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Die Belagerung von Gorkum.

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Die Belagerung von Gorkum. Im Jahre 1417, nach dem St. Elisabethstag, nahm Herr Johann von Arkel mit Hülfe derjenigen Bürger, die auf seiner Seite standen, die Stadt Gorkum ein, und die Freunde der Gräfin wichen nach dem Schloß.

. Die vielen Hoffeste und Gastmähler, welche die Gräfin ihren Edlen gegeben seit sie nach dem Haag zurückgekehrt, sich auf's Neue den Pflichten ihres Ranges und Standes gewidmet, waren beendet. Die lange Zurückgezogenheit, in der sie auf Schloß Teilingen gelebt, hatte ihr, trotz aller Kämpfe, keinen Seelenfrieden gegeben; überall begleitete sie ein Gefühl des Ungenügens und ihr ruheloser Geist trieb sie zu den Zerstreuungen des Hoflebens. Doch fand sie in den Ballsälen so wenig als in der Einsamkeit, wonach sie sich sehnte. Nicht die glänzenden Feste, nicht die stete Umgebung ihrer Edlen und Vasallen, selbst nicht die Jagdvergnügungen, die sie sehr liebte, waren im Stande gewesen eine gewisse innere Leere auszufüllen, und nach den rauschenden Freuden in die Stille ihrer Privatgemächer zurückgekehrt, klagte Jacoba ihrem Beichtvater diese Noth ihres Herzens, ohne jedoch die Kraft seiner Trostworte zu erfahren.

Eins jedoch brach wie ein heller Sonnenstrahl durch diese dunkle Wolke und beleuchtete freundlich ihren einsamen Wittwenpfad – doch nur für kurze Zeit: es war als ihr junges Herz sich aufs Neue den Empfindungen warmer Liebe hingab und sie gern alle Schätze ihres Herzens und Lebens dem Einen zu Füßen gelegt hätte. Aber Arkel war fortgegangen und seitdem hörte sie nichts von ihm. Von der Unruhe ihres liebenden Herzens hin- und hergetrieben, hatte sie, weder den Vorstellungen ihrer Edlen, noch den kräftigen Ermahnungen ihres Beichtvaters Gehör gebend, sich gerüstet, selbst an der Spitze ihrer Heere dem Feind entgegenzuziehen. War Vlaardingen ihr durch Verrath verloren gegangen, Dordrecht dem Bischof von Luik ergeben, war Gorkum durch treulose Bürger in Johann von Arkels Hände gekommen, des Vaters von Wilhelm, und standen im Südwesten die Bürger einander feindlich gegenüber, so war es Zeit der zunehmenden Macht der »Graumützen« ein Ende zu machen und voll Muth und Willenskraft, stolz wie eine echte Grafentochter, hatte Jacoba zum Schwert gegriffen, um es in diesen aufrührerischen Tagen nicht mehr aus der Hand zu legen. Kein Schwanken, kein Zögern spürte man jetzt an ihr, energisch bewegte sie sich unter ihren Getreuen, das Auge leuchtend von Begeisterung, während auf ihrem Antlitz sich wehmüthiger Ernst und festes Vertrauen aussprachen.

»Für Gott und das Recht!« sprach die Gräfin laut, als sie das Schiff betrat; »Es lebe Jacoba!« erscholl es von tausend Lippen und Jeder suchte ihrem muthigen Blick zu begegnen.

»Für Gott und das Recht!« – Klar und still ging der Mond auf und beleuchtete mit seinem sanften Schein das lebendige Treiben während der Einschiffung und hell glänzten die Sterne in der kalten Winternacht.

Der Plan war gut gemacht. In nächtlicher Stille wollte man absegeln und erst gegen Morgen, wenn das noch in den Händen von Jacoba's Freunden sich befindende Schloß die tapfern Soldaten aufgenommen, von dort einen Ausfall auf die stark besetzte Stadt wagen. Man glaubte die Kabeljauische Partei von diesen Maßregeln nicht unterrichtet und hoffte, durch Ueberrumpelung des Feindes, ohne zu großes Blutvergießen, einen völligen Sieg zu gewinnen.

Ein sanfter Wind blies munter durch die Segel und die Schiffe kamen rasch vorwärts; noch wenig Stunden und der Hafen war erreicht. Bald erglänzte in der ersten Morgendämmerung die Spitze des hohen Thurmes und langsam trat auch das Schloß schon in stärkeren Umrissen hervor, zwar noch ein wenig in Nebel gehüllt, doch nah genug, um hoffen zu dürfen, daß –

Plötzlich fällt ein Schuß, dem rasch ein zweiter und dritter folgen.

»Bei St. Joris! sie erwarten uns,« ruft Heemstede aus, »es wird bald munter genug zugehen!«

Der dicke Rauch hinderte anfangs zu sehen wer etwa getroffen sei; als er sich jedoch vertheilte, nahm man glücklicherweise wahr, daß Keinem ein Leid geschehen, aber Jeder wußte jetzt und der Befehlshaber sprach es aus, daß man verrathen sei.

»Der Schuß kann auch von unsern heimlichen Freunden in der Stadt abgefeuert sein,« meinte die Gräfin.

»Ganz recht,« versetzte Brederode, »doch auch dann soll er uns nur sagen, daß man zu blutigem Empfang bereit ist; wahrscheinlich aber ist er von unsern Feinden gelöst in der Hoffnung, daß wir ihn erwidern und sie danach berechnen können, wie nah oder fern unsere Flotte ist und wann sie uns erwarten können.«

»In beiden Fällen ist es am besten sich schweigend zu verhalten,« rieth die Gräfin und da Capitain und Befehlshaber ihr beistimmten, beschloß man in aller Stille weiter zu segeln und an verschiedenen Stellen mit den Schiffen zu landen.

Mit Tagesgrauen war die Küste erreicht, die kostbare Ladung ausgeschifft und jetzt überzeugte man sich, daß der Feind nur darauf gewartet, einen heftigen Angriff machen zu können. Von allen Seiten, hier aus dem Gestrüpp, dort hinter den kleinen Häusern auf dem Wall, tauchten kabeljauische Soldaten auf und umzingelten die hoek'schen ehe noch alle gelandet; ein ungleicher Kampf harrte der Letzteren, denen der Zugang in die Stadt völlig abgeschnitten war. In wenig Augenblicken ist der Wall besetzt, der hoek'sche Befehlshaber sucht vergebens seine Truppen seitwärts nach dem Schloß zu führen, vorn, rechts und links umgibt sie der Feind, hinter ihnen fließt der Strom, während die Schiffe schon fortgesegelt sind, neue Mannschaften zu holen.

Einen Augenblick schwankt man, dann ertönt ein donnerndes »Feuer!« aus dem Munde des Befehlshabers und der Feind erhält eine volle Ladung, die sofort beantwortet wird, worauf die vordersten Reihen mit entblößtem Schwert vorwärts dringen. »Feuer!« heißt es abermals, und eine dicke Rauchwolke bedeckt die Tapfern. Mit Löwenmuth streiten die kabeljauischen, mit wilder Wuth die hoek'schen Truppen, Letztere stets den Blick auf das Schloß gerichtet, ob nicht von dort eine Hülfe komme.

Durch das Gefecht auf dem Wall geschützt, ist es der Landesgräfin gelungen, mit einem Theil ihrer Soldaten das Schloß zu erreichen; sobald sie über den Graben gegangen, scharen sie sich in wohlgeordneten Reihen, die Reiterei sitzt auf, die Landsknechte werfen ihr Schild vor die Brust. »Für das Recht und Jacoba!« ertönt es laut, und mit Begeisterung ihrer Fürstin folgend, stürzen sie sich in den heißen Kampf; scheut die hohe Frau keine Gefahr, ziemt dem Soldaten Verzagtheit nicht, und von neuem Muth belebt, erschallt es abermals aus Aller Mund: »Für das Recht und Jacoba!«

Der Feind, jetzt im Rücken angegriffen, kämpft wie rasend und während auch vom Schloß aus ein heftiges Feuer unterhalten wird, das manchen Tapfern zu Boden streckt, bricht die Wintersonne mit hellen Strahlen durch das Morgengewölk, das Schlachtfeld und die aufrührerische Stadt beleuchtend.

»Bei der heiligen Jungfrau! Seht Ihr, Heemstede, daß dort auf dem Wall Kanonen unbewacht stehen?« rief Graf Brederode aus.

»Fürwahr! wir wollen uns ihrer zu bemächtigen suchen,« erwiderte Jener rasch, »sie können uns gute Dienste thun und die Verheerung der Kabeljauischen in unsern Reihen vermindern helfen. Vorwärts Soldaten!«

Herr von Heemstede führte seine tapfere Schaar so schnell wie möglich nach der Südseite der Stadt, wo er dieselbe am schwächsten besetzt glaubte, während Brederode mit seinen Soldaten, als Schutz ihnen folgend, der Gräfin zu Hülfe eilte.

Am Ostende der Stadt streiten die muthigen hoek'schen Truppen und die Loosung: »Für das Recht und Jacoba!« übertönt das Waffengeschrei der bischöflichen, die in immer stärkerer Zahl heranrücken. Es ist Heemstede gelungen mit seinen Mannschaften die Wälle zu erreichen, die man mit Leitern zu erklimmen versucht; Mancher aber büßt das kühne Wagniß mit dem Tode, denn auf den Wällen stehen die Kabeljauischen und schießen von oben herab auf den Feind. Da donnert vom Schloß her schweres Geschütz durch die Luft. »Sie wollen eine Bresche schießen!« ruft der Befehlshaber der hoek'schen Partei, »aber die Wälle sind stark besetzt; eilen wir die Kanonen zu erobern und ihnen zu helfen. Vorwärts!« – doch auch der neue Versuch mißlang.

Inzwischen haben die bischöflichen Truppen bemerkt, wie die unerschrockenen Soldaten ebenfalls an der westlichen Seite der Wälle und am Thor sich durchzuarbeiten suchen; auch dort sind Leitern angebracht und Mann für Mann klimmen sie hinauf; schon haben die Vordersten fast die Höhe erreicht, als plötzlich eine kochende Flüssigkeit über sie ausströmt; unter gellendem Schmerzgeschrei stürzen die Unglücklichen sterbend vom Wall herunter und werden, am Boden liegend, von der stets wachsenden Menschenmenge zertreten. »Mehr Oel!« hört man oben schreien und, Furien gleich, tragen die Weiber Kessel herbei, aus denen, wie Lavaströme, sich die heiße Masse über den Feind ergießt. Immer neue Opfer der Mord- und Rachlust sieht man fallen, die Hände, welche die entsetzliche Arbeit vollbringen, scheinen unermüdlich; es ist als lasse die langbezwungene Feindschaft jetzt ihre Zügel schießen und mehr noch als die Kampflust der Männer, macht die entfesselte Wuth der Frauen sich geltend, durch den Anblick des Jammers nur noch geschürt. Und während die kreischenden Stimmen fortfahren »Oel, mehr Oel!« zu schreien, während man massenweise brennende Pechkränze auf die Belagerer schleudert, weichen diese immer weiter zurück, Verzweiflung auf dem Antlitz, Entsetzen im Herzen, eines so wenig ehrenvollen Todes sterben zu müssen.

Die ganze Stadt ist in Bestürzung; überall tauchen neue Hülfstruppen der Kabeljauischen auf, aber auch die Hoek'schen erhalten kräftige Unterstützung. Aus allen Richtungen hört man das Knallen der Büchsen und der leichten Kanonen, zwischendurch das Angstgeschrei der Verwundeten und Sterbenden auf beiden Seiten.

Abermals werden Leitern angelegt – man muß zum Ziel kommen! Da eilen die Hennegauer zu Hilfe.

»Jetzt alle Leitern auf einmal erstiegen!« gebietet Heemstede laut und klimmt selbst voran, den blanken Säbel zwischen den Zähnen haltend. Eine neue Ladung vom Schloß unterstützt sie; »es ist eine Bresche im Wall!« ertönt es plötzlich, »nun vorwärts, Soldaten!« Im selben Augenblick hat Heemstede die Höhe gewonnen, Andere folgen ihm und ein furchtbares Gemetzel entspinnt sich auf den Wällen, zahllose Opfer fordernd – das Geschütz muß erobert werden!

Während die Hennegauer auf dem Wall kämpfen, fördern sie zugleich das Vordringen der hoek'schen Partei in die Stadt; den Friesen ist es inzwischen ebenfalls gelungen die Wälle von der Nordseite aus zu erklimmen und von dort den Zugang zum Schloß zu decken; an der Westseite aber dringen die Bischöflichen mit neuen Streitkräften auf die Bresche.

»Für das Recht und Jacoba!« ertönt es ringsum, und »Für das Recht und Jacoba!« schallt es immer weiter durch die Stadt bis dahin, wo Arkel neben Vernenburg für seine Partei kämpft. Einen Augenblick zittert seine Hand, aber er bezwingt sie gewaltsam. Nicht vergeblich hat er in der Einsamkeit einen heißen Streit gekämpft, und jetzt geziemt ihm kein Wanken. Plötzlich aber erbleicht er und zu seinem Obersten sich wendend frägt er rasch: »Kämpfen wir denn noch gegen Zeeländer?«

»Was heißt das?« entgegnet Vernenburg, ebenfalls fragend.

»Seht Ihr denn nicht, daß sie unterstützt werden,« ruft Arkel aus, »und zwar von den Unsrigen?«

»Bei St. Joris! das ist zu viel, das muß gerächt werden! Kennt Ihr den Anführer?«

»Ob ich ihn kenne? so gut als Ihr! Es ist Druten und bei Allem was mir theuer, Capitain, ehe die Nacht herniedersteigt, werd' ich diesen Erzverräther kalt machen!«

»Druten?« rief van Vernenburg aus; »so war er es denn auch, der heute Nacht schießen ließ um den Feind zu warnen. Auf Euren Posten, Arkel! – und trefft Ihr ihn nicht, ist er für mich gespart.«

»Aufgepaßt, Soldaten! – gebt Acht! – Feuer!«

»Feuer!«

Und wüthend dringen die Kabeljauer auf die Hoeken ein, werden jedoch tapfer zurückgeschlagen.


Der Kampf wird gegen Mittag immer heftiger. In der Stadt und rings um dieselbe unterhält man ein lebhaftes Musketenfeuer und die Weiber, eben noch so bereitwillig Kessel mit glühendem Inhalt zum Verderben des Feindes heranzuschleppen, sind unter dem Donner des schweren Geschützes jetzt vollauf mit Hülfeleistungen an ihren Verwundeten und Sterbenden beschäftigt.

Man hat die Gräfin zu überreden gesucht nach ihrem Schloß zu reiten, das ihr noch sichere Zuflucht bietet, denn das augenblickliche Gefecht ist nur ein Vorspiel dessen, was folgen muß, und man fürchtet für ihr Leben. Aber Jacoba hört nicht darauf. »Vorwärts, Soldaten!« commandirt sie und führt ihre Getreuen aufs Neue gegen die Bischöflichen. Herr van Raaphorst aber, der an ihrer Seite kämpft, spricht leise mit ihr und bittet sie dringend, sich nach dem Schloß zurückzuziehen, wo ihre Gegenwart nothwendig sein kann. »Euer Leben ist in Gefahr, Gräfin,« sagt er ernst und dringend, »seht Ihr nicht, wie Mann gegen Mann sich kehrt?«

Jacoba weigert sich. »Ich fürchte den Tod nicht,« versetzt sie stolz; »wie kann ich von meinen Soldaten fordern ihr Leben für meine Sache zu opfern, entziehe ich selbst mich dem Kampf?«

Und wieder glänzt ihr Helm unter den dichten Reihen des Heeres; Befehle ertheilend reitet sie hin und her, durch Wort und That den Heldenmuth ihrer Getreuen anzufeuern. Es war als sei auch ihr Muth neu belebt durch das Bewußtsein einige Genugthuung für ihr tief gekränktes Herz zu finden; denn in ihrer unmittelbaren Nähe stand van Vernenburg's Regiment, in welchem Wilhelm von Arkel kämpfte; grade jetzt zu weichen wäre ihr als Schwachheit erschienen und mit lauter Stimme commandirt sie selbst ihre Soldaten.

Sie sieht Arkel mit Löwenmuth streiten, sieht ihn bei ihrem Anblick erbleichen, sieht wie die Waffe in seiner Hand zittert – und wendet sich ab.

Herr van Raaphorst naht ihr noch einmal. »Gräfin, Eure Anwesenheit auf dem Schloß ist dringend nöthig; der Feind hat unter sicherem Schutz einige der Seinen dahin gesandt um mit den Unsrigen zu parlamentiren.«

»Gewiß das Klügste was sie thun können!« entgegnet Jacoba laut. »So wollen wir uns denn dahin begeben, zu hören welche Bedingungen die Graumützen uns stellen;« dann heißt sie ihre Mannschaften auf die Seite weichen und übergibt Herrn von Raaphorst den Oberbefehl. Freilich, es war die höchste Zeit für die Gräfin, – einen Augenblick später wäre ihr der Zugang zum Schloß versperrt gewesen.

Als Arkel bemerkt, daß die Gräfin das Schlachtfeld verlassen, gewinnt er wieder Geisteskraft; sein Auge forscht jetzt nur nach dem feigen Verräther, der sein Erzfeind ist. Er weiß, ihre Compagnien stehen einander gegenüber, sieht, daß die Soldaten schon handgemein sind; endlich hat er ihn erspäht und wendet sein Pferd rasch dahin, wo er, ziemlich außerhalb des Gefechts, den Kampf mit seinem Gegner besser aufnehmen kann. Sie stürmen aufeinander los mit ihren Rossen, Beide hoch aufgerichtet, wie festgenagelt an ihre Sättel, überwinden den ersten Schreck des Begegnens und hauen wüthend auf einander ein.

»Feigling! Verräther!« ruft Arkel wild aus.

»So treffen wir uns endlich!« schreit Druten ihm zu, »und der Kriegsschauplatz mag zugleich ein Schauplatz der Vergeltung sein!«

»Ich fürchte Deine Rache nicht, Elender!« ist Arkels Antwort und abermals kreuzen sich ihre Degen in wildem Grimm.

Aber dem edlen Arkel währt dieser Kampf zu lange. Er wirft sein Pferd zurück, faßt sein Schwert mit beiden Händen und stößt es mit Blitzesschnelle gegen Drutens Schild, der wie Glas in Stücke zerbricht; sie sind einander so nahe gekommen, daß sie gegenseitig den heißen Athem fühlen, der durch die Oeffnungen ihrer Helme dringt, ihre Augen, feurigen Kohlen gleich, hinter dem Stahl leuchten sehen.

Da ertönt laut der Ruf des Oberbefehlshabers: »Aufgepaßt – eins – zwei – Feuer!« Beide hören sie es, aber Arkel ist nicht im Stande seine Muskete abzufeuern und während eine dichte Rauchwolke ringsum Alles bedeckt, hat er nur Aug und Ohr für seinen Gegner, mit erneuter Wuth auf ihn eindringend.

Wer wird Sieger bleiben? – Rund umher fallen die Tapfern, rechts und links jammern die Verwundeten; aber Arkel und Druten, nur von persönlicher Rache erfüllt, sehen und hören nichts. Plötzlich werfen sie ihre Schwerter von sich, um durch Faustkampf dem erbitterten Streit ein Ende zu machen. Druten gelingt es seine linke Hand zu befreien, rasch greift er nach seiner Büchse, ohne daß Arkel, dessen Brust vom Schild entblößt ist, dies bemerkt; durch eine Wendung aber von Arkels Pferd fehlt der Schuß und das edle Thier stürzt, an der Stirn getroffen, zu Boden, seinen Reiter mit sich fortschleppend. Indessen hat Herr van Vernenburg, der mehr als einmal schon zwischen die Beiden zu treten versucht, den Vorfall wahrgenommen und ruft Druten zu:

»Ich habe geschworen Eure Schändlichkeit zu rächen und dadurch die Ehre unserer Fahne wieder herzustellen!«

Und jetzt beginnt ein neuer Kampf, aber Druten ist erschöpft und fällt; Vernenburg, in der Meinung, er sei verwundet, wendet sein Streitroß ab, ertheilt laute Befehle und winkt zugleich seinen Schildknappen herbei, ihn zu Arkel führend.

»Sorgt für diesen,« sagt er leise, »er ist schwer verwundet und muß sorgsam verpflegt werden.« Dann kehrt er dahin zurück, wo er Druten gelassen, findet die Stelle aber leer.

Arkel wird in aller Stille weggetragen; sein Haupt hängt schwer herab und Todesblässe überdeckt sein Antlitz.

Und immer heißer wird der Kampf; überall hört man Mordgeschrei, nur übertönt durch den gewaltigen Donner der Geschütze, die ringsum Tod und Verderben bringen. Aber noch ist der Ausgang ungewiß.

Wohl hatten Gesandte der Kabeljauer mit der Gräfin zu unterhandeln versucht, aber ihre Bedingungen und Forderungen waren der Art, daß unmöglich darauf eingegangen werden konnte und so blieb beiden Parteien nichts, als den Kampf selbst über das Recht entscheiden zu lassen. – Viele der Edelsten sind schon gefallen; neben dem Feind auf dem Schlachtfeld liegend, haben sie ihren letzten Athem ausgehaucht.

Die Gorkumschen Schaaren streiten mit unbezähmbarer Gewalt, mit entblößtem Schwert stürzen sie sich voll Wuth und Verzweiflung auf den Feind; sie wissen, sie dürfen, falls sie geschlagen werden, auf keine Gnade hoffen, denn ihr Verrath schließt die Gnade aus und deshalb kämpfen sie bis auf's Blut. Aber die feindliche Macht wächst zusehends und Brederode's Losung: »Holland, Holland!« dringt immer lauter zu ihren Ohren; alle Anstrengungen sind vergeblich, sie sehen, ihr Fall ist unvermeidlich und »zurück! zurück!« ertönt's aus Vieler Mund.

Von allen Seiten eingeschlossen ist jedoch kein Weichen möglich, als sie, bis zur Bresche vorgedrungen, plötzlich Raum gewinnen. Ein Offizier befehligt dort seine Soldaten, schwenkt mit ihnen und führt sie aus der Stadt heraus.

»Bei allen Heiligen! Druten, Ihr?« ruft der Befehlshaber der Kabeljauer ihm zu.

»Wie Ihr seht, Herr von Büren! Folgt mir, oder Ihr seid sammt Eurer Mannschaft verloren.«

»Wohin folgen?«

»Außerhalb des Schlachtfeldes! Seht Ihr nicht, daß meine Soldaten sich schon auf dem Wall sammeln?«

»In Ewigkeit folg' ich Euch nicht, feiger Verräther Ihr!« ruft von Büren aus; »lieber den Tod auf dem Schlachtfeld als so ehrlos handeln!« Damit wendet er sich seiner Schaar wieder zu, kräftig dringen sie auf den Feind ein und abermals beginnt der Kampf.

Herr von Druten, nur leicht durch Arkel verwundet, entging einstweilen seinem Geschick; er verließ die Stadt und fünfzehnhundert Mann mit ihm. Und das war der Anfang des Endes. Wohl kämpften noch die Bischöflichen mit Heldenmuth, aber ihre Reihen lichteten sich mehr und mehr, die feindlichen Kugeln trafen sicher, fällten die Tapfersten unter ihnen und immer bedenklicher wurde der Ausfall des Kampfes für sie.

»Holland, Holland!« ertönt auf's Neue die Losung; »Holland, Holland!« erschallt es durch die ganze Stadt. Vom Schloß weht eine Fahne mit den hoek'schen Farben und die Gräfin, von einigen ihrer Stabsoffiziere umgeben, rathschlagt mit ihnen, wie der Wuth des Streites ein Ende zu machen sei. Der Sieg ist ihr gewiß, aber zu lange schon hat das Blutbad gedauert, ihre Mannschaften sind erschöpft, die Sonne neigt zum Untergang, und ein Entschluß muß gefaßt werden.

Plötzlich erhellt eine Feuersgluth den westlichen Himmel und fast gleichzeitig sieht man am Nordende der Stadt Flammen auflodern. Jacoba tritt auf den Balkon, von Jungfrau Aleide gefolgt, die ihr treu zur Seite geblieben.

»Man hat die Stadt an allen Enden in Brand gesteckt,« ruft die hohe Frau mit todtenbleichem Antlitz aus und steht einen Augenblick fast athemlos in ernste Gedanken vertieft. Sie ruft Herrn von Heemstede und weist auf die Flammen.

»Wer kann hier helfen?« frägt sie angstvoll.

» Nur Ihr Gräfin!« ist seine strenge und bestimmte Antwort.

Jacoba wendet ihr Antlitz von ihm ab; sie fühlt, der greise Kriegsheld, aufs Tiefste von der Heftigkeit des erbitterten Kampfes erschüttert, hat Recht, sie fühlt, es muß gehandelt werden. Er verläßt die Gräfin und begiebt sich nach der Unglücksstätte, so es möglich ist, der Wuth und dem Morden zu wehren.

In größter Spannung und Unruhe schreitet Jacoba indessen auf dem Balkon auf und nieder, bald den Blick auf die brennende Stadt gerichtet, bald in tiefes Sinnen verloren. Sie sieht wie die Flammen immer höher züngeln, sie hört das Angst- und Nothgeschrei, das der frische Abendwind von der Schreckensstätte zu ihr hinüberträgt und unaufhörlich klingt Heemstede's Wort ihr in die Ohren: »Nur Ihr! nur Ihr!«

»Nein, ich darf nicht länger säumen, nicht länger müßig zusehen!« ruft sie plötzlich aus, und indem sie Aleide einen Wink giebt, ihr nicht zu folgen, ergreift sie eine weiße Fahne und eilt die Treppen hinab nach der Schloßterrasse.

»Auf Knappen, auf zu Pferd!« ruft sie hastig und besteigt selbst den Hengst eines ihrer Untergebenen. Das Pferd bäumt sich, als es die ungewohnte Last fühlt, aber mit sicherer Hand bezwingt Jacoba das edle Roß und drückt ihm die Sporen tief in die Seite. Einen Augenblick danach schon zeigt eine aufwirbelnde Staubwolke, daß die Gräfin, von ihren Dienern gefolgt, in fliegendem Galopp der Stadt zureitet. Sie sprengt durch die gedrängt vollen Gassen, unaufhaltsam vorwärts geht es dahin, wo die Hitze des Kampfes noch wüthet und Brederode mit seiner tapfern Schaar ein beständiges Feuer unterhält.

Hoch flattert die weiße Fahne und laut erschallt der fürstliche Befehl: »Friede, Friede! ich will, ich schenke den Frieden!«

Ein unzufriedenes Gemurmel läßt sich unter den Getreuen hören, die, von Rache erfüllt, das Schwert fest in der Hand halten; doch wagt Keiner sich zu widersetzen und Jeder blickt mit tiefer Ehrfurcht auf die junge Gräfin, die einer Heldin gleich, unter ihren Soldaten umherreitet und überall ihr Wort hören läßt:

»Lasset ab, stecket das Schwert in die Scheide! lasset ab, genug Blut ist heute vergossen!«

Sie naht Brederode und beauftragt ihn den Frieden laut zu verkündigen, Alles was er nur vermag, aufzubieten, um dem Morden und Plündern zu wehren. Der Greis zieht die Augenbrauen zusammen und spricht mit finsterer Miene:

»Ist's denn jetzt Zeit, Gräfin, den Kampf zu hemmen, nun Eure Waffen siegen?«

»Gerade jetzt!« erwidert Jacoba stolz, »gerade jetzt müssen wir zeigen, daß es nicht unser Begehr ist, so viel Blut als möglich fließen zu sehen, sondern einfach unser gutes Recht zu wahren. Wir rechnen auf Euch, Brederode und auf Eure Treue.«

Der Feldherr verbeugte sich und wandte sein Roß; im nächsten Augenblick aber kehrte er wieder zur Gräfin zurück und sagte leise: »Ew. Gnaden, Eure Waffen haben gesiegt, aber mir ahnt, der heutige Tag wird noch verhängnißvoll für mich werden; ich bitte Euch, nehmt Euch alsdann meiner Kinder an, meiner Walrawina –«

Ein lautes: »Ehre unsern Tapfern! Heil unserer Gräfin!« unterbrach Brederode's Bitte und, nach einer tiefen Verbeugung vor seiner Gebieterin, ritt er zu den Reihen seiner Soldaten zurück, diese nach der Stätte führend, wo das Feuer am heftigsten wüthete.

Allmälig breitet die Nacht ihre tiefen Schatten über die Erde und dicht fallender Schnee deckt mit einem Leichentuch die Gefallenen – eine große, große Zahl ist's auf beiden Seiten; die ganze Stadt ist in Trauer versetzt.

Krankenpfleger blieben während der Nacht unaufhörlich beschäftigt den Verwundeten Hülfe zu leisten, den Sterbenden beizustehen, vielleicht noch einen letzten Wunsch aus ihrem Munde zu hören oder einen Priester zu ihnen zu führen.

Auch eine große Anzahl Gefangener war auf gräflicher Seite gemacht; unter ihnen ein junger Mann, der dem Leser wohlbekannt ist: der Fähndrich Wilhelm van der Houve.

Wacker hat er gekämpft für die Sache der er diente. Er fehlte nicht wo das Gefecht am heißesten war, scheute weder die Kugeln, die ihn umschwirrten, noch die Lanzen, die gegen ihn gekehrt waren; – jetzt aber, während so viele seiner Waffenbrüder todt oder schwer verwundet auf dem Schlachtfelde liegen, dankt er im Stillen seinem Gott, der ihn inmitten so großer Gefahr behütet hat. Sein Capitain theilte sein Loos.

So endigte der ruhmreiche Tag des ersten December 1417.

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