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Innerhalb Dordrechts.

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. Während in dem fürstlichen Burgschloß viele Gemüther beschäftigt waren mit dem, was in den vorliegenden Blättern mitgetheilt ist und was der beabsichtigte neue Feldzug erforderte, muß ich die Aufmerksamkeit meiner Leser eine kleine Zeit zurückführen und sie einen Blick in das Wohn- und Studirzimmer Johann's von Baiern, Bischofs von Luik, thun lassen. Wir finden ihn noch innerhalb Dordrechts, seiner geliebten »Friedensstätte«, wie er die alte Handelsstadt zu nennen pflegte, weil er dort in Zeiten, wo sein hochwürdiges Amt ihn nicht in Luik zurückhielt, gern seine Freunde und viele Edle zum Mahl bei sich versammelte. Diese Festlichkeiten währten dann oft sehr spät, oder vielmehr bis zum frühen Morgen, und hätten nicht Gunsterweisungen und Privilegien zum Schweigen gezwungen, es wäre genug von Ueppigkeit und Pracht, von Weltsinn und Genußsucht zu erzählen gewesen, die wenig zu der ernsten Soutane und dem Rosenkranz paßten. Doch hiervon wollen auch wir schweigen und statt dessen den Geistlichen beobachten, wie er, mit verschränkten Armen in die seidenen Kissen seines Sessels zurücklehnend, von Zeit zu Zeit das Haupt ungeduldig erhebt, um aus dem Fenster zu sehen. Augenscheinlich erwartet er Jemanden, denn mehr als einmal schon sah er nach der Uhr und schüttelte verstimmt mit dem Kopf. Endlich schien das Ende des Harrens gekommen; Fußtritte nahten dem Gemach, und ein Kammerdiener meldete Herrn von Arkel.

Mit hoch aufgerichtetem Haupt trat dieser in's Zimmer und bog ein Knie vor dem Kirchenfürsten; dann erhob er sich und sagte leise: »Monseigneur ließen mich zu sich entbieten?«

»Allerdings, junger Mann,« versetzte der Bischof und fügte streng hinzu: »Was Räthselhaftes erzählt man von Euch?«

»Räthselhaftes, Eminenz?«

»Wie anders nennt Ihr den Beweggrund,« fuhr Jener fort, »der Euch plötzlich treibt das Banner Eures Vaters zu verlassen?«

»Wie könnte ich anders, Monseigneur, nach der edlen Handlungsweise der Fürstin?«

»Edel oder unedel, davon sprechen wir jetzt nicht,« entgegnete der Kirchenfürst rasch; »Frauen handeln niemals ohne Nebenabsichten; – ich aber frage Euch: weshalb weigert Ihr Euch mit Eurem Vater in den Krieg zu ziehen? Sprecht einfach und grad' aus, wie zu einem väterlichen Freund.«

»Daß Ihr mir noch ein solcher sein wollt, Monseigneur, zeugt von Eurer großen Güte und ist eine Ursache zur Freude für mich,« versetzte Wilhelm von Arkel vertrauensvoll. »Laßt mich Euch denn erzählen, was mir in den letzten Wochen widerfahren ist, und gebt mir Euren Rath, wie ich mich bei den schwierigen Verhältnissen, in denen ich augenblicklich zu meinem Vater stehe, verhalten soll. Zunächst aber muß ich Eure Beschuldigung widerlegen, die Gräfin habe, wie alle Frauen, sich von Nebenabsichten leiten lassen; Jacoba ist keine gewöhnliche Frau –«

»Habt Ihr diese Bemerkung etwa während Eurer langen Gefangenschaft gemacht?« unterbrach der Bischof den jungen Mann ironisch.

»Monseigneur verzeihen mir, aber spricht es nicht für sie, daß sie mir, der ich ihr Feind war, Vergebung und Freiheit schenkte, daß sie Vertrauen genug in mich setzte, mich zu den Meinen zurückzuschicken, um mit ihnen zu parlamentiren? Ach, ich hätte besseren Erfolg von meinen Bemühungen erwartet!«

»Und deshalb verrathet Ihr Eure Partei?«

»Ich, ein Verräther?« sagte der junge Edelmann heftig; »bei allen Heiligen! es ist gut, daß Eure Würde Euch der Pflicht enthebt, mir Genugthuung zu geben – sonst müßte ich sie von Euch fordern!«

»Das ist die Sprache kühner Jugend,« versetzte der Kirchenfürst lächelnd, »und wahrlich, sie schickt sich wohl für Euch! Aber meine Frage sollte durchaus nicht beleidigend sein. Versteht mich recht. Noch vertraue ich Euch, so fest und gewiß als vor Eurer Gefangenschaft, und deshalb gestattet mir als Freund nach den Triebfedern zu forschen, die Euch zu einem Schritt veranlaßten, der nur die Folge eines Irrthums sein kann. Erkenne ich, daß Ihr Recht habt, so will ich mich gerne überzeugen lassen, andernfalls aber Alles aufbieten, Euch zu den Euren zurückzuführen.«

Das war die Sprache eines Mannes. Herr von Arkels Zorn beruhigte sich unter dem Einfluß solchen Wortes, sein Haupt senkte sich ein wenig und leise sagte er:

»Vergebt mir, Monseigneur, daß ein einziges Wort mich vergessen ließ wie gut Ihr es mit mir meint. Ein Verräther war ich nimmer« – und stolz richtete er das Haupt wieder auf; – »Ihr, erlauchter Herr, solltet am wenigsten meine Handlungsweise der eines Verräthers gleichstellen! Offen und ehrlich bin ich meiner Partei entgegengetreten und habe ihr gesagt: einst kämpfte ich unter Euren Fahnen, aber meine Ansichten sind seitdem anders geworden. Die Gräfin, die ich früher haßte, hat sich mir edelmüthig erwiesen, sie gab mir die Freiheit zurück, um die Ihr Euch nicht einmal für mich bemüht habt. Kann ich ihr da länger feindlich gegenüber stehen? Laßt mich dem Kampfe fern bleiben, nehmt mich gefangen, wenn Ihr wollt, aber ihr Feind kann ich nicht mehr sein. Haltet Ihr das aber für Verrath, Eminenz, dann freilich bin ich schuldig, denn so habe ich offen gesprochen;« und die Gestalt des jungen Mannes richtete sich hoch auf.

»Bei Gott, Arkel! es gehört Muth dazu, so für seine Thaten aufzukommen,« unterbrach ihn der Bischof. »Laßt mich indeß hören, was sagte Eure Partei, was sagten Eure Freunde dazu?«

»Man mißverstand mich, Monseigneur,« erwiderte er traurig den Kopf schüttelnd, »man hielt mich für wahnsinnig; meine Freunde wandten mir den Rücken; was aber noch ärger, sie spotteten und selbst mein Vater stimmte ihnen bei.«

»So hat man mich also in dieser Sache nicht getäuscht,« sagte der Bischof leise, wie zu sich selbst und fuhr dann laut fort: »Und was ist denn jetzt Eure Absicht?«

»Zu der Gräfin zu gehen, ihr zu sagen, daß ich nichts erreicht – und –«

»Und dadurch wirklich zum Verräther zu werden,« fiel der Bischof ihm zornig in die Rede. »Nichts als Feigheit steckt hinter solcher Handlungsweise, junger Mann, eine Feigheit, der Ihr Euch schämen müßt!«

»Bei meinem Schutzpatron! Eminenz, ich möchte Eure Soutane hinge jetzt am Nagel!« rief Herr von Arkel entrüstet aus.

»Um den Degen mit mir zu kreuzen? Ihr wißt nicht was Ihr begehrt!« entgegnete der Kirchenfürst. »Doch für den Augenblick vergeb' ich Euch Eure Vermessenheit, weil Ihr aufgeregt seid. – Sagt, Arkel, habt Ihr Druten gesprochen?«

»Nein!« war die verdrießliche Antwort.

»Nicht? – nun, dann wird's Zeit. Druten wird besser als ich Euch über die Absichten der Gräfin unterrichten können, er war vor einigen Tagen am Hofe.«

»Herr Druten mag mir viel sagen – viel drauf geben werde ich nicht.«

»Doch verdient er Euer Vertrauen völlig,« versetzte der Bischof, »und da ich ihn jeden Augenblick erwarte, bitte ich Euch noch zu bleiben, um aus seinem eignen Munde zu vernehmen, was Ihr wissen müßt. Ah! da kommt schon mein Kammerdiener und meldet den Edelmann – er mag eintreten! – und Ihr, mein junger Freund, bleibt hier.«

Arkel verbeugte sich und zog sich in die Fensternische zurück, während Druten in's Zimmer trat und sich in dem von dem Kirchenfürsten ihm angewiesenen Sessel niederließ.

»Ihr kommt um mir zu sagen, was ich bereits erfahren,« begann der Bischof nach der ersten Begrüßung.

»Ew. Eminenz wissen also schon was sich bei Vlaardingen ereignet, wie die Hoek'sche Kriegsmacht geschlagen ist?«

»Gewiß; meine Freunde haben mir denselben Tag noch die Nachricht geschickt – Ihr kommt etwas spät damit, edler Herr, doch mir eben erwünscht, weil ich bei Eurem früheren Zusammentreffen hier mit diesem jungen Mann nicht daran dachte, Euch zu bitten, Ihr möchtet ihm Dinge mittheilen, die er nothwendig wissen muß.«

»Ew. Eminenz meinen die Absichten der Gräfin in Bezug auf ihn, für die ich die klarsten Beweise hatte, schon ehe ich sie Euch mittheilte? Fürwahr, nur von einer Frau wie Jacoba kann man solche Gemeinheit erwarten!«

Herr von Arkel fuhr mit der Hand nach seinem Degengriff. »Eine Frau wie Jacoba!« rief er heftig aus; »wiederholt das Wort noch ein einziges Mal in diesem Sinn und – bei meiner Ehre – Ihr sollt hernach nicht mehr dazu im Stande sein!«

Druten lächelte spöttisch. »Wie leidenschaftlich, wie aufbrausend!« rief er stolz aus; »vermuthlich habt ihr noch nie darüber nachgedacht, was die Gräfin veranlaßte Euch die Freiheit zu schenken.«

»Herr von Arkel erwartet den Aufschluß darüber eben von Euch,« versetzte der Kirchenfürst ernst, Druten zugleich einen Wink gebend, sich der Spötteleien zu enthalten und fuhr fort:

»Vergeßt nicht, Druten, daß in meiner Gegenwart kein unziemlicher Scherz über die Gräfin, Eure Gebieterin, erlaubt ist; sagt aber diesem jungen Mann, was Ihr mir mitzutheilen für Eure Pflicht hieltet.«

Herr von Druten zog die Augenbrauen zusammen und berichtete dann, dem Befehl des Bischofs nachkommend:

»Ich war erst vor einigen Wochen im gräflichen Burgschloß zu 's Gravenhage und sprach dort Brederode; Ihr wart kürzlich erst in Freiheit gesetzt, und Manche hielten Euch für den ersten Günstling der Gräfin. Brederode aber widersprach dem, dieß offen für unmöglich erklärend, nicht allein wegen der entschiedenen Abneigung, welche die Gräfin schon seit Jahren gegen Arkels Geschlecht zu erkennen gegeben, sondern zunächst und vor Allem durch die völlige Hingabe an die Partei, die Euch für ihren größten Feind hält. Fragt Ihr aber, welche Absichten Jacoba mit Eurer Befreiung hatte, so kann ich Euch sagen, daß sie dadurch einfach den Haß ihrer Edlen gegen Euch noch mehr schüren wollte und Euch auf die Weise, anscheinend ohne Euer Zuthun, dem Ersten preisgeben, der Euch nach dem Leben trachtet. Vor einigen Tagen war ich wieder in der Hauptstadt und was ich dort vernahm, bestätigte nur meine Vermuthung. Die Gräfin selbst muß sich in einer Weise über Euch ausgesprochen haben, die weder schmeichelhaft für Euch, noch geeignet ist, den Haß ihrer Edlen zu besänftigen.«

»Ihr lügt! Ihr lügt!« rief Arkel heftig aus.

Herr von Druten sah ihm grade und fest in's Gesicht, indem er laut sagte: »Wiederholt das Wort noch einmal!«

»Liefert mir Beweise für Eure Behauptung!« herrschte Arkel ihm zu.

»Ihr zweifelt an meiner Aufrichtigkeit, an meiner Ehre?«

»Gebt mir Beweise!« schrie der junge Edelmann.

»Bei St. Joris! Ich habe Euch ja gesagt, daß Brederode mir Alles mittheilte. Geht zu ihm, glaubt Ihr mir nicht, und versucht, ob Ihr ihn sprechen könnt, falls er nach seiner Niederlage nicht gänzlich entmuthigt ist; sagt mir indessen,« fuhr Druten fort, »ob noch niemals ein Anschlag auf Euer Leben gemacht und vereitelt worden ist?«

»Mehr als einer. Doch ich weiß bestimmt, daß die Gräfin dabei ganz aus dem Spiel war.«

»Seid Ihr dessen so gewiß?«

»So gewiß, als ich überzeugt bin, daß Ihr, Herr von Druten, ein Verräther seid!«

Dieser stampfte jetzt mit dem Fuß. »Satisfaction! Satisfaction!« rief er überlaut; »für jedes Eurer Worte sollt Ihr mir Satisfaction geben!«

»Ruhe, meine Herrn!« gebot jetzt der Bischof, der dem Zwist bisher schweigend zugehört, »Ihr vergeßt Euch in meiner Gegenwart, und es möchte an uns sein Verantwortung von Euch zu fordern. Für jetzt gebiete ich Euch Schweigen, hernach mögt Ihr mit einander abrechnen. Geht denn, Druten, und Ihr, Arkel, bleibt, denn ich muß mit Euch sprechen.«

Herr von Druten stand zornig auf und an Arkel vorübergehend, sagte er leise: »Wir sehen uns wieder! wählt, Degen oder Büchse?«

»Degen!« war die flüsternd gegebene Antwort. »Wisset daß Ihr mein Erzfeind seid, daß ich den Tag segnen werde, da Ihr mir gegenübersteht.«

Ein teuflisches Lächeln schwebte um Drutens Lippen, während er sich mit spöttischem Gruß von Arkel abwandte und vor dem Kirchenfürsten verbeugte.

»Kommt in einer Stunde zurück,« flüsterte dieser ihm so leise zu, daß selbst der junge Mann, der sich dem Fenster zugewandt, nichts davon vernahm.

»Um abermals Eure Ungnade zu erfahren?« fragte Druten ebenso leise.

Der Bischof lächelte. »Thor! versteht Ihr mich denn nicht? Muß ich nicht so handeln um ihn zu gewinnen?« und wahrnehmend daß Arkel sich, um frische Luft zu athmen, aus dem Fenster bog, fügte er hinzu: »Er, ein Anhänger der Gräfin, würde ja auf mein Wort nichts geben, kennte er meine Gesinnung gegen sie. Habt nur Geduld! in wenig Tagen vielleicht sieht er seinen Irrthum ein, und sucht Eure Vergebung,« und als Zeichen des Einverständnisses mit dem Kopf nickend, verließ der Höfling das Gemach, während der Kirchenfürst, an's Fenster tretend, zu Arkel sagte:

»Ihr glaubt also Herrn von Drutens Wort nicht?«

»Wie könnt' ich das, Monseigneur! ich kenne den Edlen, weiß, er ist voll Lug und Trug, und Ew. Eminenz täuschen sich über ihn.«

»So meint Ihr, und um so mehr, als Ihr nicht gern glaubt, was er sagt;« und streng fügte der Bischof hinzu, wobei sein Gesichtsausdruck in diesem Augenblick mit seiner geistlichen Kleidung völlig übereinstimmte: »Ihr wollt also nicht folgen, auch wo die Pflicht gebietet?«

»Nein, heiliger Vater, sprecht so nicht! Ihr wart mir stets Freund und Berather, – hat sich denn jetzt Euer Herz vor mir verschlossen?«

Der Bischof schien gerührt durch die Worte des jungen Mannes und sanfter klang seine Stimme, als er erwiderte:

»Ihr bedürft ja meines Zuspruchs, meiner Leitung nicht mehr, seid Ihr entschlossen fortan eigne Wege zu gehen.«

»O, ich bedarf ihrer gerade!« entgegnete der Jüngling rasch, »denn mein Herz schwankt zwischen Pflicht und – Liebe! Auf einer Seite steht unsere Partei und versichert, meiner Hülfe zu bedürfen, auf der andern steht sie, die mich ganz gefesselt hat. Wohin, wohin soll ich mich wenden? Ich weiß, ich fühle es, daß ich wählen muß und daß diese Wahl für mein ganzes Leben entscheidend sein wird. Rathet mir, oder gebt zu, daß ich nicht Theil nehme an dem Kampf, daß ich nicht die Waffen gegen diejenige führen muß, die mir theuer geworden.«

Der Bischof schüttelte langsam mit dem Kopf. »Nicht an dem Kampf Theil zu nehmen, wäre unter diesen Umständen freilich das Leichteste für Euch; aber Ihr seid Mann und Soldat! Habt Ihr denn keine Soldatenehre – will ich auch nach dem Ehrgefühl des Mannes nicht einmal fragen – die Euch gebietet, Euch zum Kampf zu stellen, wo die Gefahr so groß, das Schwert so nöthig ist? O mein Sohn, wollten wir stets den leichtesten Weg für uns erwählen, wir würden aufhören ein Christ zu sein – und das werdet Ihr nicht wollen.«

»Aber ich glaube Druten nicht, er haßt die Gräfin.«

»Reden wir davon nicht und nehmen lieber an, was doch das Beste ist, die Gräfin habe unparteiisch gehandelt und Ihr wäret einander vollkommen würdig – was folgt daraus? Es bleibt Euch die Wahl zwischen Liebe und Pflicht. Folgt Ihr Eurer Liebe, so verletzt Ihr Eure Pflicht, findet zeitliches Glück, vielleicht auch Ruhe, bis der erste Freudenrausch vorüber ist und Euch die Augen geöffnet werden, die Stimme des Gewissens Euch zuruft: ›ich war ein Feigling, habe meinen Namen entehrt, bin aus den Reihen der Meinen getreten, dem Kampf ausgewichen.‹ Ihr verdient alsdann nicht mehr den Namen eines Edelmannes, denn Ihr habt unedel gegen Eure Freunde gehandelt, schwach im Streit mit Euren Leidenschaften, kraftlos wo es galt ein zeitliches Weh zu ertragen. Und was habt Ihr damit gewonnen? Verachtung von Eurer Partei, aber sicher nicht die Liebe von der Partei der Gräfin und möglich ist, daß die Frau, der Ihr Alles geopfert, Euch vorwerfen wird, unmännlich gehandelt zu haben.«

Herr von Arkel stand mit gesenktem Haupt dem Bischof gegenüber; kalter Schweiß perlte auf seiner Stirn, er kämpfte einen inneren, heißen Kampf.

»Ihr wißt, ich spreche die Wahrheit,« fuhr der Kirchenfürst fort, »Ihr wißt, es muß so sein, ist anders die Gräfin die edle Frau für die Ihr sie haltet. Und so folgt denn der Pflicht, kehrt zu Eurem Vater zurück und schaart Euch unter seine Fahnen. Ihr wißt, daß Ihr damit der Gräfin feindlich gegenübersteht und kämpft also einen zweifachen Kampf, den Kampf mit Eurem Herzen und den Kampf für die Euren. Mein Sohn, der Kampf ist herrlich und verheißt Euch Lorbeeren! Wer auf Seiten des Rechts steht und treu bleibt, darf des Siegs gewiß sein.«

»Auf Seiten des Rechts?« sagte Herr von Arkel, augenscheinlich unentschlossen, »aber wer, wer, Eminenz, ist hier im Recht?«

»Die Gräfin doch gewiß nicht!« entgegnete der Bischof rasch; »wäre das der Fall, ich würde, als ihr nächster Verwandter, der Erste sein ihre Rechte zu vertreten; was aber durch Zwang und Gewalt das Ihre geworden, muß nothwendig an diejenigen zurückfallen, die ihr Recht geltend machen können. Wir, Bischof und Priester Gottes, dürfen nicht anders als der Stimme der Gerechtigkeit folgen und ob uns gleich das Herz dabei blutet, in diesem Gehorsam unserer Verwandten feindlich gegenüber zu stehen, wir dürfen nicht zurückweichen, wo die Pflicht das Vorwärts gebietet.«

»Also auch Ihr, mein Vater, kennt den gleichen Kampf, den gleichen Schmerz, auch Ihr habt manches Opfer bringen müssen auf dem Altar der Pflicht?«

»Auch ich,« versicherte der Bischof, »wie so viele meiner Brüder; auch ich fühlte oft wie mir das Herz entfallen, der Muth weichen wollte; aber in höherer Kraft bin ich getrost vorwärts gegangen, immer vorwärts. Und so müßt auch Ihr der Stimme gehorchen, die Euch auf die Seite des Rechts ruft – Euer Lohn wird nicht ausbleiben. Keine Frau verachtet wahren Muth. Muth! – o wie herrlich ist es, Soldat zu sein, fromm und kühn in den heißesten Kampf zu gehen, Eurer Aufgabe getreu, mit Gott im Herzen!«

Der Bischof hatte bisher mit erhobener Stimme gesprochen, jetzt aber fuhr er in sanftem Ton fort: »Kehrt dann der Friede zurück in unsere Grenzen, so werdet Ihr aufs Neue hoffen können; Ihr dürft alsdann vor die Gräfin treten und sprechen: ›ich habe im Kampf gegen Euch gestanden, weil die Pflicht gegen meinen Vater, gegen mein Geschlecht, gegen meine Partei es also gebot; ich habe gegen Euch gekämpft – doch mit blutendem Herzen!‹ Arkel! bewahret Eure Liebe wie ein Heiligthum im Innersten Eurer Seele, solch eine Flamme brennt lauter auf einem reinen Altar; besudelt aber ist der Altar sobald ihn Pflichtverletzung entweiht! Ihr fühlt die Wahrheit meiner Worte. Ihr seht ein, Jacoba wäre keine rechte Frau mit wahrhaft weiblichem Empfinden, erkennte sie Eure Pflicht und wendete sich von Euch ab.«

Der Bischof schwieg jetzt eine Weile, als wolle er beobachten, welchen Eindruck seine Worte hervorgebracht, bevor er, leise flüsternd, im mildesten Ton hinzufügte:

»Mein Sohn, ich fühle mit Euch wie schwer Euch die Wahl sein muß, doch glaubt mir, ich spreche aus Erfahrung: niemals gelangt man zum Frieden auf dem Wege der Pflichtversäumniß; – hab' ich mich denn in Euch geirrt und sind meine Worte vergeblich?«

»Euch in mir geirrt – nein, Monseigneur, das habt Ihr nicht!« rief der junge Mann in Begeisterung aus und neuer Muth leuchtete aus seinen Augen, während er das Haupt stolz emporrichtete. »Nein, Eure Worte, die von Wahrheit zeugen, sollen nicht an einen Unwürdigen verschwendet sein. Sendet mich denn wohin Ihr wollt und wenn Ihr, mein treuer Freund und Berather, mich ruft, so will ich der Pflicht folgen, um sie ganz zu erfüllen – es koste was es wolle!«

»So geht nach Gorkum,« versetzte der Bischof, »wo Ihr Euren Vater finden werdet, der sich gegen eine Belagerung der alten Festung, die von Hoek'scher Seite zu erwarten ist, zu verstärken sucht. In jetziger Zeit ist jeder Mannesarm willkommen, der das Schwert zu handhaben versteht, mehr aber noch edle Männerherzen, welche, die Gefahr nicht scheuend, mit Einsicht und Weisheit ihre Pflichten vollbringen.«

»So will ich zu meinem Vater eilen,« rief Arkel aus, »und Euer Segen sei mit mir!«

»Er begleitet Euch,« sprach der Bischof, »so gewiß, wie einst der Lohn für Eure Opfer groß sein wird.«

Der junge Edelmann verabschiedete sich von dem Kirchenfürsten und eilte durch die stillen Gassen Dordrechts. Er hatte sein Ehrenwort gegeben und konnte nicht mehr zurück, aber eine schwere Last drückte seine Seele; er sah ein, er habe nicht anders handeln können, sah ein, er müsse seiner Partei jetzt treu bleiben, wollte er nicht als Feigling und Verräther gelten und doch – ein heißer innerer Streit trübte sein edles Antlitz, der Gedanke, ob es nicht dennoch möglich sei dieser schrecklichen Pflicht zu entgehen, wollte ihn nicht loslassen. Aber nein! die Worte des Bischofs hatten einen zu tiefen Eindruck auf ihn gemacht, er mußte jetzt vorwärts auf dem gewiesenen Wege. Eiligst begab er sich in seine Wohnung, beauftragte seinen Diener Alles für die Abreise bereit zu machen, und schloß sich dann in sein Zimmer ein, wo man ihn lange mit hastigen, unregelmäßigen Schritten auf- und abgehen hörte.

Der Bischof von Luik aber freute sich indessen des Sieges, den er über Herrn von Arkel gewonnen. Kaum hatte dieser ihn verlassen, als ein falsches Lächeln um seine Lippen spielte und er leise zu sich selbst sagte: »Mein Einfluß ist doch noch größer als ich gedacht! – mein lieber Arkel, Ihr seid für uns noch nicht verloren. Wie leicht ist's Andern zu predigen – eine Aufgabe, die uns zugewiesen scheint! – und während ich mit dem Stab in der Hand alle großen Charaktere leite, wie es mir gefällt, glauben die armen Drathpuppen ihren eignen Weg zu gehen – ha, ha, ha!«

Trompetenschall und Trommelschlag unterbrach plötzlich das spöttische Gelächter des Geistlichen. Er sprang an's Fenster und lehnte sich hinaus; eine große Anzahl Soldaten zog an ihm vorüber und »Für das Recht und den Bischof!« scholl es laut zu ihm hinauf. Es waren die frommen Bürger Dordrechts, die zu dem Heer des Bischofs gehörten und jetzt auszogen, um dem Feinde auf offenem Felde zu begegnen. Der Kirchenfürst selbst blieb in der Stadt; er wollte, wie er seinem Befehlshaber gesagt, die treuen Soldaten durch Gebet und Fasten unterstützen.

Doch war ihm die Soutane jetzt lästiger denn je; fußstampfend blickte er auf sein Volk herab, das sich in den Straßen schaarte und unter lauten Jubelrufen aus dem Thor zog; er hätte mögen mitziehen, an ihrer Spitze für sein Recht streiten – aber ach! nicht der Stahl geziemte ihm, sondern der Rosenkranz, nicht der Helm, sondern das Barrett, nicht der stolze Soldatenrock, sondern das Priesterkleid und vor Aerger zähneknirschend, warf er sich in seinen Sessel und schleuderte das Gebetbuch weit von sich, indem er laut seufzend ausrief: »Wie lange, wie lange?«

Wie lange?

In dem kleinen Schrein, wo viele Papiere lagen, befand sich auch eine Pergamentrolle mit kaiserlichem Wappen – das war seine Hoffnung, seine Hülfe! Kaiser Sigismund war ihm gewogen. Schon war seine Bittschrift um Entlassung aus dem heiligen Dienst nach Rom abgegangen – so lange aber keine Antwort eintraf, durfte er nicht handeln; fiel sie endlich günstig aus, so mußte die Zukunft, frei von lästigen Fesseln, um so schöner sein. Er würde Jacoba alsdann nicht länger als Gräfin anerkennen, sondern, selbst von dem Kaiser mit Holland und Zeeland belehnt, derjenigen, die gegen Recht und Gesetz den Zügel der Regierung in die Hand genommen, muthig entgegentreten. Recht und Gerechtigkeit sollten wieder auf dem Thron sitzen, alle Spaltungen sollten aufgehoben, alles Böse ausgerottet sein. Und immer weiter verlor sich sein Geist in's Reich der Ideale, immer weiter vertiefte er sich in schöne Träume, die sich alle verwirklichen mußten – – – wäre nur erst das lästige Priesterkleid von seinen Schultern genommen!

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