Egon Erwin Kisch
Abenteuer in fünf Kontinenten
Egon Erwin Kisch

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechstausendmal »nothing in«
(1930)

Eines Tages hatte der liebe Gott schlecht geschlafen und, sich übellaunig im Bette wälzend, vernahm er die Gebete der Menschen.

»Eigentlich ein verteufelt komisches Gefühl, sich da lobpreisen zu lassen für etwas, was man vor vielen tausend Jahren geschaffen und an das man sich gar nicht mehr erinnert.«

Er klingelte dem Petrus: »Sag mal, was hab ich denn damals, du weißt schon, in der historischen Woche, an den beiden letzten Tagen getrieben?«

Petrus sah seinen Chef mißbilligend an und begann die Schöpfungsgeschichte zu zitieren: » . . . und Gott segnete sie und sprach, seid fruchtbar und erfüllet das Wasser auf dem Meer, das Gewürm mehre sich unter der Erde und das Gevögel in den Lüften . . . und Gott schuf den Menschen sich zum Ebenbild . . . Und er sahe, daß es gut war . . .«

»Sahe, sahe«, unterbrach der Meister ungnädig, »was heißt: ›sahe‹. Was ich damals ›sahe‹, daß es gut war, kann der größte Bockmist gewesen sein. Man ist schnell zufrieden, wenn man ein Erstlingswerk fertig hat. Ich möchte mir das wieder anschauen, was ich damals sahe, diese Sachen vom fünften und sechsten Tag . . . Wo kann man das sehen, aber alles, verstehst du?«

Peter nickte, reichte dem Herrn, der bei den letzten Worten aus der Wolke geschlüpft war, den Sommeranzug und sagte: »Hollywood.«

So fuhr der liebe Gott das kurze Stückchen zur Erde hinab und dann das lange Stück im Fahrstuhl 274 des Hollywood-Western-Building (Ecke Hollywood Boulevard und Western Boulevard) wieder hinauf. »Central Casting Corporation« stand auf dem Milchglas der Tür, die er öffnete.

Er mußte lange warten (was hab ich denn am siebenten Tag getan, fiel ihm unwillkürlich ein), aber schließlich trat ein Mann nicht allzu wirsch (wann hab ich eigentlich das Wort »wirsch« geschaffen? fragte sich Gott) auf ihn zu: »Welche Spezialität haben Sie?« – »Ich bin der liebe Gott«, stellte sich dieser bescheiden vor. »Du lieber Gott«, lachte Mister Allan, »Sie sind wohl nicht ganz recht im Kopf? Erstens ist der liebe Gott ein ganz anderer Typ, und zweitens haben wir hier schon zweiundzwanzig bessere liebe Gotte. Unser Bedarf an lieber Gott ist gedeckt.«

Mr. Allan wandte sich zum Gehen und dann wieder um: »Sie können hier nicht registriert werden.« – »Ich möchte gar nicht registriert werden, ich wollte nur inspizieren . . .« – »Ach so«, sagte Mr. Allan erschreckt und devot, denn er glaubte nun nichts Geringeres, als daß der alte Herr ein Mitglied der Association of Motion Pictures Producers sei, jemand von den Aufsichtsräten der C. C. C.

So durfte Gott durch ein Türchen in der Holzbarriere eintreten in das Büro. »Ich möchte mal sehen, was Sie an Lebewesen hier haben«, wünschte er.

»Wir haben alles hier, was es an Lebewesen gibt.«

»Alles?«

»Alles. Ohne Ausnahme. Bitte sich anzusehen«, sagte Mr. Allan. »Drüben in den Fächern ist die Kartothek mitsamt den Photos. Und hier ist das Register nach Typen geordnet.«

Er legte auf einen übermäßig langen Tisch, dessen Bestimmung dem lieben Gott vorläufig nicht klar war, den Folianten: »Hier sind die Heerscharen.«

Nicht ohne Scheu, um es ehrlich zu sagen, schaute der alte Gott auf das Buch, das ihm der neue Herr der Heerscharen vorlegte. Darin stand also alles, was aus dem Männlein und dem Fräulein geworden war, die 275 er einst gesegnet hatte, fruchtbar zu sein und sich zu mehren. Wie haben sie sich gemehrt, in was haben sie sich gemehrt? Was gibt's? Was gibt es auf der Welt? Und Gott der Allmächtige, er griff nach dem Buch.

Weitaus an erster Stelle bewegten sich Frackherren und Damen, für Abendtoiletten geeignet, junge, alte und solche in mittleren Jahren, dann kamen Europäer (latin dress) und Amerikaner (american dress) und nun, fast von jeder Gruppe je eine ganze Seite, der Rest der Welt, männlich und weiblich:

Glatzköpfe. Polizisten. Herrenreiter. Alte Jungfern. Offiziere (eigene Uniform mit Orden vorhanden). Kammerdiener mit Mutton Chops (Backenbart) und glattrasierte. Jünglinge von achtzehn Jahren, von siebzehn Jahren, von sechzehn Jahren. Hexen. Morphinisten. Vollbärte. Aviatiker. Schminker. Riesen (elegante und gewöhnliche). Tänzer. Hotelpagen. Akrobaten. Dickbäuche. Cowboys. Zwerge. Underworld. (Verbrecher und Dirnen, hu.) Zahnlose. Kellner. Schwimmer. Exzentriks. Blonde. Kartenspieler. Langhaarige Frauen. Stabhochspringer. Schwertschlucker. Kindermädchen. Kapellmeister (mit Mähne und normale). Aktmodelle. Jockeys. Mädchen mit brünetten Zöpfen. Musiker. Lassowerfer. Eisläufer. Golfspieler. Fechter. Boxer. Ringer. Skifahrer. Tennisspieler. Bogenschützen. Bumerangschleuderer. Stierkämpfer. Equilibristen. Motorfahrer. Diskuswerfer.

»Allerhand, allerhand«, flüsterte der liebe Gott und wischte sich den Schweiß von der Stirn, aber das Register der Welt war noch lange nicht zu Ende, und vor seinem allwissenden Auge tanzten vorüber:

Blinde (auch Kinder). Bärtige Frauen. Krüppel. College Cheer Leaders. (Die Beifalls-Organisatoren bei den Wettspielen der Hochschulen.) Masseusen. Feuerfresser. Erste-Hilfe-Leister. Steifbeinige. Schielende Frauen. (Auch ein schielender Greis.) Schlangenmenschen. Tambourmajore. Schiedsrichter für Boxkämpfe. Zauberer. Ein Pianist ohne Finger. Puppenspieler. Im Kanu über Wasserfälle fahren Könnende. 276 Silhouettenschneider. Entfesselungskünstler. Fassadenkletterer (auch für Türme verwendbar). Tätowierer und Tätowierte. Bauchredner. Seiltänzer. Peitschenkünstler. Jiu-Jitsu. Damen-Imitatoren. Herren-Imitatorinnen.

»Wenn ich nur wüßte, was das alles ist«, sagte der Allwissende leise zu sich, aber Mr. Allan schien es doch gehört zu haben, denn er erwiderte: »Wir müssen natürlich auch die uninteressanten Sachen führen, ganz gewöhnliche Arbeiter zum Beispiel, Zimmerleute, Pflasterer, Dachdecker, Telegraphisten, Anstreicher, Schmiede, Heizer, Bergleute, Elektriker, Schildermaler und solche Sachen. Die nehmen wir meist von den Arbeitern aus den Ateliers. Aber Spezialisten halten wir gleichfalls: Teppichknüpferinnen, Handweber, Spinnerinnen – Sie sehen ja.«

»Hier die technicians zum Beispiel«, bemerkte der liebe Gott höflich, um zu zeigen, daß er das Buch verstehe.

»Nein«, lächelte der Herr der Heerscharen, »das sind keineswegs Techniker, das sind Fachleute. Es steht ja immer dabei, welche Art von Technik er versteht. Catholic technician – das ist einer, der den katholischen Gottesdienst organisieren kann. Wir haben Techniker von Etikette, Hofzeremoniell, neapolitanischem Straßenleben, persischen Karawanen. Vor allem aber Drillmen, gewesene Offiziere oder Unteroffiziere, die Soldaten und Matrosen nach den Exerzierreglements aller Staaten auszubilden imstande sind . . .«

»Da bin ich sehr beruhigt«, wollte der liebe Gott unterbrechen, aber der andere ließ sich nicht.

». . . Wir können Menschen abrichten und Tiere, soviel wir wollen. Schlagen Sie mal Seite 420 nach, da finden Sie die Löwenbändiger, die Schulreiter, Leute, die auf einem Pferd stehend, sechs andere Pferde lenken können, die Hundekarrenfahrer, die Kameltreiber, die Affendresseure, die Straußenreiter, die Schlangenbeschwörer, die Krokodilbändiger, alle mit ihren Haustieren. Hunde und Katzen haben eine selbständige 277 Registratur, ebenso die Nationalitäten: Hindus, Neger, Mexikaner, Chinesen, Japaner, Spanier, Holländer, Perser, Araber und Juden.«

»Nein, Ihnen fehlt wirklich nichts«, sagte der liebe Gott in seiner unendlichen Güte, und fügte, nicht ohne Selbstgefälligkeit, hinzu: »Wo doch die Schöpfung so reichhaltig ist.«

»So reichhaltig?« Ein verächtliches Lächeln verschönte die ohnedies edlen Züge des Mannes von Hollywood. »Reichhaltig? Immerfort dasselbe! Glauben Sie mir: das Universum wird stark überschätzt! Gar keine Phantasie darin, gar keine Abwechslung, alles wiederholt sich. Von jedem Typus können wir soviel Exemplare haben, wie wir wollen. Schauen Sie sich nur einmal unsere Doubles an.«

»Wen?«

»Unsere Doubles. Die stellvertretenden Darsteller. Solche, die mit Stars oder anderen Berühmtheiten Ähnlichkeit haben. Da haben wir zum Beispiel vier Napoleon Bonapartes, ein Stück George Washington, drei Stück Abraham Lincoln, ein Stück Mussolini . . .«

»Lenin haben Sie auch hier?«

»Nein, den überlassen wir den Herren Russen für ihre Filmchen. Aber den Zaren können Sie fünfmal haben – wir brauchen mehr davon, weil er gleichzeitig König Georg V. von England ist – Queen Victoria ein Stück, Edward VII. zwei Stück, General Pershing zwei Stück, Herzog von Wellington ein Stück, Kaiser Franz Joseph zwei Stück, Roosevelt zwei Stück, Wilson zwei Stück, McKinley ein Stück . . . Nur Coolidge haben wir nicht, der scheint selten zu sein. Neulich haben wir einen Coolidge gebraucht für einen Inaugurations-Ball im Weißen Haus. Da mußten wir für die paar Meter eigens einen Automobilhändler aus Texas kommen lassen, der ihm ähnlich sieht. Er hat sich ganz schön bezahlen lassen . . . Aber einen Ludwig XVI. besitzen wir – ich kenne ja das Original nicht, aber die Herren aus Europa sagen, daß er ihm kolossal ähnlich sieht. Sogar Phantasiefiguren haben 278 wir lebend: Uncle Sam, John Bull und so weiter. Die Mehrheit aber bilden die Doubles für unsere Stars.«

»Wozu? Die spielen doch selbst!«

»Haha, sie spielen doch nicht alles selbst. Hat der oder die Große mit dem Rücken gegen das Publikum zu stehen, über eine Wiese zu laufen oder so, da springt die Stellvertretung ein. Besonders bei den Präliminarien, wenn drei bis vier Stunden lang die Lage einer Darstellerin und die Einstellungen des Objektivs geprüft werden müssen, wird ein Double verwendet. Der Star muß vor Energieverschwendung und vor den Schäden der Lichtbestrahlung geschützt werden. Außerdem vor Gefahren. Das Springen, das Tauchen, das Boxen, das Stürzen, das Raufen – das wird keineswegs von den 4.000-Dollar-per-Woche-Gliedmaßen eines Fairbanks ausgeführt! Dazu ist der Extra da, der kriegt das gleiche Kostüm, wenn auch natürlich in billigerer Ausführung . . .«

»Die Gage aber . . .«

»Statistenlöhnung natürlich, zwischen 5 und 15 Dollar pro Tag.«

»Und der Star?«

»Manchmal 800 Dollar pro Tag. Das sind ja die großen Lieblinge des Publikums, und sie sind es, die den Erfolg machen. Übrigens lassen sich die weiblichen Stars nicht nur bei gefährlichen Szenen vertreten, sondern auch bei geringfügigen Dingen, beim Staubwischen oder Aufräumen einer Wohnung, beim Schreibmaschine-Tippen, beim Herabreichen einer Ware vom Regal – das können sie eben nicht, weil sie aus vornehmen Häusern stammen . . .«

»Aufgewachsen hinter grünen Jalousien«, glaubte der liebe Gott.

»Gewiß, und deshalb sind eben die Doubles vorrätig, die ihnen ähnlich sehen. Wir führen Mädchen auf Lager, hübscher und talentierter als die von ihnen vertretenen Frauen.«

»Ja, warum läßt man sie dann nicht die ganzen Rollen spielen?« 279

»Du lieber Gott, sie sind ja gar nicht engagiert, gehören zu keinem Ensemble einer Filmgesellschaft, sie sind nur hier in der Statisterie registriert, als Extras im Casting Office!«

»Aber man könnte sie doch engagieren?«

»Warum sollte man? Wer hat denn ein Interesse daran? Wir haben doch Stars mit attraktiven Namen, herrlichen Toiletten, Routine und einflußreichen Gatten oder Freunden.«

»Und deshalb kriegt das neue Talent keine große Rolle?«

»Im Gegenteil. Oft kriegt das neue Talent gerade deshalb eine große Rolle. Wir haben kleinere Firmen, ›Independent Producers‹, die können sich keine Berühmtheit für einige Monate engagieren, also verpflichten sie diese nur für eine Woche, zahlen 3.000 Dollar und nehmen mit ihr nichts als die Großaufnahmen und die Mitteleinstellungen auf. Und den Rest des Parts, alle Außenaufnahmen und Langschüsse spielt monatelang der Double. Da hat er doch seine große Rolle. Die Gage des Reichen kriegt der Arme freilich nicht, sondern höchstens 15 Dollar pro Tag.«

So also sieht meine Welt aus, die ich als gut sahe, dachte der liebe Gott. Aber er sagte es nicht laut, und wenn er es auch gesagt hätte, so hätte es niemand gehört, denn es war inzwischen fünf Uhr geworden, und unaufhörlich wurde gerufen: »Nothing in.« »Nothing in.«

An dem übermäßig langen Tisch saßen neun Männer vor neun Telephonen mit neun gläsernen Mikrophonen. Vor ihnen lagen Listen mit Namen, zusammengestellt nach den heute eingetroffenen Anforderungen der Filmateliers. Auf jedem »Requisition sheet« hatte der Hilfsregisseur aufgeschrieben, welche Typen er morgen um neun Uhr bei Regen oder Sonnenschein – so lautet die Formel noch aus der Zeit, da es Glashäuser und Aufnahmen bei natürlichem Licht gab – zum »atmosphere work« dieser und dieser Art zu haben wünsche. Auch war angegeben, ob ein bestimmter »hit« zu leisten 280 sei (kleine Gelegenheit zu individueller Leistung) oder gar ein »part« (eine Rolle, für einen engagierten Schauspieler zu winzig, für einen Extra ein unerhörter Glücksfall).

Die Leute vom Casting Office, die neun Herren an den neun Tischtelephonen mit den neun Glasmikrophonen, hatten für die geforderten Typen Namen eingesetzt und warteten nun darauf, den Betreffenden Bescheid zu sagen. Auf erhöhtem Podium, vor einer Schalttafel, saßen zwei Telephonistinnen mit angeschnallten Kopfhörern, und während die Kontaktstifte wanderten, nannten sie einen Namen, fügten »nothing in« hinzu, einen anderen Namen und wieder »nothing in«.

Nicht konnte sich der liebe Gott erinnern, dieses erschaffen zu haben, und da er weder die Funktion der neun Herren, noch die der beiden Damen verstand, so mußte der Allwissende wohl oder übel um Aufklärung ersuchen. Er erhielt sie.

Von den nach Hollywood kommenden Leuten, die kein Engagement bei einer Filmgesellschaft finden, melden sich fast alle bei der Central Casting, um wenigstens als »extra talent«, d. h. als Statist Gelegenheitsarbeit zu erhalten. Sechsundneunzig Prozent dieser Ankömmlinge werden abgewiesen, da ihre Typen entweder filmisch nicht gebraucht oder genug andere Vertreter dieses Faches vorhanden sind. Die übrigen vier Prozent haben das Glück, als »Extras« offiziell registriert zu sein, gegenwärtig 5.000 Männer, 6.000 Frauen und 2.000 bis 3.000 Kinder. Jeder Registrierte muß täglich nach fünf Uhr eines der 46 Staatstelephone der Casting Office anrufen und seinen Namen nennen, nichts als den Namen. Das Telephonfräulein wiederholt ihn, so daß die Beamten hören können, die die Liste der zu Verwendenden vor sich haben. Steht der Name darin, so gibt der Beamte ein Zeichen und wird mit dem Anrufer verbunden. Andernfalls erwidert das Fräulein die verhängnisvollen Worte »nothing in«, was ins Deutsche übersetzt bedeutet: »Morgen gibt 281 es keine Arbeit, keinen Verdienst und daher drei bis vier Tage für einen Menschen oder eine Familie nichts zu essen.«

Der liebe Gott, der sich die katastrophale Wirkung dieser zwei Worte ausmalte, sich diese Heime mit »nothing in« vorstellte, sie mit den Luftschlössern ihrer von fernher nach Hollywood gezogenen Besucher konfrontierte, saß eine Stunde lang da und hörte 850mal die Verdammung.

»Jawohl«, rühmte sich Mr. Allan, »einen solchen Betrieb haben wir. Sechstausend Anrufe pro Tag. Nur 750 Personen werden durchschnittlich täglich gebraucht von den 13.000.Von den 5.000 Männern können nur 135 eine Beschäftigung für drei Tage in der Woche erlangen, von 6.000 Frauen nur 43. Und die Durchschnittsgage für den Tag einer Anstellung beträgt 8 Dollar 94. Das ist die Statistik der Statisterie.«

»Ich habe genug«, schrie der liebe Gott, denn seine unerschöpfliche Geduld war erschöpft. Nothing in, nothing in.

»Das ist noch gar nichts«, fuhr der andere unbeirrt fort, »Sie müssen am Vormittag kommen, wenn uns die Leute aufsuchen. Zweimal in der Woche haben die Männer, zweimal die Frauen und einmal die Kinder »interviewing day«. Da erzählen sie, daß sie oder ihr Tier ein neues Kunststück gelernt haben, ein neues Kleidungsstück erstanden und so. Wenn sie hören, irgendwo soll ein persischer Massenfilm gedreht werden, erscheinen sie mit persisch zugeschnittenen Bärten; wird ein Großfilm aus dem englischen Militärleben geplant, so sind ihre Schnurrbartspitzen pomadisiert. Meistens wollen sie unser Mitleid erregen. Aber wir sind doch kein Wohltätigkeitsverein. Wenn wir einen Savoyardenknaben brauchen, und der eine hat das possierliche Äffchen, so kann nicht der andere Savoyardenknabe den job kriegen, obwohl er hungernde Enkel hat. Und der Frau, die nach Monaten endlich einmal bestellt wird und sofort wieder weggeschickt werden muß, können wir nicht helfen, auch wenn sie noch so 282 herzzerreißend weint: eine schwangere Frau ist eben unverwendbar für den Film. Uns kümmert nur der Sinn des Films . . .«

»Nothing in – nothing in«, rief das Fräulein zum sechstausendstenmal.

Der liebe Gott stürzte hinaus und stöhnte noch auf der Straße: »Das also ist meine berühmte Welt! Ich habe es nicht gewollt, nein, ich habe es nicht gewollt.«
 

»Sehen Sie den?« fragte der Filmregisseur, mit dem der Doktor Becker eben vorbeiging. »Ein typischer Hollywooder Extra. Kommt aus Gott weiß was für einer Himmelsgegend hierher, glaubt, alles Glück der Menschheit hier zu finden, und wenn er das ›nothing in‹ kriegt, wird er verrückt und beteuert, er habe es nicht gewollt.« 283

 


 << zurück weiter >>