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Pommern

Nachdem wir somit Danzig und seiner Umgebung so viel Aufmerksamkeit gezollt, als uns der Raum gestattet, betreten wir das viel genannte und wenig gekannte Pommerland. Fürchte Niemand hier eine berichtigende statistisch topographische Beschreibung dieser grossen Tabula rasa anhören zu sollen. Das Land ist flach und Gott ist gross auch auf der Fläche. Damit ist über das Land eigentlich Alles gesagt. Wir haben es hier aber zunächst mit dem Volke zu thun, das, unscheinbar wie sein Boden, einen sehr soliden reichlich lohnenden Werth in sich trägt, wenn ihm nur die richtige Behandlung zu Theil wird. Meist aber existiren von diesem Volke und seiner Bildungsstufe noch Ansichten, wie Kotzebue und Consorten, seligen Andenkens, sie durch lächerliche Theaterfiguren stabil gemacht haben, und diese einigermassen zu berichtigen, wäre hier wohl sehr passend, aber es fehlt der Raum. Ich lasse statt dessen Thomas Kanzow's höchst naives Urtheil über die Pommern und Micräl's Bemerkung hierzu folgen. Thomas Kanzow sagt: Dies Volk ist jetzt ganz deutsch und sächsisch, ausgenommen, dass in Hinterpommern auf dem Lande noch etliche Wenden und Kassuben wohnen. Es ist viel höflicher und frommer geworden, als es bei der Wenden Zeit gewesen; aber doch hats, beides von den Wenden und vom gestrengen Himmel, darunter sie wohnen, noch viele Grobheiten an sich. Denn es hält wenig oder nichts von Studiis und freien Künsten, darum hats auch nicht viel gelehrter Leute, wiewol es sehr feine Ingenia hat, wie man an vielen spüret, wenn sie nur dazu gehalten würden; aber ihr Gemüth steht nur danach, etwas zu erwerben. Demnach zeucht der junge Adel, so fromm sind, hin und wieder an Fürstenhöfe oder in Kriege; die andern aber, die der Ehren nichts achten, rauben auf den Strassen, oder stossen sonst heimlich den reichen Bauern aus, und hats immerzu Mühe und Noth, dass die Fürsten und Landschaft das Land vor ihnen sicher behalten können. Die in den Städten aber geben sich ganz zu seewärts oder zu Kaufenschaft und Handwerken, und trachten stets nach neuen Dingen. Aber der gemeine Mann und Bauerschaft dieses Landes ist sehr faul und unnährig, die ungern arbeiten, es treibe sie denn die grosse Noth, und wenn sie oft sehen oder ermahnet werden, dass sie des Ihren besser gebrauchen und geniessen könnten, kehren sie sich vor Faulheit nichts daran. Darum leben sie auch zum mehreren Theil an vielen Orten von der Hand in den Mund, wie man sagt. Der Adel ist in Vorjahren auch nicht sehr fleissig und vorsichtig auf die Nahrung gewesen, aber itzund in kurzen Jahren sind sie es angeworden und ist, weil das Land gestanden, der Adel darin so reich und mächtig nicht gewesen, als itzund.

Das Volk aber ist durchaus sehr frässig und zehrisch, und mag ihnen eine leichte Ursache vorfallen, dass sie grosse Unkosten thun. Denn, wird ein Kind geboren, so haben die Weiber ihren Prass; wirds getauft, so bittet man die Gevattern und nächsten Freunde dazu; gehet die Frau wieder zu Kirchen, thut man gleicher Gestalt. Wenn eine Hochzeit wird, so bittet man Freunde und Fremde zu, prasset drei, vier, fünf und bisweilen mehr Tage aus und aus, und schenkt dem Bräutigam und der Braut nichts. – – Stirbt einer, so ists an etlichen Orten gewöhnlich, dass man diejenigen, so bei der Begräbniss gewesen, zu Gaste ladet und ihnen flugs aufschuzzet. Ist der Todte etwas gewesen, so lässt man ihm ein Seelbad nachthun, dass die armen Leute baden, und man ihnen Brod und Bier giebt. Darnach bestellt man für sich und die Freundschaft auch ein Bad, und baden auch und halten einen guten Prass. Item es ist kein hoch Fest im Jahr, als Ostern, Pfingsten, Weihnachten, Fastnacht, man holt in den Städten und Dörfern Brüderschaften und Gilten, bei acht oder mehr Tagen, welches alles mit Fressen und Saufen ausgerichtet wird. Also, es komme einer zur Welt, und wenn er in der Welt ist und wieder von der Welt scheidet, so muss geschlemmet und gedemmet sein. Und man soll sich nicht verwundern, dass sie bei den Todten so guter Dinge können sein, denn in den Städten und Dörfern, wenn sie einen zu Grabe geleiten, so suchen sie keine schwarzen Kleider dazu, sondern je besser und bunter sie sie haben, sonderlich die Frauen, je lieber sie sie anthun.

Sie übernehmen sich auch sehr mit Kleidung und Geschmuck, also dass nun unter dem Adel bei den Männern Sammet und seiden Gewand, und bei den Weibern Silber- und Güldenstück, Perlen und grosse güldene Ketten gar gemein ist. So setzen ihnen die Bürger auch frisch nach, und heben gleich auch an, Sammet, Perlen und Gold zu tragen. Und denen wollen die Bauern nichts nachgeben, und tragen nun Englisch und ander gut Gewand, je so schön als ehemal der Adel oder Bürger gethan haben, und übersteigen sich so hoch damit, dass sie es von dem Ihren übel können ausrichten. Darum steigern sie alle Waare so hoch, dass nun allerley viel theurer ist, als es pflegte zu sein und die gute Zeit gar untergehet. Ach, wo ist die gute Zeit geblieben, da die Fürsten zu ihren höchsten Ehren nur einen scharlachroten Rock und etwa ein Sammet Wambs und ein Paar Leidischer Hosen hatten, wie ich noch aus einem alten Register gesehen, dass Herzog Wartislaf nur gehabt. – Aber jetzt ist zu besorgen, dass die Pracht der Kleider und der Uebermuth und das leckrige, weichliche Leben wird leider die alte Pommersche Art, beides an Stärke und Sitten, sehr verarten; denn kein gefährlicher Ding ist zur Tugend, Mannheit und Kraft des Menschen, denn leckere Wohltage und Pracht. Doch sei dies genug beklagt, es wird der Pflug den Stein noch wohl finden.

Ferner ist das gemeine Volk, sonderlich auf dem Lande, sehr abstörrig gegen Fremde und herbergt nicht gern, und wenn's einen schon herbergt, lässt es einem ungern, was man bedarf, wenn man gleich doppelt geben wollte. –

Es ist das Volk mehr gutherzig als freundlich, mehr simpel denn klug, nicht besonders wacker oder fröhlich, sondern etwas ernst und schwermüthig. Sonst ists ein aufrichtig, treu, verschwiegen Volk, das die Lügen und Schmeichelworte hasst, bittet sich untereinander gern zu Gaste und thut einem nach seiner Art und Vermögen gern gütlich. –

Die Pommern sind durchaus grosse, wohlerwachsene, starke Leute, und männlichen Gemüths, doch sind sie trägen Zornes, darum treiben sie nicht leichtlich Krieg, und werden eher bekriegt, denn dass sie es anfangen sollten. Sie sind aber zu Kriege, beides zu Wasser und Lande, gerüstet und geschickt, und wenn es ihnen vonnöthen thut, sich der Feinde zu erwähren, sind sie unerschrocken und heftig, aber sobald der erste Grimm über ist, sind sie wohl wieder zu stillen. In Vorzeiten haben sie nur leichte Pferde und Rüstung gebraucht, wie die Franken; jetzt aber haben sie schwere frische Gäule und ganze Kürasse, mehr zum Stand als auf die Flucht gerüstet, führen Riemenspiesse, kurze breite Schwerter und Streithammer. Das Fussvolk hat nur einen Panzer oder Rücken und Krebs, führen zum mehrern Theil Reutlinge (Messer), Hellebarden und Schweinspiesse. –

Der Bauern Wesen ist nicht durchaus gleich. Einige haben ihr Erbe an den Höfen, darauf sie wohnen. Dieselben geben ihre bescheidene Zinse und haben auch bestimmten Dienst. Diese stehen wohl und sind reich. – Aber mit den andern ists nicht so; die haben an den Höfen kein Erbe und müssen der Herrschaft so viel dienen, als sie immer von ihnen haben wollen, und können oft über solchen Dienst ihr eigen Werk nicht thun, und müssen derhalben verarmen und entlaufen. Und ist von denselben Bauern ein Sprichwort, dass sie nur sechs Tage in der Woche dienen, den siebenten müssen sie Briefe tragen u. s. w.

Micrälius bemerkt nun hierzu: »Wenn dieser alte redliche Pommer, der dieses geschrieben, jetzund sollte aufstehen und sehen, wie alles umgekehret, und wie die Pommern an gelehrten Leuten zwar anjetzt keinen Mangel haben, aber dagegen alle Materie zur Pracht in diesem Kriege verloren und das Land so sehr verderbet ist, dass die Leckerbissen sich in diesen Kriegen gar wieder verloren, dass kaum der liebe Brodkorb mehr übrig ist, und ein Huhn nicht um einen Groschen, sondern wohl um einen halben Gulden oder halben Thaler und ein Schock Eier nicht um vier Märker, sondern wohl für vier Gulden zur Bezahlung gesuchet und doch nicht gefunden werden: was meinest du, würde er wohl sagen? Aber: »Die gute Zeit ist hin, die böse ist vorhanden u. s. w.« Hat man jetzund Mangel an Aufenthalt des Leibes, so hat Gott die vorige Verschwendung seiner Gaben einmal mit den allgemeinen Landstrafen heimgesuchet. Hat der Bauer jetzund nicht einen Trunk Bier, da er sich mit labet, so gedenke er, wie er vor diesem auf einer Hochzeit, Kindelbier, Kirchgange, oder Pfingstgilde mit seinen Nachbaren im Dorfe wohl zehn, zwanzig und mehr Tonnen Bier durch die Gurgel gejagt hat. Also gehe ein jeder Stand, Bürger und Edelmann, zurück in sein Leben: er wird Ursache des Mangels im Lande allenthalben finden.«

*

Seitdem dieser »alte redliche Pommer Micrälius«, – welcher in seiner Dedication an den Stralsunder und Stettiner Magistrat sagt: »denn wie sollten Stralsund und Stettin nicht eben das in Pommern sein, was Sparta und Athen in Griechenland!« – sich zur Ruhe gelegt, sind abermals fast zwei Jahrhunderte vergangen und wie ganz anders sieht es jetzt wieder in Pommern aus! Um vom Boden, als von der Wurzel, auszugehen, so ist jetzt ein Morgen Land mehr werth, als damals eine Hufe. Wohlstand, Bildung, Handel und Gewerbe haben einen mächtigen Aufschwung gewonnen und des unvergesslichen Ober-Präsidenten Sack wahres Wort: »aus Pommern kann und muss noch ein zweites Pommern werden«, bewährt sich mit jedem Tage mehr. Fassen wir aber, abgesehen von den bekannten Fortschritten der Cultur, den Charakter, die Denkungsart der Pommern in's Auge, so ist hierin keine wesentliche Veränderung vorgegangen. Gerade, derb, treuherzig-einfältig, nichts weniger als verschmitzt, bibelfest, treu, gastfrei, grob, bequem, dem Lügen und Laufen sehr ab- und dem Essen und Trinken sehr zugeneigt, so sind die Pommern noch heute. Was aber die »Gelehrten und feinen Ingenia« betrifft, deren Micrälius erwähnt, so hat schon Melanchthon der Pommern höchst rühmlich Erwähnung gethan, wozu ihm wohl Johannes Bugenhagen, sein treuer Freund und Mitkämpfer im grossen Reformationsstreite, die gegründeteste Veranlassung gegeben hat. Leichte Mühe aber ist es eine Reihe tüchtiger Männer als geborene Pommern aufzuführen, die sich in der Geschichte und Literatur einen berühmten Namen erworben haben. Schwerin und Winterfeld, die beiden Unzertrennlichen, die beiden Kleiste, E. M. Arndt, Adelung, Ahlwardt, Fernow, Kosegarten, Lappe, Mohnike, Ramler, Rühs, Rudolphi, Spalding u. A. sind Männer, auf welche Pommern immerhin stolz sein darf. Ueberdies hat Pommern dem russischen Reiche auch noch zwei Kaiserinnen gegeben, Katharina II. und die Gemahlin des Kaiser Paul wurden beide zu Stettin geboren.

Der Name des Landes Pommern oder Pomeren stammt aus dem Polnischen ( Po morze), heisst weiter nichts als das am Meer gelegene Land und erinnert uns daran, dass Pommern früher sehr lange Zeit zum grossen Theil unter polnischer Botmässigkeit stand. Von Danzig über Neustadt kommend berühren wir zuerst den allerhintersten und traurigsten Theil von Pommern, Pommerellen genannt. Die Einwohner sind hier fast noch mehr Wenden und Kassuben als Deutsche und grösstenteils katholisch, während sonst die ganze Provinz sehr streng und leider fast bigott-protestantisch ist. Lauenburg ist die erste pommersche Stadt, die wir betreten; sie liegt mit einer alten Schlossruine und mit epheubewachsenen Thoren ziemlich romantisch am Flüsschen Leba und wird daher in alten Chroniken gewöhnlich Lebenburg genannt. Von hier suchen wir eiligst über Lupow nach Stolpe zu gelangen. Der Weg hierher ist furchtbar langweilig. Stolpe aber präsentirt sich als ein durch Ackerbau, Schiffahrt und Lachsfang wohlhabendes Städtchen, und manche seiner Giebelhäuser sehen recht schmuck und stattlich aus. Die Beschauung der Kirchen bot hier, wie in den meisten hinterpommerschen Städten, nichts Bemerkenswerthes dar. Rügenwalde, das durch seine Gänsebrüste ziemlich bekannt geworden, lassen wir rechts liegen und passiren nun den Gollenberg, den Chimborasso Hinterpommerns. Dieser etwa 300 Fuss hohe, zum Theil mit Wald bestandene Sandberg, trägt auf seiner Spitze ein Denkmal zum Gedächtniss der in den Jahren von 1813 bis 1815 gefallenen pommerschen Vaterlandssöhne. Wir geniessen von hier aus eine weite, dem Auge wohlthuende Aussicht über Meer und Land, und rollen dann den Gollenberg hinab, in die helle, freundliche, modern und regelmässig gebaute Stadt Cöslin. Wenn Stolpe noch lebhaft an Danzig und die Hansa erinnert, so erinnert Cöslin an Berlin und seine Schnapsläden. Cöslin, eine Stadt von etwa 7000 Einwohnern, war ehemals stark befestigt und mit hohen thurmreichen Mauern umgeben. Im Jahre 1718 brannte sie fast bis auf dem Grund ab und Friedrich Wilhelm I. liess sie nach dem Vorbilde der Berliner Friedrichsstadt wieder aufbauen. Zum Gedächtniss dessen steht auf dem grossen schönen Marktplatze die Bildsäule dieses Königs, welche die Inschrift trägt: Fridericus Guilhelmus I. Coslinum incediis deletum restauravit 1724. Die Umgebungen Cöslins sind leider sehr morastig und ungesund, und als höchst komisch ist bemerkenswerth, dass diese Hauptstadt Hinterpommerns, wie Stuttgart, die Hauptstadt Schwabens, an einem winzigen Flüsschen liegt, das den Namen Nesebach führt; was übrigens nebenbei gesagt, nicht die einzige Aehnlichkeit zwischen Pommern und Schwaben ist. Ausser seinen geraden Strassen, in denen man viele Beamte spazieren gehen sehen kann, bietet Cöslin nichts Bedeutendes dar, wir können uns also um so mehr beeilen, nach der historisch so merkwürdigen, in der preussischen Geschichte so gross dastehenden Stadt Colberg zu kommen. Diese Stadt, von aussen sehr unansehnlich und kaum als Festung zu erkennen, verdankt ihre feste Lage weniger der Kunst, als der Natur. Ringsum von Morästen umgeben, führen nur schmale, leicht zu verteidigende Dämme bis an die Thore der Stadt, die im Innern wieder, ähnlich wie Stolpe, uns die spitzen Giebelhäuser und die altertümliche Bauart der Hansa vor's Auge führt. Colberg, an der schiffbaren Persante gelegen, wurde im 7jährigen Kriege bekanntlich dreimal belagert, und im Jahre 1806 war sie neben Graudenz die einzige Festung in Preussen, welche den Franzosen nicht in die Hände fiel. Der damalige Kommandant von Colberg, der Oberst von Loucadou, ein feiger Patron, wurde durch den edlen Gneisenau ersetzt, als sich die Trümmer der bei Jena aufgeriebenen preussischen Armee, und zunächst die Trümmer des Hohenloheschen Corps nach Colberg ranzionirten, und sich Preussens Macht eigentlich auf Pommern und Ost- und Westpreussen reducirte. Mehr aber als diese Trümmer der Armee verdankt der Staat die Erhaltung dieser Festung den patriotisch gesinnten Bürgern Colbergs, unter denen sich hauptsächlich der Schiffer Nettelbeck, der schon die russische Belagerung im 7jährigen Kriege mit erlebt hatte, ruhmvoll und nachahmungswerth ausgezeichnet hat. Ja, man kann behaupten, dass Colberg das moralische Bollwerk Preussens war, dass an dem, was Gneisenau in Colberg und Schill mit seinen kühnen Reitern in der Umgegend von Colberg vollbrachte, sich nicht nur der moralische Muth der Provinz, sondern auch der Glaube der ganzen Monarchie an die Wiedergeburt Preussens, in dieser traurigen Zeit aufrecht erhalten hat. Schill's Reiter waren es, die bei Arenswalde den Marschall Victor gefangen nahmen, gegen welchen Blücher aus der französischen Gefangenschaft eingelöst wurde. Mit solchen historischen Reflectionen waren wir an den Markt in den Gasthof zum deutschen Hause gelangt. Als eine besondere Merkwürdigkeit wurde uns das gegenüberstehende Haus gezeigt, in welchem, noch vor wenigen Wochen, der Erzbischof Dunin als Gefangener gelebt hatte. Die der Huldigung vorangegangene Amnestie hatte auch ihm die Freiheit wiedergegeben. Bei unserem Spaziergange durch die Stadt fiel uns zunächst das mitten auf dem Markt stehende, nach Schinkel's Entwurf im gothischen Styl erbaute Rathhaus auf. Es schien uns für die Stadt fast zu gross und prächtig und der Markt hat eigentlich durch die Erbauung desselben aufgehört ein Markt zu sein, und ist zu vier Strassen geworden. Dennoch aber schien uns in dieser prächtigen, einer festen Burg ähnlichen Curia ein schönes Bild, eine königliche Anerkennung der braven aufopfernden Gesinnung der Bürger Colbergs zu liegen. Links von diesem Rathhause zeigte man uns das schmale Giebelhaus, in welchem der Patriot Nettelbeck lebte und starb. Der jetzige Besitzer dieses Hauses ist ein Branntweinbrenner, der, seltsam genug, Achilles heisst. Er soll einen sehr feinen Liqueur brennen, doch konnten wir uns nicht entschliessen zum Gedächtniss Nettelbeck's einen Schnaps zu trinken. Hinter dem Rathhause trägt das Haus eines Kaufmanns die Inschrift: Hier ward Rammler geboren 1725. Ein weiterer Spaziergang durch die Strassen Colbergs belehrte uns, dass die Bürger hier hauptsächlich von Ackerbau, Viehzucht und Branntweinbrennerei leben. Auch Seefahrt und Fischerei ist nicht unbedeutend, hauptsächlich werden Lachs und Neunaugen von hier verschickt. Colberg, sehr nahe an der offenen See gelegen, wird auch in neuerer Zeit als Seebad fleissig benutzt und an den bedeutenden Salinen vorüber und durch die historisch merkwürdige Maikule, eine waldbewachsene Schlucht, gingen wir an den Strand, um uns durch ein Seebad zu erfrischen. Die See ging sehr hoch und schlug mit solcher Macht die Wellen in die Persante hinein, dass es für heute jedem Fahrzeug unmöglich gewesen wäre, die See zu gewinnen. Hierbei sahen wir die Nothwendigkeit ein, welche den Staat vermocht hat, zum Schutze des Fahrwassers den Bau einer grossen Mole zu beginnen. Auf dem Rückwege versuchten wir bei den Salinen eine Ansicht des historisch so merkwürdigen Colbergs zu zeichnen. Wir haben aber leider das Bild, als gar zu kahl und unmalerisch, diesem Werke nicht beigeben können. In Hinterpommern zu reisen ist keine Kleinigkeit. Eine einzige Chaussee hat das Land nur, und ist man von der einmal ab, so hält es schwer wieder hinaufzukommen. Dies in Erwägung ziehend entschieden wir uns bald in der Wahl, die uns gestellt war, entweder über den alten Bischofssitz Cammin direct nach den Halbinseln Wollin und Usedom, oder über Naugard und Stargard nach Stettin zu gehen, allwo wir uns wieder in mehr als einer Verbindung mit der cultivirten Welt erachten durften. Der Umstand, dass bei Stargard das grosse Manöver des pommerschen Armeecorps stattfand, was uns ein höchst buntes Leben und Zusammentreffen mit vielen Freunden hoffen liess, entschied uns für die letzte Tour. Traurigere Städtchen als Cörlin und Plate, das eine grosse Schlossruine aufzuweisen hat, die wir jetzt passirten, möchten wenige zu finden sein. Von Naugard, dem grossen Zucht- und Besserungshause, lässt sich, als von einer traurigen Notwendigkeit, auch nicht viel Freudiges erzählen, und so erreichten wir, über Massow fahrend, das noch die Spuren eines alten Rittersitzes an sich trägt und für Pommern ziemlich romantisch aussieht, das in fruchtbarer Gegend belegene Stargard. Das Innere der Stadt machte auf uns zunächst den Eindruck einer grossen Kaserne, die augenblicklich im höchsten Glanze und grössten Jubel begriffen war. 26,000 Mann Militair waren in und um Stargard versammelt; denke man sich hierzu die Menge der Neugierigen, die zum Theil aus weiter Ferne herbeigeeilt, die Tausende von Equipagen aller der Landstände, und Gutsbesitzer, die hier versammelt waren, um den König und die Königin zu begrüssen, so wird man zugestehen müssen, dass solcher Glanz und solch Gewühl nicht leicht wieder in Hinterpommern möchte gesehen werden. Stargard, von einem der gesegnetesten Landstriche Hinterpommerns, dem sogenannten Waizacker, umgeben, liegt an der schiffbaren Ihna nicht weit von dem Madusee, einem der grössten Landseen in Hinterpommern. Im Jahre 1220 war Stargard noch ein offner Flecken, und wurde bald darauf vom Herzog Barnim I. durch Gräben, Wälle und Mauern zur Stadt erhoben. Im Jahre 1300 trat Stargard in den Bund der Hansa und trieb einen beträchtlichen Handel. Von den Ringmauern sind noch einige bedeutende Thürme übrig, die harte Kämpfe bestanden haben, und von denen der Eine, wegen der Menge des um ihn vergossenen Blutes noch heute das rothe Meer genannt wird. Ausserdem ist die Marienkirche sehenswerth und einige Thore zeichnen sich durch ihre bedeutende Höhe aus. Die Stadt bewahrt in ihrer Chronik das Gedächtniss eines Mannes, der nicht unwerth ist neben dem römischen Consul Brutus genannt zu werden. Dieser Mann war der Bürgermeister Johann Appelbaum, welcher seinen Sohn, der sich eines strafbaren Verbrechens schuldig gemacht hatte, aus eigener Amtsgewalt hinrichten liess, um nicht die Schande der Untersuchung und Verurteilung zu erleben. Die früheren bedeutenden Gräben und Wälle der Stadt sind in neuester Zeit zu überraschend schönen Spaziergängen geworden, und ein Rundgang um die Stadt bietet dem Maler, namentlich was alte Gebäulichkeiten betrifft, manche hübsche Motive dar. Beachtenswerth und für den Maler interessant ist auch die Tracht der Bewohner des Waizackers, namentlich der Weiber. Sie hat viel Verwandtes mit der der Altenburgerinnen, nur sind die Röcke etwas weniger kurz und die Farben viel greller und knallender. In dem oben erwähnten Madusee befinden sich Murenen, eine Fischart, von der man eigentlich nicht begreift, wie sie nach Pommern gekommen sei. Die Sage erklärt dies folgendermassen: Ein leckerer Abt hatte dem Teufel für ein Gericht solcher Fische, die er ihm präcise bis zum nächsten Mittag um 12 Uhr liefern sollte, seine Seele verschrieben. Als nun aber die Stunde nahte, wo der Teufel mit den Murenen kommen konnte, überfiel den Abt Heulen und Zähnklappern und er theilte seinem Küster sein Bündniss und seine Angst mit. Dieser, als ein schlauer Patron, wusste gleich Rath, stieg auf den Thurm und stellte die Uhr um eine Stunde weiter. Als nun der Teufel, nach seiner Meinung, um 12 Uhr mit den Fischen über den See geflogen kam, sah er mit Schrecken, dass die Uhr schon 1 sei, und liess die Murenen in den See fallen, in welchem sie sich seit der Zeit zahllos vermehrten.

Als das grosse Manöver mit alle den Festlichkeiten, die die Huldigung mit sich brachte, vorbei war, – mit der genauen Beschreibung wollen wir den Leser nicht belästigen – eilten wir mit der zahllosen Menge nach Stettin. Nicht leicht kann eine Post in grösserer Verlegenheit gewesen sein, als die Stargarder in diesen Tagen. Tausende von Offizieren und Dignitäten aller Art wollten um jeden Preis mit Schnell- und Extrapost befördert sein und, obgleich fast stündlich Schnellpostenzüge abgingen, war es doch nicht möglich allen Anforderungen zu genügen. Auf einem grossen Frachtwagen, der mit 7 bedeutenden Strohsäcken belegt war, wurden wir unserer 14 an der Zahl in sehr bunter Gesellschaft und im fürchterlichsten Platzregen, weil es so unser Wille war, nach Stettin befördert. Fast fortwährend hatten wir, vor, neben und hinter uns, die pommerschen Landwehr- und Infanterie-Bataillone zu Begleitern, und mehrere unserer Reisegefährten erlebten den Triumph, dass ihnen, als beliebten Offizieren, ein donnerndes Hurrah mit auf den Weg gegeben wurde.


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