Robert Kraft
Die Vestalinnen, Band 3
Robert Kraft

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20.

Der Regenmacher.

Ein schaudervoller Anblick bietet sich dem Reisenden, tritt er aus dem dunklen Urwalde heraus und sieht plötzlich Abome, die Residenzstadt des Königreichs von Dahomeh, vor sich liegen.

Sie wird ringsum von einem Palisadenbau eingeschlossen, der wohl sehr leicht aussieht, aber es nicht ist, denn hinter den leichten Brettern befindet sich noch ein starkes Bollwerk aus Balken und Erde; was aber selbst einem mutigen Manne das Herz mit Grausen erfüllt, das sind die Trophäen, welche überall auf den Palisaden angebracht sind – Menschenschädel, fast auf jedem Pfahl einer. Sie geben nicht nur Zeugnis davon, wie siegreich die Könige von Dahomeh immer gewesen sind, sondern auch, wie schnell in diesem Lande Justiz ausgeübt wird, denn zu diesem Zierrat mußten nicht nur die Köpfe von Feinden, sondern auch die der eigenen Landesbewohner herhalten.

»Kopf ab,« so lautet der Urteilsspruch für selbst kleine Vergehen, und kaum ist das Wort gesprochen, so rollt auch schon das blutende Haupt des Schuldigen in den Sand. Was für eine seltsame Art von Bäumen steht dort auf dem freien Platze? Es sind keine Kokospalmen, und doch haben die dicken Früchte, mit denen die Bäume über und über bedeckt sind, die größte Aehnlichkeit mit Kokosnüssen.

Es sind ebenfalls Totenköpfe; noch an verschiedenen Orten kann der Reisende solche erblicken, an Bäumen hängend, auf Stangen steckend, oder zu Haufen aufgeschichtet, und wäre im Walde dem Sonnenlicht durch das dichte Laubwerk nicht der Zutritt versperrt gewesen, so hätte er schon auf dem Wege, meilenweit von Abome, diese unheimlichen Früchte an den Bäumen hängen sehen können.

Nicht viel anders wird es, wenn man die Stadt oder das Hüttendorf selbst betritt, das heißt, wenn der Reisende durch ein anständiges Geschenk an Zeug, Perlen und Waffen sich die Erlaubnis dazu verschafft.

Auch hier wird der einzige Schmuck durch Totenköpfe gebildet, alle Hüttendächer sind mit ihnen verziert, sie hängen an langen Stangen heraus, umrahmen ein kleines Gemüsebeet vor der Hütte, wie wir es etwa mit Muschelschalen einfassen, und selbst bei den Brunnen findet man sie in großer Anzahl vertreten – Ekel vor dieser seltsamen Art von Schmuck scheinen die Leute gar nicht zu kennen.

Daher gibt es für Abome wohl keinen besseren Namen als Schädelstadt; und wenn dieser Name auch kein geographischer ist, so wird sie doch überall genannt, und dem Reisenden fließt dieser Name unwillkürlich über die Lippen, sobald er an Abome zurückdenkt.

Den wahren Reichtum an Schädeln zeigt Abome aber erst, wenn man den großen Platz betritt, der in der Mitte der Hüttenstadt liegt. Hier kann man den Ausdruck Hütte eigentlich nicht mehr anwenden, denn es gibt hier schon ganz stattliche Häuser, welche diesen Platz einschließen, so das Gebäude des Königs, welches er selbst als seinen Palast bezeichnet, das aber im Grunde genommen nichts weiter als eine niedrige Kaserne ist; ferner das Haus, in dem die Ratsversammlungen abgehalten werden; die Karawanserei, zur Aufnahme von Karawanen und Gästen bestimmt; das Warenlager, das Waffenarsnal, kurz, alle Häuser von Bedeutung und öffentlichen Gebäude. Sie strotzen alle von Schädeln, nicht nur das Dach ist über und über mit ihnen bedeckt, sondern auch die Wände sind wie mit einer Verkleidung von ihnen umgeben, weil es öffentliche Gebäude sind, zu deren Schmuck ganz Dahomeh beitragen muß. Die Schädel, welche die Wohnhütten zieren, muß jeder Hausvater im Kampfe erwerben, je mehr eine Hütte also aufzuweisen hat, desto tapferer ist sein Bewohner, und in umso größerem Ansehen steht er, aber einen gewissen Tribut an Köpfen muß er auch dem Könige und dem Hofe abgeben.

Der Platz ist ringsum mit diesen Zeichen irdischer Vergänglichkeit eingezäunt, und außerdem erhebt sich in seiner Mitte noch eine Pyramide von wohl zwanzig Meter Höhe, ganz aus Schädeln kunstvoll zusammengesetzt. Man kann die Säule, wie einen Turm, schon aus weiter Ferne über den Palisaden sich erheben sehen, aber nur, wenn man von der freien Seite kommt.

Da, wo der Platz von keinem Gebäude umgeben ist, steht ein Haus, welches sich weniger durch die Anzahl der Schädel – wenn diese auch noch groß ist – als vielmehr durch die eigentümliche Ausstaffierung derselben auszeichnet. Man glaubt fast, man stehe vor einem Geschäftshaus, welches Masken verkauft.

Die Schädel sind mit natürlichen oder künstlichen Haaren – letztere aus den Fasern der Kokosnuß hergestellt – bedeckt, haben ferner Schnurrbärte, ja, sogar lange Backenbärte und sind bunt angemalt, aber es sind auch Köpfe darunter, an denen noch Fleisch und Haare sitzen. Ferner gibt es da auch Masken aus Holz und falschen Haaren zusammengesetzt, und diese zeigen ein wahrhaft erschreckendes Aussehen, Fratzen mit solchen Nasen, Augen und grinsenden Mäulern, daß sich die lebhafteste Phantasie ihre Gräßlichkeit nicht ausmalen kann.

Es ist das Medizinhaus, das größte Heiligtum von ganz Dahomeh, und derjenige, dem dieses Haus immer offen steht, hat selbst das Recht, dem König den Eintritt zu ihm zu verwehren. Zu gewissen Zeiten ist der erste Medizinmann von Dahomeh wirklich mächtiger, als der König selbst, das heißt, nur so lange, als es diesem gefällt; denn fügt sich schließlich der Medizinmann nicht seinen Wünschen, benutzt er nicht seine Macht über das abergläubische Volk, um dem König damit zu nutzen, so wird er einfach abgesetzt – ein Grund dazu läßt sich immer finden, und ein anderer Medizinmann wird als erster gewählt.

Nghwhalah Ngaraiso war jetzt der Mganga, der erste Medizinmann von Dahomeh, und war seine Gunst auch bis jetzt beim König noch nicht erschüttert worden, so war die Zeit nicht mehr fern, da er in Ungnade fiel, und daran war nichts anderes schuld, als der blaue Himmel, der seit einem Monat schon von keinem Wölkchen getrübt worden war.

Mit versengender Glut hatte die Sonne Woche nach Woche vom Firmament auf Dahomeh heruntergeblickt, hatte die Flüsse, Bäche und Quellen vertrocknen lassen, das reifende Getreide verdorrte, wenn nicht bald Regen fiel, und unter Menschen und Tieren mußten aus Wassermangel bald Seuchen ausbrechen. Der König hatte fast gar keine Einnahmen mehr, denn die Eingeborenen hatten nichts mehr zu geben, und bei dieser trockenen Jahreszeit wagten die Karawanen nicht, von Mgwana aufzubrechen, und diejenigen, welche von Osten her unterwegs waren, blieben ebenda liegen, wo sie Wasser gefunden hatten, und zwar so lange, bis sich des Himmels segensreiche Schleusen wieder öffneten.

Was Wunder, wenn Mizanza, der jetzige König, da mißmutig gestimmt wurde? Der Zauberer von Abome war den Göttern gegenüber ohnmächtig, er konnte sich so lange in seine Hütte einsperren, wie er wollte, er konnte zum Opfer einen fetten Hammel nach dem anderen schlachten, es fiel kein Regen, und Ngaraiso, dem er verschiedene Male nach Mgwana Boten sandte, damit dieser mächtige Medizinmann den Himmel zum Regen nötige, hatte immer auf die nächste Woche vertröstet.

Was Wunder also, wenn Mizanza dem Ngaraiso den Befehl zukommen ließ, sofort ohne Zögern nach Abome zu kommen und womöglich gleich Regen mitzubringen, denn in zehn Tagen würde die neue Anführerin der Amazonen zu ihrer Würde erhoben; und käme er nicht gleich unter einem Regenschauer an, so sollte er unbedingt bis zu dieser Zeit Regen anschaffen, sonst –

Ngaraiso brauchte die Drohung nicht erst aus dem Munde der beiden schnellfüßigen Boten zu vernehmen, er kannte die Bedeutung dieses 'sonst', sonst war nämlich sein Kopf verloren, dafür würde schon Simbawenni, seine Enkelin und Feindin zugleich, Sorge tragen.

Unverzüglich gab sich Ngaraiso auf den Weg. Innerhalb sechs Tagen hatte er Abome erreicht, aber der Himmel strahlte noch immer in unverändeter Bläue.

Er fand Abome in großer Aufregung.

Auf dem Schädelplatz wurden große Gerüste aufgeschlagen, auf denen der König und sein Gefolge, sowie die eingeladenen Gäste den Festlichkeiten beiwohnen sollten, welche gelegentlich der Erhebung Simbawennis zur Führerin veranstaltet werden sollten, die Eingeborenen setzten vor den Türen ihrer Hütten die Waffen in stand, und schon wurden aus der Umgegend die Schlachttiere zusammengetrieben, während die Weiber Pembe und Busah, das afrikanische Bier, aus Durra und Milch brauten.

Mit Unruhe sah Ngaraiso diese Vorbereitungen treffen. Nur noch drei Tage trennten ihn von dem Feste, und hatte es bis dahin geregnet, so war er einer der Mächtigsten bei diesem Feste, er mußte Simbawenni die Würde zuteilen; waren ihm aber die Götter noch immer ungünstig gesinnt, so konnte sein Kopf von einem der noch leeren Pfähle den Waffenspielen zusehen, und ein anderer bat Gott um Segen für die neue Führerin.

Noch aber war Ngaraiso der erste Medizinmann, noch begrüßten ihn die Einwohner Abomes mit Jubelrufen und brachten ihn in Triumph nach der Medizinhütte, in deren heiligem Inneren er verblieb, bis der König ihn zu sich zu rufen geruhte.

Dieser Befehl ließ auch nicht lange auf sich warten.

In einen weiten Mantel gehüllt verließ Ngaraiso durch eine Hintertür die Zaubererhütte und betrat ebenfalls wieder durch eine Seitentür den Palast des Königs.

Mizanza war ein noch junger Mann, zwar kräftig gebaut, aber seine Züge zeigten nicht den kriegerischen Ausdruck, den man einst in den Gesichtern seiner Vorfahren sehen konnte, sie verrieten mehr Sinnlichkeit und Lust am Wohlleben, was man auch seinem Körper anmerken konnte, denn er zeigte Fettleibigkeit.

Der König empfing den Zauberer ganz gegen seine Gewohnheit allein, ohne jeden Minister und ohne seine Frauen, nur ein kleiner Diener war bei ihm, welcher dem bequemen Könige die notwendigsten Handreichungen machen mußte.

Er saß in dem kühlen Räume, dessen Wände mit Lehm beworfen waren, auf einem Teppich und ließ sich von dem schwarzen Jungen ab und zu die Pfeife reichen, oder auch einen Becher mit Pembe aus einer danebenstehenden Kruke füllen.

Ngaraiso warf sich mehrere Male zu Boden, kroch schließlich auf Händen und Knieen zu den Füßen des Königs und küßte ehrfurchtsvoll dieselben, dabei den Segen der Götter für ihn erbittend.

Endlich waren die vorgeschriebenen Begrüßungen und die noch hinzuzufügenden Segenswünsche erschöpft, auf einen Wink Mizanzas durfte er sich erheben und vor dem Könige aufrecht stehen bleiben, denn als erster Medizinmann Abomes stand er im Range eines Mangagara, das heißt eines Unterhäuptlings, wäre er ein Diwan, das heißt, ein Ortshäuptling, so hätte er sitzen bleiben dürfen, und als gewöhnlicher Eingeborener hätte er das Haupt gar nicht vom Boden erheben dürfen.

Der König war nicht so ungnädig gesinnt, wie Ngaraiso erwartet hatte, und das machte hauptsächlich das Pembe, ein berauschendes Getränk, von dem der König mehr getrunken hatte, als er vertragen konnte.

Wohlwollend blickte er aber den demütig vor ihm stehenden Zauberer eben auch nicht an.

»So hast du keinen Regen mitgebracht?« fragte er Ngaraiso.

»Die Götter haben mein Gebet nicht erhört,« antwortete dieser, »aber der Regen ist unterwegs.«

»Wie oft hast du mir dies nun schon sagen lassen?«

»Die Götter sagen, nicht eher wird es regnen, als bis Mizanza, der mächtige König von Dahomeh ihn nötig hat.«

»So, habe ich ihn etwa nicht nötig, verschmachtet nicht mein Volk? Das Getreide vertrocknet, die Karawanen bleiben aus, weil die Bäche meines Landes versiegt sind, und das Vieh stirbt aus Mangel an Wasser.«

»Noch ehe die Festlichkeit beginnt, wird es regnen.«

Des Königs Auge leuchtete auf.

»So weißt du das bestimmt?«

»Ganz bestimmt.«

»Gut denn,« antwortete Mizanza finster, »so hast du dir selbst dein Urteil gesprochen. Regnet es, so bleibst du erster Medizinmann, hast du mich abermals belogen, so bleicht bei dem Feste dein Kopf in der Sonne.«

»Es wird regnen,« beharrte der Zauberer auf seiner Behauptung.

»Warum wohnst du eigentlich in Mgwana und nicht in Abome, du Hund?« fragte der König zornig, welcher den Zauberer durchaus nicht als geheiligte Person betrachtete, sondern vielmehr als sein Werkzeug oder etwa als seine Wünschelrute.

»Die Götter wollen es so.«

Dagegen konnte der König nichts machen.

»Wann soll es regnen?«

»Morgen.«

»Und regnet es nicht, so hängt morgen dein Kopf am Pfahl.«

»Wie die Götter wollen.«

»Nein, du Hund,« brauste der König auf, »wie ich will.«

Mizanza schien die Götter nur soweit anzuerkennen, als sie auf Befehl des Zauberers seine Wünsche befriedigten.

Ngaraiso stand demütig da, aber im Innern verwünschte er diesen Mann. Er würde lieber gesehen haben, daß er weniger stolz und dünkelhaft, als vielmehr abergläubisch gewesen sei. Bei dem Vater hatte er leichteres Spiel gehabt.

»Simbawenni sagt, du taugtest nicht mehr zum Medizinmann,« fuhr der König fort.

»Simbawenni haßt mich, und ich weiß nicht warum.«

»Sie sagte, du würdest zu alt, und ich glaube, sie hat recht. Aber sag, Ngaraiso, was für eine Karawane ist das, welche von Mgwana aufgebrochen ist? Sollte sie sich weigern, mir den Tribut zu bezahlen?«

»Sie ist unterwegs, es sind viele, viele mächtige, reiche Männer und Frauen, die, so mächtig sie auch sind, nie sich weigern werden, dem Mächtigsten der Mächtigen den Tribut zu zahlen.«

Der König fühlte sich geschmeichelt.

»Sie sind reich, sagtest du. Sind es viele?«

»Wohl fünfzig Weiße und ebensoviel Pagazis und Esel, deren Rücken voller Geschenke sind, welche sie dir bringen wollen. Du weißt, o Herr, daß ich gut mit den Musungus (Europäern) stehe, und viel habe ich dir bei Ihnen genutzt. So habe ich auch mit diesen gesprochen, und durch mich, o Herr, lassen sie fragen, ob du es ihnen erlaubst, daß sie den in drei Tagen stattfindenden Festlichkeiten beiwohnen.«

»Sie dürfen es,« sagte der König, fügte dann aber eiligst hinzu, »wenn sie mir genügend Geschenke bringen.«

»Das werden sie tun, denn sie sind sehr reich. Sie müssen in ihrer Heimat mächtige Diwans sein, vielleicht sogar Könige. Sie reiten alle wunderschöne Pferde, und sie sind so freigebig, wie nur du sein kannst. Alle Pagazis haben neue Tücher erhalten und sehr gute Gewehre, welche sie nicht abzuliefern brauchen – sie sind ihnen geschenkt.«

Wieder leuchtete des Königs Auge auf, diesmal aber begehrlich.

»So haben sie viele Waffen bei sich?« fragte er.

»Sehr viele.«

»Auch gute?«

»Sehr gute und so wunderbare, wie ich sie noch niemals gesehen habe. Sie können sechzehnmal damit schießen, ohne wieder laden zu müssen.

»Hast du sie selbst gesehen?«

»Ja, ein Musungu schoß auf eine Entfernung von hundert Metern nach einem Brett, und wie das Brett dann geholt wurde, zeigte sich, daß eine Kugel über der anderen eingeschlagen war.«

»Hi – lah,« rief Mizanza verwundert.

Dann versank er in tiefes Nachdenken und beachtete den ruhig dastehenden Zauberer nicht mehr. Seine Gedanken waren mit etwas anderem beschäftigt, und zwar mußte dies etwas sehr Angenehmes sein, denn ein Lächeln überflog ab und zu seine schwarzen Züge.

Endlich blickte er auf und sah Ngaraiso noch vor sich stehen.

»Was willst du noch hier?« herrschte er ihn an. »Doch halt,« rief er dem schon Hinausgehenden zu, »wann willst du den Himmel zum Regen zwingen?«

»Morgen.« »Und wo?«

»Zwei Stunden von hier, am großen Ziwa (See), der noch nicht ausgetrocknet ist.«

»Warum nicht hier?«

»Gott will es.«

»Gut, ich werde mit meinem Gefolge dorthin kommen und du mußt mich begleiten, Ngaraiso,« sagte der König in drohendem Tone, »wage nicht zu entfliehen! Du wirst streng bewacht, und beim ersten Versuch, dich der Regenprobe zu entziehen, fällt dein Kopf.«

Ngaraiso wußte schon längst, daß er streng bewacht wurde. Demütig, wie er gekommen, entfernte er sich wieder, und Mizanza ließ Simbawenni, seine Lieblingsfrau rufen, um sich mit ihr zu beraten – –

In der Nähe von Abome dehnt sich eine mächtige Grassteppe aus, meilenweit im Geviert, und in der Mitte dieses von Wald eingerahmten Platzes liegt ein kleiner See, der aber in Dahomeh, welches nicht reich an Seen ist, der größte ist, so heißt er der große Ziwa, der große See.

Er war das einzige Gewässer, welches noch nie ausgetrocknet war, so lange man sich entsinnen konnte, wahrscheinlich weil er tiefe, unterirdische Quellen besaß.

Von hier versorgten sich die in der Umgegend wohnenden Eingeborenen am Tage mit Wasser, auch die von Abome scheuten den zwei Stunden weiten Weg nicht, denn ohne Wasser konnten sie nicht bestehen, und daß in seinen lauwarmen Fluten während der Nacht unzählige Tiere ihren Durst stillten, das zeigten die Fährten, welche jeden Morgen neu in den Schlamm eingedrückt zu sehen waren.

Noch ehe der König nach dort aufbrach, um der Prozedur, welche Ngaraiso zum Herunterrufen des Regens vom Himmel vornehmen wollte, beizuwohnen, erfuhr er schon durch Boten, daß sich an diesem See eine große Karawane gelagert habe. Aus der Beschreibung merkte er sofort, daß es jene war, welche vor einigen Tagen aus Mgwana aufgebrochen.

Die Musungus, meldeten die Boten, befänden sich auf dem Wege nach Abome, um dort dem Könige ihren Tribut dafür zu bringen, daß sie sein Gebiet durchzogen, an diesem See aber hätten sie Rast gemacht, um während einiger Tage dem Jagdvergnügen obzuliegen.

Mizanza fand dies bestätigt.

An einer Seite des Sees, da, wo er sich am meisten dem Walde nähert, erhoben sich gegen dreißig Zelte, in denen zum Teil die Musungus, zum Teil die Eingeborenen wohnten. Rings um die Zelte waren die Felle der geschossenen Tiere aufgespannt.

Was von eßbarem Wild geschossen war, das briet zwischen den Zelten über den Feuern, an Spießen, die von Schwarzen fortwährend in drehender Bewegung erhalten wurden, damit die verwöhnten Musungus keinen Grund zur Klage hatten.

Mizanza war sehr erfreut, die reiche Karawane hier anzutreffen, denn, daß er bei einer Begegnung mit den Musungus schon jetzt Geschenke erhielt, stand sicher zu erwarten.

Aus dem Zeltlager lösten sich auch schon einige Reiter, Männer und Frauen ab und bewegten sich auf den König zu, welcher eben mit seinem Gefolge und einer kleinen Abteilung von Amazonen, seiner ständigen Begleitung, aus dem Walde heraustrat.

Von den Musungus aber kamen noch zwei Abgesandte an, von denen der eine dem Könige als Gruß eine Menge Perlen, einige Doti besten Wollenstoff und einen prächtigen Dolch brachte und bat, der König solle ja nicht zürnen, daß er in seinem Gebiet auf eine Karawane stoße.

Dies war keine Ausnahme von der Regel, so mußte stets verfahren werden, und so hatten es die Musungus auf den Rat Goliaths und Davids auch nicht unterlassen, Mizanza schon jetzt für sie günstig zu stimmen. Der König prüfte das Gewebe mit eigener Hand, besichtigte die Perlen und gab dies alles geringschätzend seinen Sklaven zum Tragen, den Dolch selbst steckte er sofort in den Gürtel und konnte dabei ein wohlgefälliges Lächeln nicht unterdrücken – vorläufig war er mit den Geschenken zufriedengestellt.

»Sage deinem Herrn,« sprach er zu Goliath, dem Ueberbringer der Geschenke, »Mizanza ließe danken, und er lade ihn ein, zuzusehen, wie sein Zauberer den Himmel zum Regnen zwänge. Geh – halt,« rief er plötzlich, und Goliath kehrte um, »ist bei deiner Karawane nur ein Herr?«

Goliath war von seinem Herrn gut instruiert worden, denn hätte er gesagt, daß alle 27 Herren und 25 Damen für sich wären, so hätte der König von jedem einzelnen ein Geschenk verlangt.

»Ja, o König,« erwiderte er schnell, »es ist nur ein Herr, die anderen Musungus sind seine Askaris, (Soldaten) aber die Karawane besteht aus zwei Teilen, wie du auch zwei Fahnen dort flattern sehen kannst.«

Auf seinen Wink trat schnell David hervor und überreichte Mizanza ebenfalls ein Geschenk, an Wert ebensogroß, wie das erste, und wie erstaunt war der König, als er erfuhr, daß der Herr dieser Karawane ein Mädchen und die sie begleitenden Frauen ihre Kriegerinnen wären.

Darüber war er so aufgeregt, daß er es seinem Gefolge speziell mitteilte, und hauptsächlich entstand unter den etwa zehn mitgekommenen Amazonen eine große Bewegung. So hatten die Musungus also auch Amazonen.

Auch diese Dame und ihre Kriegerinnen wurden zu der Zauberei eingeladen, und der König begab sich nach dem Platze, welcher von Ngaraiso als der bezeichnet worden war, wo er den Gott zwingen werde, Regen herabzusenden.

»Hi – loh!« rief Ngaraiso erstaunt aus, als er den betreffenden Ort erreicht hatte, und blieb stehen, vor Schrecken anfangs wie erstarrt, »seht hier, der Opferaltar ist schon erbaut.«

Nicht weit vom Ufer des Sees war auf einer großen Fläche alles sonnenverbrannte Gras abgemäht worden und in der Mitte zusammengehäuft, so daß ein Stapel von etwa zwei Meter Höhe entstanden war.

»Du hast es schon vorher getan,« fuhr ihn der König an, in der Meinung, daß der Zauberer ihm etwas vorspiegeln wollte.

»Wahrhaftig nicht,« rief Ngaraiso, »ich habe es nicht getan, es ist ganz sicher, Gott hat sich seinen Altar selbst gebaut.«

Es wurde nicht weiter erörtert, wer den Platz vom Gras gesäubert und dieses zusammengefegt hatte, denn soeben kamen langsam die Musungus angeritten. Es fand eine feierliche Begrüßung statt, wobei die Eingeborenen besonders neugierig die wohlbewaffneten Mädchen musterten und die Weißen wiederum mit der größten Spannung besonders die Amazonen betrachteten, welche sie hier zum ersten Male sahen. Nur schade, daß sie sich nicht zu Pferde befanden und auch nicht im vollen Waffenschmuck, sondern mir mit einem bloßen Schwerte an der Seite und mit Bogen und Pfeil bewaffnet waren.

Es waren alles Gestalten, welche mit Yamyhla Ähnlichkeit hatten, groß, schlank und kräftig, mit denselben feurigen Augen und herausfordernden Blicken.

Als Ellen den Führer Goliath fragte, ob Simbawenni unter ihnen wäre, schüttelte dieser den Kopf. Diese müsse sich auf die in drei Tagen zu ihrer Ehre stattfindenden Feierlichkeiten würdig vorbereiten, sonst aber begleite sie den König immer, teils als seine Lieblingsfrau, teils um über seine Sicherheit zu wachen.

Dem scharfen Auge des Lord Harrlington entging es nicht, wie begehrlich der König die Waffen der Fremdlinge musterte, und der gefragte David teilte mit, daß Mizanza großes Interesse an Waffen hege, wie er, trotzdem er gar nicht darnach aussähe, überhaupt ein vorzüglicher Krieger und Jäger sei, und jetzt wäre sein Interesse an Schießwaffen um so größer, als er beabsichtigte, nächstens einen großen Raubzug nach dem Osten zu unternehmen; er hätte schon vielfach versucht, sich in den Besitz besserer Gewehre zu setzen, aber die Händler wollten sie ihm nicht liefern.

Für die Händler in Afrika bestehen nämlich gewisse Gesetze, und eins davon ist, daß den Negern nur Feuersteingewehre geliefert werden. Sind sie im Besitze anderer, besserer, so haben sie sich diese auf unrechtmäßige Art und Weise angeeignet.

Während sich der König mit Lord Harrlington und Ellen unterhielt und sie nochmals persönlich aufforderte, an den Festlichkeiten teilzunehmen – die Tore Abomes stünden ihnen und ihrer Karawane offen – wobei er nicht unterließ, auf ein außer dem Tribut zu erwartendes Geschenk anzuspielen, wurde von Ngaraiso ein kleines Zelt hergerichtet, in welchem er sich für die vorzunehmende Zauberprozedur umkleidete.

Das Regenmachen findet sich nicht nur in Afrika, sondern auch ebenso in Amerika unter den wilden Stämmen verbreitet und beruht meist darauf, daß auf einem großen, freien Platze ein Feuer angebrannt und in diesem auch ein Tier geopfert wird, die Götter zu ehren, die dabei unter allerhand zeremoniösen Tänzen und Sprüngen um Regen angefleht werden. Es ist ganz merkwürdig, daß hier oft der Gott auch ganz plötzlich Wolken am Himmel entstehen läßt, nicht etwa nach und nach langsam vom Horizont heraufkommend, sondern manchmal sogar direkt über dem Platze, welche dann einen Guß herabschicken. Oft sogar ist dies der Anfang einer längeren Regenperiode. Herrscht die Trockenheit aber nur einige Tage, dann wird der Zweck gewöhnlich nicht erreicht, wohl aber, wenn lange kein Regen gefallen ist.

Diese Erscheinung beruht ebensowenig auf Zauberei, als auf Zufall, sondern auf einem Naturgesetz, welches viele wilde Völker kennen, ohne es erklären zu können. Sehr häufig wird es zum Beispiel auch auf den Pampas von Südamerika von den Gauchos, das heißt von den Pferdehütern angewandt, wenn sie kein Wasser mehr für sich und die Tiere haben, nur daß dort einfach ein großes, möglichst schnell aufflackerndes Feuer angesteckt wird, ohne jede Vornahme irgendwelcher religiösen Zeremonie.

Große Trockenheit wird dadurch hervorgerufen, daß die Sonne alles Wasser von der Erde verdampft hat, fällt nun dieser Wasserdampf in Gestalt von Regen nicht wieder zur Erde, so kommt dies meist daher, weil keine Windströmung da ist, welche den Wasserdampf nach kalten Regionen führt.

Die Luft ist also mit Wasserdampf gesättigt, und damit dieser wieder zu Wasser wird, muß er kalt werden, dazu ist aber wiederum nötig, daß er emporsteigt, denn in den oberen Regionen ist es bekanntlich kälter, als in den unteren. Das Nachobensteigen findet zwar immer statt, weil die warme Luft leichter ist, als die kältere, aber sehr langsam. Zündet man nun ein großes Feuer an, so reißen die Flammen die warme, feuchte Luft nach oben, andere strömt ihr nach, die ganze Atmosphäre kommt in Bewegung, und wenn sich der Wasserdampf oben abgekühlt hat, so ballt er sich zusammen, das heißt, es entsteht eine Wolke und stürzt als Regen wieder herab.

Gewöhnlich ist derselbe von einem heftigen Wind begleitet, der ebenfalls durch das Feuer hervorgerufen wird, welches eben durch seine Hitze das Gleichgewicht der Luft gestört hat.

Die Wilden können sich dies natürlich nicht erklären, sie wissen um die Tatsache, aber sie halten es für eine Gunst der Götter, wenn wirklich Regen fällt. Die Prozedur gelingt ihnen nicht immer, weil sie dieselbe oft vornehmen, wenn in der Luft gar kein Wasserdampf vorhanden ist.

Wie schon gesagt, Ngaraiso war ein aufgeklärter Mann und war von seinem früheren Herrn über derartige Naturerscheinungen belehrt worden. Bis jetzt hatte er die Zeit für noch nicht geeignet gehalten, die Wunderkur zu versuchen, jetzt aber war der Augenblick da, mußte da sein. Schon einmal war ihm eine großartige List geglückt, und diesmal hatte er erst Rücksprache mit den englischen Herren genommen, und diese hatten ihm Hilfsmittel gegeben, wie er sie noch nie gehabt hatte.

Von kunstgerechten Händen war der fette Hammel zerlegt, und nach vorheriger Anweisung von Ngaraiso ohne weiteres auf den Heuhaufen gelegt worden. Man hielt diesmal den Zauberer für verrückt, daß er ein paar brennenden Heuhalmen zutraute, das Opfer zu verzehren und somit die Gnade der Götter herbeizurufen, oder aber, er mußte seiner Sache sehr sicher sein.

Der König, sein Gefolge und die Musungus waren schon lange nicht mehr allein auf dem Platze, das ganze Zeltlager war verlassen worden, alle Eingeborenen bis auf die Wache scharten sich um den Opferaltar, und Scharen auf Scharen von Negern kamen aus den Wäldern heraus, denn schnell hatte sich das Gerücht verbreitet, daß Ngaraiso Regen machen wollte, und dieses Schauspiel durfte sich niemand entgehen lassen.

Die Männer lehnten sich auf ihre Spieße, die Frauen, nur von den Hüften bis zu den Knieen mit Röcken bekleidet, hielten mit einer Hand die großen Kinder fest und mit der anderen den auf der Schulter sitzenden Säugling; alle harrten der kommenden Dinge. Etwas gab es sicherlich zu sehen, entweder antwortete der Gott mit Regen, oder jene Amazonen dort schlugen dem Ngaraiso den pfeffergrauen Wollkopf ab.

Die schwatzende Menge verstummte plötzlich ehrfurchtsvoll; aus dem neben dem Heuhaufen stehenden Zelte kam eine sonderbare Gestalt heraus, der verkleidete Zauberer.

Er war in das Fell einer blauen Antilope gehüllt, welches nachschleppte. Zusammengehalten wurde es durch einen breiten Silbergürtel, welcher so in der Sonne glänzte, daß die Augen der Zuschauer fast geblendet wurden. In der Hand hielt er eine Art Holzkeule, mit sonderbaren Zeichen über und über bedeckt. Schauderhaft aber sah das Gesicht dieser Gestalt aus.

Es war eine wahre Teufelsfratze, die sich Ngaraiso vorgebunden hatte, ein riesengroßes Maul mit fletschenden Zähnen, langem Bart, und oben saßen die Hörner der Antilope.

Unter hüpfenden Sprüngen näherte sich der Medizinmann dem Opferhaufen, bald vorwärts, bald rückwärts springend, die Keule schwingend, und seinen Körper dabei verdrehend. Als er den Heuhaufen erreichte, begann er sich in schnellerem Tempo um denselben herumzubewegen, dazu einen monotonen Gesang ausstoßend, und sobald er den Platz erreicht hatte, von wo er den Rundtanz begann, warf er sich auf den Boden und verbarg das Gesicht auf der Erde – er betete.

Immer schneller wurden dann seine Bewegungen, er ging nicht mehr, er rannte, jagte um den Haufen, er warf sich mit Gewalt auf sein Antlitz, sein Gesang glich einem heiseren Gebrüll, und seine Fußspuren waren mit Schweißtropfen bedeckt.

Atemlos standen die Neger da und beobachteten sein Treiben. Sie hatten schon manchmal solchen Prozeduren beigewohnt, aber da war der Opferstoß, gewöhnlich ein Scheiterhaufen aus vielem trockenen Holz, schon vorher von dem Zauberer angebrannt worden, und er tanzte während des Brandes um ihn herum. Hier schien es fast, als ob der Zauberer wartete, bis daß der Gott selbst den Haufen anstecken und sich sein Opfer braten würde.

Dieses schnelle Springen des schweißbedeckten Zauberers, das monotone Geheul jedes einzelnen, hatte etwas Bannendes für die Zuschauer. Niemand wagte, ein Wort zu sprechen. Alle hielten die Augen starr auf den Zauberer und den Heuhaufen geheftet.

Da plötzlich gellte ein tausendstimmiger Schrei durch die Luft; wer dem Opferhaufen am nächsten stand, wich erst scheu zurück, drängte dann mit aller Gewalt vorwärts, warf noch einen Blick auf das Wunder und warf sich schließlich ebenfalls zu Boden, um den schrecklichen Gott nicht in eigener Gestalt sehen zu müssen.

Noch war der Himmel völlig blau, da rollte plötzlich ein furchtbarer Donner durch die Luft, man wußte nicht, woher er kam, das Getöse schien eher in dem Heu vor ihnen zu entstehen, und da zuckte auch schon ein langer Feuerstrahl aus dem Haufen zum Himmel empor, und mit einem Male stand er in Flammen.

Der Gott selbst hatte den Feuerherd angezündet, um sich sein Opfer zu schmoren.

Selbst der König war von maßlosem Schrecken befallen worden, als der kleine Heuhaufen plötzlich in himmelhohen Flammen stand. Wie war es möglich, daß so wenig Gras diese mächtigen Flammen werfen konnte; es hätte ja schon nach wenigen Sekunden verbrannt sein müssen, und doch wuchsen seine Flammen immer höher an.

Auch der Zauberer war den heißen Flammen entwichen, hatte sich auf den Boden geworfen und stach sich fortwährend mit einem Messer in Arme und Beine, so daß das Blut hervorrann.

Die Musungus hatten ihre Kaltblütigkeit beibehalten, sie beobachteten aufmerksam den Himmel – das war ihnen interessanter, als das Gebahren des Zauberers.

Ueber dem Feuer bildete sich ein weißer Nebel, der sich nach und nach verdickte, immer dunkler wurde und immer höher stieg, bis er gleich einer Wolke über dem Platze hing. Dann sauste plötzlich ein Windstoß über die Fläche, und schon begannen sich am Horizont schwere, finstere Wolken zu zeigen, die mit fabelhafter Schnelligkeit aufzogen.

Ein Blitz, ein Donner, diesmal aber vom Himmel herabkommend, kündete das Gewitter an, und da wurden auch schon die Schleusen des Himmels geöffnet – ein heftiger Platzregen prasselte auf die Köpfe der Menge herab.

Lachend und schreiend flüchteten sich die Herren und Damen nach ihren wasserdichten Zelten, der Zauberer konnte sich nicht mehr in das seinige zurückziehen, denn die Opferflammen hatten es ergriffen und mit allem darin Befindlichen verzehrt, aber er wäre auch gar nicht dazu gekommen.

Kaum hatte er die Keule aus der Hand gelegt und sich der Maske hinter einem Busche entledigt, so war er wieder ein gewöhnlicher Mensch, und triumphierend und jubelnd hoben ihn die Neger auf die Schultern und trugen ihn im strömenden Regengusse nach Abome zurück.

»Ngaraiso steht jetzt mächtiger da, als der König selbst,« sagte John Davids in dem größten Zelte zu denjenigen, welche unter der Leinwand Schutz gegen den Regen gefunden hatten, »Mizanza würde jetzt vergeblich versuchen, auf Bitte der Simbawenni den Zauberer zu vernichten. Er hat das Volk für sich, und dieses hat doch die eigentliche Macht. Die Dahomehneger sind ein sehr selbständiges Volk.«

»Ich glaube, es hätte gar nicht zu regnen brauchen,« meinte Ellen, »schon das Selbstanzünden des Opferhaufens und das anhaltende und hohe Brennen des wenigen Heues machte ja die Leute ganz unsinnig vor Schrecken. Sie sahen daraus schon, daß Ngaraiso mit höheren Kräften ausgerüstet ist oder mit seinem Gott in näherem Umgange steht.«

»Dieser Ngaraiso ist doch eigentlich ein Fuchs,« lachte ein anderes Mädchen, »er führt seine Landsleute schön an der Nase herum.«

Hannibal hatte erfahren, daß sein ehemaliger Freund Ngaraiso, der ihn schnöde ins Unglück gestürzt hatte, in Gefahr war, wenn er nicht Regen herbeischaffe, und da der Zauberer zu dem Unternehmen, welches Hannibals Herr vorhatte, unbedingt gebraucht wurde, so sprach er mit Lord Harrlington darüber, und dieser sagte seine Unterstützung zu.

Während nun Ngaraiso sich nach Abome begab, richteten die Herren heimlich bei Nacht den Heuhaufen her, den sie ordentlich mit Petroleum tränkten und in den kurz vor der Ankunft des Königs eine Rakete mit glimmender Zündschnur und ein sogenannter Kanonenschlag gesteckt wurden.

Erstere erzeugte den Blitz, letzterer den Donner, und zugleich wurde das Heu in Flammen gesetzt. Das mächtige Feuer führte dann wirklich Regen herbei. Noch zwei Tage wollte die Gesellschaft liegen bleiben und dann nach Abome aufbrechen, der König hatte sie ja noch besonders dazu aufgefordert. Daß der Regen anhalte, stand nicht zu erwarten, aber er lieferte doch genügende Wassermengen, um die Quellen wieder in Tätigkeit zu setzen, welche die Bäche und Flüsse speisten.

Während in Abome Vorbereitungen getroffen wurden, um die Erhebung Simbawennis mit möglichstem Pomp zu feiern, berieten sich die Herren und Damen, wie man dies verhindern, wie man die unrechtmäßige Anführerin, die sich zur Erlangung dieser Würde unerlaubter Mittel bedient hatte, wieder stürzen könne, ohne den König dadurch zu beleidigen.

Auf Yamyhla war dabei nicht zu zählen. Das mutige Mädchen mit dem heißen Blute wollte direkt vor die Nebenbuhlerin treten und ihr die verübte Schurkerei ins Gesicht schleudern; aber es gelang endlich den Damen mit vieler Mühe, sie davon abzubringen.

Es galt ja nicht allein, die Anführerin der Amazonen, sondern auch die Lieblingsfrau des Königs zu stürzen.


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