George Kennan
Zeltleben in Sibirien
George Kennan

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36. Kapitel.

Der Ausflug nach Jamsk, den ich im vorhergehenden Kapitel geschildert habe, war die letzte Reise, die ich in Nordostsibirien unternahm. Am achtzehnten März kehrte Major Abaza nach Jakutsk zurück, um daselbst die Organisation und Ausrüstung unserer jakutischen Arbeiter zu vollenden, und ich nach Gischiginsk, um nochmals auf die Ankunft amerikanischer Schiffe zu warten. Von der Zeit an bis zur Eröffnung der Schiffahrt konnte von der sibirischen Abteilung nirgends Erhebliches geleistet werden. Im März erschien der Kosak Gregorie Zinowief, den ich nach Petropawlowsk gesandt, mit den übrigen Beamten, welche die »Onward« dort abgesetzt hatte, und ich schickte dieselben, des Majors Weisung entsprechend, nach Jamsk weiter. Sandford mit seiner Abteilung hatte die Herrichtung von Telegraphenstangen am Tilghai beendet, und ich expedierte sie nach Penschinsk; aber die Zeit, für welche sich die Leute der Telegraphengesellschaft verpflichtet, war abgelaufen; sie hatten keine Lust, den Vertrag zu erneuern, und so verblieben mir nur fünf Arbeiter.

Gegen Ende Mai fing das Eis im Gischigagolf an zu tauen, und am ersten Juni kam auf der Insel Matuga ein Schiff an. Es war die Bark »Sea Breeze« aus New Bedford in Massachusetts, mit amerikanischen Nachrichten vom ersten März. Das Legen des atlantischen Kabels 353 war gelungen, und durch das San Franzisco Bulletin vernahmen wir, daß infolge davon »das Unternehmen des russisch-amerikanischen Telegraphen aufgegeben und die Arbeiten eingestellt seien«.

Am fünfzehnten Juli kam die Bark der Gesellschaft, »Onward«, von San Franzisco an, mit dem Befehl, die Geschäfte abzuwickeln, unsere eingeborenen Arbeiter zu entlassen und mit unseren Leuten nach Amerika zurückzukehren. Das atlantische Kabel war ein großer Erfolg, und die Telegraphengesellschaft für westlichen Verkehr hatte, nachdem sie fast 3 000 000 Dollars aufgewendet, beschlossen, das Projekt einer Überlandlinie nach Rußland aufzugeben. Es fiel uns schwer, auf ein Unternehmen zu verzichten, dem wir drei Jahre unseres Lebens gewidmet, und für dessen Gelingen wir alle möglichen Beschwerden, Kälte, Verbannung und Hunger erduldet hatten; aber es blieb uns keine Wahl, und wir trafen alsbald Vorbereitungen zu unserer Abreise.

Die Lage der Dinge zur Zeit, da auf das Unternehmen verzichtet wurde, war kurz folgende. Wir hatten die ganze Route der Linie, vom Amur bis zur Behringsstraße, erforscht und festgestellt, im ganzen ungefähr fünfzehntausend Telegraphenstangen zugeschnitten, zwischen vierzig und fünfzig Stationshäuser und Magazine errichtet, durch die Wälder zwischen Jamsk und Ochotsk eine fünfzig Meilen lange Straße gebaut und längs der ganzen Linie noch viele vorbereitende Arbeit vollbracht. An Hilfsquellen für weitere Leistungen war kein Mangel. Außer fünfundsiebzig Amerikanern verfügten wir über hundertundfünfzig Eingeborene, die zwischen Jamsk und Ochotsk schon in voller Thätigkeit waren, und sechshundert weitere Arbeiter waren von Jakutsk aus unterwegs; unsere Transportmittel wären im folgenden Jahre unbeschränkt gewesen. Wir hatten auf dem Anadyr bereits einen kleinen Dampfer und hatten einen zweiten nach Penschinsk bestellt; wir besaßen hundertundfünfzig Hunde und mehrere hundert Renntiere zu Jamsk, Ochotsk und Gischiginsk und hatten zu Jakutsk dreihundert sibirische Pferde nebst Material für deren Ausrüstung und 354 Unterhalt eingekauft. Am ersten September hätten wir mit fast tausend Mann die Arbeit fördern können. Der Erfolg des atlantischen Kabels machte jedoch alle unsere Vorbereitungen überflüssig. Die Linie konnte errichtet werden, aber keine Gesellschaft der Welt hätte nur ein einziges Jahr die Konkurrenz mit dem atlantischen Kabel aushalten können.

An und für sich bot die Route von der Behringsstraße zum Amur der russisch-amerikanischen Telegraphengesellschaft für die Errichtung einer Linie keine unübersteiglichen Hindernisse. Die Arbeit wäre schwierig gewesen, aber sie hätte vollbracht werden können, und ich halte diese Route für eine Drahtverbindung mit China für bei weitem praktischer als die neuerdings von Herrn Collins vorgeschlagene über die Aleuten, Kamtschatka und Japan. Die Arbeit ist in Sibirien sehr billig, und in Jakutsk kann man für vierzig Dollars im Jahre und den Unterhalt jede gewünschte Zahl von Arbeitern bekommen. Auch Pferde sind in großer Anzahl zu Jakutsk und Kolymsk für fünfzehn bis fünfundzwanzig Dollars käuflich. Von Amerika hätte man nur den Draht, die Isolatoren und Werkzeuge und eine geringe Quantität Vorräte für eine beschränkte Anzahl amerikanischer Werkführer zu beschaffen. Ich glaube, wenn das Bedürfnis vorhanden wäre, könnte man in Zeit von zwei Jahren für nicht über 250 000 Dollars eine Linie von der Behringsstraße an den Amur errichten.

Der Rest des Sommers von 1867 nach der Ankunft der »Onward« ging damit hin, unsere an der Küste des ochotskischen Meeres zerstreuten Abteilungen zusammenzuberufen, unsere Vorräte an russische Händler zu verkaufen und unsere Vorbereitungen zur Abreise zu treffen. Für Bush und seine Kameraden war ein besonderes Schiff an die Anadyrmündung gesendet worden, so daß wir keine Gelegenheit mehr hatten, sie zu sehen. Am sechsten August trat Major Abaza seine Reise nach Petersburg über Land an, und zu Beginn des Oktober segelte die »Onward« mit allen Angestellten der unglücklichen russisch-amerikanischen Telegraphen-Expedition nach San 355 Franzisco. Leet, Price, Mahood und ich, »der Nachtrab der großen Armee«, blieben zu Ochotsk, mit der Absicht, im Winter über Asien und Europa nach Hause zurückzukehren.

Es war eine einsame Zeit, die wir nach der Abreise unserer Gefährten in der langweiligen Niederlassung verbrachten. Am 24. Oktober traten Price und ich auf Hundeschlitten die mehr als 5000 Meilen weite Reise nach Petersburg an. Ich habe nicht die Absicht, die vielen Beschreibungen der Reise vom stillen Ozean nach Rußland noch um eine zu bereichern.

Zu Jakutsk nahmen wir Postpferde, reisten Tag und Nacht und kamen am 6. Dezember durch Irkutsk, die Hauptstadt Ostsibiriens. Am 30. überschritten wir die russische Grenze, am 3. Januar erblickten wir, nach zehnwöchentlicher, ununterbrochener Reise, die glänzenden Kuppeln von Moskau und klappten das Buch unserer sibirischen Erfahrungen zu.

 


 


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