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Drittes Kapitel. Ein Brief und ein Besuch

An einem frühen Morgen anfangs Juni – der Koch und Erik waren gerade beim Brotbacken – hörten sie plötzlich ein langgezogenes Sirenengeheul. Ein Fischerfahrzeug kam gerade auf sie zu, nur ein paar Viertelmeilen entfernt! Das war der erste Dampfer, den sie seit Wochen gesehen hatten, und ein Freudenschauer durchzuckte Erik. Nicht etwa weil er sich hier oben in der Einöde einsam fühlte oder Heimweh hatte, im Gegenteil, mit jedem Tage, der verging, fühlte er sich hier nur immer mehr zu Hause. Aber es ist doch etwas Eigenes um solch eine Botschaft aus der fernen Welt! Es hängt gleichsam noch ein bißchen Heimatluft um den Rumpf und die Maste eines solchen Schiffes, das plötzlich von daheim auftaucht und einem hier oben auf den großen einsamen Bänken entgegendampft.

»Das ist der ›Robbenkönig‹,« sagte der Koch.

»Woher weißt du das?«

»Ich habe doch Augen im Schädel, du Landkrabbe!«

Das Boot kam immer näher, offenbar wollte es neben der »Seeschwalbe« beidrehen. Obwohl es noch nicht fünf Uhr war, standen schon alle Mann der »Seeschwalbe« dicht geschart an der Reling. Der Bootsmann und die Seekrätze hatten im Handumdrehen die Flagge gehißt. Schiffer Rise stand in voller Uniform auf der Kommandobrücke; denn so ist es Schick und Brauch, wenn man auf den Bänken Besuch bekommt.

»Was glaubst du, was will der von uns?« fragte Erik.

»Dich arretieren, du Ausreißer!«

»Höhö! Das ist gelogen!« Aber Eriks Lachen klang nicht ganz frei.

»Ja freilich, du Lausejunge!«

Ein paar Minuten später legte der »Robbenkönig« dicht an der Seite der »Seeschwalbe« an, und der Schiffer an Bord brüllte durch ein Sprachrohr:

»Wir haben Post für dich, Erik!«

Erik zuckte zusammen. Ach, ja richtig, Rise hieß ja auch Erik mit dem Vornamen.

Ein verschnürtes Paket wurde auf das Vorderdeck der »Seeschwalbe« geworfen. Bootsmann Vik hob es auf und steckte es bedächtig unter den Arm, ohne jedoch Miene zu machen, es zu öffnen. Die Jungs blickten ihn ärgerlich und ungeduldig an, aber das half gar nichts. Zuerst mußte er hören, was die Schiffer einander zu sagen hatten. Unterdessen hatte sich auch Rise mit seinem Sprachrohr bewaffnet. Und nun schwatzten er und der Schiffer drüben eine gute Weile darauf los, über die Fische, das Wetter und so manches andere.

Als sie sich endlich genug erzählt hatten, sagten sie sich Ade, und dann dampfte der »Robbenkönig«, weiter nordwärts, während die beiden Schiffe feierlich mit den Flaggen salutierten – das Abschiedskompliment auf den großen Meeren.

»Mein Geschwisterkind war auch an Bord,« erzählte Knut, als er zu Erik hinüberkam, »ich habe ihn aus der Kombüse winken sehen.«

»Und da hast du gar nicht mit ihm geredet?« Erik starrte Knut verblüfft an.

»Was sollten denn wir miteinander zu reden haben? Hätte er mir was zu erzählen gehabt, so hätte er es schon gesagt, das ist klar! Übrigens kenne ich alle an Bord, jeden Einzelnen. Und der Schiffer, Sivert Hovde, ist ein angeheirateter Onkel von mir, der Bruder von der Seekrätze. Aber wir hier an Lord haben an etwas anderes zu denken, als dazustehen und albernes Zeug miteinander zu schwätzen. Wir sind doch keine alten Weiber.«

Damit nahm er eine Prise Kautabak, spuckte mächtig aus und trabte nach vorne, die Hände in den Hosentaschen. Erik sah ihm bewundernd nach.

Unterdessen hatten sich alle Mann wieder um den Bootsmann geschart, denn sie platzten beinahe vor Neugierde. Vik nahm die Sache noch immer mit aufreizender Ruhe und stopfte sich erst eine Pfeife, bevor er behutsam an dem Knoten des Pakets zu fingern begann.

»So schneid ihn doch durch!« riefen die Zuschauer ungeduldig.

»Wär doch schade um die schöne Schnur!«

Endlich hatte er das Paket aufgebracht. Es enthielt einen Stoß Briefe und ein paar Zeitungspakete. Der Bootsmann nahm die Briefe und las vor; rasch ging es nicht, denn er mußte immer die ganze Adresse lesen, mit Seeschwalbe und Davisstreet und allem anderen.

»Bootsmann Vik! Das ist für mich. Ulrik Ryvingen, das wird doch nicht am Ende auf Altnorwegisch Sterz-Ulrich bedeuten? Fischer Per Hovde, wer soll nun das wieder sein?«

»Her mit dem Brief!« rief die Seekrätze.

Und so ging es weiter. Manche bekamen mehrere Briefe und andere gar keine. Da war auch ein Brief an Knut Rise.

»Schau, schau, vielleicht vom Schatz?« neckte der Bootsmann.

»Warum denn nicht?« sagte Knut und schnappte den Brief an sich. Aber als er die Adresse las, wurde er puterrot im Gesicht. Dann warf er stolze Blicke nach allen Seiten und stürzte dann in die Ruff hinunter, um mit seinem Glück allein zu sein.

»Und hier,« fuhr der Bootsmann fort, »ist hier nicht, hol mich der und jener, ein Brief an Herrn Erik Höienhall, Deckjunge auf Schiff Seeschwalbe, Davisstraße, und noch dazu mit der Maschine geschrieben! Da hast du, Erik!«

Erik blieb wie gelähmt stehen.

»Na, so nimm ihn schon einmal, es ist kein Dynamit,« brummte der Bootsmann ungeduldig und drückte Erik den Brief in die Hand.

So nach und nach hatten fast alle ihre Briefschaften bekommen. Die nichts bekommen hatten, standen herum, sahen gleichmütig drein, zuckten die Achseln und sagten: »Gottseidank, daß meine Alte mir nicht mit dummem Weibergeschwätz kommt.« Aber die andern stürzten einer nach dem andern in die Ruff hinunter, um mit ihrem Brief allein zu sein; und folglich war keiner von ihnen allein.

Erik blieb bis ganz zum Schluß stehen. Um ihn drehte sich alles im Kreise. In seinem Kopf rauschte und dröhnte es. Wieder und wieder sagte er zu sich selbst: Das geht nicht mit rechten Dingen zu! Das muß an einen andern desselben Namens sein! Und mit der Maschine geschrieben! Am Ende war der Brief von der Polizei – und der Koch hatte mit seiner Bemerkung vorhin gar nicht so Unrecht gehabt!

Er lief in die Ruff hinunter, aber da waren sie ja schon alle miteinander. Dann lief er wieder auf das Verdeck und hinein in die Kombüse, aber da lag der Koch auf der Bank und las seinen Brief. Dann rannte er nach vorne, aber da saß Sterz-Ulrich, um sich in seine Briefe zu vertiefen.

»Was ist denn mit dir los, Erik?« hörte er plötzlich Schiffer Rise hinter sich sagen. »Bist du krank?«

Erik drehte sich herum und sagte mit fester Stimme:

»Ich habe einen Brief bekommen!«

»Das ist ja nett! Von wem denn?«

»Ich weiß nicht, von einer Schreibmaschine. Das muß von der Polizei sein!«

»Unsinn, Junge! Her mit dem Brief!«

Der Schiffer nahm den Brief, öffnete ihn und durchflog ihn rasch. Dann schmunzelte er und sagte:

»Lies nur, Erik, das wird dir nicht unangenehm sein!«

Erik griff begierig nach dem Brief, denn jetzt war er ja nicht mehr ängstlich, sondern nur neugierig, und er las:

 

Herrn Erik Höienhall
Schiff Seeschwalbe, Davisstraße, Schiffer Rise

Der Ordnung halber erlauben wir uns mitzuteilen, daß wir Dich auf Grund Deines im höchsten Grade undankbaren Betragens von der Liste der würdigen und bedürftigen Personen gestrichen haben, die zur Aufnahme in unser Heim für elternlose Knaben vorgemerkt waren.

Das Komitee für Fürsorgeerziehung

 

Erik traute zuerst seinen eigenen Augen nicht; als er aber den ganzen Brief gelesen hatte, da standen sie vor Lachen und Freude voll Tränen. »Herrgott!« sagte er nur und rannte ganz aufgeregt in die Ruff hinunter, um allen, die es hören wollten, zu erzählen, jetzt habe er es endlich schwarz auf weiß, daß er der Anstalt glücklich entronnen sei.

Am Abend war die Davisstraße ganz spiegelglatt.

Knut und Erik hatten Erlaubnis bekommen, eines der Hilfsboote zu nehmen und ruderten nun mit den Briefschaften für Ryßt und Flem zur »Celesta« hinüber. Es würde nett sein zu sehen, wie der alte Kasten eigentlich inwendig aussah, und außerdem konnte es ja auch ganz vergnüglich sein, die Leute an Bord zu besuchen. Syver hatte behauptet, daß Färöer drüben seien, die rote Zuckerhutmützen auf hatten und ganz wie Heinzelmännchen aussahen. Aber er schwatzte ja immer soviel phantastisches Zeug zusammen, meinte Erik. Man mußte eben die Sache mal selbst in Augenschein nehmen.

Sie brauchten knappe zehn Minuten, um zur »Celesta« hinüberzurudern, die fest verankert, mit eisernen Ketten vorne und hinten dalag. Als die Jungen an sie herankamen, waren sie erstaunt zu sehen, wie hoch und breit sie doch war. Sie legten an, und bald darauf tauchte ein Kopf über dem Geländer auf.

Erik puffte Knut in die Rippen, und beide kicherten. Der Mann dort oben hatte tatsächlich eine rote Zuckerhutmütze auf dem Kopf! Es war ein ganz junger Kerl, fast noch ein Junge, und er rief mit einer sanften, singenden Stimme zu ihnen hinunter:

»Her mit der Fangleine! Kommt nur herauf.«

Eins, zwei, drei, waren die Jungen auf dem Verdeck, wo der Junge mit der Zuckerhutmütze sie begrüßte. Es war einer der kräftigsten Jungen, die Erik je gesehen hatte. Riesig breit um die Schultern, aber schmal um die Hüften, und so gerade im Rücken, daß er beinahe hintenüber gebogen war. »Ja, so werden die Färöer Jungen von all dem Klettern im Gebirge nach Vogeleiern und verlaufenen Schafen,« sagte Schiffer Rise später. Aber sonderbar war der Bursche gekleidet, hellgraue Kammgarnhosen, über die hinten ein mächtiges Schnappmesser baumelte, weiße Socken und Holzschuhe mit aufgebogenen Spitzen. An der Jacke hatte er blanke Silberknöpfe. Er hieß Hjalmar, sagte er, und war aus dem Fuglafjord. Also Hjalmar vom Fuglafjord; das hörte sich ja an wie der Name eines Wikingers.

»Kommt nur weiter,« sagte er, »und seht euch an, wie wir es hier an Bord haben!«

Die Jungen ließen sich von ihm herumführen. Nein, was für ein gewaltiges Schiff diese »Celesta« doch war! Als Erik in die ungeheuren Laderäume hinunterguckte, schien es ihm, als ob sie gar keinen Boden hätten; eine unendliche, geballte Finsternis schlug ihm entgegen, und es war, als flüsterten seltsame Stimmen unerklärliche Worte zu ihm hinauf, so daß ihm ganz eigen ums Herz wurde. Das muß ein Gespensterschiff sein, dachte er mit einem Schauder, während er sich rasch von dem klaffenden schwarzen Abgrund der großen Luke zurückzog.

»Gehen wir nach achtern,« sagte Hjalmar, und so gingen sie nach achtern und hinein in die große helle Kajüte. Auf der Schwelle blieb Erik mit einem Ruck stehen. Er fühlte, wie ihm eine heiße Welle durch das Blut jagte. Da, in der einen Ecke der Kajüte stand eine mächtige Holzfigur, die er seit seiner frühesten Kindheit kannte. Es war eine morsche, verblaßte Meerfrau aus Holz, mit goldenem Schwanz und meergrünem Haar, das über die Schultern wallte. Erik mußte sich an die Brust greifen, damit ihm nicht völlig der Atem ausging: das war ja ganz dieselbe Meerfrau, die Mutter daheim auf der Kommode stehen gehabt hatte. Vater hatte sie einmal, lange bevor Erik zurückdenken konnte, selbst geschnitzt, als er noch zur See fuhr, und sie als Gruß von der Schute, mit der er segelte, nach Hause geschickt! Erik erinnerte sich noch ganz genau an die Worte, die in den kleinen Ebenholzsockel der Figur eingeschnitten waren: Ane-Marie Tatjana! Ja, hier an Bord mußte wirklich Hexerei im Spiele sein, das hatte er sofort gespürt, wie er nur den Fuß auf die Deckplanken setzte. Wie festgenagelt blieb er in der Türe stehen und starrte die alte Gallionsfigur an, die nun, nachdem sie so viele Jahre unter dem Bugspriet Dienst getan, jetzt gewissermaßen im Museum gelandet war. Da hörte er eine Stimme drüben vom Tisch her:

»Was glotzst du denn?«

Erik schrak zusammen. Es war, als würde er aus einem seltsamen Traum geweckt. Da saß ein Mann und legte Patiencen. Er hatte einen großen roten Bart, der wild nach allen Seiten wegstand; er war bleich im Gesicht und hatte blauschwarze Säcke unter den Augen. So unheimlich sah er aus, daß Erik ihn zuerst gar nicht erkannte. Aber nun merkte er, daß es Ryßt, der Räuchereimeister war. Herrgott, hatte der sich in dem knappen Monat verändert, seitdem er von der »Seeschwalbe« weggegangen war, um das Kommando auf »Grönlands Schrecken« (so hatte er die »Celesta« getauft) zu übernehmen. Damals war er glattrasiert gewesen, und die gute Laune selber. Jetzt begrüßte er die Jungen ganz mürrisch und sah kaum auf.

»Abend,« sagte er nur, und schob die fettigen Karten auf dem Wachstuch hin und her, fluchte in sich hinein, und legte sie wieder von einem Häufchen auf ein anderes.

Auf dem Sofa lag Gunnar Flem und las das »Bunte Magazin« mit einem vorstürzenden Tiger und einer entsetzten Frau mit gelöstem Haar auf dem Titelblatt. Auch er begrüßte sie nicht gerade freundschaftlich, sondern brummte nur irgend etwas in seinen Bart und las weiter. Nun kam ein anderer Färöer mit einem Kaffeebrett und vier Tassen und einer Riesenschüssel mit Kuchen in die Kajüte. Er sah viel älter aus als Hjalmar vom Fuglafjord und hieß Trondur; auch er hatte auf dem Kopf eine Art Zuckerhutmütze aus dunkelrotem Samt mit schwarzen Streifen.

»Goddae,« sagte er nur auf dänisch und stellte das Kaffeebrett ab. Gunnar Flem stand vom Sofa auf und setzte sich an den Tisch, wahrend Ryßt vorsichtig eine alte Zeitung über die Karten breitete, damit die Patience nicht am Ende von selber aufginge; das wäre doch ärgerlich gewesen.

»Wir haben Post für euch,« sagte Knut und reichte Ryßt das Zeitungspaket und die Briefe.

»Ist schon gut, leg's dorthin aufs Sofa.«

»Bitte schön, hier ist der Kaffee,« sagte Trondur und schenkte ein. Und nun stürzten sich alle vier auf den Kaffee und den Kuchen und forderten die Jungen von der »Seeschwalbe« nicht einmal auf, sich niederzusetzen, so heißhungrig waren sie.

»Bist du krank gewesen, Ryßt?« fragte Knut, um doch etwas zu sagen. »Du siehst so blaß aus!«

»Da kann einer schon krank werden, wenn er in diesem Klapperkasten an Bord sein muß,« brummte Ryßt, den Kopf tief über die Kaffeetasse gebeugt, ein Stück Zucker im Mund. »Und dieses Hundewetter und diese Kälte! Und den lieben langen Tag nichts zu tun!«

Gunnar Flem rieb sich ebenfalls mißvergnügt die große Adlernase und fügte hinzu:

»Ich mag keine Boote, die nicht von selber gehen können! Ich mag diese schwimmenden Fabriken nicht. Lieber heute als morgen ging' ich wieder auf die›Seeschwalbe‹ und wenn ich hinschwimmen müßte.«

»Ich finde aber doch, wir haben es sehr nett hier an Lord«, sagt Hjalmar vom Fuglafjord. Trondur sagte gar nichts, er saß nur da und starrte auf das letzte Stück Kuchen, das noch auf der Schüssel lag, und überlegte, ob er es nehmen solle, bevor ein anderer es ihm wegschnappte. Und so nahm er es.

»Sag mal, Knut, müssen wir nicht heute Abend noch die Kajüte auswaschen?« sagte Erik und tat so, als wäre ihm das plötzlich eingefallen. Aber es war nicht wahr, denn sie hatten schon den ganzen vormittag das Vorder- und das Hinterschiff und die Kombüse und alles andere aufgewaschen und abgeschrubbt.

»Freilich,« sagte Knut, »jetzt müssen wir wieder an Bord rudern, wir können nicht länger hier herumtrödeln!«

Ryßt nahm die Zeitung wieder von den Karten weg. Im selben Augenblick fuhr Gunnar Flem mit einem Geheul in die Höhe und sprang auf das Sofa. Eine dicke Ratte war unter dem Tisch hervorgesprungen, lief kreuz und quer über den Boden, setzte dann mit einem flotten Hopser auf den Kaffeetisch, wo sie die Patience nach links und rechts zerstreute, und verschwand dann.

Erik erlaubte sich zu lächeln.

»Ihr habt es ja gar nicht so eintönig hier an Bord,« sagte er nur. Und das war doch nicht so böse gemeint. Aber die Herrschaften auf der »Telesta« faßten es anders auf.

»Haben wir hier Ratten, so hat man auf der »Seeschwalbe« vorlaute Grünschnäbel, und das ist zehnmal ärger,« schnarrte Ryßt.

Das war das letzte, was Erik und Knut ihn auf lange hinaus sagen hörten.

Aber von seinem sicheren Hort oben auf dem Sofa donnerte Gunnar Flem:

»Scher dich von hier weg und komm uns nicht mit deinen Frechheiten hierher, du aufgelesener Findelbalg!«

Knut wurde dunkelrot im Gesicht, er ballte die Fäuste:

»Das wird man dir noch heimzahlen, Gunnar mit der Nase,« murmelte er. Erik nahm es ganz ruhig, er war ja an allerlei Koseworte gewöhnt. Trondur lachte herzlich und still in sich hinein, sowohl über die Ratte, wie über die Patience, die nun auf dem Boden aufgegangen war, und auch über den aufgelesenen Findelbalg. Aber Hjalmar vom Fuglafjord nahm Erik unter den Arm und sagte freundlich:

»Kommt, jetzt gehen wir in die Kombüse und trinken eine Tasse Kaffee!«

»Nein, danke, wir trinken keinen Kaffee,« sagte Knut.

»Aber ein bißchen Kuchen eßt ihr doch?«

»Nun ja, das vielleicht. Ist er frisch?«

»Aber freilich.« Die Jungen bekamen jeder fast einen halben Kuchen zum Mitnehmen. Dann verabschiedeten sie sich von Hjalmar und kletterten wieder in das Boot.

*

»Waren die aber zuwider,« sagte Erik, als sie ein Stück weggerudert waren.

»So sind diese gichtischen Leute immer, mit denen ist kein Auskommen! Und Gunnar mit der Nase war ja schon vorher so ein sonderbarer Kauz, und nun ist er aus Angst vor den Ratten an Bord offenbar ganz närrisch geworden.«

Es war ein schöner Abend, fanden die Jungen, hunderte von Möwen und Alken ruderten stumm durch das lichtblaue Meer, und im Nordwesten brannte der Himmel feuerfarben. Auf dem großen Eisberg, der auf der Bank dicht hinter der »Telesta« auf Grund gestoßen war, saßen ganz eng beieinander schnatternde Seevögel, die sich offenbar herrlich miteinander zu unterhalten schienen.

»Kalt muß es sein, wenn man da droben sitzt,« sagte Erik und starrte gedankenvoll hinauf.

»Ja, brr,« rief Knut und schüttelte sich, denn es begann wirklich kalt zu werden, und da ist der Gedanke, auf Eis zu sitzen, nicht gerade verlockend.


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