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[Erste Abtheilung]

 

Vorwort

Der geistvolle Karl Simrock darf mit vollem Rechte in seiner Einleitung zu dem romantischen Rheinlande sagen, dass er auf dem literarischen Theilungscongress des weiland heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation mächtige Freunde gehabt haben müsse, da man ihm gerade das allerkostbarste Stück davon auf den Teller gelegt habe; und nur darin hat er Unrecht, dass er in seiner Bescheidenheit den kleinen Umstand vergisst, dass unter den deutschen Sängern nicht leicht ein würdigerer Prätendent für dieses literarische Reichslehen gefunden werden konnte. Mit diesem Gedanken können wir andern armen Schelme uns schwerlich trösten, denen allerdings, wie unser Poet weiter sagt, im Vergleich zu seinem Kernantheile, nur die Schalen zugefallen sind. Und wer von allen könnte diese traurige Wahrheit mehr für sich in Anspruch nehmen, als derjenige, dem die Aufgabe gestellt ist: über die nebelverdüsterten Sanddünen der Nordsee und über die von Haide, Sumpf und Moor durchzogenen Flächen – in denen die grünen Wiesenteppiche der Marschen mit der homerischen Fülle schwerwandelnder, krummgehörnter Rinderschaaren und erdstampfender Rossherden spärliche Oasen bilden, – das Zauberlicht einer Romantik auszugiessen, deren Keimen, ach! in dieser Prosagegend Deutschlands nur ein kümmerliches Dasein unter der ringsum starrenden Schnee- und Eisdecke vergönnt ist!

Aber sei dem wie ihm wolle. Weisheit ist: in's Unabänderliche sich schicken; höhere Weisheit noch: darin nicht nur gute Seiten überhaupt, – die ja nirgend fehlen – aufzufinden, sondern vielmehr selbst in dem anscheinend Nachteiligen einen Vortheil, im scheinbaren Verlust den reinen Gewinn zu erkennen. Wer viel hat, dem wird viel gegeben, ist ein wahres Wort. Aber, wem viel gegeben ist, von dem wird viel gefordert, ist ein nicht minder wahres. Wäre mir die Krone des Rheinlandes bei dieser Theilung der deutschen Erde zugefallen, ich hätte sprechen müssen: Sie ist mir zu schwer, ich kann sie nicht tragen, sucht Euch dafür ein würdigeres Haupt unter den hunderten und aber hunderten, die besser ihrer Last gewachsen als ich.

Mit der Fülle des Stoffs vermag nur der Meister zu schallen, die Goldhaufen eines Reichs nur die tiefste Einsicht zu verwalten, aber die kleine Scheidemünze des täglichen Erwerbs im kleinen Kreise wohl zu verwenden, und – um das Bild nicht todt zu hetzen, den spärlich und karg sich bietenden Stoff mit Liebe zu behandeln ist auch ein Verdienst, wenn gleich geringere Gaben dazu gehören.

Von Herzen gönnen wir also unserm Mitarbeiter seine Freude, die doch nur in dem gerechten Bewusstsein seiner Kraft ihre Wurzel hat. Möge es uns nur gelingen einem in malerisch und romantischer Hinsicht von der Natur mehr als stiefmütterlich behandelten Theile Deutschlands wenigstens einige Aufmerksamkeit der geneigten Leser zuzuwenden. Und dieser Norden ist ja meine Heimath. Die Liebe zur Heimath gleicht aber jener Elternliebe, die an dem am mindesten begabten Kinde nur mit so innigerer Neigung hängt, und dessen liebenswerthe Eigenschaften mit um so grösserer Zärtlichkeit hervorhebt. Mag dies zugleich zur Entschuldigung dienen, wenn ich bei meiner Schilderung Manches in den Kreis der Darstellung ziehe, was vielleicht dem Einen oder dem Andern etwas vom Centrum seitab zu liegen scheint. Jener Violinspieler, der sein Streben nach europäischer Virtuosität als fruchtlos erkennen musste, tröstete sich doch wenigstens damit, dass er im Aplomb des Auftretens und der Verbeugung alle lebenden und todten Virtuosen übertreffe. Lieber Leser: wolltest Du dem guten Geiger diese Schadloshaltung verübeln?

Endlich habe ich noch einen Gedanken in petto, den ich Euch hoffentlich plausibel zu machen gedenke. Die neun Provinzen meiner Mitchurfürsten von Georg Wigand's Gnaden haben des Pittoresken und Romantischen in Hüll' und Fülle. Allzuviel ist aber überall ungesund, und so denke ich, wird es für das Ganze eher ein Vortheil als ein Schaden sein, wenn daneben auch die derbe Realität des Hamburger Rindfleisches und seiner Porter- und Austerkeller zu ihrem Rechte gelangt, und der kräftige Wellenschlag unserer Nordseebäder und die ganze praktische Materialität unserer Küstenländer Eure, von der »mondbeglänzten Zaubernacht« der mittelalterlichen Romantik des berg- und burgbekränzten Rheinlandes, Schwabens und Frankens angegriffenen Nerven wieder erfrischt.

Und auch an Romantik soll's, so Gott will! nicht fehlen. Das weltdurchschweifende Seeleben unserer Nordseelande bietet mancherlei Ersatz für das berg- und wald-umschlossene Stillleben der romantischen Parthieen Mitteldeutschlands, und die braunen und verwegenen Theerjacken auf den Schiffen und Bollwerken unserer Nordseehäfen sind die ächten Söhne jener Freibeuter, die Meere durchstreiften, und Niemanden über sich erkannten als den Himmel und seine Sturmwolken, denen ihr Muth gleich wie dem Feinde Trotz bot.

Wo aber auch diese Gestalten verschwinden, da mögen die historischen und statistischen Notizen aushilfsweise eintreten, und die Aufmerksamkeit des forschenden Lesers zu gewinnen suchen.

Da habt Ihr das Programm der »Festlichkeiten« oder wenn Ihr wollt, die Charte, die ich beim Antritt meines Regiments Euch verleihe. Hoffentlich soll sie eine Wahrheit werden, wo nicht, so hoffe ich, Niemand wird mir nachsagen, dass mein Wille Schuld daran gewesen.


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