keinen zweiten Winter auf der Farm verleben.

Du wirst nicht die Farm verlassen! rief Jens. Denkt an Louison, die so schön ›Meine Witwe‹ mit euch spielt.

Sven lachte spöttisch, aber die Ohren wurden ihm heiß. Ach ja, du hast recht, Jens. Ich gehe aber doch nach Sault St. Marie. Ich kann am See mehr Geld verdienen und im Frühjahr bleibe ich erst recht in Sault St. Marie zum Lachsfang. Nein! Immer sehe ich das böse Gesicht von Tucy vor mir, wie er faul im Stuhl liegt, und wir müssen arbeiten. Kein freundliches Wort hört man aus seinem Mund. Sault St. Marie! Am grünen See, wo ich die Fische wieder aus der Tonne pfeifen höre.

Jens erwiderte sanft: Du bleibst noch diesen Winter, diesen Winter noch, Sven.

Und Sven hörte die weichen Worte Jens. Er lachte heiser und flüsterte: Wie du willst, wie du willst …

Und du, Daniel? fragte Jens und blickte in den dunklen Himmel!

Solange du bleibst, bleibe auch ich!

Da bleiben wir alle, sagte Jens schnell. Er erhob sich und machte sich über das Essen her und keiner sprach über das trockene Ochsenfleisch, sie aßen und schielten mit einem Auge nach den Pferden hin, die satt am Wagen standen und sich an den Deichseln scheuerten.

Sault St. Marie! sang es in Jens Kopf, aber er sprach nicht darüber. Auch er sehnte sich nach den Ufern des Sees. Es fahren Dampfer von Sault St. Marie nach Quebec und Buffalo. Es ziehen Segler über die großen Seen, viele schöne Orte liegen an den Ufern und der Wald erstreckt sich über tausend Meilen weit hinauf bis an die eisigen Ufer des Hudson, und in jedem Jahrzehnt stirbt nur einer der alten Felljäger in den Wäldern und das Wasser spült seine Leiche hinab zum Lorenzstrom. –

Die Nacht ist kurz, erhebt euch und fangt die Pferde! Jens beugte sich über seinen Kompaß und steckte die Richtung genau aus, er suchte lange nach einem Stern, der ihm den Weg zeigte.

Nach einer Zeit fuhren die Wagen wieder, Jens ritt voraus. Sie kamen in eine Fahrbahn, die eine Herde von Wagen vor nicht langer Zeit gezogen sein mußte. Und Jens überließ seinem Pferde die Zügel; eine alte Fahrbahn bedeutet eine gute Strecke Wegs. Auch er war müde geworden und ein Gedanke quälte ihn unablässig. Die Gerste ist reif, viel Geld steht auf dem Spiel und ich fahre Holz. Achtzehn Pferde folgen mir, die Pferde sollten an den Mähmaschinen gehen.

Sein Pferd machte einen Sprung zur Seite und keilte aus. Jens erwachte aus seinen Gedanken und blickte sich um, er sah nichts, es mußte ein Tier über den Weg gelaufen sein. Er dachte nicht weiter über den Sprung seines Pferdes nach. Die Fahrbahn erstreckte sich geradeaus, die Ebene hob sich leicht und das Licht war gut. Der Mond hatte ein scharfes, weißes Gesicht. Nach einer Zeit blickte er sich um. Die Wagen lagen weit zurück und als er eben überlegte, daß es die leichte Steigung ist, die den Pferden zu schaffen macht, hörte er Chester schreien.

Er warf sein Pferd herum, noch sah er nicht, warum Chester schrie. Wohl sah er den Wagen, die Pferde standen auf dem Haufen. Er jagte zurück und plötzlich entsann er sich, daß sein Pferd aus der Fahrbahn gesprungen war. Die Angst überfiel ihn, daß es ein Loch war, vor dem sein Pferd scheute und bald erkannte er, daß eins von Chesters Pferden an der Erde lag. Daniel und Sven kamen mit ihren Wagen auf, und als er vom Pferde sprang, tönte es laut in ihm: Deine Schuld, du hast in den Himmel gestarrt, es war sicher ein Dachsloch, vor dem dein Pferd scheute.

So war es. Das Pferd steckte bis zum Knie im Loch. Nun, noch ist nichts verloren; er beugte sich über das Pferd. Alle vier beugten sich über das Pferd. Sven faßte das Tier am Hals. Geh an den Schwanz, sagte er zu Daniel und zieh! Und du, Chester, lege das Vorderknie krumm und stemme den Huf in die Erde … Plötzlich ließ er den Hals des Pferdes los und sagte: Warum sollen wir den Gaul quälen, er hat sich das Bein gebrochen!

Nein, erwiderte Jens, er hoffte noch. Faßt an, es ist nicht wahr! Was soll Tucy sagen, wenn wir mit siebzehn Pferden zurückkommen!

Sieh doch, der Gaul flattert mit der Schulter! sagte Sven, Tucy soll seinen Mund halten. Du hast doch keine Furcht vor Tucy!

Furcht? Nein! Aber Tucy wird vier Wochen von dem Pferd reden. Faßt an, den Hals hoch! Werft das Pferd hinten herum!

Sie zogen, das Pferd ächzte vor Schmerzen und half sich nicht auf; sie zogen das Pferd herum und brachten das Bein aus dem Loch heraus. Es war an der Fessel gebrochen.

Jetzt mußte Jens sagen, was geschehen sollte. Er legte sich alles in Gedanken zurecht, was er sagen mußte: Chester soll dem Pferd die Sielen abnehmen und sie auf seinen Wagen legen, festbinden. Es waren neue Sielen aus St. Marie. Darnach muß ehester mit fünf Pferden weiterfahren. Sven aber soll dem Pferd den Fangschuß geben. Jens überlegte lange, wie er solches schnell und glatt sprechen sollte und beugte sich in tiefer Verlegenheit zum Pferde. Er tastete noch einmal die gebrochene Fessel ab, dann sagte er mit schwerer Stimme: Tucy wird das Fleisch des Pferdes haben wollen. Er will in seinem Teich die Karpfen damit füttern. Sven, gib dem Gaul den Fangschuß. Ach, lieber Chester, vergiß nicht die Sielen vorher abzunehmen, damit kein Tropfen Bluts an das Leder kommt. Vergiß es nicht!

Nachdem er es gesagt hatte, ging er schnell mit seinem Pferd voraus und wartete. Nach einer Zeit fiel der Schuß, er atmete auf und sah, wie sie Chester halfen, die anderen Pferde hinter die Stränge zu bringen. – Er ritt voraus, kurze Zeit darauf fuhren die Wagen weiter. Und obgleich er nichts davon gesehen hatte, was hinter ihm vor sich ging, wußte er doch, daß die Männer den Kadaver nicht auf den Wagen geworfen hatten. Gut so, dachte er. Es ist anständiger, wenn der Kadaver in der Prärie zurückbleibt.

Sie fuhren jetzt schneller, die Steigung war überwunden, die Ebene von neuem erreicht, die Fahrbahn verlief in südlicher Richtung, der Weg ging wieder durch hohes Gras. Chester gab mit seinen fünf Pferden das Tempo an, die Wagen rollten über die harte Erde.

Weit voraus ritt Jens, er blickte nicht mehr auf den Boden. Der Zoll ist bezahlt, dachte er und ward müde. Halb schlief er und im Schlummer mühte er sich, die Richtung zu halten. Er taumelte im Sattel, aber sein Taumeln war nichts als Demut vor Tucy, dem er gerade die traurige Mitteilung machte, daß er mit siebzehn Pferden zurückkam. Seine Vorstellungskraft war dabei so lebhaft, daß er Tucys Stimme zu hören glaubte. Wo hast du den Kadaver gelassen, Jens? und jetzt lächelte er Tucy geheimnisvoll an und sagte: Im Himmel! Und er sah, wie Tucys Gesicht ganz dick wurde vor Wut, sein kurzer Hals schwoll an, doch sagte Tucy nichts, denn seine Frau kam mit süßem Lächeln aus dem Hause und streckte ihm, Jens, die Hand entgegen. Er beugte sich tief vom Pferde, reichte ihr die Hand und sah durch ihr loses Kleid an ihrem weißen Arm hinab. Tucys Gesicht verzog sich, er rückte seiner Frau das Kleid über der Schulter zurecht. Jens lachte ihn aus. Plötzlich erhielt er von Tucy einen Stoß vor die Brust … Er erwachte in seinem Sattel und sah, daß er über die Prärie ritt, er lag über dem Hals seines Pferdes, die rechte Hand hing über seinem Stiefel. So tief war er Tucys Frau entgegengesunken. – –

Im Osten funkelte die Sonne, im Traum war Jens ihr entgegengeritten, die Wagen lagen schnurgerade hinter ihm. Am Horizont tauchte eine Gruppe von Bäumen auf, daran erkannte er, daß sie sich der Flur von St. Martin näherten. Er stieß einen Pfiff aus und ritt scharf voraus, aber sogleich dachte er an Chesters Unglück in der Nacht, parierte sein Pferd und ritt um, den Wagen entgegen.

Rast! befahl er. Chesters Vorderpferd stolperte, es war müde. Rast! – Er suchte aus Svens Gespann ein Pferd aus, das sich im Zug schonte und gab es Chester als neues Vorderpferd. Rast! Die Pferde sollen fressen. Die Männer aßen auch ein wenig, darnach legten sie sich unter die Wagen und schliefen ein.

Als Jens erwachte, stand die Sonne hoch am Himmel, die Pferde lagen satt an der Erde. Eine Stunde wollte er nur rasten, nun war es Mittag geworden. Die Hitze strömte über die Erde, Staub und Insekten dampften an den Gräsern hoch. Ein leiser Wind trug den Schrei des Präriewolfes über die Ebene.

Sie machten sich fertig und fuhren weiter, den Blick auf die Baumgruppe gerichtet. Aber es verging eine Zeit, ehe sie den Bäumen näher kamen. Es war Nachmittag geworden, es wurde Abend, ehe Jens Allisters Farm auftauchen sah. Chester stieß einen Schrei aus und legte die Peitsche aus; die Pferde begannen zu traben, die schweren Wagen donnerten über die Ebene. Hier begann Allisters Weg durch die Prärie, es war kein Loch mehr zu befürchten. Der alte Allister hatte sich einen sauberen Weg gebaut. Ein junger Laubwald säumte den Weg, Allister hatte ihn angepflanzt. Auch Tucy hatte sich ein Stück Wald angelegt, aber er gedieh nicht so gut. Jens wählte für seine Wagen den besten Weg, er führte mitten durch St. Martins Flur und kreuzte Allisters Hof. Zwar sah es Allister nicht gern, wenn der Nachbar durch seinen Hof zog. Nicht, daß der Alte fremde Blicke zu fürchten hatte, St. Martin war der größte und gepflegteste Farmhof hinter Cachel. Aber Mac Allister fühlte sich an seinem Hemde berührt, wenn fremde Blicke über seinen Hof gingen.

Hinter dem Wald schimmerte das erste große Kornfeld. Eine Aufregung packte Jens, er zog die Pfeife aus der Tasche und begann zu rauchen. War die Gerste schon angemäht? Ja, sie war angemäht, er traute seinen Augen nicht. Allisters Gerste stand nur noch zur Hälfte auf dem Halm. In dichten Reihen lag der Schwart auf den Stoppeln. Allister war mitten in der Ernte, und jetzt hörte er auch das feine Singen der Mähmaschinen. Vielleicht hat Allister erst mit dem Schnitt begonnen, beruhigte er sich. Mit sechs Maschinen wird er zugleich angefangen haben. Allister war wieder der erste und Tucy wird sich ärgern, daß Allister eher begann als er.

Auf einem kleinen Schlag stand gelber Hafer; in dicken, schweren Dolden hing des Hafers Frucht zu Boden. Der Wind raschelte im dürren Stroh. Weit ab glänzte der Weizenschlag, es duftete nach Mehl. In wenigen Tagen ist auch der Weizen so weit.

Jetzt wagte er es kaum noch, über Allisters Hof zu fahren. Denn sie werden lachen, wenn er mit Holz gefahren kommt statt mit Erntewagen. Wie wird Allister spotten, wenn er vor Chesters Wagen nur fünf Pferde sieht! Der Dachs, der Dachs! wird er rufen.

Als Jens über den Hof ritt, brach schon die Dämmerung ein; er ritt an den großen Stallungen vorbei, es war kein Mann auf dem Hof zu sehen. Das große Steinhaus lag hinter Bäumen, von dort kam das Klappern einer Getreidefuchtel. Er wurde rot im Gesicht und ritt schnell über den Hof. Eine Rudel spanischer Hennen schrie und lief aufgeregt vor den Hufen seines Pferdes.

Auch die Wagen beeilten sich über Allisters Hof zu kommen, Chester trieb seine Pferde an. Plötzlich hörte Jens, daß an Chesters Wagen ein Rad laut pfiff, er schlug ärgerlich mit der Gerte durch die Luft. Wenn jetzt Allister das pfeifende Rad hören könnte, würde er laut lachen.

Mac Allister hörte es aber nicht, auch kam er nicht zufällig des Wegs. Die Wagen fuhren unbelacht ihren Weg. Ein wenig später tauchten die hohen Trauerweiden an Allisters Karpfenteich auf. Getrost ritt er weiter, denn nach dem Karpfenteich kommt ein Stück Prärie und Weide, dann beginnen Tucys Felder.

Der Weg wurde sandig, Staub wirbelte um die Hufe des Pferdes. Sieh, hier baute Allister flugs Kartoffeln in den Sand. Die Stauden waren groß und saftig. Allister hatte ein gutes Auge für seinen Boden.

Als er dem Karpfenteich näher kam, sah er ein Pferd am Fahrdamm grasen; das Pferd war gesattelt. Nun wird mich Allister doch noch sehen, seufzte er, hier an seinem Karpfenteich. Und er hörte beschämt zu, wie Chesters Rad laut pfiff. Jetzt sah er auch Allister, der sich über seine Reusen beugte und die Karpfen nach ihrer Dicke betrachtete. Ein zweites Pferd graste am Teichrand, ein Mädchen stand am Teich, Jens erkannte sie sogleich an ihrer Haltung, es war Allisters Tochter Cornelia. Nun führte der Weg unerbittlich an den Reusen vorüber, und Jens' Pfeife war ausgebrannt, schwer, sie jetzt anzuzünden. Er sah alles voraus, was jetzt kommen mußte. Allister verließ seine Reusen und trat dicht an den Weg und je näher Jens kam, desto größer wurden Allisters Augen; er stellte ein Bein auf den Weg und stemmte die Arme in die Seiten.

Eh, Jens! Woher? Aus dem Holz? Wollt ihr wieder einen Stall bauen? Tucy hat es mir ja nicht verraten!

Ja, Mac Allister! sagte Jens und stieg gemächlich vom Pferde.

Willst du meine Karpfen sehen? – Und jetzt blickte sich Allisters falsches Gesicht um, er verzog keine Miene und tat so, als höre er erst jetzt das Rad pfeifen. Es pfeift, sagte er, was pfeift denn so schaurig! Das Rad pfiff so laut, als habe es sich in der Achse festgebrannt. Jens wurde es heiß unter der Haut, und er sah an Allisters zitternden Schnurrbartenden, welche Freude ihm das pfeifende Rad bereitete. Seine Augen funkelten vor Spott, er fragte sanft: Kein Unglück gehabt? Kein Loch in der Prärie gefunden! Das sagte Allister nur, weil er längst die fünf Pferde an Chesters Wagen entdeckt hatte.

Chester grüßte mit der Peitsche und fuhr stolz an Allister vorüber. Der Alte dippte seine Mütze und eine seltsame Freude zuckte durch sein hageres Gesicht, er zählte laut bis fünf, drehte sich um, machte einige Schritte zur Reuse hin und fragte dann laut: Hast du wenigstens das Pferdefleisch auf dem Wagen?

Nein! rief Jens stolz.

Allister lachte spöttisch und spie verächtlich ins Wasser. Als Sven mit seinem Wagen kam, stand er wieder am Wege.

Während der ganzen Zeit stand Allisters Tochter neben ihrem Pferd, nun trat sie zögernd näher. Sie führte ihr Pferd und kam mit langsamen Schritten.

Der Alte nahm Svens Gruß freundlich entgegen, er dippte wieder mit der Mütze. Danach fragte er laut, wie das Unglück geschehen sei. Hat der Gaul das Bein gebrochen? Warum hast du keinen Hund mit in die Prärie genommen? Hat dir Tucy nicht gesagt, daß man einen Hund mitnehmen muß?

Cornelia stand in Jens' Rücken, als der Alte so laut fragte; er fand nicht die Ruhe, sich nach ihr umzublicken; er war tief empört, daß der Alte ihn so rücksichtslos ausforschte. Fort von hier, sagte er sich, nun aber fort! Er blickte Allister von oben an und ohne ihm die Hand zu reichen, griff er an seinen Hut und sagte: Es wird dunkel, ich will heimreiten.

Allister sprang auf den Weg und faßte vertraulich Jens' Hand, er sagte: Warte, da kommt dein dritter Wagen … Warum läßt du dich nie bei mir sehen?

Daniel kam mit seinem Wagen vorbei, der Alte nahm Jens unter den Arm. Daniel grüßte stumm, pfiff und schaute Cornelia eindringlich an. Er grüßte Allisters Tochter, indem er tief seinen Hut zog. Jens kam es dunkel zum Bewußtsein, daß er Cornelia nicht begrüßt hatte; noch immer drehte er ihr den Rücken zu.

Cornelia! rief der Alte.

Jens streifte seinem Pferd die Zügel über die Ohren und machte Anstalten, sich in den Sattel zu setzen. Er zwang sich, an Cornelia vorbeizublicken und stieg umständlich in den Sattel.

Grüß Tucy! sagte Allister, aber komme du und besuche uns. Mit Tucy will ich nichts zu tun haben. Was macht seine Frau, he?

Jens hörte nur halb hin und blickte Cornelia an. Er verbeugte sich aus dem Sattel, nahm ihr Lächeln als Spott und ärgerte sich, daß er sie angesehen hatte.

Ich habe wenig Zeit, sagte er schnell zu Allister und bemerkte, daß Cornelia eine weiße Bluse trug und einen Rock, welcher in Falten lag. Sie hatte ein blühendes Gesicht und große dunkle Augen. An den Füßen trug sie derbe Schuhe. Als sie ging, schwang der kurze Rock hin und her.

Wann kommst du? rief Allister noch einmal, als er davonritt.

Jens nickte zurück, Cornelia schritt wieder die Weide abwärts neben ihrem Pferde her. Er rief Allister zu: Bald, Mac Allister, ich komme bald! Und ritt schnell hinter seinem Wagen her. Diese Unterredung mit Allister wurmte ihn, Allisters Einladung war in seinen Augen auch nichts weiter als eine Bosheit.

 

Eine Stunde später fuhren die Wagen in Tucys Hof ein. Aber es geschah nichts von dem, was Jens sich erträumt hatte. Kein Mensch war auf dem Hof zu sehen. Er ließ die Wagen nebeneinander auffahren und ausspannen, die Pferde taumelten müde in die Koppel.

Wahrend die Männer die Sielen unter den Schuppen schleppten, schritt Jens zum Hause. Das Wohnhaus war niedrig und langgestreckt, der Lehmverputz war frisch gekalkt, die weiße Farbe schimmerte durch das Laub der alten Honigakazien. Im Winter war das Haus so warm, daß der Schnee vom niedrigen Dach schmolz, und kein Frost kam in die Keller. Einen Steinwurf weit neben dem Hause stand das Milchhaus, in dem der alte Knight mit seinen drei Söhnen hauste. Sie melkten über hundert Kühe am Tage, die Milch ging durch die Schleuder und der alte Knight fuhr die Sahne einmal in der Woche zwanzig Meilen weit nach Cachel. Der Meier in Cachel war ein Ire, Efraim Kennedy, der nur einmal im Jahr für die Sahne zahlte. Er rückte mit dem Gelde erst heraus, wenn ihm die Farmer die Meierei einschlugen. Denn ein blanker Dollar war schwer verdient. Aber der alte Knight wußte Tucy zu seinem Gelde zu bringen. Seine Söhne waren roh, sie hatten Kartoffelgesichter, doch hörten sie auf ein gutes Wort von Jens. Knight und seine Söhne waren die einzigen, die aus ihrem Hause kamen und Jens begrüßten. Sie kamen und bellten vor Freude.

Wo ist Tucy? fragte Jens.

Die Söhne schielten nach den Fenstern des Hauses, wo Tucy wohl hinter der Gardine lauerte.

Sie lachten und fragten, ob ihm ein Unglück geschehen sei. Ein Unglück? fragte Jens erstaunt. Er hatte Chesters Gaul ganz vergessen.

Ja, sagte der alte Knight, Tucy hat euch kommen sehen, er hat von weitem die Pferde gezählt. Er ist vor Wut ins Haus gerannt und hat die Weiber eingesperrt, damit sie euch nicht entgegenliefen. –

Neben Knights Haus lag das Landstreicherhaus, in dem die Saisonarbeiter wohnten. Zur Zeit waren an zwanzig Fremde auf der Farm, sie kamen aus Sault St. Marie und waren an ein freies Leben gewöhnt. Sie tranken die klare Biermaische, welche sie aus Sault St. Marie faßweise mitgebracht hatten. Sie erhielten ein gutes Erntegeld, Männer und Weiber. An den Sonntagen zogen sie nach Cachel zur Kirche. Jetzt sangen sie ein Lied und Jens lauschte wie verzückt der Melodie. Wenn sich jetzt nicht die Haustür geöffnet hätte, wäre er mit seinen Männern in das Landstreicherhaus gezogen. So wahr er Jens heißt!

Fanny, Tucys Frau, stand plötzlich in der Türe, sie lachte und streckte ihm die Hand entgegen. Jens! rief sie du bist wieder da … Und als sie Sven, Chester und Daniel kommen sah, verbesserte sie sich hastig: Da seid ihr ja! Es schluchzte in ihrer Kehle, doch verlor sie keine Träne dabei. Sie war groß und dick und hatte kräftiges, rotes Haar. Ihr Vater war ein reicher Fischer in Sault St. Marie gewesen.

Sie zog Jens auf die Diele, mit raschen Bewegungen schob sie Sven hinterdrein, Chester sprang an ihr vorbei, und damit jeder ihre Freude sah, faßte sie Daniel um den Hals und lachte Knight an, der auch ins Haus wollte. Sie schlug ihm aber die Türe vor der Nase zu.

Der Alte fluchte laut vor der Türe: Gemeines Weib, ich werde dir Wasser statt Sahne ins Haus schicken! –

Tucy saß am Tisch, sein Gesicht zeigte weder Freude noch Ärger, er rührte sich nicht, zu seinen Füßen lag der große, blinde Wolfshund Djib. Am Herd stand Louison, sie lächelte und hatte die Hände auf dem Rücken. Als sie Sven sah, sprang sie auf ihn zu und ergriff energisch seine Hände und schüttelte sie. Chester erhielt eine kleine Verbeugung, Daniel gab sie leicht die Hand, nur Jens umging sie. Sie lächelte ihn an, ihre schönen Augen schimmerten vor Freude. Sie trug auch die niedrigen Schuhe, die ihr Jens einmal aus Saul St. Marie mitgebracht hatte. Es betrat noch ein Mann die Diele, das war der alte Zimmermann Kal; sein Eintreten hinderte Louison daran, Jens ihr schönstes Gesicht zu zeigen. Kal hatte das Holz auf dem Hofe gesehen und sagte lärmend: Ihr habt gutes Holz gebracht, starkes Holz, ich werde morgen gleich darüber gehen. Wir haben zwei Zimmerleute unter den Landstreichern!

Schön! erwiderte Jens und morgen beginnt die Ernte!

Tucy saß noch immer und machte ein finsteres Gesicht. Sein dicker Kopf war rot und Jens dachte, wenn er nur aufstehen würde, damit jeder sehen kann, welch eine kleine, häßliche Figur er darstellt. Aber das wußte Tucy auch, er blieb sitzen, weil er darum größer wirkte. Da ihn aber alle anblickten und er doch einmal ein Wort sagen mußte, brachte er es mit größtem Widerwillen heraus: Was nützt mir das Holz, wenn ein Pferd dabei draufging! – Das Pferd wird wieder gekauft, sagte Jens. Warum hast du mir nicht gesagt, daß zum Holzfahren ein Dachshund gehört. –

Haha! lachte Tucy und wurde lebendig, das mußt du doch selber wissen, was zum Holzfahren nötig ist. Natürlich war es eins von Chesters Pferden!

Ja! sagte Chester, es war ein Pferd aus meinem Gespann, es konnte aber auch ein Pferd von Sven sein! – Oder mein Pferd, sagte Jens wütend. Zeige jetzt den Jungens ein gutes Gesicht, sonst laufen sie noch vor Winter nach Sault St. Marie!

Nach Sault St. Marie! rief Chester und begann wütend von dem Ochsenfleisch zu essen, das Louison auf seinen Teller legte.

Tucy aber sagte: Warum soll ich ein gutes Gesicht geben, wenn mir die Jungens die Pferde kaputt machen. Sie stehen doch im Lohn!

Im Lohn? sagte Sven verächtlich. Das nennst du Lohn, wenn wir auf den Seen …

Aber jetzt schnitt ihm Jens das Wort ab und sagte: Wir wollen speisen, Sven!

Es ist Ochsenfleisch, flüsterte Sven, und kein Salm. Er aß mit Widerwillen. Tucys Hund knurrte laut, er erhob sich gähnend und stieß mit der Schnauze gegen den Tisch. Er hatte ein dichtes, schwarzes Fell und das Maß eines ausgewachsenen Kalbes. Tucy blickte zärtlich auf seinen Hund. Mein Freund, murmelte er und strich des Hundes langes Fell. Dabei schielte er Jens von der Seite an. Aber Fanny schob sich zwischen den schielenden Blick ihres Mannes, sie reichte Jens Bier und Brot und stieß mit dem Fuß Tucy so heftig an, daß Djib laut knurrte und Fanny zur Seite drängte. Das ganze Spiel beobachtete Louison am Herd. Sie drehte sich um und schämte sich. Aber auch Kal hatte es gesehen, er putzte seine Brille und schüttelte den Kopf, dann sagte er mit einer merkbaren Absicht zu Jens: Es ist, als wärst du ein geborener Zimmermann. So maßgerecht hast du das Holz mitgebracht, wie von Längen geschnitten.

Jens lachte, er merkte Kals gute Absicht, und um ein gutes Wort für Tucy zu finden, warf er dem Hund ein Stück fettes Fleisch zu Füßen. Einen Augenblick zuckte Djib nach dem Fleisch. Von keinem bemerkt hatte ihn aber Tucy angestoßen und der Hund zog sich von dem Fleisch zurück. Sven blickte erstaunt hoch, auch Chester schielte neugierig nach Djib. Er frißt nichts aus deiner Hand, sagte Chester mitleidig. Ärgere dich nicht! – Jens wurde rot, wahrhaftig, Tucy verstand es, aus einem hingeworfenen Stück Fleisch Vorteil für sich zu ziehen. Tucy lachte laut und da er sich als Herr und Sieger fühlte, vergaß er ganz seine kleine dicke Statur, stand auf und mit seinen verschlagenen Augen um sich blickend, faßte er Jens an den Kopf. Schönes Holz habt ihr gebracht, das ist wahr, sagte er. Nun seid ihr wieder da. Ein Pferd habt ihr verloren, dann ist noch alles gut abgelaufen. Du hast doch den Kadaver für meine Karpfen mitgebracht! –

Er lauerte auf eine Antwort, aber Jens schwieg.

Kein Pferdefleisch, ihr Idioten! Wovon sollen denn meine Karpfen fett werden!

Nun heult er! lachte Daniel. Das Pferdefleisch liegt in der Prärie, Tucy. Wir hatten es so beschlossen.

In Tucy ging manches vor sich. Zuerst war es der Haß auf seinen alten Freund Jens. Da er aber von Natur feige war, schloß er seine Augen, damit keiner seinen Haß sehen konnte. Dann war es der Gedanke, daß Fanny eine schlechte Frau sei, denn sie teilte nicht seinen Kummer um das Pferdefleisch. Und manches noch, was anders werden mußte. Trotzdem sagte er freundlicher, als er beabsichtigte: Gute Nacht, Männer! Er ging schnell zur Türe, Djib sprang ihm voraus und öffnete mit der Schnauze seinem Herrn die Tür. Tucy ging in die Schlafkammer. Doch folgte ihm Fanny nicht, wie er wohl meinte. Sie blickte ihm nach, bis die Türe hinter ihm zufiel, dann atmete sie auf und sagte zu Louison: Laß Knight herein, er steht noch immer vor der Tür. –

Doch hierin hatte sie sich geirrt, der alte Knight saß im Landstreicherhaus und trank Biermaische, auch seine Söhne tranken. Und in der Nacht noch wird man von ihnen hören, sie sammeln jetzt ihre Kräfte, in der Nacht werden sie nicht wissen, wohin mit ihrem Mut. –

Tucy hatte die Tür seiner Schlafkammer nicht geschlossen. Auf der Schwelle lag Djib, und sein Herr stand an der Tür und lauschte zur Diele hin. Er redete sich ein, daß seinem Abgang ein Lachen gefolgt sei, er überlegte hin und her, er möchte gern mehr erhorchen, doch der Flur bis zur Diele ist lang. So klopfte er Djib den Rücken und befahl ihm, sich vor die Diele zu legen und zu horchen. Die Hundeseele begriff den Herrn; Djib schlich zur Diele und legte sich dort auf die Schwelle. Auf der Diele aber war es still, und Djib hörte lange nicht, daß seines Herrn Name fiel, so sehr er auch lauschte. Bis der alte Kal anfing zu reden, aber er redete vom Holz und von der Gerste, die nun schnittreif sei. Die Maschinen seien vorgerichtet und mit neuen Deichseln versehen. Jens aber grübelte über Tucys Abgang nach, über dasselbe dachte Sven nach. Er fand es unwürdig, noch länger auf Tucys Farm zu bleiben, und Kal schwatzte weiter vom Segen einer reichen Ernte, endlich käme Geld ins Haus, die Tenne müßte zum Tanz blank gefegt werden, Bier und Kornbrannt her!

Als Kal vom Tanz sprach, blitzten Louisons Augen, und Fanny drehte sich nach Jens um. Ein Wort noch, dachte Louison, nur ein Wort noch vom Tanz und ich gehe zu Jens und nehme seine Hand. Bitte, mein Herr Jens! Ich danke auch schön für die Schuhe, es tanzt sich gut in ihnen! Weißt du noch im Vorjahre, damals hatte ich nur schwere Stiefel und tanzte schlecht. Ach, seufzte sie laut, Tucy verdirbt uns alle Freude!

In diesem Augenblick bellte Djib laut vor der Türe. Er kratzte mit den Pfoten auf der Schwelle.

Fanny wurde rot und sagte strafend zu Louison: Der Hund horcht …

Laß ihn, rief Louison, laß ihn horchen, ich habe ja nichts gesagt! – Sie weinte plötzlich.

Jens erhob sich. Sieben Tage waren wir im Walde und in der Prärie, sagte er. Morgen beginnt die Ernte. Jungens, ihr fahrt in der Frühe die Maschinen, legt euch jetzt nieder!


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