Horaz
Horazens Briefe
Horaz

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Funfzehnter Brief
An Numonius Vala

Einleitung

Man findet beim Vaillant in seinen Numis Familiar. Romanar. einen Denarius, der auf der einen Seite einen römischen Kopf mit der Umschrift C. Numonius Vaala zeigt, und auf der andern Seite zwei Soldaten, die eine Verschanzung gegen einen dritten, der sie von außen angreift, verteidigen. Vaillant glaubt, C. Numonius Vala, oder Vaala, habe diese Münze schlagen lassen, um seine Soldaten damit zu bezahlen, da er unter dem bekannten Quintilius Varus in Germanien, als dessen Legatus, kommandierteVellei. II. 119.. Jedermann kennt das unglückliche Schicksal dieses römischen Feldherrn und seiner Legionen, welches weder der Treue noch Tapferkeit des Cheruskers Arminius Ehre macht. Numonius Vala, dem Paterculus übrigens das Zeugnis eines ruhigen und redlichen Mannes gibt, bewies bei dieser Gelegenheit weder die Gegenwart des Geistes, die man von einem ruhigen, noch den Mut, den man von einem rechtschaffenen Manne erwarten konnte. Er glaubte, wie es scheint, durch einen eilfertigen Rückzug wenigstens die Reiterei noch retten zu können; aber das Glück betrog seine Hoffnung; er rettete nichts, und ihn überlebte die Schande, durch eine voreilige Flucht den Untergang seiner Mitbürger befördert zu haben.

Fulvius Ursinus, und andre halten diesen Numonius Vala für denjenigen, an welchen die gegenwärtige Epistel gerichtet sei. Es ist nicht unmöglich, aber auch nicht erweislich. Alles, was sich aus dem Briefe selbst ergibt, ist, daß es ein Mann von ansehnlichem Vermögen gewesen, und daß Horaz auf einem Fuße von Vertraulichkeit mit ihm gelebt, welcher gewöhnlich eine nicht sehr große Verschiedenheit in den Jahren vermuten läßt. Er scheint in Campanien und Lucanien Landgüter gehabt zu haben; und Horaz, dem sein Arzt geraten hatte, auf den Gebrauch kalter Bäder den Winter in einem mildern Klima als das römische und sabinische zuzubringen, sucht also vor allen Dingen von den beiden Orten, zwischen denen seine Wahl noch schwebte, die nähern Erkundigungen einzuziehen.

Der ganze Brief ist in einer sehr jovialischen Stimmung geschrieben, und hat mehr als die meisten übrigen von der anmutigen Nachlässigkeit, welche den Nachahmern so leicht scheint, und gerade von allen Schreibarten die unnachahmlichste ist. Gleichwohl ist es nicht die Negligentia diligens, wovon Cicero in einem Kapitel seines Redners an M. Brutus spricht; nicht die schlaue Nachlässigkeit, wo die Begierde zu gefallen gleichsam im Hinterhalte liegt, und die Kunst sich nur versteckt, um desto sichrer zu überraschen. Es scheint vielmehr die von aller Kunst und Absicht entblößte Nachlässigkeit des Witzes und der Laune zu sein, wo man anfängt, ohne zu wissen, wie man aufhören wird; wo die Feder von sich selbst zu gehen scheint, Gedanken und Ausdrücke, so wie sie sich darstellen, ohne Untersuchung passieren, und der Schreiber in der leichtsinnigen Fröhlichkeit seines Herzens sich von keiner Möglichkeit, daß ihm etwas übel genommen werden könne, träumen läßt. Diese Art von Tristram-Shändischer Nachlässigkeit – die freilich nur Leuten wohl anstehen kann, quibus ingeni benigna vena est, herrscht hier, bis in dem mechanischen Teil des Stils, in der Konstruktion der Perioden; und es findet sich gleich vom zweiten Vers an (in der Übersetzung der vierte) ein sogenanntes Hyperbaton von mehr als zwanzig Zeilen, wo die Parenthesen in einander stecken wie Zwiebelhäute. Man wird schwerlich im ganzen Tristram eine so seltsam konstruierte Stelle finden, und sie würde ohne die Wendung, die ich genommen habe, im Deutschen nicht erträglich gewesen sein – wiewohl sie vielleicht im Original die Grazie eines glücklich gewagten Salto mortale hat.


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