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Eine Woche verlief; an jedem Morgen zogen die Pferde hinaus, sie wurden mager, und obgleich sie das saftigste Gras Kanadas fraßen, glichen sie dürren Katzen. Und es stand noch viel Gerste und Weizen auf dem Felde. Wohl dreißig Pferde fehlten, aber auch sie würden in der Hitze zusammenbrechen. Um Zeit zu gewinnen und weil die Nächte kühl und hell waren, ließ Jens eine Maschine in der Nacht fahren. Die Gerste war so reif, daß sie streute. Das Getreide wurde zu Bergen gefahren; fünfzig Leute aus Cachel und Sault St. Marie standen jetzt auf dem Gerstenschlag, und Jens' letztes Geld ging für die Löhnung dahin. Er selber fuhr die Maschine in der Nacht und schlief am Tage. Das hatte er sich fein ausgedacht, nun mußte Tucy am Tage mit Djib auf dem Felde stehen, damit keine Stunde verloren ging. So gingen sie sich eine Woche aus dem Wege. Eine Woche lang sahen sich die Freunde nicht. Doch, einmal trafen sie sich, als Tucy am Tage versteckt und heimlich das Haus aufsuchte. Er hatte sich den Finger verletzt und ließ sich von Fanny einen Verband anlegen. Jens kam dazu und sah, daß es eine geringfügige Wunde war, die er sich wohl selber beigebracht hatte, um einen Grund zu haben, zur Unzeit ins Haus zu kommen. Und da es um Mittag war, hatte Tucy Grund sich zu wundern, daß Jens nicht schlief. Er sagte ihm: Ich denke, du schläfst am Tage …
Aber Jens konnte ihm sagen: Ich bin kein altes Weib, fünf Stunden Schlaf genügen mir!
Und die anderen sieben Stunden stehst du den Weibern im Hause bei?
Jens lächelte ihn an. Tucy hatte noch viel auf dem Herzen, aber Fannys warnende Augen nahmen ihn in Zucht, auch Louisons Gegenwart hinderte ihn. Als der Verband angelegt war, räumte Jens das Feld und ging in seine Kammer. Er beschloß Sven zu fragen, ob Tucy sich den Finger an einer Maschine verletzt hatte.
Etwas später hörte er Fanny laut singen, und es schien ihm, daß sie lustig wurde, wenn Tucy das Haus verließ. Tucy hatte seinen Lohn weg, aber daß es einem Manne geschah, verdroß Jens. –
Es raschelte an seiner Türe. Herein! rief er und sah gespannt auf die Tür. Es war Fanny. Er stutzte, sie schloß leise die Tür und rieb sich ihre rosigen Arme. Er ist zu Feld, sagte sie und kommt erst gegen Abend wieder. Ich kenne ihn, er hat sich selber die Wunde beigebracht. Man kann jeden Augenblick das Schlimmste von ihm erwarten.
Jens erwiderte ihr ruhig: Er ist bisweilen mißvergnügt …
Bisweilen! rief sie aus und fuhr sich mit der Hand über den Busen, als wolle sie auch die letzte Berührung Tucys von sich abstreifen.
Oh, über diese Frau! und sein Sinn schlug sich heimlich zu Tucy.
Er ist faul und dick geworden, fuhr sie rücksichtslos fort. Er hat nichts von dem gehalten, was er versprach, als wir heirateten. Nichts …
Und plötzlich sah sie ihn an und sagte: Er ist eifersüchtig, nachts steht er auf und schleicht über den Flur und Djib, Djib werde ich vergiften …!
Jens wich zurück. Djib vergiften? – Ah, Fanny, sagte er schlau, wenn Tucy den Hund nicht hat, haben wir noch mehr Galle im Haus. Laß ihm sein Spielzeug, hörst du!
Sie hatte anderes erwartet und blickte ihn beleidigt an.
Der Hund ist gerettet, dachte er bei sich.
Du willst ihm Djib nicht nehmen? fragte sie erstaunt. Nein! antwortete er heftig, und als sie seufzte, sagte er ihr: Tucy wird sich wieder finden, die Sorgen um die Farm haben ihm zugesetzt. Aber jetzt bin ich hier, es geht aufwärts.
Gott sei Dank, daß du hier bist, lächelte sie ihn an.
Sieh, dachte er, es hilft ihr, wenn ich ihr gut zurede, sie muß nur sehen, daß ich noch Tucys Freund bin. Sie soll auch kein schlechtes Wort mehr über Tucy hören Und er fragte versteckt: Ist Tucy denn so faul? – Er soll sich bessern, ich will mit ihm reden. Er darf nicht so viel essen, das Fett macht ihn müde. Drei Pfund Äpfel soll er am Tage essen … Du hast doch Äpfel? Dann muß er auch wieder reiten!
Fanny lachte spöttisch: Er kommt ja nicht auf den Gaul!
Er antwortete eifrig: Ich werde ihm beistehen und mit der Peitsche hinterhergehen.
Ihr Zorn war aber nicht so leicht gedämpft, sie fuhr ihn an: Weißt du denn nicht, daß er dich haßt? Er will dich aus dem Hause haben … Nun lachte er und tat gleichgültig; er sagte kein Wort dazu, sie sollte nur wissen, daß er darüber lachen konnte.
Und dein Geld? fragte sie mit letztem Trotz.
Das Geld! – es zuckte in seinen Augen vor Jammer, daß er ein armer Mann war. Nichts mehr jetzt! sagte er und grinste sie an.
Am Abend verließ er das Haus durch die Hintertür.
Aber Louison hatte den ganzen Tag auf ihn gewartet, sie faßte ihn auf dem Wege zu den Pferden ab. Jens! rief sie und kam ihm atemlos entgegen, sie trug ein weißes, enganliegendes Kleid. Ihr dunkles Haar lockte sich wild. Durch seine Arme ging ein süßes Ziehen …
Ich bin so traurig, begrüßte sie ihn und wie durch Zauber standen Tränen in ihren Augen. Nein, lachte sie dann, ich bin nicht traurig, ich wollte dich nur so empfangen, als sei ich traurig …
Die Freude flackerte in ihm auf, er zog sie an sich, ihre Haare berührten sein Gesicht, er ließ sie wie gelähmt los. Geh, Louison! sagte er barsch.
Ich gehe …, flüsterte sie dicht an seiner Brust, ich denke an dich in der Nacht, in der Nacht.
Er ging schnell davon und blickte sich nicht um. Am Pferdestall stand einer von Knights Söhnen bei den Pferden und legte dem Sattelpferd das Geschirr auf. Jens sah den Pferden auf die Hufe, sein Gaul hatte in der vergangenen Nacht einen Eisenschuh verloren. Der Huf war wieder beschlagen. Die Pferde müssen hohe Eisen tragen, denn die harten Stoppeln und der heiße Boden fressen ihnen die Hufe krank.
Knights Sohn lachte ihn breit an und wies auf die gefüllten Satteltaschen. Louison, flüsterte er, sie hat sich die Sahne dazu aus dem Milchhaus geholt.
Es ist für die Nacht, murmelte Jens verlegen. Für die Nacht, Knights Sohn. Gib mir das Halfterband!
Und Knights Sohn warf ihm das Halfterband zu, daran sechs Pferde gekoppelt waren.
Gute Nacht! rief Jens und ritt davon.
In diesem Augenblick vollzog sich hinter der Dämmerung der Abend, die Schatten wurden in einer Sekunde dreimal so lang, der Mond kam hoch, die heiße Erde schauerte und überzog sich mit einem silbernen Hauch.
Auf halbem Wege begegnete ihm ein Rudel Pferde, Chester saß auf dem Leitpferd und schrie im Vorüberreiten: Jens! – Gute Nacht, Chester!, rief er laut und gedehnt – Gute Fahrt! kam es zurück. Und diese schnellen Worte über den Rücken der Pferde machten ihn tief glücklich, er ritt einen kurzen Galopp. Bald darauf wehte ihm Gesang entgegen. Er hielt an und es war ihm, als käme der Gesang über ein weites Wasser zu ihm gezogen. Er riß seine Augen auf, da sausten vier Wagen wie Schatten durch die Ebene, der Gesang verging.
Er sah nicht, wie Daniel seine Peitsche hoch in die Luft warf, hörte auch nicht Daniels Ruf. Nun mußte noch Sven kommen.
Sven kam mit zehn Pferden geritten. Er ritt im Schritt und Jens wunderte sich, daß Sven mit seinen heftigen Pferden im Schritt ritt. Auf einem Hügel hielt Sven seine Pferde an, stieg vom Leitpferd und erwartete Jens.
Da ist etwas mit Sven, dachte er bekümmert und ritt ihm entgegen. Sven reichte ihm stumm die Hand. Ein Unglücksfall? forschte er und schaute Sven in das verbitterte Gesicht.
Wie lange willst du noch auf der Farm bleiben? fragte Sven.
Über den Winter, Sven, es wird nicht anders gehen … An seinem Gesicht aber erkannte er, daß es einen Streit mit Tucy gegeben hatte; doch sprach Sven nicht davon, er murmelte nur: Der Salm zieht jetzt durch die Seen, dort bin ich wieder mein freier Mann.
Geh! sagte Jens entschlossen und reichte ihm die Hand. Sven standen Tränen in den Augen, mit einem Sprung war er wieder im Sattel und ritt mit den vielen Pferden weiter.
Nun sah Jens weit und breit keinen Menschen mehr. Tucy mußte mit den Wagen gefahren sein. So ritt er dahin, die Pferde stolperten seinen Gedanken nach. Nach einer Zeit nahm er das Koppelband straff und ritt scharf zu. Der Gerstenschlag tauchte auf, er war geringer geworden, über die Gerste hinweg konnte man auf der anderen Seite die kahle Stoppel sehen. Er pflockte die Pferde an, nahm ein Gerstenbund und legte sich nieder. Um ihn herum war die silberne Luft des Abends, der Horizont wölbte sich dunkel; eine Nacht glich der anderen, es summte in der Stoppel und im dürren Stroh raschelte es. Die Feldmaus pfiff und der Maulwurf häufelte schwarze Erde auf. Das letzte Wild zog in die Prärie, nur der Präriewolf hielt noch in der Gerste aus.
Er blickte auf die Uhr. Nach einer Weile wird die Dunstbank im Westen vergehen und der Mond tritt noch heller auf. Es war ganz warm an der Erde, die Wärme nahm gleichsam Gestalt an und legte sich gegen sein Gesicht. Aus der Erde stieg ein Geruch von Kiesel und Harz auf, eine ausgerissene Gerstenwurzel glimmte wie ein fahler Dorn.
Das Leitpferd wieherte und hob seine Nüstern gegen den Mond. Mit einem Schlage war der Mond ganz hervorgetreten und füllte die Erde aus. Mit dem Finger war er zu berühren, so dicht atmete er über dem Felde. Und plötzlich wich die Wärme, eben noch hüllte sie alles ein, jetzt floh sie und sauste wie ein leichter Wind durch die Höhen. –
Er machte sich an die Arbeit und brachte die Pferde vor die Maschine, dabei schnalzte er mit der Zunge und sprach mit den Tieren. Zum Teufel, Schnauze hoch! Alleh, alleh! Jean, steh! Er stieg in den Sattel und ordnete die Zügel. Die Peitsche knallte über die Vorderpferde, gleich darauf ertönte das helle Singen der Messer über das nächtliche Feld. An der Erde war es noch dunstig, aber die Halme hoben sich gelb von der Erde ab. Zehn Schritt voraus flogen dunkle Schatten über die Erde, die Vorderpferde gingen tapfer darauflos und zogen schnurgerade an der Gerstenwand entlang. Das rechte vordere Pferd riß hin und wieder am Zügel, dann weiß er ohne Hinsehen, daß der Gaul hastig einen Büschel Gerste ausreißt. Danach kommen die anderen Pferde in Bewegung und schnappen sich die Gerste aus dem Maul. Er weiß es, ohne es zu sehen. Am Klang der Messer hört er, wenn die Gleitbahn trocken ist; er hält an und ölt die Maschine. In dieser Zeit kommen die Pferde in Unordnung, darüber flucht er, springt schnell wieder in den Sattel und schreit: Los! – Dies alles erfährt keine Unterbrechung, eine Stunde gleicht der anderen. Einige Antilopen sind ihm vertraut, sie ziehen durch die Gerste und wechseln von einer Seite auf die andere Seite. –
So begann es in dieser Nacht auch. Er fuhr die dritte große Runde, er hatte geflucht und die Maschine geölt, jetzt ritt er wieder und steckte sich eine Pfeife in Brand und roch selig den Rauch, der die stille Luft in dünnen Fäden durchzog. Wieder kamen die Antilopen auf jener Seite hervor und reckten ihre schlanken Hälse. Er hob die Peitsche, grüßte die Tiere und fuhr die Kehre; das Wild trat in das Getreide zurück und begab sich auf die andere Seite. Sein Blick schweifte zum Monde, ein kleiner weißer Kopf stand jetzt am Himmel. Er stieß mit der Peitsche nach dem Mond und warf ihm die Schnacke um den Hals, es knallte laut über das Feld mit einem toten Widerhall an der trockenen Erde.
Plötzlich sah er am Ende der Bahn eine Gestalt; er blickte aufgeregt in die Ferne, stellte sich in die Steigbügel und zog die Stirne kraus. Ein Mensch, flüsterte er. Vom angestrengten Schauen schmerzten seine Augen. Er hielt die Pferde ein wenig zurück, seine Aufregung legte sich. Erst dachte er, daß es Tucy sei. Dann aber fiel es ihm auf, daß Djib fehlte. Er wird an der Erde liegen, überlegte er und starrte wieder in die Ferne. Nun erkannte er aber, daß es Tucy nicht sein konnte, es war eine Frauensperson. Dann ist es Fanny, dachte er und wurde unruhig. Gott mag wissen, warum sie mir nachts aufs Feld folgt. Nein, so geht das nicht. Er ritt schneller und ließ die Peitsche über die Vorderpferde gehen. Er stierte voraus, plötzlich durchjagte ihn ein Schreck, denn er hatte die Gestalt erkannt. An einer Bewegung ihres Kopfes hatte er sie wiedererkannt; es war, als sie sich zu den Ähren neigte. Die Pferde waren im Lauf und Jens blickte auf den Hals seines Pferdes. Er tat, als sehe er die Gestalt nicht mehr und fuhr drauflos, das Messer in der Maschine schrie vor Anstrengung. Zehn Schritt vor der Kehre scheuten die Pferde und wichen nach links aus. Er machte ein Theater im Sattel und schwang zum Schein die Peitsche, besann sich und saß ab. Mit einem erheuchelten Erstaunen ging er Cornelia Allister entgegen.
Guten Abend, grüßte sie zuerst.
Er wollte ihr die Hand reichen, aber zuvor sah er an sich herab, es irritierte ihn, daß er in niedrigen Schuhen und ohne Socken vor ihr stand. Einzig ein Stück weißes Leinen schaute aus seinem linken Schuh hervor und blickte ihn eitel an. Auch trug er nur ein wollenes, dunkles Hemd, seine Jacke hing am Sattel.
Sie reichte ihm großmütig die Hand, er nahm sie dankbar zwischen seine Finger und fühlte einen sanften Druck, den er aus Scheu nicht erwiderte. Wußte er, wie sie es meinte? Er sagte ihr aber, daß er sie schon aus großer Entfernung erkannt habe.
Ich habe Sie nicht erkannt, sagte sie kühl. Ich glaubte, es sei einer von Tucys Knechten.
Hoho! Cornelia Allister, wir sind keine Knechte! Wir sind freie Männer … und da er einen Unwillen in ihrem Gesicht wahrnahm, sagte er grimmig: Mac Allister fährt mit Knechten, wir aber fahren aus freiem Willen.
Sie sagte leise: Dann sind Sie es, der mich Nacht für Nacht stört. Ich muß immer auf das Singen der Maschine hören.
Er neigte sein Ohr, um ihre leise Stimme zu hören. Er vergab ihr den Knecht und fragte: So weit singt meine Maschine über das Feld?
Wenn ich meine Fenster schließe, höre ich die Maschine nicht mehr.
Er sagte entschuldigend: Morgen sind wir hier fertig, morgen am Tage, zur Nacht bleibt nichts mehr für mich, Cornelia.
Als er sie beim Namen nannte, blickte sie schnell auf. Als freier Mann legte er die Hände auf seinen Rücken und blickte sie spöttisch an. Er fühlte ihren Blick auf seinen Füßen, oder irrte er sich? Welch ein merkwürdiges Mädchen! – und er sagte: Kamen Sie, um mir zu sagen, daß Sie die Maschine stört? Wünschen Sie, daß ich nicht mehr fahre!
Sie sagte dagegen: Wenn die Gerste abgemäht ist, bleibt noch der Weizen. Fahren Sie dann weiter in der Nacht?
Ja, sagte er, und überlegte ihre Frage.
Nun, sagte sie plötzlich fest, das mit dem Knecht war eine falsche Meinung von mir. Ich würde es einem Knecht verboten haben, in der Nacht zu fahren. Mein Vater läßt auch keine Maschinen in der Nacht gehen.
Er blickte sie still an und dachte in diesem Augenblick an Tucy, welcher ihn in St. Martin als Knecht verschrien hatte. Und es kam ihm in den Sinn, diesem stolzen Mädchen eine Lektion zu erteilen, daß sie noch lange an ihn denken sollte. Er lachte plötzlich über diesen Gedanken, faßte sie dreist an die Schulter und zeigte mit dem Finger auf den Mond … Der da zwingt mich nachts zu arbeiten, Cornelia. Es ist der schöne Mond, der mich in die Nacht hinaustreibt. Ich bin ein Seemann und weiß wohl Bescheid mit den Himmelsgestirnen. Ich lese ihnen das Wetter ab, ich rieche die Luft, welche der Mond vor sich hertreibt. Wir haben noch acht Tage beständiges Wetter, dann aber kann ein Gewitter kommen, das uns das Getreide zu Boden wälzt. So! und morgen kommt der Mond eine Zeit später und schleppt eine Menge Wolken mit sich. Acht Tage aber bleibt das Wetter beständig.
Das sehen Sie alles an der runden Scheibe? fragte sie leise.
Noch mehr sehe ich, sagte er und ergriff ihre Hand. Sehen Sie den Schein, der wie Eis um den Mond liegt und dort die durchsichtige Milch vor den Sternen. Es ist mancherlei, was ich nicht deuten kann, aber ich ahne es.
Nun will ich gehen, flüsterte sie, doch blieb sie stehen und ihre Finger zuckten in seiner Hand. Mit einem stillen Jubel umschloß er ihre Finger. Ich habe sie durchschaut, dachte er, sie sucht einen Zeitvertreib, es ist Allisters Tochter …
Ade, sagte sie und legte den Kopf zurück. Er lächelte spöttisch und horchte in sich hinein. Sie kann mir doch nicht entgehen, sagte er sich und ließ ihre Hand fahren. Und da sie stehen blieb, erwog er, sich wortlos zu den Pferden zu begeben, die in der Gerste standen. Nach einer Weile sagte er: Gehen Sie …!
Sie bewegte sich und reichte ihm die Hand, die er nicht sehen wollte. Sie blickte verstört in sein Gesicht. Wußte er aber, wie sie es meinte, wenn sie spät abends aufs Feld kam, um einem Knecht zu sagen, daß er nach Hause gehen solle. Sie stand eine Weile wie gelähmt, danach ging sie. Er versenkte sich in ihren Gang, das Herz stockte ihm, er ging ihr drei Schritte nach und horchte, als hoffe er, daß sie ihn riefe. Hinter einer Bodensenke verschwand sie. Er ging gemessen die drei Schritt zurück, beugte sein Knie und tastete mit seinen Fingern die Erde ab. Als er in die Abdrücke ihrer Schuhe griff, zitterte er.
Er stürzte zu den Pferden und hatte eine Zeit zu tun, ehe er alles in Ordnung brachte. Viel Zeit ist verloren, sagte er sich, und ein Pferd hustete, es hatte die spitzen Grannen der Gerste im Rachen. Durch die ganze Nacht hustete das Pferd.
Als er in der Frühe auf den Hof ritt, kam ihm Kal traurig entgegen. Sven hatte sich in der Nacht davongemacht, aus Stolz hatte er nicht einmal seinen Lohn gefordert. Gut, sprach Jens, er ist auf dem Wege nach Sault St. Marie zu den Salmfischern.
Daniel und Chester standen schwermütig vor den Ställen. Was sollte nun geschehen? Sie kamen zu Jens und beschwerten sich. Tucy hat Sven beleidigt, und was Tucy einem von uns tut, tut er allen. Wir ziehen auch zu den Salmfischern.
Bleibt, bettelte er sie an. Bleibt noch über diesen Winter, ich will euch noch mehr als bisher Gutes tun. Ihr könnt mich nicht in der Ernte allein lassen.
Es ist nicht deine Ernte, erwiderte Daniel. Wir verlassen die Farm und erwarten dich an den Ufern des Sees.
Ich verspreche euch eine Zulage zum Lohn. Auch Sven will ich seine Zulage nachsenden. Sie gilt von Anfang des Jahres. Wir haben noch tausend Fuder Weizen zu mähen, daraus wollen wir uns bezahlt machen!
Du Schlaukopf! sagte Chester, du versprichst uns goldene Dinger aus Tucys Tasche.
Es hat seine Geltung, sagte Jens stolz. Geht, spannt an, heute ist es mit der Gerste zu Ende.
Tucy war nicht auf dem Hofe zu sehen, und auch als die Leute über den Hof strömten und in die Wagen kletterten, kam Tucy nicht. Jens ließ die Wagen eine Weile warten, die Sonne kam hoch, der erste heiße Hauch strich über den Hof. Aber Tucy kam immer noch nicht, und Jens brachte selber die Pferde und Wagen vom Hof und hieß Kal mitziehen. Er blickte den Wagen lange nach; solange er die Pferde sah, glaubte er, daß auf der Farm alles in gutem Fluß sei. Als aber der letzte Wagen seinen Blicken entschwand, fühlte er, daß Hof und Felder ein düsteres Gesicht trugen.
Djib sprang über den Hof, er jaulte vor dem Hause. Das Heulen Djibs zog Jens zum Hause hin, es war ihm, als riefe Tucy. In der Diele erwartete ihn Fanny, sie stellte ein heißes Getränk auf den Tisch und schnitt das Brot. Iß und lege dich hin, redete sie ihm zu.
Aber die Dinge drehten sich in seinem Kopf, müde streckte er die Beine unter den Tisch. Er hörte ein Rascheln vom Flur und dachte, daß es Louison ist, sie schämt sich und betritt die Diele nicht. Plötzlich fühlte er, wie Fanny ihn von der Seite anblickte und wieder dachte er, daß Louison vor der Türe steht, im engen weißen Kleid und blassen Gesichts, weil sie eine Nacht durchwacht hat.
Tucy ist krank, sagte Fanny, er erwartet dich. Ihre Hand strich über sein Haar, aber der Gedanke an Louison ließ ihn nicht los, er erhob sich und ging an Fanny vorüber zur Tür.
Enttäuscht blickte er über den leeren Flur, nur Djib lag vor Tucys Kammer.
Tucy ist krank? fragte er. Die Arbeit ist ihm wohl zu sauer.
Das ganze Leben ist ihm zu sauer, nörgelte sie, jetzt ist er noch krank geworden.
Diese Worte genügten ihm. Ohne zu essen verließ er die Diele. Ich habe in der Nacht gearbeitet, sagte er sich, Tucy soll mich am Tage nicht stören. Als er aber an Djib vorüberging und ihm der Kopf des blinden Hundes folgte, gab es ihm einen Stoß. Vor seiner Kammer wandte er sich noch einmal um und sah am anderen Ende Fanny stehen, die ihm mit leerem Blick nachschaute. Und weil sie zu seiner Herzenskälte schwieg, kehrte er um und ging zu Tucy. Djib wälzte sich von der Schwelle, und als er die Tür öffnete, drückte sich der Hund als erster ins Zimmer.
Soll der Hund hereinkommen? fragte er und suchte Tucy. Das Bett stand mit den Häupten im Dunkeln, er konnte nichts sehen.
Ja, knurrte Tucy aus dem Bett, mein Djib soll kommen … In der Kammer standen zwei Betten, doch hatte sich Tucy seine Frau ein Stück vom Halse geschafft. Ihr Bett stand auf der anderen Seite.
Eh, Tucy, ich sehe dich nicht!
Ich sehe dich gut, versicherte ihm Tucy. Zieh nur die Gardinen zur Seite und setze dich, Jens. Ich habe das Fieber, eine der verdammten Schmeißfliegen hat mich gestochen.
Eine Fliege? fragte Jens ungläubig und setzte sich auf den Bettrand. Und über Nacht kam das Fieber?
Über Nacht, Jens.
Du bist krebsrot; wenn wir auf dem Meere wären, könnte ich sagen, du hast den Seebrand.
Wenn ich nur auf dem Meere wäre! jammerte Tucy.
Du solltest reiten, versetzte Jens und sah an Tucys glänzenden Augen, daß er im Fieber lag. Wir wollen zusammen über die Felder reiten, du nimmst ein kleines Pferd, ich habe es schon mit Fanny besprochen.
Tucy lauerte ihn an und fragte: Bin ich ihr zu dick? Sie wollte mich aber so haben. Immer sagte sie mir, schufte nicht so, du bist der Herr. Dann macht sie das Essen zu fett und nachher liege ich zu gern auf dem Kreuz. Das ist es.
Jens' Haß schmolz dahin, er blickte ihn mitleidig an. Ich will ihm die Fenster öffnen, dachte er, er schwitzt ja. Aber Tucy kam seinen Gedanken zuvor und bat sehr, die Fenster nicht zu öffnen. Er legte seinen rechten Arm auf die Decke. Den anderen Arm auch, sagte Jens. Ich will dir ein Glas Wasser holen.
Chinin, bringe mir Chinin, Jens.
Hast du auch Schmerzen? fragte Jens.
Nein, beteuerte er. Ich habe bei Gott keine Schmerzen. Geh und hole mir Chinin, mein Blut ist dick geworden. Du meinst, daß ich reiten muß? … gib mir etwas gegen die Hitze, dann will ich reiten. Ha, es soll anders werden mit mir. Wenn ich daran denke, daß ich so dick geworden bin, nur wegen dieses Weibes … verfluchte Hure!
Tucy!
Du weißt nicht, wie sie kochen kann. Die Nieren vom Hammel in Butter geschwenkt, die Schweineleber gedünstet und dann auf den Rost. Jahrelang! Friß dich da durch, dann wirst du auch dick!
Du hast große Schmerzen, sagte Jens schnell, es kam ihm ein Gedanke, und er blickte auf den linken Arm, den Tucy unter der Decke versteckt hielt.
Ja, ich habe auch Schmerzen, aber das ist nicht von Belang. Hole mir Chinin, dann will ich schlafen.
Jens blickte aber weiter auf den versteckten Arm, Tucy zog sich die Decke bis zum Halse und schwatzte: Sven ist fort, Sven, der gute Arbeiter. Ich habe ihn vom Hofe getrieben, ich Elender. Aber er ritt wie ein Teufel vor der Maschine, ich schrie ihn an, daß es die Maschinen nicht aushalten. Was sagte mir der Grünschnabel da? Ich solle mich aufs Kreuz legen und schlafen.
Jens nickte und sagte: Er ist nach Sault St. Marie, zu Fuß wie ein Landstreicher. Wir werden ihm den Lohn nachschicken. Und den anderen geben wir eine Zulage.
Du willst ihnen mehr geben, als ihnen zusteht! rief Tucy.
Jens erhob sich und sagte kalt: Ich habe es versprochen, oder willst du mich auch zu den Salmfischern treiben!
Tucy warf mit dem Fuß die Decke zur Seite, zugleich stieß er einen Schrei aus und sank in die Kissen zurück.
Zeig deinen Arm her! murmelte Jens.
Tucy jammerte: Ich kann ihn nicht anheben. Du hast es gewußt, daß es der Arm ist. Woher nur weißt du alles. Deine Gedanken sind überall. Darum verstecke ich mich auch immer vor dir. Du schaust mich nur an und weißt sicher, was ich verbergen will.
Rede nicht so töricht, ich durchschaue dich nie. Ich weiß aber, daß dich der linke Arm schmerzt, weil du ihn versteckst. Vielleicht ist es auch nicht der Arm, sondern die Hand oder der Finger, in den du dich geschnitten hast.
Tucy zuckte mit dem Arm, als Jens vom Finger sprach. Jens aber griff nach Tucys linkem Arm und hielt ihn fest. Der Arm war heiß, er zog das Hemd zurück und sah, daß die Hand rot und geschwollen war. Am Zeigefinger war eine kleine Wunde, das war der Messerschnitt. Über den Arm zogen sich breite, rote Streifen zur Achsel hin.
Du mußt nach Sault St. Marie, sprach Jens bestimmt. Ich lasse anspannen, krieche aus dem Bett und kleide dich an!
Jens! greinte er, ich kann mit dem Fieber nicht reisen. Ich hole mir den Tod im Wagen. Warum soll ich nach Sault St. Marie! Wegen des Fingers? Schneide mir den Finger ab.
Aber Jens sagte unerbittlich: Du mußt nach Sault St. Marie zum Arzt. Zeige mir das Taschenmesser, mit dem du dich geschnitten hast. Es war Rost am Messer, der Rost hat dir das Blut vergiftet.
Frage nicht soviel, jammerte Tucy, ja, das Messer war rostig.
Wenn es Rost war, mußt du um so schneller nach Sault St. Marie, oder wir müssen einen Arzt holen. Das macht aber zweimal vierundzwanzig Stunden.
Tucy zog seinen Mund schief: Sven ist nach Sault St. Marie unterwegs, er konnte gut reiten. Wenn nur der gute Sven hier wäre. Ich wollte ihn nicht beleidigen, ich habe nur ein Wort gesagt. Sven konnte in neun Stunden nach Sault St. Marie reiten. Wer soll nun reiten! Du, guter Jens?
Still! Ich überlege, wie ich dir helfen kann. – Seine Stimme klang ihm seltsam in den Ohren.
Du bist heiser, flüsterte Tucy. Hast du Angst um mich? Ich habe keine Angst, der Finger ist es nicht, es ist der Arm, vielleicht ist es die Gicht. Rost? Rost kann ich vertragen, Rost macht mich nicht kaputt … Eine Blutvergiftung wäre schlimm. Ich muß nach Sault St. Marie und mir den Arm abschneiden lassen. Dann habe ich einen Stumpf da hängen. Das wäre die Strafe, weil ich mir den Finger geritzt habe … Warum starrst du mich so an!
Ich starre dich nicht an. Du mußt nach Sault St. Marie und dich schneiden lassen. Wenn ich reite, macht es zwölf Stunden hin, drei Stunden, ehe der Arzt zu Pferde sitzt, das sind fünfzehn Stunden. Ein Arzt reitet langsam, der Weg zieht sich hin, es kommen achtzehn Stunden dazu. Nein, du mußt mit dem Wagen fahren, wir nehmen vier Pferde und wechseln die Pferde an der Stange. Wenn wir gut fahren, sind wir in fünfzehn Stunden da.
Fünfzehn Stunden? stöhnte Tucy.
Jens lächelte ihm zu: Ein kurzer Tag, Tucy. Und während er das sagte, ahnte er, daß Freund Hein vor dem Fenster stand. Tucys Gesicht wechselte die Farbe, er stützte seinen Arm, warf die Beine aus dem Bett und murmelte: Spann an, Jens! Als er stand, zitterten seine Knie, er wurde weiß im Gesicht und taumelte. Jens fing ihn auf. Steh, Tucy, stelle dich breit! Aber Tucy hörte ihn nicht mehr, über sein Gesicht ging eine gelbe Blässe, er wurde ohnmächtig. Jens schleppte ihn zum Bett. Jetzt wußte er auch, wie schwer Tucy war, sein Fett zog ihn wie eine Tonne zu Boden. Er legte ihn zurecht, schlich zur Türe und legte den Riegel vor. Während dieser ganzen Zeit lag Djib vor dem Kamin und blickte mit Augen, als sehe er und spitzte die Ohren, als höre er, was die Männer sprachen.
Jens legte ein nasses Tuch in Tucys Nacken. Djib begann leise zu heulen. Jens rechnete die Stunden durch und durch; die Fahrt war nicht zu machen. Ehe der Arzt zum Schnitt kam, war Tucy tot. Gott weiß, daß er es sich ruhig überlegte. Er legte sich auch keine verzweifelte Rechenschaft über Tucys Leben ab. Dennoch wollte er alles tun, was zu tun war. Er kroch durch die Kammer und suchte Tucys Rasiermesser. Aber noch war er zu nichts entschlossen; er prüfte die Schneide des Messers, furchtbare Gedanken stellten sich bei ihm ein. Er sah plötzlich eine Folge von Ereignissen voraus, die nicht mehr in seiner Hand allein lagen. Wenn ich ihn schneide, so sagte er sich, geschieht das Notwendige. Eine andere Stimme sagte ihm, sprich mit Fanny. Er verlachte diese Stimme. Mit Fanny konnte er nicht über Tod und Leben reden. Und wenn Tucy nach dem Schnitt sterben muß, dann kann es sein, daß ich ihn dorthin befördert habe. Er bebte. Es ist aber nicht mein Wille, daß Tucy ein Leid geschieht … und doch kann es sein, daß ich schuldlos zum Schuldigen werde …
Er dachte an Tucys Bosheiten, aber das alles hatte kein Gewicht in seiner Seele. Wiederum dachte er bei sich, fahre ich ihn nach Sault St. Marie, dann trägt ein anderer die Verantwortung. Der Verstand aber sagte ihm, Tucy kommt zu spät in die Stadt … alsdann weine ich über meine Torheit. Und er sah voraus, daß sich Fanny an ihn klammern würde, eines Tages konnte sie sagen: Du hast es gewußt, als du ihn nach Sault St. Marie brachtest, du hast es getan, um die Farm in deinen Besitz zu bringen. Und was würde es ihm helfen, wenn er ihr sagte: Bei meiner Seelen Seligkeit, es gab nur zwei Wege, und einer war so ungewiß wie der andere? …
Und wenn ich Tucy schneide, dann muß es gleich geschehen. Zuerst will ich ihm den Finger aufschneiden, doch fürchte ich, daß ich weiter schneiden muß, das Gift sitzt im Arm … Tränen kamen ihm, sein Gesicht wurde kalt vor Angst.
Djib lag auf der Lauer. Die blinde Kreatur hatte sich an Tucys Bett geschlichen und winselte.
Wie man sich bettet, so liegt man … sagte sich Jens, ich schulde ihm nichts.
Er war im Begriff, die Kammer zu verlassen, um Lysol und Verbandzeug zu holen, als er vor der Tür ein Geräusch vernahm. Es ist Fanny, schoß es ihm durch den Kopf. Er spielte am Riegel und gab ihr eine Zeit, sich zu entfernen. Mit einem Auge sah er, wie sie in der Diele verschwand.
Als er zurückkam, war Tucy wach, er schwatzte mit geschlossenen Augen und bat um Wasser. Nein, sagte Jens, kein Wasser, es erhöht das Fieber. Ja, sagte Tucy und blickte ihn plötzlich wach an, du mußt mir den Finger aufschneiden, es geht alles gut! Und Jens bebten abermals die Glieder, er ging an das Bett und sagte: Wenn du es willst! … Gott sei Dank, daß du es selber sagst. – Er zog das Messer und tauchte es in Lysol. Tucy lächelte schmal zu den Vorbereitungen, sein Hals war in kurzer Zeit dünn geworden und der Schweiß tropfte über seine Nase auf die Decke. Jens goß Lysol ins Wasser und füllte eine Schüssel damit, er breitete frische Tücher über das Bett. Darauf schickte er Djib vor die Türe und riegelte die Kammer ab. Tucy schwatzte: Nur gut, daß es nicht mein Bauch ist, den du aufschneiden mußt. Würdest du auch meinen Bauch aufschneiden?
Ja, sagte Jens heiser, setzte sich aufs Bett und griff nach dem Arm. Er blickte seine eigenen Hände an, viele kleine Risse waren in seine Haut gegraben, und er wußte wohl, daß es eine Gefahr für sein eigenes Blut war.
Du fürchtest dich? flüsterte Tucy.
Still, halte nur still, Tucy! – Er setzte sich so, daß er ihn im Rücken hatte und schnitt zweimal tief und über kreuz den Finger auf. Schwarzes Blut quoll aus der Wunde.
Hast du geschnitten? murmelte Tucy.
Nein, sagte Jens erschrocken, preßte die Wunde zusammen und jetzt erst schrie Tucy. Gut, sagte sich Jens voller Wut, daß er zu dieser Arbeit bestellt war, gut, daß du es fühlst! Er zog durch die härteste Stelle am Arm einen Schnitt und da Tucy mit dem Arm zuckte, glitt das Messer aus und fuhr bis zum Ellenbogen hinauf. Jens sah dunkle Kreise vor seinen Augen und sein Herz klopfte hart. Einen Schnitt noch! Er preßte den Arm an sich und zog einen tiefen Kreuzschnitt. Verzweifelt ließ er das Messer fallen und legte den Arm in die Schüssel. Vom Oberarm massierte er das Blut nach unten und dachte, wolle Gott, daß ich das Richtige tue. Tucy ächzte, er war einer zweiten Ohnmacht nahe. Und während Tucy wachsbleich dalag, verband Jens den Arm. Der lange Schnitt bereitete ihm Sorgen. Als er zu Ende kam, überlegte er, daß der Verband zu fest saß. Er brachte es über sich, alles noch einmal zu wickeln. Dies war der Augenblick, in dem Tucy sich so weit gefaßt hatte, daß er über Jens Rücken schielte und den langen Schnitt bewundern konnte. Du hast mich kräftig geschnitten, lispelte er mit weißem Gesicht.
Es ist geschehen, sagte Jens.
Du hast mich gestochen wie ein Schwein, knurrte Tucy und fiel matt in die Kissen.
Ich bin kein Arzt. Auch ein Arzt kann nicht mehr tun als da zu schneiden, wo das dunkle Blut sitzt.
Wenn du aber falsch geschnitten hast!
Willst du nach Sault St. Marie! schrie ihn Jens an.
Zu spät, heulte Tucy, jetzt kann ich nicht, aber morgen, morgen! Ich fahre mit sieben Pferden, phantasierte er. Du hast mich falsch geschnitten. Ich habe es wohl gefühlt, wie dir das Messer ausgerutscht ist. Der Arzt wird es ja feststellen …
Jens lächelte. Er merkte wohl, daß Tucy schon jetzt einen Bock suchte, dem er die Schuld für seine Ewigkeit geben wollte. Aber er setzte dem ein Lächeln entgegen und wusch seine Hände in frischem Wasser und goß Lysol dazu. Es biß in seine Finger. Du bist verblendet, murmelte er, ich habe mehr getan, als ein Mensch tun kann.
Ich werde den Arzt befragen! schwatzte Tucy vor sich hin.
Das Lächeln schwand aus Jens' Gesicht, der Nacken wurde ihm steif vor Zorn. Erschöpft verließ er die Kammer. Doch Tucy rief ihm nach: Bleibe bei mir! Lege dich auf Fannys Bett.