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Dieses Flußthal ist unstreitig der fruchtbarste Teil der ganzen kamtschadalischen Halbinsel. Fast alle Dörfer, an denen wir vorüberkamen, waren von Roggenfeldern und zierlich eingezäunten Gärten umgeben; die Ufer waren entweder bewaldet oder mit wogendem Gras bedeckt; das üppige Wachstum von Blumen und Unkraut legte Zeugnis für die Güte des Bodens und die warme Feuchtigkeit des Klimas ab. Primeln, Schlüsselblumen, Sumpfveilchen, Butterblumen, wilde Rosen, Fünffingerkraut, Schwertlilien und himmelblauer Rittersporn wuchsen im ganzen Thal in Hülle und Fülle; und eine Umbelliferenart mit hohlem, knotigem Stengel erreichte an manchen Stellen eine Höhe von sechs Fuß und war so dicht, daß sich hinter ihren großen, gesägten Blättern ein Mann verstecken konnte. Alles dies war das Wachstum eines einzigen Sommers.
Zwischen der Quelle des Kamtschatka und dem Vulkan Kljutschew befinden sich zwölf Dörfer von Eingeborenen. Beinah alle sind höchst malerisch gelegen und von Gärten und Roggenfeldern umgeben. Nirgends entdeckt der Reisende etwas von der Unfruchtbarkeit und eisigen Einöde, die er in Kamtschatka glaubt erwarten zu müssen.
Als wir am Montagmorgen unsere gastlichen Freunde und kaiserliche Würde in Milkowa zurückgelassen hatten, 81 schwammen wir drei Tage langsam flußabwärts, genossen dann und wann einen Fernblick auf die schneebedeckten Berggipfel, die das Thal begrenzen, schweiften im Walde umher auf der Suche nach Bären und wilden Kirschen, lagerten des Nachts unter den Bäumen am Ufer, kurz wir führten ein seltsames, freies, entzückendes Leben. In den Niederlassungen Kuirgana, Maschura, Tschapina und Tolbatschinsk wurde uns großartige Gastfreundschaft zu teil, und Mittwoch den dreizehnten September lagerten wir im Walde südlich von Kosuirewsk, hundertundzwanzig Werst von dem Dorfe Kljutschewsk. Mittwoch regnete es fast den ganzen Tag; wir kampierten in der Nacht unter den triefenden Bäumen und fürchteten, daß wir von den landschaftlichen Schönheiten Nieder-Kamtschatkas wenig zu sehen bekommen würden. Vor Mitternacht hellte sich jedoch das Wetter auf, und zu sehr früher Stunde rief mir Dodd zu, ich solle aufstehen und die Berge betrachten. Es regte sich fast kein Lüftchen, und die Atmosphäre hatte jene eigentümlich krystallartige Durchsichtigkeit, die man manchmal in Kalifornien beobachtet. Die Boote und das Gras waren stark bereift und von den gelben Birken über unserem Zelte lösten sich einige welke Blätter. Kein Laut unterbrach das Schweigen der in Dämmerung gehüllten Natur; nur die Spuren wilder Renntiere und räuberischer Wölfe im Sand des Ufers bewiesen, daß es der uns umgebenden, einsamen Wildnis nicht an Leben fehlte. Der östliche Himmel färbte sich mit gelbem Lichte bis zum Morgenstern hinauf, der zwar erblaßte, aber seine Vorpostenstellung zwischen den kämpfenden Mächten, Nacht und Tag, noch behauptete. Fern im Nordosten über dem gelben Walde hoben sich in zartem Purpur gegen den roten Sonnenaufgang die hohen, scharfen Bergspitzen von Kljutschewsk ab, welche den majestätischen Kegel des Kljutschew umgeben. Vor einem Monate ungefähr hatte ich diese herrlichen Berge vom Deck unserer schwankenden, kleinen Brigg zuerst erblickt, ohne zu vermuten, daß ich sie von einem 82 einsamen Lager in den Wäldern des Kamtschatkaflusses wieder begrüßen würde.
Wohl eine halbe Stunde lang saßen Dodd und ich ruhig am Ufer, warfen wie geistesabwesend Kiesel in das stille Wasser, schauten zu den Bergen auf, welche die aufgehende Sonne mit ihren ersten Strahlen begrüßte, und sprachen von den Abenteuern, die wir seit unserer Abreise von Petropawlowsk erlebt. Wie anders erschien mir jetzt Sibirien, als damals, da die steilen Küsten Kamtschatkas zuerst vor meinen Augen der blauen Flut des stillen Ozeans entstiegen waren.
Damals war es mir ein unbekanntes, geheimnisvolles Land voll Gletscher und Schneeberge, das zwar Abenteuer versprach, aber doch mit seiner unbewohnten Wildnis einsam und abschreckend erschien. Jetzt war es nicht mehr einsam und öde. Jeder Berggipfel erinnerte an ein gastfreies Dorf, das sich an seinen Fuß schmiegte, jeder kleine Fluß war mit der großen Welt menschlicher Interessen durch irgend eine angenehme Erinnerung unseres Zeltlebens verbunden. Abenteuer waren noch in Aussicht, aber die Erfahrungen einer Woche hatten alle Einbildungen von Einsamkeit und Trostlosigkeit zerstört. Ich dachte an die unbestimmten Vorstellungen, die ich mir in Amerika von diesem schönen Lande gebildet hatte, und versuchte sie mit den neuerdings empfangenen Eindrücken, welche jene verwischt hatten, zu vergleichen, aber es war vergebliche Mühe. Es gelang mir nicht, mich in die verloren gegangene geistige Atmosphäre der Civilisation zu versetzen, noch jene früheren Erwartungen mit der so sehr verschiedenen Wirklichkeit in Einklang zu bringen. Die lächerlichen Vorstellungen, die vor drei Monaten so lebensvoll und wahr geschienen, waren nur noch ein halbverwischtes Traumgebilde, und nichts war wirklich, wie der ruhige Fluß, der zu meinen Füßen dahineilte, die Birke, die mir ihre gelben Blätter aufs Haupt schüttelte, und die fernen purpurnen Berge.
Die lauten Schläge gegen einen zinnernen Kochkessel, das Zeichen zum Frühstück, schreckten mich aus 83 meiner Träumerei auf. In Zeit von einer halben Stunde war das Frühstück beendet, das Zelt abgebrochen, alles eingepackt, und wir befanden uns unterwegs. Den ganzen Tag schwammen wir flußabwärts in der Richtung von Kljutschewsk. Die Berge schienen sich auf unserer Fahrt nordwärts zu verschieben und boten unsern überraschten Blicken stets eine andere malerische Gruppierung. Bei Einbruch der Dunkelheit kamen wir nach Kosuirewsk, wechselten die Bootsmannschaft und setzten unsere Reise die Nacht durch fort. Freitag bei Tagesanbruch fuhren wir an Krestowsk vorüber, und um zwei Uhr nachmittags landeten wir in Kljutschewsk. Es waren gerade elf Tage verflossen, seit wir Petropawlowsk verlassen hatten.
Das Dorf Kljutschewsk liegt in einer offenen Ebene am rechten Ufer des Kamtschatkaflusses, am Fuß des majestätischen Vulkans Kljutschew und unterscheidet sich von anderen kamtschadalischen Niederlassungen nur durch die malerische Schönheit seiner Lage. Es liegt gerade in der Mitte der herrlichen isolierten Berggruppe, welche den Eingang des Flußthales bewacht, und wird häufig von dem dicken, schwarzen Rauch zweier Vulkane überschattet. Zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts wurde es von russischen Bauern gegründet, die man ihrer Heimat in Central-Rußland entriß und mit Sämereien und Ackerwerkzeugen nach Kamtschatka spedierte, um eine Kolonie zu gründen. Nach einer langen, an Abenteuern reichen Reise durch Asien, über Tobolsk, Irkutsk, Jakutsk und Kolymsk gelangte die kleine Schar unfreiwilliger Emigranten nach Kamtschatka und siedelte sich am Flusse gleichen Namens, im Schatten des großen Vulkanes an. Hier haben sie und ihre Nachkommen seit mehr als hundert Jahren gelebt und fast vergessen, wie sie hierher kamen und auf wessen Befehl. Ungeachtet der häufigen Ausbrüche der beiden feuerspeienden Berge in der unmittelbaren Nähe hat sich die Lage des Dorfes nie verändert, die Bewohner haben sich daran gewöhnt, den dumpfen Warnungsrufen, die aus den Tiefen der brennenden Krater aufsteigen, und dem Aschenregen, der sich häufig über ihre Felder und Dächer ergießt, keine 84 Beachtung zu schenken. Da sie nie von Pompeji und Herkulanum gehört, verbinden sie mit der flockigen Rauchwolke, die bei schönem Wetter über dem Kljutschew schwebt, oder mit dem grollenden Donner, durch welchen sein kleinerer, aber nicht weniger gefährlicher Nachbar während der langen Winternächte seine Wachsamkeit kund thut, keinen Gedanken an mögliche Gefahr.
Vielleicht versinkt noch ein Jahrhundert in der Zeiten Schoß, ohne daß das kleine Dorf ernstlich zu Schaden kommt; aber nachdem ich das donnerähnliche Getöse des Kljutschew auf eine Entfernung von sechzig Meilen gehört und die dicken, schwarzen Rauchwolken gesehen, die gelegentlich aus demselben aufstiegen, konnte ich nicht umhin, Seiner vulkanischen Majestät eine weit ausgedehnte Macht zuzuschreiben und mich über die Kühnheit der Kamtschadalen zu wundern, welche diese Lage für ihre Niederlassung gewählt hatten.
Der Kljutschew ist einer der höchsten und fast ununterbrochen thätigen feuerspeienden Berge der großen vulkanischen Kette des nördlichen stillen Ozeans. Seit dem siebzehnten Jahrhundert sind nur wenige Jahre aufzuzählen, in denen nicht größere oder kleinere Ausbrüche stattfanden, und selbst in der Gegenwart schleudert er in unregelmäßigen Zwischenräumen von wenigen Monaten seine Feuergarben in die Luft und streut seinen Aschenregen über die ganze Breite der Halbinsel und die beiden Meere. Auf fünfundzwanzig Meilen in der Runde von Kljutschewsk ist der Schnee im Winter häufig dergestalt mit Asche bedeckt, daß das Reisen in Schlitten zur Unmöglichkeit wird. Nach den Berichten der Eingeborenen fand vor vielen Jahren ein Ausbruch von schrecklicher Großartigkeit statt. In einer dunkeln Winternacht schreckten donnerähnliches Getöse und Erdstöße die Bewohner von Kljutschewsk aus dem Schlafe auf. Sie eilten aus ihren Häusern und erblickten 16 000 Fuß über ihren Köpfen eine lodernde Feuersäule. Unter lautem Rollen und dumpfem Wiederhall aus dem Innern floß die geschmolzene Lava in breiten, feurigen Strömen an den schneebedeckten Seiten des Berges herab, 85 bis derselbe auf halber Höhe eine Glutmasse war, welche die Dörfer Krestowsk, Kosuirewsk und Kljutschewsk in Tageshelle versetzte und die ganze Umgegend in einem Durchmesser von fünfundzwanzig Meilen erleuchtete. Dieser Ausbruch soll die Halbinsel auf eine Entfernung von dreihundert Werst anderthalb Zoll tief mit Asche bedeckt haben.
Die Lava ist noch nie weit über die Schneelinie hinaus gegangen, aber warum sollte sie nicht einmal die Niederlassung Kljutschewsk vernichten und das Bett des Kamtschatka mit einem Glutstrom füllen können?
Der Vulkan ist, so viel ich weiß, nie bestiegen worden, und die angebliche Höhe von 16 500 Fuß beruht vermutlich auf der annähernden Schätzung irgend eines russischen Beamten. Er ist jedoch sicherlich der höchste Gipfel der Halbinsel Kamtschatka und eher höher als 16 000 Fuß wie niedriger. Wir verspürten große Lust, seine sanften, schneebedeckten Abhänge zu erklimmen und einen Blick in seinen rauchenden Krater zu werfen; aber es wäre Tollkühnheit gewesen, ohne längere Übung und Vorbereitung die Besteigung zu unternehmen, und dazu fehlte es uns an Zeit. Der Berg bildet beinahe einen vollkommenen Kegel und erscheint von Kljutschewsk aus gesehen so trügerisch verkürzt, daß die letzten 3000 Fuß ganz senkrecht aufsteigen. Etwas südöstlich vom Kljutschew und durch einen unregelmäßig unterbrochenen Bergrücken mit demselben verbunden erhebt sich ein anderer Vulkan, dessen Namen, wenn er überhaupt einen besitzt, ich nicht ermitteln konnte. Er ist niedriger als jener, scheint aber zu demselben vulkanischen Herd zu gehören; der schwarze Rauch, der beständig aus demselben aufsteigt, wird vom Ostwind in großen Wolken über den Kljutschew hingetrieben, so daß derselbe oft ganz verhüllt ist.
In Kljutschewsk wurden wir in dem großen behaglichen Hause des Starosta aufgenommen. Die Wände unseres Zimmers waren mit geblümtem Kattun, die Decke mit weißem Baumwollenzeug überzogen, und die kunstlosen Möbel aus Tannenholz mit Seife und Sand tadellos gescheuert. Ein wertloses Gemälde, das, glaube ich, Moses darstellen 86 sollte, hing in vergoldetem Rahmen in der Ecke; aber der kluge Prophet hatte offenbar die Augen geschlossen wegen des Rauches der zahllosen ihm zu Ehren entzündeten Kerzen, und der Ausdruck seines Gesichtes hatte darunter zu leiden. Die Tische waren mit Teppichen amerikanischen Fabrikates bedeckt, Blumentöpfe standen an den mit Vorhängen versehenen Fenstern; der Thüre gegenüber hing ein kleiner Spiegel, und all die kleinen Geräte und Zierrate des Zimmers waren so geschmack- und wirkungsvoll angebracht, daß man unschwer die weibliche Hand erriet, die hier gewaltet, denn Männer können wohl dergleichen bewundern, aber es der Frau nicht gleichthun. Auch die amerikanische Kunst hatte diese Hütte in der Wildnis schmücken helfen, denn auf einer der Thüren waren Skizzen aus dem Leben in Virginien von dem geschickten Stift von Porte Crayon angebracht.
In diesem behaglichen, ich möchte fast sagen luxuriösen Quartier verbrachten wir den Rest des Tages in angenehmster Weise.
In Kljutschewsk mußten wir uns entscheiden, welchen Weg wir auf unserer Reise nach dem Norden einschlagen wollten. Der kürzeste und in vieler Hinsicht der beste war der, welchen gewöhnlich die russischen Händler benutzen. Er führt im Paß Jelowka über die centrale Bergkette nach Tigiljsk und zieht sich dann längs der Westküste der Halbinsel bis an das Nordende des ochotskischen Meeres. Freilich war die Jahreszeit schon weit vorgerückt, und wir mußten darauf gefaßt sein, die Gebirgspässe mit tiefem Schnee bedeckt zu finden. Die einzige Alternative war, unsere Reise von Kljutschewsk der östlichen Küste entlang bis zur Niederlassung Dranka fortzusetzen, wo das Gebirge zu unbedeutenden Hügeln herabsinkt, und über diese uns nach dem Dorfe Ljesnowsk am ochotskischen Meere zu begeben. Diese Route war bedeutend länger als die über den Jelowkapaß, bot aber geringere Schwierigkeiten.
Nach vielen, langen Beratungen mit verschiedenen Eingeborenen, die das Land kennen sollten, aber durchaus keine Verantwortung übernehmen wollten und daher 87 sehr wortkarg waren, beschloß der Major, den Weg über den Jelowkapaß zu wählen, und bestellte für Samstagmorgen Boote, welche uns den Jelowkafluß hinauf befördern sollten.
Im schlimmsten Falle, wenn wir nicht über die Berge konnten, blieb uns Zeit, nach Kljutschewsk zurückzukehren und vor Eintritt des Winters die andere Route einzuschlagen.
Sobald diese wichtige Frage entschieden war, überließen wir uns dem ungeschmälerten Genuß der Zerstreuungen, welche das kleine, stille Dorf Kljutschewsk bot. Einen öffentlichen Spaziergang, wo wir, wie die Russen sagen, »uns zeigen und die Leute hätten sehen können«, gab es nicht; auch wären wir in unseren abgetragenen Toiletten kaum promenadefähig gewesen. Wir mußten also auf anderes sinnen. Die einzigen Orte für Unterhaltung, die wir in Erfahrung bringen konnten, waren das Badehaus und die Kirche; und der Major und ich machten uns spät am Nachmittage auf, um nach gewissenhafter, moderner Touristenart diese beiden interessanten Sehenswürdigkeiten gründlich kennen zu lernen. Aus naheliegenden Gründen kam das Badehaus zuerst an die Reihe. Ein Dampfbad zu nehmen, war gewiß keine unerlaubte Zerstreuung. Dodd hatte oft von den »schwarzen Bädern« der Kamtschadalen gesprochen, und ohne einen klaren Begriff von dem zu haben, was er meinte, hatte ich den unbestimmten Eindruck, daß diese »schwarzen Bäder« in einer tintenartigen Flüssigkeit kamtschadalischen Ursprungs von besonders reinigender Wirkung genommen würden. Warum hätte man sonst von »schwarzen Bädern« gesprochen? Als ich jedoch in Kljutschewsk das »schwarze Bad« betrat, wurde ich meines Irrtumes sofort inne, mußte aber zugeben, daß die Bezeichnung doch richtig war. Nachdem wir unsere Kleider in einem kleinen Raume abgelegt, der dem Zwecke eines Toilettenzimmers entsprach, ohne dessen Annehmlichkeiten zu besitzen, traten wir in gebeugter Haltung durch eine niedrige, mit Pelz überzogene Thüre in das eigentliche Badezimmer, das wahrhaftig dunkel genug war, um das schwärzeste 88 Adjektiv der Sprache zu rechtfertigen. Ein Talglicht am Boden verbreitete gerade Helle genug, um einen niedrigen, kahlen, etwa zehn Quadratfuß großen Raum aus unbeschnittenen Balken unterscheiden zu können, der auch nicht die kleinste Öffnung hatte, um Luft oder Licht einzulassen. Wände und Decke waren mit einer schwarzen Rußschicht überzogen. Aufeinander gestapelte Steine mit einem Feuerungsraum befanden sich auf der einen, einige breite Stufen, deren Zweck nicht ersichtlich, auf der andern Seite. Sobald das Feuer ausgegangen war, wurde die Kaminöffnung hermetisch verschlossen; der Steinhaufen strahlte eine grelle, trockene Hitze aus, welche das Atmen zu einer schweren Aufgabe und das Schwitzen zu einer unangenehmen Notwendigkeit machte. Der Genius loci erschien alsbald in Gestalt eines langhaarigen, nackten Kamtschadalen, goß Wasser auf die glühenden Steine, daß sie wie eine Lokomotive zischten, und das Licht inmitten des Dunstkreises mit blauer Flamme brannte. Ich hatte vorher geglaubt, es sei heiß, aber im Vergleich zu der Temperatur, welche besagtes Verfahren hervorrief, war es sibirischer Winter gewesen. Meine Knochen schienen zu schmelzen. Nachdem der Eingeborene die Luft des Raumes so nahe wie möglich auf 212° gebracht, ergriff er mich am Arme, legte mich auf die unterste der oben erwähnten Stufen, goß mit rühmlicher Unparteilichkeit kochendes Seifenwasser über mein Gesicht und meine Füße und fing an mich zu kneten, als ob er die Absicht habe, mich in meine ursprünglichen Elemente zu zerlegen. Es wäre vergebliche Mühe, die Mannigfaltigkeit und den diabolischen Scharfsinn der Tortur schildern zu wollen, welcher ich in den nun folgenden zwanzig Minuten unterworfen wurde. Ich wurde geschrubbt, gewälzt, gestoßen, mit kaltem Wasser übergossen, mit heißem gebrüht, mit Birkenruten geschlagen, mit Hanf abgerieben, der wie Backsteine kratzte, und schließlich durfte ich auf der obersten und heißesten Stufe wieder zu Atem kommen. Eine kalte Dusche war der Schlußakt der Prozedur; ich tastete mich in das Vorzimmer zurück und kleidete mich 89 unter Zähneklappern an. Einen Augenblick später erschien auch der Major, und wir traten gleich wesenlosen Schatten den Heimweg an.
Zu einem Besuch der Kirche war es zu spät; wir hatten auch genug Zerstreuung gehabt für einen Tag und waren von der Bekanntschaft mit den schwarzen Bädern Kamtschatkas vollauf befriedigt, wenn auch nicht gerade entzückt.
Am Abend zogen wir bei den Dorfbewohnern noch allerlei Erkundigungen über den nördlichen Teil der Halbinsel und die Reisegelegenheiten unter den nomadischen Korjäken ein und begaben uns vor neun Uhr zur Ruhe, damit wir am andern Morgen uns früh auf den Weg machen könnten. 90