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Die Blüthe fällt ab.

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. Einmal noch führen wir unsere Leser zu der uns wohlbekannten Familie Wendenberg zurück. Es ist still dort im Hause, kein fröhlich Geplauder vernehmen wir; zwar brennt das Feuer im Kamin lustig und verbreitet wohlthuende Wärme, zwar tritt uns überall die gewohnte Behaglichkeit entgegen – aber doch ist Alles anders, so ganz anders als einst!

Nicht allein durch den Tod des Vaters hat sich diese Wandelung vollzogen, sie ist mit die Folge eines tiefen Seelenleidens, das wohl eine stärkere Kraft hätte untergraben können, als Catharina sie besaß, die, das müde Haupt an der Mutter Brust gelehnt, nach Muth zum Sterben rang.

Denn sterben – ach, der Arzt brauchte nicht immer wieder von Genesung zu sprechen! – sterben mußte die Jungfrau unter den lieblichsten Hoffnungen auf irdisches Glück, und das tief blickende Mutterauge sah es wohl, daß bald ihres theuren Kindes letzter Kampf werde gekämpft sein; kaum hielt sie die Bitte zurück: »Nimm mir Alles, mein Heiland, aber laß mir diese!«

Die schrecklichen Erlebnisse bei dem Priester von Liethorp, die Winterkälte, der Catharina, nach so heftigen Erschütterungen, auf dem Heimwege ausgesetzt war, hatten ihrer ohnehin zarten Gesundheit einen gewaltigen Stoß gegeben und seitdem welkte sie langsam hin; eine Zeitlang hoffte sie, wie so viele Kranke ihrer Art, im Frühling zu genesen – armes Kind! auf Erden wirst du keinen Lenz mehr sehen; die linden Lüfte werden erwachen, das Laub wird knospen und grünen, die Vögel werden wieder zwitschern und singen – doch nicht mehr für dich! – allmählich wurde es ihr bei zunehmender Schwäche indessen immer klarer und endlich gewiß, daß jene Hoffnung eitel und das Ende ihrer irdischen Wallfahrt nicht mehr fern sei.

Catharina wünschte nun dringend den Abt zu sprechen und fragte die Mutter, ob er wohl noch heute kommen werde? »ich spräche ihn so gern, vielleicht zum letzten Mal,« fügte sie hinzu; »nein, Mutterchen, weine nicht, es ist gut der Wahrheit fest in's Auge zu sehen.«

»Ist's ihm möglich, so wird er kommen,« sagte Frau Griete, »und wer weiß, ob er nicht eine Nachricht von Wilhelm bringt.«

»Das gebe Gott! sollte es aber sein, daß ich Wilhelm nicht wiedersehe, so sagt ihm, Mutter, wie ich ihn bis zu meinem letzten Athemzuge so lieb gehabt.«

»Sprich nicht so, Catharina, mein Kind! Ich hoffe er kommt selbst, der Abt wird sich dringend für ihn verwandt haben.«

»Das wohl, aber« – die Kranke sank erschöpft in die Kissen zurück. Nach einer Pause begann sie jedoch wieder: »Sagt ihm, Mutter, daß ich sehr glücklich durch ihn gewesen bin; – armer Wilhelm! wie einsam wird er sich fühlen; aber tröstet ihn, Mutter, tröstet ihn! Ach, das ist beim Scheiden mein größter Schmerz, daß ich nicht an seinem Herzen meinen letzten Seufzer aushauchen kann.« Sie schwieg und strich leise mit der Hand über der Mutter tief gesenktes Antlitz, fühlte ihre brennenden Augen, die sich viele Nächte nicht geschlossen hatten, hörte ihr unterdrücktes Seufzen und drückte einen langen Kuß auf ihre kalte, zitternde Hand.

»O, wie soll ich ohne dich leben, mein theures Kind!« rief Frau Griete plötzlich aus, nicht mehr im Stande ihren Schmerz zurückzuhalten; »wie leer und öde wird es überall sein ohne dich – so allein, o Gott, so allein!«

»Nicht also, liebe Mutter,« bat Catharina sanft; »laß uns muthig tragen was der Herr uns auferlegt! wer weiß, vielleicht folgt Ihr mir bald in unser rechtes Vaterhaus – und wenn nicht, so ist doch Gott Euch allzeit nahe.«

Frau Griete blickte überrascht auf ihr Kind; so jung und solcher Sterbensmuth! Altert Leiden vor der Zeit, gewiß ist, daß es auch stählt und reift und unter den heißesten Proben zum Ueberwinden fähig macht. So war es Catharinen ergangen. Ein stiller Kummer hatte lange an ihrem Leben gezehrt und was die Mutter nicht ahnte, wurde ihr endlich zu trauriger Gewißheit: ihr Name sei schon auf die Todtenliste dieses Jahres geschrieben. Aber es machte die Jungfrau nicht erbeben, sie bereitete sich für den Heimgang, that unter Thränen Buße für ihre Sünden und raffte ihre letzten Kräfte zusammen zu einem Briefe an den Abt, um seine Fürsprache für Wilhelm zu erlangen. Von diesen inneren Vorgängen wußte Frau Griete indessen nichts. Catharinens Tröstungen thaten ihr wohl, sie schob die Perlen ihres Rosenkranzes nacheinander fort und bat liebevoll: »Vertrau' mir Alles, mein Kind, was ich Wilhelm sagen soll; jedes deiner Worte werde ich ihm treu wiederholen.«

»Sagt ihm denn, Mutter, so gerne ich auch für ihn gelebt hätte, daß es doch wohl so besser sei und bittet ihn sich fest an Dem zu halten, der uns allen Schmerz tragen hilft. O Mutter, denken wir an unsern Heiland, wie gering erscheint uns dann, was wir leiden! Lehrt ihn auf diesen Schmerzensmann blicken und sagt ihm, ich sei getrost und in Frieden heimgegangen, im festen Glauben an die Versöhnung durch Sein Blut.«

Frau Griete vermochte nicht sich zu fassen. »O, die Gräfin ist hart und herzlos!« jammerte sie fast verzweifelt.

»Liebste Mutter, sprecht nicht so!« bat die Kranke mit liebevollem Ernst. »Wüßte die Gräfin Alles, gewiß, sie würde Wilhelm die Freiheit geben, deshalb verurtheilt sie nicht! Steht's doch nicht in ihrer Macht, mir das Leben zu nehmen; sterbe ich, so ist es des heiligen Gottes Wille. Und wer weiß, wie sehr man sie gegen uns erbittert hat! Vergesse ich doch nimmer den Blick voll Zorn, den sie mir im Vorüberreiten einst zuwarf, ob ich ihr gleich persönlich fremd war – aber ich vergebe ihr Alles, Alles!«

»Aber nun Friede im Lande ist,« entgegnete Frau Griete, »müßte die Gräfin ihre Gefangenen doch begnadigen!«

»Das wird sie zu ihrer Zeit auch thun, liebe Mutter.«

»Zu ihrer Zeit!« murrte diese; aber Catharina schlang liebkosend den Arm um sie und sagte flüsternd: »Ihre Zeit ist Gottes Zeit! Was vermag doch die Gräfin ohne Seinen heiligen Willen? Nicht wahr, das wollen wir fest glauben, und Ihr, liebe Mutter, helft mir in diesem Glauben zu ruhen.«

Catharinens Hoffnung auf einen Besuch des Abtes erfüllte sich nicht; als sie jedoch nach einigen Tagen kränker geworden, sandte man einen Boten nach ihm mit der Bitte zu kommen, und erwartete, der treue Seelsorger und Freund werde dieser Aufforderung unverzüglich Folge leisten; doch war, als jene Botschaft an ihn gelangte, des Abtes Gegenwart am Hofe, dem seine nächsten Pflichten gehörten, eben unerläßlich; er sah sich genöthigt die Kranke auf den folgenden Tag zu vertrösten und benutzte die Gelegenheit, noch einmal bei der Gräfin um Freilassung des Fähndrichs van der Houve anzuhalten.


In der stillen Landpfarre zu Liethorp saß der Priester bei seinem einfachen Abendbrod. Manches war anders geworden, seit wir ihn zuletzt sahen, nicht in seiner Umgebung, sondern an ihm selbst. Ein finsterer Zug lag um seinen Mund, trübe war sein Blick, sein Antlitz bleich und abgezehrt; auch seine Kleidung war nachlässig und verrieth, daß er sich gehen ließ oder der Unterstützungen bei seinem schmalen Einkommen entbehrte. Er hatte Becher und Teller zurückgeschoben, es schmeckte ihm heut' weniger noch als sonst und in trüben Ernst versunken, starrte er, den Kopf in die Hand gestützt, in die hellen Flammen des Kaminfeuers, als leises Klopfen an der Thür ihn aus seinen Träumereien aufschreckte. Im selben Augenblick schon trat Jemand herein, den er entfernt an diesem Abend nicht erwartet hätte, denn überrascht rief er aus: »Ihr hier, Ehrwürden?«

»Ich und Niemand anders!« entgegnete der Abt; »ich bin zu Wendenbergs gerufen, unterwegs hielt mich jedoch der Prior von Engelthal in Angelegenheiten des Klosters auf und darüber ist es so spät geworden, daß ich mich genöthigt sehe von Eurer mir so oft gebotenen Gastfreundschaft Gebrauch zu machen.«

»Die sei Euch von Herzen gewährt, mein Bruder; doch kann ich Euch leider nur mit grobem Brod und einem frischen Trunk bewirthen.«

»Genug für mich,« versetzte der Abt, »macht Euch daraus keine Sorge; um aber auf das Kloster zurückzukommen – wie rasch schreitet der Wiederaufbau vorwärts!«

»Freilich; die Geldspenden sind aber auch reichlich geflossen. Der Prior hatte wenig Mühe sie zu sammeln und am freigebigsten erwies sich unser edler Bischof von Luik; fürwahr, er ist ein nobler Herr.«

»So sagt man,« antwortete der Abt ausweichend, indem er ein Stück des gebotenen Brodes nahm. Dann fragte er wie es mit Catharina Wendenberg stehe.

»Ich kann Euch darüber nur sehr oberflächliche Auskunft geben,« versetzte der Priester; »was ich von ihrer Krankheit weiß, erfuhr ich durch Gerüchte; mehrfach versuchte ich bei ihr vorgelassen zu werden, doch, so oft ich kam, war es ihr grade in der Stunde nicht genehm.«

»Das ist seltsam,« meinte Abt Bernhard; »Catharina pflegt niemals unfreundlich zu sein, am wenigsten Geistlichen gegenüber.«

Der Priester zuckte die Achseln.

»Habt Ihr sie denn nicht aufgefordert zu beichten?« fuhr Jener fort, »als Seelsorger wäre das doch Eure Pflicht gewesen.«

»Versucht habe ich es allerdings, aber, schon als sie noch gesund war, versäumte sie längere Zeit die Beichte.«

»Das ist befremdlich, äußerst befremdlich,« wiederholte der Abt; indessen bemerkend, dem Priester sei die Ursache des seltsamen Verhaltens der Kranken nicht so ganz fremd und weit entfernt das Vertrauen eines Menschen erzwingen zu wollen, berührte er die Sache nicht weiter, endigte rasch sein frugales Abendbrod und folgte danach dem Priester in seine bescheidene Schlafkammer.

Früh brach er am nächsten Morgen auf, drang aber vergebens in Jenen ihn zu begleiten. »Ihr seid allein zu Wendenbergs gerufen, so geht auch allein,« war die Antwort des Priesters.

Catharina hatte die Nacht unruhig zugebracht und schlief als der Abt endlich kam; sie schien von ängstlichen Träumen gequält, warf sich hin und her und machte abwehrende Bewegungen mit der Hand. Die Mutter sprach leise mit dem Geistlichen – ach, auch die letzte Hoffnung auf Erhaltung ihres Kindes war geschwunden, denn der Einzige, der das schwache Lebenslicht vielleicht noch hätte anfachen können, war nicht gekommen – Wilhelm van der Houve war nicht frei!

Als die Kranke erwachte, blickte sie ängstlich im Zimmer umher: »Hörte ich nicht die Stimme des Priesters?« fragte sie zitternd; »laßt ihn nicht zu mir, Mutter!«

»Sei ruhig, mein Kind, – nein, der Priester von Liethorp ist nicht hier, aber ein anderer Geistlicher, dessen Kommen du lange ersehnt.«

»Vater Bernhard!« rief Catharina aus, indem eine schwache Röthe ihre abgezehrten Wangen färbte, und beide Hände ihm entgegenstreckend sagte sie leise: »Habt Dank, daß Ihr endlich da seid! Jetzt mag der Tod kommen und mich erlösen –«

»Und hinüberbringen zum ewigen Licht,« fügte der Abt ernst hinzu, indem er die kalte Hand der Jungfrau drückte. »Armes Kind! Ihr habt in der kurzen Spanne Zeit viel gelitten; doch getrost, bald bricht der Morgen für Euch an.«

»Und die Trennung von Wilhelm wird nicht lange währen,« flüsterte die Kranke, »eine innere Stimme sagt es mir; – Ihr habt ihn nicht mitgebracht –«

»Doch wird er kommen und vielleicht bald,« tröstete der Abt; »ich habe bis zum letzten Augenblick um seine Freilassung angehalten und jetzt nimmt Herr von Arkel sich der Sache kräftig an.«

»Er wird kommen, wenn es zu spät ist! O mein Vater, wie sehr hat mich verlangt ihn noch einmal zu sehen – aber Gott versagt es mir.«

»Gott versagt Seinen liebsten Kindern oft ihre heißesten Wünsche, liebe Catharina, und wer weiß wozu auch diese Prüfung dient – vielleicht möchte Euch das Scheiden schwerer sein, wäre er hier.«

»Gewiß! sähe ich seine Thränen, ich würde vielleicht mit Gott hadern, so jung sterben zu müssen; jetzt habe ich Frieden und hoffe Gott wird mir gnädig sein um Christi willen.«

Frau Griete fühlte sich matt und elend und glaubte, während der Abt bei der Kranken war, sich einen Augenblick der Ruhe gönnen zu müssen. »Ich überlasse Euch mein Kind eine kleine Weile, Ehrwürden,« sagte sie, »Catharina ist jetzt in guten Händen und ist's nöthig, so ruft mich.«

»Geht, liebe Frau, Euch ein wenig zu stärken; was Euer noch wartet möchte sonst zu schwer sein.«

Und jetzt sah sich Catharina mit ihrem vertrauten Beichtvater allein, jetzt durfte sie ihm Alles sagen, was ihr wochenlang auf dem Herzen gebrannt, jetzt durfte der Abt tief hineinsehen in das bittere Leid dieses jungen Herzens, und auch über ihre traurigen Beziehungen zu dem Priester von Liethorp ging ihm ein Licht auf. Jetzt wußte er, weshalb Catharina ihn während ihrer Krankheit nicht hatte empfangen wollen – ach, und er jammerte im Stillen über die Finsterniß, in welche, mit der Kirche, so viele ihrer Priester versunken waren. »Hüter, ist die Nacht schier hin!« seufzte er leise, sprach aber zu seinem Beichtkinde von dem Licht, vor dem einst alle Finsterniß weichen, vor dem einst alle Schleier fallen müssen, von dem Licht, das für sie bald in vollem Glanz aufgehen werde.

Wir lauschen Catharinens Bekenntnissen nicht, die sie vor dem heiligen Angesicht Gottes ablegte; ihr ganzes Herz mit allen seinen Geheimnissen vor einem Priester enthüllen zu dürfen, der den verborgenen Fäden desselben nachzuspüren verstand und ihr alsdann den rechten, vollen Trost des Evangeliums bringen konnte, das erleichterte ihre beschwerte Seele und gab ihr Muth und Freudigkeit zum Sterben.

Lange, sehr lange währte die Unterredung und als endlich der Abt den Platz am Krankenbett der Mutter wieder überließ, eilte er fort die Monstranz zu holen, um der Sterbenden die Gnadenmittel der heiligen Kirche reichen zu können. Er hatte in dieser Stunde Vieles vernommen, das ihn tief beugte, und während er sich auf seiner einsamen Wanderung wieder Alles in's Gedächtniß rief, zog ein dunkler Schatten über sein Antlitz, indem er leise sprach: »Herr, wie lange noch duldest du diese unnützen Knechte? O komm', und schaffe Licht auch für ihr Herz; strafe sie nicht in deinem Zorn, aber bekehre sie zu dir!«

Rasch schritt er die Dorfstraße entlang der Pfarre zu, um die Sterbsakramente von dem Priester von Liethorp zu entnehmen; er dachte in diesem Augenblick nicht daran, was er eben von diesem Amtsbruder erfahren, er wußte nur, daß er zu eilen habe, denn Catharinens Ende schien nahe.

Als Jener dem Abt die Monstranz eingehändigt, fragte er zögernd: »Habt Ihr der Kranken die Beichte abgenommen?«

Der Abt wandte sich ab. »Laßt mich,« sagte er ernst, »ich darf mich nicht aufhalten und es ist jetzt nicht der Augenblick davon zu sprechen.«

»So stirbt sie wirklich?«

»Sie hat bald ausgelitten,« erwiderte Jener in strengem Ton und eilte nach kurzem Gruß fort, ohne den Ausruf der Verzweiflung zu hören, der dem Priester in überwältigender Gewissensangst entfuhr.

Catharina fühlte sich, als der Abt zurückkehrte, nach kurzem Schlaf ein wenig gestärkt. Noch einmal sprach er zu ihr, betete inbrünstig mit ihr und als er gewiß war, sie sei bereit, auf das Verdienst Christi sich verlassend und durch sein Blut versöhnt, vor Gott zu erscheinen, begann er die heilige Handlung. Die Kranke hatte sich im Bett aufgerichtet und ihr Auge, von Fieberhitze glänzend, sah fest auf den Priester; er nahm die Hostie, dankte und reichte sie ihr, auch die Kraft des heiligen Oels theilte sich Catharinen mit, und als sie danach in die Kissen zurücksank, lag heiliger Friede auf ihrem abgezehrten Antlitz, selige Freude in ihrem Blick. –

Gegen Abend kam der Arzt noch einmal; Catharina reichte ihm freundlich die Hand. »Habt Dank für Euer treues Bemühen,« sprach sie, »hätten Eure Mittel mir helfen können, ich wäre sicher genesen.«

Das Fieber wurde heftiger, und das Ende nahte rasch. Die Mutter wich nicht von der Sterbenden; sie legte kühlende Tücher auf Catharinens brennende Stirn und fing jedes Wort der theuren Lippen auf, die sich nun bald für immer schließen sollten. Frau Griete weinte nicht, sie betete, sie betete wie vielleicht nimmer zuvor und nicht mit leise gemurmelten Worten glitt der Rosenkranz durch ihre Finger, es waren Seufzer aus der Tiefe ihres Herzens, die zu Gottes Thron aufstiegen und Gnade und Erhörung fanden.

Die lange, bange Nacht ging vorüber. Als der Morgen anbrach, öffnete Catharina noch einmal die Augen und sah mit klarem Bewußtsein umher, richtete noch einmal den Blick aufs Fenster, als schaue sie nach ihrem Wilhelm aus, dessen Namen ihre schwachen Lippen zu nennen versuchten und wies freundlich mit der Hand nach Oben. Der Abt beugte sich über sie und fragte leise: »Ist Euch wohl, Catharina?«

Sie konnte nicht mehr sprechen, neigte aber das Haupt, während ein seliges Lächeln ihr Antlitz verklärte. So lag sie einige Augenblicke still und friedevoll und ohne daß selbst das Mutterauge es spürte, war die Seele entflohen, war die Blume abgefallen.

Plötzlich wurde heftig mit dem Klopfer an die Hausthür geschlagen und gleich darauf nahte ein rascher Schritt; ein junger Mann tritt ein mit todtenbleichem Antlitz, er blickt umher, sieht was geschehen und wirft sich wie wahnsinnig über das Sterbebett.

»Mein Gott, o mein Gott!« schreit er auf; »zu spät, zu spät um noch ihren letzten Seufzer aufzufangen – o, das ist hart, das ist unbarmherzig!«

Frau Griete weinte heftig und der Abt stand ergriffen, doch regungslos, dieser Schmerzensscene gegenüber. Was vermochte er beim Anblick so tiefen Weh's, was bei solchen Ausbrüchen der Verzweiflung?

Wilhelm küßte die erstarrten Lippen seiner Braut, lehnte sein Haupt an ihre kalte Wange, war eine Weile ganz still, sprang dann plötzlich auf, warf einen letzten Blick auf sie und sagte laut: »Kann ich nicht mit dir leben, so will ich mit dir sterben, aber zuvor,« schwor er mit seltsam veränderter Stimme, »zuvor soll dein Tod gerächt werden!« – und damit wollte er aus dem Zimmer stürzen.

»Wohin?« fragte der Abt, ihn zurückhaltend.

»Fürchtet nichts, mein Herr! ich will in Catharinens Kammer gehen, mich einen Augenblick zu sammeln. Die Nacht bin ich durchgereist und doch zu spät gekommen – zu spät!« wiederholte er mit zerrissenem Herzen, daß es dem Abt tief in die Seele schnitt.

»Geht denn, mein Sohn und die heilige Mutter Gottes möge Euch trösten,« sagte er bewegt.

Bald jedoch suchte er den Fähndrich auf, von einer gewissen Unruhe getrieben, und fand ihn mit hastigen Schritten in Catharinens kleinem Stübchen auf- und abgehend, zuweilen innehaltend, um einen langen Blick zu werfen auf Alles, was ihr einst gehört. Allem Trost unzugänglich sprach er immer nur das eine Wort: »Ihr Tod soll gerächt werden!« Als aber der Geistliche mild und leise von Catharinens treuer Liebe zu ihm sprach, als er ihren Abschiedsgruß ihm brachte, wurde der junge Mann ruhiger und ein heftiger Thränenstrom erleichterte sein gewaltig erregtes Gemüth.

Trüb und schwer verging der erste Tag ohne die theure Hingeschiedene, die der fürsorgenden Liebe und Pflege nicht mehr bedurfte; tiefe Trauer umhüllte die Herzen der Zurückbleibenden, und bang und sorgenvoll war der Blick in die Zukunft.

Die Nacht senkte sich zur Erde herab, und man begab sich zur Ruhe, aber der brennende Schmerz hielt wach trotz großer Ermüdung. Draußen rauschte ein kalter Wind durch die entlaubten Bäume – drinnen war Jeder allein mit sich selbst, mit seinem Leid, mit seinem Gott.

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