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Vierzehntes Kapitel.
Sarajewo

Wie fangen Kriege an? Sie beginnen fast nie planmäßig.

»Was ich am meisten fürchte, ist ein Sarajewo«, antwortete einer der größten Staatsmänner auf die Frage: »Kommt Krieg?«

Was meinte der Staatsmann mit dem Ausdruck »Sarajewo«?

Heute ist an der Ecke der König-Peter-Straße, die früher einmal Franz-Ferdinand-Straße hieß, und des Wojewode-Stepe-Obala-Quais, der am Miljackafluß entlangführt, über dem Schaufenster eines verstaubten kleinen Kramladens eine Bronzetafel in die Mauer eingelassen.

»An dieser Stelle proklamierte Gavril Princip am 28. Juni 1914 die Freiheit«, besagen die cyrillischen Lettern auf der Bronzetafel.

Vor zwanzig Jahren saß achtzig Schritt von dieser Ecke entfernt ein junger Mensch, dem ein Monat zur Vollendung seines zwanzigsten Lebensjahres fehlte, in der kleinen Weinkneipe »Cemiz Vinara« und trank Sligowitz. Heute ist die Kneipe voller Gäste, die, den Fez auf dem Kopf, Sligowitz trinken. An jenem Tag vor zwanzig Jahren war der junge Mensch der einzige Gast. Alles andere drängte sich auf den Bürgersteigen. Gavril Princip wartete.

Um zehn Uhr mischte er sich unter die Menge, ging zu der Ecke, wo jetzt die Bronzetafel angebracht ist, und stellte sich an den Bordstein. Vom Quai her kam der Klang einer Explosion. Ein Automobil, in dem ein Mann und eine Frau saßen, raste mit voller Geschwindigkeit den Quai entlang. Der junge Mann erzitterte, und machte eine konvulsivische Bewegung mit der rechten Hand in der Jackentasche.

Zu spät! Das Automobil war vorüber. Es brachte den Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gemahlin zum Rathaus. Dort hielt sich der österreichisch-ungarische Thronerbe gerade lange genug auf, um dem sich krümmenden Bürgermeister die Worte entgegenzuschleudern: »Sie haben mir einen herzlichen Empfang bereitet! Mit Bomben! Mein Adjutant ist verwundet!« Dann zum Chauffeur: »Vorwärts! Zurück zu meinem Adjutanten!«

Der Chauffeur verstand falsch. Statt direkt weiter zum Quai zu fahren, zog er an der Ecke der König-Peterstraße die Bremsen an und fuhr nahe an den Bordstein heran, um in das enge Seitengäßchen einzubiegen, und brachte dabei den Wagen in langsamem Tempo ganz in die Nähe des jungen Menschen, der in der Cemiz Vinara Sligowitz getrunken hatte.

Man könnte sagen, daß der Chauffeur, dessen Name der Geschichte nicht erhalten geblieben ist, den Weltkrieg entfesselt hat. Gavril Princip war kein guter Pistolenschütze. Einen rasch fahrenden Wagen hätte er nie treffen können. Er gab aus seiner Pistole, die den Erzherzog fast berührte, zwei Schüsse ab und erklärte nachher, er hätte niemals die Absicht gehabt, die Erzherzogin zu treffen. Beide starben, noch bevor Princips Revolver aufhörte zu rauchen.

Heute ist in Sarajewo eine wenig bekannte Broschüre zu haben, die die letzten Worte Princips enthält. Sie besteht aus den Aufzeichnungen, die der österreichische Arzt Dr. Pappenheim im Verlauf seiner Gespräche mit Princip im Gefängnis machte. Sie bietet einen bemerkenswerten Kommentar zum Thema dieser Untersuchung, denn niemals enthüllte sich jugendlicher politischer Fanatismus dramatischer in seiner Reinheit, Sinnlosigkeit und Tragik. Heute ist Europa bis zum Bersten geladen mit denselben Empfindungen.

Princip war todkrank, als er im Juni 1916 mit Dr. Pappenheim sprach. Der sonderbare Amtsschimmel der österreichischen Justiz hatte ihn vor dem Galgen gerettet; denn die Todesstrafe konnte nur an Menschen vollzogen werden, die bei Begehung der Straftat das zwanzigste Lebensjahr vollendet hatten, und ihm fehlte dazu noch ein Monat. Das Leben rettete ihm der Amtsschimmel aber nicht ... Er war von der Polizei so übel zugerichtet und so schlecht untergebracht worden, daß er schließlich starb.

Die Unterhaltung ging in gebrochenem Deutsch vor sich. »Vater 54, Mutter 45. Zwei Brüder. Vater hat nicht getrunken. Ich war erster in meiner Klasse. Österreichische Professoren haben mich schlecht behandelt. Viele Bücher gelesen, anarchistische, sozialistische, nationalistische. Nie viel geredet. Habe mich verliebt. Ideale Liebe. Habe sie nie geküßt. Immer an sie gedacht. Nie an sie geschrieben.

Unser Ideal, das Ideal aller Studenten: Vereinigung der jugoslawischen Völker: Serben, Kroaten, Slowenen, aber nicht unter Österreich. Dachte, wenn wir Österreich in schwierige Lage bringen, würde Revolution kommen.

Dachte niemals, Krieg könnte kommen. Konnte mir nicht vorstellen, daß wegen einer solchen Sache so ein Weltkrieg ausbrechen würde. Dachte, Weltkrieg könnte einmal ausbrechen, aber nicht damals.

Dachte, es würde bloß Revolution sein.

Habe von der tragischen Sache gehört. Daß Serbien nicht mehr existiert.«

Es war 1916. Serbien war eben von den deutschen Heeren vernichtet worden. Die ganze Nation, die Schritt um Schritt kämpfte, war buchstäblich aus dem Lande getrieben worden. Princip durfte nie ein Buch in die Hand bekommen und sah niemals eine Zeitung, aber als dies geschah, erzählten ihm seine Kerkermeister davon.

»Alles, alles ist zerstört«, rief er dem Arzt zu. »Alles, wofür ich gelebt habe. Alles, was ich zu meinem Ideal gemacht habe. Mein serbisches Volk!

Ich kann mich nicht schuldig fühlen. Das konnte ich nicht wissen. Einmal mußte der Weltkrieg ja kommen.

Motiv: Rache, Liebe, Freiheit! Freiheit! Mein serbisches Volk!«

Princip war nicht wahnsinnig. Er war ein außerordentlich intelligenter Junge. Auf einem der Berge, die Sarajewo umgeben, liegt der alte Friedhof. Dort ist in einem Massengrab, das große Steintafeln decken, der Leib Princips begraben, der aus dem österreichischen Gefängnis, in dem er starb, mit den Leichen von neun anderen Mitgliedern seiner revolutionären Organisation zurückgebracht wurde.

Die Daten auf den Steinen sind denkwürdig. Er starb am 28. April 1918. Er starb im Glauben, daß sein serbisches Volk für immer vernichtet sei. Genau acht Monate später, am 1. Dezember 1918, wurde der jugoslawische Staat geschaffen. In der Zeit zwischen den Schüssen, die er am 28. Juni 1914 abfeuerte, und dem letzten Schuß, der am 11. November 1918 fiel, waren zehn Millionen Männer gestorben. Die Freiheit kam zu seinem Volk, aber um welchen Preis! Heute sind die fanatischen Gefühle in Europa mindestens so stark wie 1914. Wird ein zweites Sarajewo kommen?

Das ist es, was die Staatsmänner in Europa heute am meisten fürchten. Es ist das einzige, worüber sich nichts voraussagen läßt, wogegen keine Sicherungsmaßnahmen zu treffen sind. Mindestens drei Staatshäupter gibt es heute in Europa, deren Tod eine Katastrophe über die ganze abendländische Welt bringen könnte. Alle drei sind in einem Ausmaß, das man in der Vergangenheit wohl kaum kannte, von Polizei umgeben.

Aber die Geschichte der politischen Morde lehrt, daß kein Polizeischutz etwas ausrichten kann gegen Männer, die bereit sind, für das Leben des Mannes, hinter dem sie her sind, mit ihrem eigenen Leben zu bezahlen. Im kaiserlichen Rußland bekamen die Sozialrevolutionäre jeden Mann, den sie wollten. Wenn sie im geheimen Rate einen Zaren, einen Großfürsten oder einen Gouverneur zum Tode verurteilten, so war das Verdikt so gut und gültig wie ein Verdikt des Zaren selbst.

Politischem Fanatismus gegenüber sind die geordneten Pläne der Menschen hilflos. So lange der entfesselte Nationalismus, der heute Europa zerreißt, nicht nachläßt oder diszipliniertere Formen annimmt, kann Europa nicht vor Unheil sicher sein, und über die Aussichten, ob Krieg oder Frieden, läßt sich nichts voraussagen ohne den Vorbehalt: »Wenn nicht ein Sarajewo kommt.«

Heute bleiben in Sarajewo drei jugoslawische Soldaten, große, braune Burschen mit hageren Gesichtern, stehen und lesen die Inschrift an der Ecke, wo »der Krieg begann«. »Proklamierte die Freiheit!« Sie sind die einzigen Menschen, die zu sehen sind. Es ist mohamedanischer Feiertag, und Sarajewo, zur Hälfte von Moslems bevölkert, ist still. Man hört nichts als das Plätschern des Wassers im Fluß und die Schritte der Soldaten, die sich umwenden und fortgehen.

*

Ein lang gezogener Ruf hallt durch die Straßen Sarajewos.

Sarajewo hat vergessen, was »Sarajewo« bedeutet. Vor zwanzig Jahren erscholl ein anderer Ruf. Er versetzte die Stadt in panische Furcht. Er stürzte die Welt in den Krieg. »Der Erzherzog ist tot.« – »Der Erzherzog ist ermordet!«

Der Ruf von heute ist der Gebetsruf des Muezzin. Er steht, sich vom Himmel abhebend, auf dem Balkon seines Minaretts, mit zurückgeworfenem Kopf, die Hände an den Mund gelegt, er beugt sich zurück, sein weißes Gewand flattert im leichten Luftzug, und er intoniert den Gesang, der allen Gläubigen sagt, es sei Zeit zu beten.

Auf dem Basch Charschia, dem Marktplatz, watscheln tausend blaue Tauben dick und unverschämt herum und picken faul einzelne Getreidekörner auf. Auf den Straßen spazieren kokett junge Frauen mit den vom Propheten vorgeschriebenen schweren schwarzen Schleiern. Sie haben schlanke Taillen, tragen Pariser Kleider, Seidenstrümpfe und schicke Hüte. Junge Mohammedaner mit den türkischroten Fezen, die in der Türkei nicht mehr getragen werden dürfen, mustern die vorübergehenden Damen und billigen die Züchtigkeit der Hülle, die wahrhaft orthodoxe Moslemmädchen tragen müssen.

Wie die ganze Einwohnerschaft Sarajewos, wo der »letzte« Krieg seinen Ausgangspunkt nahm, über den »nächsten« Krieg denkt, könnte unter Umständen schwer festzustellen sein. Leichter ist es dagegen, herauszubekommen, was ein bestimmter Sarajewoer denkt. Seine Meinung ist wahrscheinlich ebenso viel wert wie die Ansichten des ganzen übrigen Sarajewo zusammen.

Denn Jovan Schuschich war einer jener serbischen Bosniaken, deren Verschwörung zur Ermordung Franz Ferdinands in dieser Stadt Österreich-Ungarn dazu veranlaßte, unerträgliche Forderungen an Serbien zu stellen, dem dann sein Freund Rußland zu Hilfe kam; und das hatte wiederum zur Folge, daß Deutschland mobilisierte, Frankreich zu den Waffen eilte, England zur Verteidigung der belgischen Neutralität schritt, Amerika »zur Sicherung der Welt für die Demokratie« kämpfte, und so fort bis zur Hitler-Revolution in Deutschland und der augenblicklichen Lage Europas, das in diesem Frühjahr in einem Maße wie noch nie vorher befürchtete, die Unheilsserie könnte sich fortsetzen.

»Haben Sie Gavril Princip gekannt, den jungen Menschen, der den Erzherzog Franz Ferdinand ermordet hat?« fragte ich überflüssigerweise einen schwarzhaarigen, kräftig gebauten Mann in einem überheizten Zimmer des Rathauses, wo Franz Ferdinand seinen letzten Befehl gegeben hat.

Jovan Schuschich lächelte. Er hielt die Hände am Rücken verschränkt. Gekleidet war er, wie die meisten Beamten, in einen schwarzen Anzug, mit weißem Hemd und steifem Kragen.

»Ich habe Princip gekannt«, antwortete er und begann vor seinem Schreibtisch, auf dem sich die Akten türmten, auf und ab zu gehen. »Princip und ich waren von dem Augenblick seiner Ankunft in Sarajewo Ende Mai 1914 bis ein Uhr früh am 28. Juni Tag und Nacht zusammen. Zehn Stunden später erschoß er den Erzherzog.

Ob ich Princip gekannt habe!

Sie sehen dieses Zimmer! Hierher haben sie mich gebracht. Drei Tage nachher. Weg konnte ich nicht. Hier war die Polizeizentrale.

Hier, genau da, wo Sie stehen, hier haben sie mich gefoltert. Drei Wirbel im Rückgrat haben sie mir gebrochen.« Er hielt die Hände ans Kreuz. »Hier an dieser Stelle haben sie es getan. Jetzt«, er lachte, »jetzt bin ich wieder da. Das ist mein Büro. Ich wußte, wenn ich rede, bedeutet es den sicheren Tod für mich und vielleicht auch für andere. Ich wußte, wenn ich nicht rede, werden sie mich vielleicht zu Tode foltern, aber doch nur vielleicht. Ich habe also nicht gesprochen.«

Seine Augen wurden groß, und Schmerzenslinien zeigten sich um sie. »Vier Tage lang haben sie mich gefoltert. Sie gaben mir Schläge auf die Fußsohlen, bis ich das Bewußtsein verlor. Sie ließen mich nackt auf spitzen Steinen knien, bis ich ohnmächtig wurde. Sie bogen mich zusammen und fesselten mich und rollten mich vorwärts und rückwärts, bis mir das Rückgrat brach und ich ohnmächtig wurde. Ich habe nicht geredet. Sie sagten mir, die anderen hätten gestanden. Ich antwortete: ›Stellt mich Ihnen gegenüber.‹ Das wollten sie nicht, und so wußte ich, daß sie gelogen hatten.

Die nächsten vier Jahre verbrachte ich in einem Verließ. So ging es uns allen. So ging es auch Princip. Heute bin ich hier.« Es lag wenig Triumph in seiner Stimme. Die Schrecken jener vier Jahre hatten wenig Raum gelassen für jenen letzten Triumph, der endlich für Serbien und auch für ihn kam.

»Ach ja, als das hier in Sarajewo geschah, waren wir alle verloren. Keiner konnte weg. Die Grenzen waren gesperrt. Ich versuchte gar nicht wegzukommen. Ich wußte, daß es unmöglich war. Nur einer von uns hat es getan. Der kam über die Grenze nach Montenegro. Hier waren wir einfach vogelfrei für alle. Jeder konnte uns auf der Straße umbringen. Jeder Österreicher konnte jeden Serben töten.

Aber so war es ja auch vorher mit uns gewesen. Princip hat es für die Freiheit getan.«

»Und was halten Sie jetzt von den Aussichten in Europa? Was für Vergleiche ziehen Sie zwischen 1914 und 1934?«

Die Leidenszüge um seine Augen vertieften sich. Er wischte sich die Stirn ab.

»Wissen Sie, ich sehe gewisse Ähnlichkeiten. Vor allem, diese Anspannung und der Fanatismus der Jugend. Sie haben ja keine Ahnung, wie hysterisch wir damals waren. Vielleicht war es pathologisch. Wir lebten einzig und allein für den Gedanken der Freiheit unseres Volkes. Jetzt gibt es vielleicht, so habe ich gehört, andere in Europa, die dieselbe Idee für ihr Volk haben.

Ach, wir waren ja schon Revolutionäre, als wir zwölf Jahre alt wurden. Die kleinen Jungen, die in den Volksschulen – in denen, die wir hatten – herumliefen, die wollten alle Helden sein, wollten alle für ihr Vaterland sterben. Wie ich gehört habe, soll es heute in anderen Ländern ganz ähnlich aussehen.

Aber wir haben eines, was sich dagegen einwenden läßt, daß ein anderer Krieg wahrscheinlich ist. Das ist die Tatsache, daß der Krieg sich nicht lokalisieren läßt. Das ist es, was Sarajewo gelehrt hat. Meinen Sie nicht? Ist das nicht die wahre Lehre von Sarajewo?

Denken Sie daran, daß Österreich die Vorstellung hatte, es würde lediglich eine Strafaktion gegen Serbien unternehmen. Es dachte, es könnte das tun, ohne daß sich andere einmischen. Hätten Sie sich jemals auch nur im Traum denken können, daß das, was sich hier unten, so viele tausend Meilen entfernt von Ihrer Heimat, ereignete, schließlich auch Ihr Land mit hinein ziehen würde?

Sie sehen, was geschehen ist. Ich glaube nicht, daß außer Österreich jemand den Krieg wollte. Aber dann kam Rußland dazu, dann Frankreich, England, die ganze Welt.

Gott steh uns bei, wenn die Welt nicht jetzt endlich das eine gelernt hat: wenn ein Krieg anfängt, werden alle hineingezogen. Weiß Gott, ich habe es am eigenen Leibe gelernt. Vier Jahre im Gefängnis! Meine Freunde alle im Gefängnis verfault und gestorben. Unterirdisch – naß, kalt, und Millionen und Abermillionen Läuse.

Bei uns in Europa sind heute die Völker in zwei Gruppen geteilt; die einen haben gekriegt, was sie haben wollten, und die anderen wollen haben, was die anderen gekriegt haben. Manche von diesen Völkern denken vielleicht, daß eine kleine ›Strafexpedition‹ ein bißchen ›Sanktionen‹ hier oder eine ›Besetzung‹ da von Nutzen sein könnte. Du lieber Gott, laß sie eines von uns gelernt haben – von den Narben auf unseren Leibern, von meinem eigenen gebrochenen Rückgrat!

Wie hätten wir in unseren wildesten Träumen daran denken können, daß Sarajewo zu so etwas wie diesem Krieg führen würde? Nie, niemals hätten wir das wissen können. Aber jetzt weiß die Welt, was sie über die ›Lokalisierung‹ eines Krieges zu denken hat. So etwas gibt es nicht.«

Wir traten auf die Straße hinaus. Rings um uns erhoben sich die Gipfel der Berge, die Sarajewo umgeben. Auf jedem Gipfel stand eine Befestigung. Die Befestigungen beherrschten die Stadt. Die Österreicher hatten sie nicht nur erbaut, um Verteidigungswerke nach außen zu haben, sondern auch um nötigenfalls in dieses ehemalige Verschwörernest hineinzuschießen.

Der Klang der Glocken von den orthodoxen Kirchen mischte sich mit der Radiomusik, die aus einem Basar kam. Ich fragte, ob die Befestigungen Sarajewos in Aktion gewesen wären. »Niemals«, antwortete Schuschich.

In Sarajewo kämpften keine Heere. Während der ganzen vier Kriegsjahre wurde nicht ein einziger Schuß hier abgegeben. Doch, zwei Schüsse wurden abgefeuert. Das war Sarajewos Anteil an der »Lokalisierung« des Krieges.


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