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Befreiung

Zwei Jahre waren nun bereits vergangen seit ich nach Aussig kam. Von meinen Plänen, die ich mir damals gemacht, war nicht ein einziger verwirklicht. Meine Luftschlösser waren eins nach dem andern eingestürzt. Mein Voranschlag, den ich so sachverständig gemacht hatte, stimmte nicht mit meinen bisher erzielten Aktiven überein. Es ging mir wie den meisten Finanzministern: meine Kasse wies ein Defizit auf. Nur konnte ich mir nicht, wie sie, von jemand einen Nachtragsetat bewilligen lassen. Und doch sparten wir soviel wie möglich. Von den zwölf bis dreizehn Gulden, die ich mit der Luis in der Woche verdiente, bezahlte ich nebst dem, was wir verlebten, die Miete, schaffte an, was sonst noch sein mußte, und zahlte die Möbel ab, und stets war das Geld rein alle. Etwas zu ersparen, dazu kamen wir nicht, trotzdem wir uns von allen Vergnügungen zurückzogen. Es offenbarte sich mir immer mehr die Wahrheit der Worte, die ich von der Tante Maj hörte, als ich nach Aussig kam.

Inzwischen bedrängten die Gläubiger auch die Schwiegermutter immer mehr und wollten ihre Ausstände bezahlt haben. Ich sah nun ein, daß es uns nie möglich sein werde, die Schulden zu bezahlen, und riet, das Haus in Charwatetz zu verkaufen. Die Schwiegermutter, die wohl nun dieselbe Überzeugung hatte, folgte meinem Rate. Der Schwager Kane, der die ältere Schwester von Luis zur Frau hatte, übernahm das Haus mitsamt den Schulden. Auf die Luis entfiel dabei ein Erbteil von 137 Gulden.

Als die Schwiegermutter nach Aussig zurückgekehrt war, richtete sie mir aus, daß mein Vater wieder ein Haus baue und mir sagen ließe, daß ich einmal auf Besuch kommen sollte. Das rührte mich doch. Ich schämte mich nun vor mir, daß ich die Meinigen ganz vernachlässigt hatte. Aber meine trüben Gedanken verdrängte auch das nur kurze Zeit.

Immer wieder mußte ich daran denken, wie alle meine schönen Hoffnungen in Nichts zerflossen waren, wie die Nebelwolken ins Abendliche. Der einzige Wunsch, der sich mir erfüllt hatte, war, daß die Luis an meiner Seite stand. Ach! / wie viele Abende brachte ich nun spekulierend, grübelnd über meine Mißerfolge zu! Aber alles war umsonst!

Dazu gesellte sich noch die steigende Unzufriedenheit über meine demütigende Lage bei Schindler, wenn ich so alles kreuz und quer durchdachte und mich an die Gleichgültigkeit meiner Umgebung erinnerte, wie geduldig und untertänig meine Arbeitskollegen den kargen Lohn und alles Unrecht hinnahmen, und daß auf eine Besserung für die Zukunft nicht zu denken war, da verfiel ich trotz meiner jungen Jahre oft in tiefe Wehmut. Auch die Laubsägerei, die ich eine Zeit betrieb, um meine Gedanken anderswo hinzulenken, fing mich bald an zu verdrießen.

Das »Prager Tagblatt«, ein Regierungsblatt, dessen Abonnent ich bereits schon ein Jahr war und das nur sechsundzwanzig Kreuzer monatlich kostete, wohl damit es auch der ärmeren Bevölkerung zugänglich wäre und ihr eine gute Meinung über die oberen Zehntausend beibringen könnte, schätzte ich immer geringer. Dies immerwährende Lob der Reichen! Ja, die Berichte von den Festlichkeiten, Jagden und Lustreisen unter den hohen und höchsten Herrschaften weckten in mir allmählich dumpfen Haß gegen sie. Geradezu erbost wurde ich aber, wenn es gegen die Arbeiter hetzte, Wie oft habe ich da den Wisch in den Kohlenkasten geworfen! Schließlich ging's nicht mehr; an seine Stelle hatte ich mir eine freiheitliche Zeitung beigelegt. Für eine solche wenigstens hielt ich damals die »Narodni Listy« (deutsch soviel wie »Volkszeitung«). Es war das Organ der jungtschechischen Partei. Jede Nachmittagsausgabe kostete zwar drei Kreuzer; ich ließ aber trotzdem das »Tagblatt« fahren und kaufte mir dieses, da mir seine Schreibweise bei weitem besser gefiel. Bald schätzte ich das Blatt hoch, denn es schien mir die radikalste und freisinnigste Zeitung zu sein von allen, die ich bisher kannte. Auch las ich hin und wieder die »Wiener Allgemeine Zeitung«, also eine deutsche Zeitung, die mir auch ganz gut gefiel. Weil aber das Deutschlesen bei mir noch nicht recht ging, zog ich die erstere, in meiner Muttersprache geschriebene, vor.

Diese Zeitung teilte einmal ihren Lesern, besonders der Arbeiterschaft mit, daß sie für sie eine Rubrik eröffnet hätte, in der diese ihre Beschwerden aus den Betrieben über Lohn- und Arbeitsverhältnisse usw. veröffentlichen könnten, vorausgesetzt natürlich, wenn sie der Wahrheit entsprächen. Ich stutzte und las die Zeilen immer wieder. Das schien mir ja eine gute Gelegenheit zu sein, um mein Herz ausschütten zu können. Material hatte ich genug. Es handelte sich nur darum, was ich davon in die Öffentlichkeit vorbringen sollte. Denn ich stand ganz allein da und konnte mich mit keinem der Menschen, die mich umgaben, und mit denen ich arbeitete, beraten oder ihnen mein Vorhaben anvertrauen. Endlich brachte ich doch mühsam einen Artikel zusammen. Ich wählte etwas, was freilich nicht nur örtliche Verhältnisse betraf, aber doch auf ihnen ruhte, die Gewerbeinspektion. In dem Aufsatze kritisierte ich die Mißstände in den Betrieben, so wie ich von ihnen überzeugt war, sagte, wie die Gewerbeinspektion durchgeführt wird und wie sie eigentlich durchgeführt werden sollte. 5o hoffte ich für diese ernste Sache das allgemeine Interesse zu wecken und besonders die Aufmerksamkeit der Arbeiter darauf hinzulenken. Ja, meine Hoffnung war sogar so groß und naiv, daß ich annahm, die Behörden müßten nach meiner Anklage sofort einschreiten, um die Übelstände abzuschaffen. Wie sehr ich mich täuschte, sah ich bald ein. Zunächst freilich, nach Erscheinen meines Artikels, den die Redaktion geradeso, wie ich ihn eingesandt hatte, nur nach Beseitigung einiger orthographischer Fehler, veröffentlicht hatte, stieg meine Begeisterung für dieses Blatt erst recht. Denn es galt nun in meinen Augen für dasjenige, das sich nicht scheute, auch die Arbeiterinteressen offen zu vertreten. Wäre es in meiner Macht gelegen, so hätten nach meinem Willen sämtliche Arbeiter das Blatt lesen müssen.

Eines Morgens aber, kurze Zeit danach, als wir wie gewöhnlich unsere Arbeit antraten, um oberhalb der Ziegelei einen langen Streifen von der Lehmwand abzugraben und dann eine Böschung herzustellen, kam der Arbeiter Römmler an, ein früherer Forstadjunkt, nun aber ein heruntergekommener Alkoholiker, und brachte ein Flugblatt heraus, und las es uns vor. Die Blätter sollten nachts in dem Städtchen Türmitz, eine halbe Stunde Weges von Aussig, ausgestreut worden sein.

Nach so vielen Jahren ist es mir heute nicht mehr möglich, den ganzen Inhalt des Flugblattes hier noch wiederzugeben. So viel ist mir aber doch noch in meinem Gedächtnis davon geblieben, daß darin der Verfasser den Arbeitern ihre ganze soziale Lage in Staat und Gesellschaft klarzumachen versuchte. Zunächst wurde die elende wirtschaftliche Lage der Arbeiterschaft besprochen. Wie sie sich jahraus, jahrein, das ganze Leben hindurch, schinden und plagen, und doch dabei nur Not leiden müßte. Wie sie von den kapitalistischen Ausbeutern um den größten Teil des Ertrages ihrer Arbeit beraubt würde. Wie die Reichen, die in ihrem Leben nichts Nützliches schafften, nur auf Kosten der Arbeiter ein bequemes und luxuriöses Leben führten. Dann wurde auf die Rechtslosigkeit der Arbeiter hingewiesen. Wie ihnen Preß- und Versammlungsfreiheit vorenthalten werde, so daß sie, obwohl Hauptfaktor der Gesellschaft, doch nur eine Null bedeuteten. Wie diejenigen, die den Mut besaßen, für Recht und Freiheit des arbeitenden Volkes offen aufzutreten und zu kämpfen, gefesselt, in Gefängnisse geschleppt würden, wo sie Monate, ja auch Jahre unschuldig schmachteten, während ihre Familien hungern müßten. Und zuletzt noch wurden die Arbeiter aufgefordert, sich zu vereinigen, sich zu erheben, um das Joch der kapitalistischen Ausbeutung von sich wälzen zu können, in den Kampf gegen ihre Unterdrücker zu treten, sie zu vernichten! Nieder mit den Ausbeutern! Nieder mit den Unterdrückern, den Tyrannen der Arbeiterklasse! Das, so weiß ich noch, war der Schlußruf!

Fast atemlos hörten wir dem Vorleser zu. Eine lange Weile standen wir sprachlos da und blickten einander stumpf an, als er mit dem Lesen zu Ende war. Denn so etwas, und in solchem Tone, hatten wohl die meisten von uns noch nie gehört. Das erlaubte man sich ja nicht einmal zu denken, geschweige zu reden.

Römmler steckte sein Flugblatt wieder ein. Niemand wollte zu diesem Inhalt mit einer Meinung heraus. Wohl weil einer dem anderen nicht traute. Bis schließlich der Römmler selbst, der sich überhaupt aus niemandem viel machte, ein sehr gutes Mundwerk besaß und selbst mit den Vorgesetzten nur Luderei trieb, das Wort ergriff und mit seiner bombastischen Stimme herausplatzte: »Na, es wäre die höchste Zeit, daß es losginge. Es ist ganz recht, wie es drin steht. Wenn nicht so angefangen wird, wird es auch nicht besser werden, merkt's euch!« Einige gaben ihm recht, andere wendeten ein, daß wir Arbeiter arm, mittellos und deshalb machtlos wären, etwas durchzuführen. Auch wurde auf das Militär, die Polizei und die Gendarmerie hingewiesen, die zu jeder Zeit bereit wären, wenn etwas angefangen würde, es unterzudrücken. Kurz, die ganze Diskussion hielt sich in matten Grenzen. Die meisten hielten sich als Arbeiter in dieser Hinsicht für machtlos. Der höchste Pessimismus kam dann noch aus dem Munde des ehemaligen Polizisten und Bürstenmachers Heinrich heraus, indem er philosophierte: »Wir sind einmal für den Schiebbock geboren, und bei dem müssen wir auch bleiben!«

Bald nachher kam der Aufseher Schindler angerast. Römmler erzählte ihm gleich diese Neuigkeit und würzte sie noch mit einigen ausgesuchten Lügen. Daß die Sozialisten alles in gleiche Teile unter die Menschen verteilen wollten usw. Er verlangte nun das Flugblatt und zeigte große Neugier. Aber der Römmler, der ihn wohl recht aufziehen wollte, gab es nicht her und entschuldigte sich, daß er froh sei, daß er wieder mal zu so etwas gekommen. Nach kurzer Zeit erschien bei uns auch der Fabrikwachtmeister. Auch er frug den Römmler nach dem Flugblatt. Der aber machte auch vor ihm noch seine Witze, gab es aber dann doch hin. Gierig griff der Wachtmeister danach und fing sofort an, es für sich zu lesen; als er fertig war, steckte er es dann ein und eilte fort von uns.

Der Inhalt des Flugblattes wirrte in meinem Kopfe. Obwohl ich von Preßfreiheit und anderen Rechten noch keinen Dunst hatte, hielt ich doch den übrigen Inhalt, der von der Not und dem Elend der Arbeiter sprach, für volle Wahrheit.

»So also denken und so wollen es die Sozialisten?« frug ich mich immer wieder, wenn ich über das Gehörte nachdachte. Ihr Ton schien mir zwar zu scharf, weil ungewöhnlich. Wenn ich aber das alles, was sie in dem Blatte den Arbeitern vor die Augen führten, mit dem verglich, was über ihre Forderungen und ihren Charakter im »Prager Tagblatt« geschrieben wurde, da fand ich und erkannte, daß wohl das meiste davon eine böswillige Lüge, eine Fälschung der Wahrheit sein mußte. Ich traute ja ohnehin diesem Blatte nicht mehr, nachdem ich eingesehen hatte, daß seine Meinung sich immer nur auf die Seite der Reichen schlug. Die Ausdrücke, die es meist gegen sie brauchte: »Petroleumgesellen, Vaterlandsverräter, Aufwiegler, Umstürzler!« das vereinbarte sich unbedingt nicht mit dem, was ich da aus dem Flugblatte hörte. Wie aber sollte ich mir Gewißheit verschaffen, wer eigentlich recht hatte? Wo war einer, der sich wirklich zum Sozialismus bekannte, und der mir seine Grundsätze und Anschauungen über die Lage der Arbeiter auch erklären konnte? Da stand ich ratlos da. Und noch längere Zeit tastete ich so in der Dämmerung über diese Sache.

Unterdessen brach in Brünn ein Weberstreik aus. Obwohl ich sehr weit davon entfernt war, verfolgte ich doch durch die Zeitungen alle seine Einzelheiten, wie ich das nun auch in andern ähnlichen Fällen mit Vorliebe tat. Schon der große Bergarbeiterstreik in dem Duxer Bergwerkrevier Nordböhmens, der vorher ausgebrochen war, hatte in mir höchste Sympathie für die Streikenden geweckt. Ich kannte ja die Arbeits- und Lebensbedingungen der dortigen Leute aus eigener Erfahrung. Hatte ich doch schon als zwölfjähriger Junge dort in der Grube mitgearbeitet, das tiefste Elend nicht nur beobachtet, sondern selbst ertragen müssen. Nach meiner Überzeugung hatten die Arbeiter ganz recht, wenn sie die Arbeit einstellten und bessere Lebensbedingungen verlangten. Aus vollem Herzen wünschte ich den Armen den Sieg.

Und nun wieder der Streik der Weber! Die »Narodni Listy«, von der ich immer noch ein begeisterter und fleißiger Leser war, widmete der Lage der Weber einen langen Artikel. Sie schilderte die niedrigen Löhne, die lange Arbeitszeit, die schlechten Wohnungen und das menschenunwürdige Leben der Weber überhaupt, und stellte das alles als berechtigte Ursachen des Streikes hin. Nach einem Telegramm hatten sich Tausende von Streikenden auf dem Marktplatze versammelt und entblößten Hauptes einander geschworen, nicht wieder die Arbeit aufzunehmen, bis ihre Forderungen genehmigt wären.

Diese Schilderung rührte mich sehr. Das Mitleid mit den armen Menschen stieg, und die Wut in meinem Innern gegen die Reichen hob meine Brust immer mehr. Denn nach meiner Meinung waren sie allein an dem Elend der Arbeiter schuld.

Ungeduldig erwartete ich jeden Tag den Augenblick, wo ich mir die neue Zeitungsnummer holen konnte. Schien mir ihr Inhalt doch ganz wahrheitsgetreu! Und vor allem, wie würde der Ausgang sein? Jede Zeile wurde dann förmlich verschlungen.

Als ich wieder einmal eines Abends zu meinem Nachbar, Schuhmacher Honsa, kam, den ich in der letzten Zeit durch seinen Bruder, einen Tischler, kennen gelernt, und bei dem ich nun mein Schuhwerk machen ließ, kamen wir auch auf den Streik und die Zeitungen zu sprechen. Ich konnte bei dieser Gelegenheit selbstverständlich meine Begeisterung für die »Narodni Listy« nicht unterdrücken und lobte sie als die beste Zeitung von allen. Der Honsa lächelte, schielte mich forschend an und sagte dann halblaut:

»Es gibt aber Zeitungen, die noch besser schreiben.«

»So! Und welche?« platzte ich schnell mit der Frage heraus, erwartete spannend des Schusters Antwort.

Dieser aber nagelte weiter an seinem Stiefel und gab mir keine Antwort. Ich aber drängte weiter, und da sagte er schließlich noch, daß er jetzt keine solche Zeitung da hätte, und er wisse auch nicht, wo sie wirklich erscheine. Das befriedigte mich aber immer noch nicht; ich drang weiter in ihn ein, fragte, wo doch und bei wem ich so eine Zeitung unbedingt bekommen könnte. Denn hier war ich einmal auf der Spur des Langgesuchten. Schließlich versprach er, mir eine Nummer zu besorgen. »Aber das sage ich dir: vor einem jeden darf man sich damit nicht breitmachen!« »Nun, ist es vielleicht etwas Verbotenes?« fragte ich erstaunt. »Das nicht. Aber es braucht's nicht jeder zu wissen.« Der Honsa hielt sein Wort. Er schickte mir noch demselben Abend durch seinen Gesellen Zaruba das versprochene Blatt, mit der nochmaligen Ermahnung, es niemandem zu erzählen, daß er mir es verschafft hätte. Ich schüttelte mit dem Kopfe; warum hatten die Leute aber nur so viel Angst, wenn es nichts Verbotenes war?

Es war ein vierseitiges Blatt großen Formats und trug den Titel: »Duch Casu«, das ist »Geist der Zeit«, Organ für die Interessen des vierten Standes, das vierzehntägig erschien und vierzig Kreuzer vierteljährlich kostete. Verantwortlicher Redakteur war Franz Hlawacek. Der Erscheinungsort war Proßnitz in Mähren. Redigiert war das Blatt sorgfältig; mich wenigstens riß gleich die erste Nummer so hin, daß ich beschloß, von nun an keine Gefahr zu scheuen und auch mich unter die »Petroleumgesellen« zu zählen.

Und da damals keine Parlamentspolitik getrieben wurde, wie es die Arbeiterschaft heute tut, weil sich das Parlament nur aus Angehörigen der besitzenden Klassen zusammensetzte und die Arbeiter von dem Wahlrecht noch ausgeschlossen waren, und weil es Sozialisten wohl deshalb grundsätzlich ignorierten, und weil es noch fast keine politische und gewerkschaftliche Organisation gab, so befanden sich in dieser Zeitschrift meistens Artikel, die die Arbeiterfragen nach den volkswirtschaftlichen Lehren von Karl Marx behandelten. Das Blatt war die einzige sozialistische Zeitung in der tschechischen Sprache, die damals in Österreich erschien. Gleich in der ersten Nummer, die ich auf so zufällige Weise in die Hände bekam, stand z. B. ein Artikel drin, der über das Kapital und seinem Ausbeutungsprozeß aufklärte. Es wurde darin geschildert, wie das Kapital die Arbeitskraft des Arbeiters ausbeuten und sich rapid vermehren müsse. Sehr ermutigend war dann der Schluß, wo es hieß, daß so etwas in einem Zukunftsstaate nicht stattfinden könne, da dort für seine Mitglieder gleiche Pflichten auf Arbeit und gleiche Rechte aufs Leben gelten würden.

Ich stutzte, der Mund blieb mir fast offen stehen, verwundert saß ich da und blickte immer wieder hin, wo das geschrieben war, als wenn ich meinen Augen nicht recht trauen täte. Das war in der Tat noch ein anderer Ton, eine ganz andere Meinung und Anschauung als in den »Narodni Listy«! Es ging freilich noch über meinen Verstand, was ich da las, denn wie sollte so etwas möglich sein? Und doch, war es nicht etwas höchst Gerechtes, diese Forderung: Gleiche Pflichten, gleiche Rechte? Ja, so sollte es sein, so soll es sein! Diese und ähnliche Gedanken kreuzten sich in meinem Gehirn und steigerten mein Gerechtigkeitsempfinden immer mehr.

Dann verschlang ich noch die politische Übersicht und das aus verschiedenen Gegenden und Provinzen Eingesandte, worin vor aller Öffentlichkeit über schlechte Lohn- und Arbeitsverhältnisse und sonstige Mißstände in Betrieben geklagt wurde. Jede Zeile, die ich da las, schien mir wahr zu sein. Denn solche Beschwerden hatte ich ja selbst genug in Vorrat und war täglich Zeuge, wie auch anderen Arbeitern Unrecht geschah.

Endlich hatte ich nun also erreicht, wonach ich mich so lange gesehnt! Der noch dunkle Schleier fiel mit einem Male von meinen Augen. Die Begeisterung wandte sich mit einem Sprunge von dem jungtschechischen Blatte weg, dem »Duch Casu« zu, und der Idee, die er lehrte und vertrat: dem Sozialismus!

Als ich dann dem Honsa das Blatt wiederbrachte, konnte ich meine Freude, die mein Inneres füllte, nicht unterdrücken, und mußte laut die unerschrockene, wahrheitsgetreue Schreibweise des Blattes loben. Er schaute mich forschend an, wandte dann seine Blicke wieder seiner Arbeit zu, nickte mit dem Kopfe, über seine Lippen flog ein leises Lächeln und sagte dann: »Ja, ja! Das ist noch ganz etwas anderes, als die ›Narodni Listy‹! Was?« Nachdem ich noch einige Stellen, die mich besonders interessierten, hervorgehoben und besprochen hatte, legte ich vor ihm vierzig Kreuzer und eine ausgefüllte Postanweisung hin und ersuchte ihn, bei Gelegenheit das mit auf die Post mitzunehmen, da ich mich entschlossen hätte, das Blatt zu abonnieren.

Nun erst hielt er mit seiner Arbeit inne, stützte seine Ellenbogen auf die Knie und schaute mich staunend und verlegen an, richtete dann wieder seine Blicke nachdenklich vor sich hin wie einer, der erst sein Gewissen erforschen will. Nach kurzem Schweigen wandte er sich wieder zu mir und sagte halblaut: »Und hast du keine Bedenken, daß dir damit Unannehmlichkeiten entstehen können?!« Aber so etwas hatte ich nun bereits von ihm erwartet. Denn ich hatte schon beim ersten Gespräch gemerkt, daß er davor Angst hatte, die ich jedoch für unbegründet hielt. Deshalb erwiderte ich unwillig: »Was sprichst du immer von Unannehmlichkeiten! Das Blatt ist doch von der Staatsbehörde zensiert und bewilligt. Ist also gesetzlich. Weshalb sollte es also gefährlich sein, wenn man es abonniert und liest? Ich sehe so etwas nicht ein.« »Das ist wahr!« entgegnete Honsa, dem nun, wie mir schien, die ganze Sache schon unliebsam geworden war, und daß er mich in das Geheimnis eingeweiht hatte. »Aber,« fuhr er weiter fort, »es kommt, wie ich schon oft hörte, vor, daß, wenn jemand diese Zeitung abonniert, er schon bei der dritten oder vierten Nummersendung die Hausdurchsuchung auf dem Halse hat, und dann …?« »Und wenn auch das wahr sein sollte!« unterbrach ich ihn plötzlich. »Da soll mich auch das nicht abschrecken und mich von der gerechten Sache abhalten!« erklärte ich feierlich und stolz. Da erwiderte er kein Wort mehr und zeigte sich bereit, das Geld fortzuschicken.

Mit dem Abonnement ist es mir aber doch nicht geglückt. Ich wartete immer darauf, daß die Zeitung kam. Aber sie kam nicht. Schließlich stellte sich heraus, daß der Geselle Zaruba das Geld hatte auf die Post schaffen sollen. Nach einigen Wochen aber, als er sich mit dem Honsa zergrollte, kam die von mir ausgefüllte Postanweisung bei ihm zum Vorschein. Er hatte sich das Geld behalten.

Unterdessen trachtete ich eifrig, jemanden zu finden, der selbst auch das Blatt hielt und Sozialist war, um von ihm zu erfahren, was ich so sehr gerne wissen wollte, nämlich: was der Sozialismus sei! Denn der Schuhmacher Honsa konnte mich darüber nicht so genügend, wie ich mir es wünschte, aufklären, da er, wie ich sah, davon nicht viel mehr wie ich verstand. Die eine Zeitungsnummer, die er mir geliehen hatte, war auch nicht seine gewesen. Überhaupt schien mir, daß er so ein bißchen für den Sozialismus mitstimmte, bei ihm nur eine Geschäftssache zu sein. Bald hielt ich ihn wegen seiner großen Angst, die sich bei ihm immer zeigte, wenn wir auf den Sozialismus zu sprechen kamen, für einen Feigling. Und eben deshalb sah ich mich veranlaßt, mir jemand anderes zur Aufklärung zu suchen. Einen solchen Mann, wie ich mir ihn wünschte, der mir meine Sehnsucht zu stillen imstande war, fand ich schließlich in dem Maurer Wenzel Nowotny, der unweit von mir auch in der Nonnengasse wohnte. Er bekannte sich schon mehrere Jahre zum Sozialismus und kannte gut seine Grundsätze und dessen Endziel. Er war schon Abonnent der allerersten Arbeiterblätter in Österreich gewesen und besaß sie, hübsch eingebunden, noch. Auch war er Mitgründer von mehreren Arbeiterbildungsvereinen, die behördlich wieder aufgelöst worden waren. Seine Bibliothek zeigte, daß er ein sehr strebsamer Mann war. Meine Bekanntschaft mit ihm kostete mir gar nicht viel Mühe, nachdem er gehört hatte, daß ich der Verfasser jenes langen Eingesandt in den »Narodni Listy« war. Auch er hatte mir schon vorher nachgespürt.

Gleich beim ersten Besuch, den ich ihm einmal abends nach der Arbeit in seiner Wohnung machte, nahm er mich freundlich auf. Nach mehreren nebensächlichen Fragen und Antworten lenkte er geschickt unser Gespräch auf mein Eingesandtes und hielt mir im schonenden Tone vor, warum ich das alles in einem so arbeiterfeindlichen Blatte veröffentlicht hätte. Ich war sehr froh, als er mich selbst aus meiner Verlegenheit herausriß, indem er mich damit entschuldigte, daß ich wohl keine andere Zeitung gewußt hätte. Diese Leute hätten, fuhr er fort, nur die Absicht, auf diese und andere Weise die Arbeiter als Schlepper für ihre Parteizwecke zu benutzen; ihre Interessen lägen aber ganz wo anders als bei den Arbeitern. Dann zog er scharf gegen die alt- und jungtschechische Partei los und kritisierte ihre Haltung in wirtschaftlichen, politischen, wie in rechtlichen Fragen. Und dann kam er überhaupt auf die Nationalitätenfrage zu sprechen. Da meinte er ohne Umschweife, daß wir Arbeiter, ohne Unterschied der Nationalität, international gesinnt sein müßten. Weil auch das moderne Kapital keine Grenzen kenne, die Arbeiter aller Nationen in den industriellen Bezirken zusammenziehe und sie dort ohne Rücksicht auf ihre Sprache oder Religion ausbeute. Dieses Prinzip verfolge das industrielle Kapital überall, wo es auftrete, auf der ganzen Welt.

Nach ungefähr zwei Stunden beendete er seinen Vortrag, ohne daß er sich von der alten Truhe, auf der er saß, gerührt hätte. Und ich saß während der ganzen Zeit auf dem altmodischen Stuhle ihm gegenüber und horchte andächtig mit größter Spannung auf jedes Wort, das aus seinem Munde herauskam, und ich zweifelte nicht an ihrer reinen Wahrheit. Ich war glückselig, fühlte mich höchst zufrieden darüber, daß ich endlich so einen Mann gefunden habe, der mir mit solchem Verständnis alles so klarlegen konnte. So etwas hatte ich in meinem Leben nie gehört. Der Mann schien mir unübertrefflich! Und ich beneidete ihn in meinem Innern um seine Weisheit! O, könnte ich es doch auch so weit bringen! tauchten in mir sehnsüchtige, von Ehrgeiz geweckte Gedanken auf. Mein Gesicht glühte vor Seligkeit und die Augen strahlten vor Freude. Auch Nowotnys Blicke, und das Lächeln, das von Zeit zu Zeit über seine Lippen flog, verriet, daß er sich mitfreute. Es machte ihm gewiß Freude, daß er wieder einen neuen Anhänger für die sozialistische Idee geworben hatte.

Bevor wir uns abends trennten, bat ich, daß er mir etwas zum Lesen leihen möchte. Er zeigte sich sofort bereit, hieß mich ein Weilchen sitzen bleiben und schritt zur Stubentür hinaus. Bald darauf vernahm ich Geräusch über der Stubendecke. Das machte mich einigermaßen unruhig. Ich ahnte nun, daß auch er die Bücher versteckt hatte und sie nun behutsam aus dem Verstecke hereinholte. In meinem Kopfe kreuzten allerlei Gedanken: Polizei, Haussuchung, Gericht und Gefängnis. Und doch sehnte ich mich so durstig nach diesen Büchern! Und meine Ängstlichkeit verschwand mit einem Schlage, als er wieder ins Zimmer trat und mir zwei Bücher mit den Worten hinlangte: »Hier, das schwächere ist ein Almanach, in dem sich meist nur Erzählungen befinden, die alle leicht faßlich sind. Aber, das andere ist Wissenschaft, es ist die »Quintessenz des Sozialismus«, das muß studiert werden, wenn man es begreifen will. Lassen Sie sich also mit dem Lesen Zeit. Sollten Sie manches nicht begreifen, so bin ich bereit, Sie darüber aufzuklären.«

Gierig warf ich mich am nächsten Abend auf das Buch »Quintessenz des Sozialismus« und ließ den Almanach liegen; denn mich trieb die Neugier, nun endlich etwas Richtiges vom Sozialismus zu erfahren, unwiderstehlich. Ich las die ersten Seiten nacheinander; aber mir kam es vor, als gehe ich im Finstern, herumtastend, und wußte nicht, was ich gelesen hatte. Mein ungeübtes, nicht abgehärtetes Gehirn war nicht imstande, diese hohe geistige Kost zu empfangen und zu verdauen. Der Leseeifer sank immer mehr. Aber ich ließ trotzdem nicht locker. Ich zwang das faule Organ immer wieder zu neuem Versuch, bis die letzte Seite gelesen war. Dann fing ich wieder von vorne an, ging aber zugleich zum Nowotny und gestand ihm meine Unfähigkeit. Er eröffnete eine Diskussion über den Inhalt des Buches und klärte mich über das, was mir unklar war, auf. Als ich das zweitemal mit dem Lesen zu Ende war, machte ich mich noch ein drittes Mal daran, und da merkte ich dann doch, daß immer mehr aus dem Buche in meinem Kopfe blieb. Gewiß hätte ich das Buch verdrossen beiseite geschoben, wenn mir Nowotnys Hilfe nicht zur Seite gestanden hätte. Mit dem Almanach und den anderen Büchern, die ich mir nach und nach von dem Manne borgte, ging's gleich von Anfang leichter. Erstens deshalb, weil sie volkstümlicher geschrieben waren, und zweitens, weil sich mein bisher in Faulenzerei liegendes Gehirn nun auch schon an die harte Arbeit besser gewöhnt hatte.

Bei jeder neuen Schrift aber, die mir der Nowotny gab, machte er's wie das erstemal: stets verschwand er eine Zeitlang aus der Stube und rumorte auf dem Boden herum. Was er da anstellte, wußte ich zwar nicht, und getraute mir auch nicht zu fragen. Nach meiner Vermutung hatte er seine Bibliothek eben irgendwo auf dem Dachboden. Und richtig, später, als ich mit ihm schon längere Zeit verkehrte, und er die Überzeugung gewonnen hatte, daß er mir wohl vertrauen konnte, erzählte er, daß er seine Bücher stets auf dem Dachboden unter den Fußbodendielen versteckt hielte. Neben diesem Hauptversteck hatte er noch ein anderes in der Stube, wo er Kleinigkeiten, wie Broschüren oder Zeitungen, verbarg, um nicht jedesmal erst über die Leiter nach dem Boden klettern zu müssen. Dieser Versteck war unter dem Kohlenkasten beim Ofen, wo der Fußboden ein bißchen ausgehöhlt war. Und so machte es auch ich, als ich mir später selbst nach und nach Bücher anschaffte oder die geborgten nicht in meiner Stube den Tag über liegen lassen wollte. Mein Versteck aber war nicht so vorteilhaft wie das Nowotnys. Über meiner Dachwohnung lagen keine Dielen mehr, und da blieb mir nichts anderes übrig, als die Bücher oben auf den Boden zwischen die schiefe Stubendecke und das Dach zu schieben. Dieses Versteck war sehr unbequem, denn ich mußte mich jedesmal, wenn ich die Bücher herausholte oder andere verstecken wollte, lang auf dem Bauch in den Staub legen, um mit der Hand unter das Dach langen zu können. Manchmal rutschten mir auch die Bücher, die ich einzeln in Zeitungspapier eingepackt hielt, zu weit hinunter, so daß ich den Schürhaken zu Hilfe nehmen mußte. Am schlechtesten ging es mir, als ich dann aus dieser Wohnung wegzog. Da kriegte ich einige Bücher nicht einmal mit dem Schürhaken heraus und mußte sie ganz dort lassen. Und dort, in der Antoniegasse Nummer sieben, stecken sie vielleicht heute noch. Die übrigen Anhänger der Partei, die ich später kennen lernte, machten es bald alle so wie wir. Denn, obwohl die Bücher nicht verboten waren, wurde doch jeder, bei dem man sie fand, wegen Geheimbündelei verhaftet. Und so war ein jeder hübsch vorsichtig, um nichts in die Hände der Polizei kommen zu lassen. Abends wurde dann der Lesestoff aus dem Versteck geholt, gelesen und dann wieder versteckt.

Mein Vorversteck bestand, im Gegensatz zu demjenigen Nowotnys, aus einem Stuhle, unter dessen Sitz ich ein schwaches Brett genagelt hatte, wohin ich jedesmal nach dem Lesen das Buch oder die Zeitung unterschob. Dort glaubte ich es vor den Augen der Polizei bei einer Durchsuchung sicher zu haben. Ein besonders eigenartiges Versteck für die Zeitungen hatte der Schuhmacher Fiala. Als ich ihn einmal besuchte, und wir auch auf Polizeischikanierungen zu sprechen kamen, sagte er lachend: »Na, zu mir können sie kommen, da werden sie wohl keinen ›Duch Casu‹ finden!« Dabei zeigte er mit der Hand auf die Rollvorhänge an den Fenstern. Ich konnte ihn nicht gleich verstehen, was er damit meinte. Er ließ mich aber nicht erst lange rätseln, sprang von seinem Schemel und schon rasselte das Rollo (Rouleau) herunter, aus dem nacheinander einige Zeitungsnummern herausfielen. »Das ist praktisch, was? Hier riecht sie kein Polizeispion!« rief er freudenvoll. Lächelnd nickte ich ihm zu und lobte seinen guten Einfall. Er aber zog wieder an seiner Schnur und ließ die Zeitungen wieder mit in das Rollo hinaufrollen. Die ganze Sache machte uns beiden viel Spaß. Zugleich gab's Anlaß, uns für gescheiter zu halten als die Polizei.

Allmählich wurde ich nun auch bei den übrigen Anhängern, erprobten Genossen und Sozialisten, eingeführt. Es waren ihrer insgesamt, den Nowotny mitgerechnet, neun Mann: Rericha, Beran, Duschek, Kulic, Fiala, Kolar, Krutak und Nejedli. Das waren alle, die ich da in Aussig kennen lernte und die längere Zeit hindurch die ganze sozialistische Partei in dieser Stadt bildeten. Wir waren alles Tschechen, bis auf den Krutak, der ein Deutscher war, aber auch sehr gut Tschechisch konnte. Auf deutscher Seite wurden mir als Sozialisten nur die beiden Liebich genannt, Vater und Sohn, mit denen ich aber erst später bekannt wurde, da sie sich in jener Zeit von der Bewegung fernhielten. Es mag sie wohl die Furcht abgehalten haben, aus der Arbeit gejagt zu werden. Der alte Liebich aber hoffte auf die Pension, weil er schon viele Jahre in der chemischen Fabrik beschäftigt war.

Wir versammelten uns gewöhnlich im »Neptun«, dessen Wirt ein Tscheche war, bei dem nur Tschechen verkehrten, und wo auch der jungtschechische Verein Beseda sein Vereinszimmer hatte. Dort fühlten wir uns sicherer als wo anders, da das Haus von Spießbürgern wie Behörden verächtlich angesehen und deshalb auch von der Polizei und anderen Spionen wenig besucht wurde. Dort wurde debattiert wie zu Hause, über wirtschaftliche und politische Fragen. Manchmal kam auch ein Zusammenstoß mit den Jungtschechen dazwischen. Denn unser Sozialismus vereinbarte sich nicht mit deren »böhmischem Staatsrecht«. Solch eine Debatte war dann immer besonders für den Nowotny etwas; denn er war ein guter Debattierer und besaß mehr Wissen wie wir alle, und konnte jedesmal die Kerle ordentlich heimleuchten. Überhaupt war der Nowotny von allen in jeder Beziehung der reifste, der seine Prinzipien auf das strengste und konsequenteste wahrte. Er war zwar sehr vorsichtig, zeigte aber deshalb nie Furcht, agitierte, wie und wo es nur ging, mündlich und mit Schriften, um neue Anhänger zu gewinnen, vertrat und verteidigte überall offen und ehrlich seine Sache, wenn ihr jemand irgendwo zu nahe trat oder sie herabzusetzen suchte. Da gab's dann keine Rücksichten; wer es auch sein mochte, ihm wurde der Standpunkt gründlich, mutig und klar dargelegt. Ebenso forderte er dieselbe Konsequenz auch von jedem andern, der als wahrer Sozialdemokrat gelten wollte. Wer sich zweideutig zeigte, anders dachte als handelte, der taugte nach seiner Auffassung nicht zum Sozialisten. Das widersprach der neuen Idee, die nur unverfälschte Gesinnung verlangte.

Selbstverständlich aber war nicht jeder von uns in allen Punkten so streng wie es der Nowotny verlangte. Die meisten machten das Leben eben so mit, wie es sie traf. Sie ließen ihre Grundsätze hübsch zu Hause und hielten ihren Schnabel auch dann, wenn ihre eigene Sache beschimpft wurde. Bildungsdrang war bei manchem noch wenig vorhanden. Sich das nötige Wissen anzueignen, um so dann andere aufklären zu können und um neue Anhänger zu gewinnen, dazu waren die zu lau. Von Not gedrungen, waren sie Anhänger der Sache geworden. Aber die innere, feste Überzeugung fehlte noch. Und eben das empörte den alten Nowotny aufs höchlichste. Er ließ oft die Zügel seiner Zunge schießen und geißelte solches Vorgehen unbarmherzig. Aber damit schuf er sich wieder nur persönliche Feinde. »So wie es der Nowotny haben möchte, kann man nicht immer handeln!« wendeten gewöhnlich die andern ein, wenn sie allein waren. Und auch ich sah mich bald in meinem Glauben, unter den Leuten Engelsbruderliebe zu finden, getäuscht. Die dem Nowotny wenigstens im Wissen am nächsten standen, waren Rericha und der Krutak. Der letztere hatte etwas Stirnersches an sich, womit ich noch nicht behaupten will, daß er ein Anarchist gewesen wäre. Nein. Er war dabei ein ehrlicher Sozialist, hatte sich als solcher auch schon fünf Monate Gefängnisstrafe bei St. Wenzel in Prag geholt. Als er von dort zurückkam, war die liberale Stadtvertretung von Aussig so liberal, daß sie ihn aus der Stadt auswies. Der damalige Bezirkshauptmann aber war wieder so unliberal, daß er das Ausweisungsdekret aufhob und ihm ein weiteres Leben in dieser Stadt gestattete.

Solange die Abende noch warm waren, kamen wir auch oft, wenn es schön war, hinter der Elbstraße am Rande des Waldes zusammen und debattierten dort. Manchmal freilich über Sachen, die mir heute höchst kindisch erscheinen. Die meiste Zeit wurde mit den Auseinandersetzungen über den Zukunftsstaat vergeudet. In dieser Beziehung hatte ein jeder von uns seine besonderen Ansichten und wollte sie nun auch behaupten. Ach, war das manchmal eine erbitterte Redeschlacht! Wenn freilich Nowotny anwesend war, kam es selten zu solchen Debatten, da er uns jedesmal schnell einen Strich durchmachte. »Kümmert euch lieber um die Gegenwart! Wie der Zukunftsstaat sein wird, kann erst in der Zukunft besprochen werden!« Mit diesen und ähnlichen Worten fiel er immer in unser Lieblingsthema und verdarb uns unsere Freude.

Einmal kam es dort wegen derselben Sache zu einer sehr heftigen Auseinandersetzung zwischen Kolar und dem auch erst neubacknen Genossen Paletschek, der sich besonders für den Zukunftsstaat interessierte. Er stellte uns so viele Fragen, daß wir gar nicht imstande waren, sie nach seinem Wunsche zu beantworten. Er ging von einer Einzelheit zur andern. Schließlich kam die Rede sogar auf die Ernährungsweise, die Kost. »Ja, was soll dann mit den Kartoffeln werden?« rief Paletschek fragend und fuhr in seiner höchsten Neugier schnell fort: »Wenn dann jeder wählen kann, was seinem Appetite entspricht, wird selbstverständlich niemand Kartoffeln essen wollen. Und der Champagnerwein, den heute nur die Reichen trinken, reicht dann auch nicht aus.« In diesem Sinne philosophierten wir den ganzen Abend, weil eben der Nowotny nicht dabei war.

Und noch auf dem Heimwege setzten die beiden, Kolar und Paletschek, die Debatte fort, die schließlich schon mehr in einen Streit ausartete.

Einmal saßen wir auch mit einem angereisten und arbeitsuchenden Genossen dort, der von Beruf ein Tischler war, dessen Namen ich aber schon vergessen habe. Er war ein Mann von hübschem Ansehen, trug einen Spitzbart, und seine Aussprache verriet Intelligenz. Er erzählte uns alle seine Leiden, die er wegen seiner Überzeugung und wegen seiner Beteiligung an der Arbeiterbewegung schon hatte durchmachen müssen, wie oft er von seinen Arbeitgebern gemaßregelt worden sei; wie er verhaftet gewesen und was er alles im Gefängnisse während der Untersuchungshaft und einer viermonatigen Strafe erlebt hatte. Nun war er wieder aus seiner letzten Stelle entlassen und aus seinem letzten Wohnorte ausgewiesen worden, stand ganz ohne Geld, ohne Arbeit da. Zu Hause hatte er Frau und drei Kinder gelassen, er aber trieb sich, Arbeit suchend, nun schon wochenlang in der Welt herum, bisher ohne Erfolg. Und hatte auch noch nicht einen einzigen Faden Hoffnung, wo er würde Arbeit antreffen, und wo er sich ein neues Heim würde gründen können. Heute noch fühle ich mich gerührt, wenn ich an den gehetzten Mann denke, wie er traurig, niedergeschlagen, gesenkten Kopfes, in unserer Mitte auf dem rasigen Rande saß, wie kläglich seine Stimme klang, wie schwer die Worte über die Lippen gingen. Nur ab und zu, wenn er um etwas gefragt wurde, hob er seinen Kopf und da erblickte man jedesmal Tränen in seinen Augen. Ein qualvolles Schicksal! Ein herzzerreißendes Bild!

»Aber, Genossen!« sagte er dann noch am Schlusse seines Erzählens, »so kann das unmöglich lange weitergehen. Die Menschen können die Unterdrückung und die von Jahr zu Jahr größeren Lasten nicht mehr lange ertragen und dann werden sie sich gegen die Tyrannei erheben.« Ach, seine Prophezeiung hat sich bis heute noch nicht erfüllt.

Ich fühlte mit dem armen gehetzten Manne damals das allergrößte Mitleid. Meine Brust hob sich vor Wut über so großes Unrecht. Ich haßte nun doppelt alles, was reich war und mit dem Namen des Staates verflochten schien. Die Fäuste ballten sich, ich dürstete nach Rache! Aber wie sie nehmen?

Damals wurde auch der Schuhmachermeister und Genosse Weiz aus dem Gefängnis bei St. Wenzel in Prag entlassen. Er hatte dort volle zwei Jahre wegen Geheimbündelei sitzen müssen. Auch dieser Mann war damals von harten Schicksalsschlägen heimgesucht. Er im Gefängnis, und daheim an seiner Stelle sein Geselle namens Tyle, der nicht nur das Geschäft weiterführte und die Runden besorgte, sondern ihn auch im ehelichen Bette vertrat. Und ehe der Weiz nach zwei Jahren wieder heimkehrte, hatte er ein Familienmitglied mehr! Das lastete auf Weiz besonders schwer. Er verschwand auch bald mitsamt seiner Familie, ohne jemandem zu verraten, wohin. Später erfuhren wir, daß er in Süddeutschland wohnte. Noch später erfuhr ich zu meiner Freude, daß es ihm wieder gut ginge.

Aus mir wurde durch das alles ein rasender Eiferer, wenn nicht gar ein Schwärmer. Ich agitierte überall, wo es nur ging, auf der Straße, im Gasthause und auch in der Fabrik, ohne Rücksicht auf die möglichen Folgen, von mir und meiner Begeisterung für die Sache ausgehend, glaubte ich, daß jeder Arbeiter so leicht wie ich die sozialistische Idee erkennen und für sie eintreten müßte, ob er nun mehr oder weniger zu leiden hatte. Denn er war doch der Ausgebeutete wie wir alle. Ich war so hitzig, daß ich jedem mein bisher erworbenes Wissen und meine Schriften förmlich aufzwang. Ach, wie mußte ich mich bald in meinen glühenden Hoffnungen getäuscht sehen, im Handumdrehen alle, mit denen ich arbeitete und verkehrte, auf meiner Seite zu haben! Da waren manche, die hatten zuviel Angst, daß sie dadurch ihre Arbeit verlieren möchten, und wollten deshalb mit der Sache nichts zu tun haben. Andere entgegneten wieder, daß alles umsonst wäre, die Verhältnisse würden nie anders werden. Und da gab es gewöhnlich unter uns scharfe Auseinandersetzungen. Blieb der oder jener auf seinem Standpunkt und wollte sich nicht überzeugen lassen, da riß meine Geduld, ich warf ihm seine Gleichgültigkeit und seine Dummheit vor, wofür ich wieder den Titel eines Wirrkopfes einstecken mußte. Ja, es kam manchmal so weit, daß ich bei der Arbeit zum besten gehalten wurde, mit dem, was ich sagte, Witz getrieben, ich verhöhnt wurde. Kein Wunder, wenn ich da sogar die eigenen Klassengenossen haßte, und, wenn ihnen hier und da unrecht geschah, ich es ihnen gar noch gönnte. Selten traf ich einmal jemanden, der meiner Meinung zustimmte und die Sache guthieß.

Luis und ihre Mutter fingen schließlich auch an, für mich zu fürchten, und gaben sich alle Mühe, mich von der Sache und von ihren Anhängern, von den Sozialisten, abzuwenden. Ihr Bitten und Weinen nutzte ihnen aber nichts, ich blieb immer fest, und immer war meine Antwort: Niemals!

Auf dem Tauffeste unseres erstgeborenen Sohnes / ich hatte nun schon das stattliche Alter von fast zweiundzwanzig Jahren! / den wir Heinrich taufen ließen, machten sich alle über mich her, die Paten, Luis, ihre Mutter, ihr Bruder und die übrigen Gäste, und malten mir mit den schwärzesten Farben vor, welche Gefahr mir drohte, wie viele deshalb schon ins Gefängnis gekommen wären, wie ihre Familien dadurch zugrunde gerichtet worden wären. Schließlich meinten sie, daß es ohne mich auch ginge. Dieses Abreden und Angsteintreiben füllte den ganzen Abend aus. Jeder hatte dazu etwas Neues zu sagen, denn das Bier machte ja Mut, und Verstand dazu. Aber, sie alle bemühten sich vergebens! Ich wich nicht. Und ich erklärte: »Der Jesus hat auch für die Wahrheit am Kreuze geduldet! Weshalb sollen es nicht auch wir?« Als die Luis sah, daß alles Zureden nichts nutzte, warf sie den letzten Trumpf heraus: »wenn du die Sache nicht läßt, dann zeige ich dich bei der Polizei an; mögen sie mit dir dann machen, was sie wollen!« Das überraschte mich zwar, aber ich nahm ihre Worte nicht ernst. Ich meinte nur: »Das wäre mir von dir sehr lieb, denn dann wüßte ich wenigstens, was ich an dir habe.«

Ich trat dann auch noch in den Arbeiterbildungsverein »Koruna Nychodu«, das heißt Krone des Ostens, ein. Es war das ein tschechischer Verein, dessen Mitglieder sich meistens aus Handwerkern, Schuhmachern und Schneidern rekrutierten. Die Statuten mit ihrem Zweck, Bildung unter den Mitgliedern zu verbreiten, waren bei ihnen Nebensache. Sie waren alle radikal tschechischnational und die größten Feinde des Sozialismus. Ihnen genügte, wenn sie in der Woche einmal zusammenkamen, um ihre nationalen Lieder herunterzubrüllen. von Politik und dergleichen Sachen verstanden sie nichts. Ja, sie verstanden nicht einmal etwas von wahrem Nationalismus. Kam es doch einmal zu einer längeren Aussprache, so gab gewöhnlich eine Notiz aus den Zeitungen den Anlaß dazu, daß irgendwo ein deutscher Student einen tschechischen geprügelt hatte, oder umgekehrt. Daß die Verhältnisse in dem Verein so lagen, wußte ich schon, bevor ich eintrat. Denn Nowotny, der auch schon dort Mitglied gewesen, aber ausgeschlossen worden war, unterrichtete mich aufs beste. Besonders machte er mich auf einen früheren Sozialisten, den Spinnmeister Schafarschik aufmerksam, der nun in diesem Verein den Hauptscharfmacher spielte. Trotzdem wollte ich versuchen, den ganzen Verein umzukrempeln. Gleich in der ersten Monatsversammlung stellte ich den Antrag, daß das Blatt »Duch Casu« abonniert werde, und begründete ihn damit, daß der Verein aus lauter Arbeitern bestehe, die es als Ehrensache betrachten müßten, das Blatt aufliegen zu haben. Man sollte lieber von den nationalen Hetzblättern eins abbestellen. Da aber stach ich in ein volles Bienennest! viele meldeten sich gleichzeitig zum Worte. Zu allererst natürlich bekam es der Schafarschik. Wie ein Staatsanwalt wies er daraufhin, welche Gefahr mein Antrag dem Vereine bringen könnte. Er würde, wenn er solche Zeitungen hielte, von der Behörde aufgelöst, die Mitglieder, besonders die Funktionäre, kämen in Untersuchungshaft oder gar ins Gefängnis. Hunderten wäre es schon so gegangen. »Ich warne einen jeden, für diesen Antrag zu stimmen!« so sagte er zum Schluß mit erhobener Stimme. Alles applaudierte, nur der Schlastny nicht. Trotzdem ergriff ich noch einmal das Wort, um meinen Antrag noch besser zu begründen und ihn zu retten. Dann wandte ich mich scharf gegen meinen Gegner und geißelte seine feige Haltung. »Laßt euch keine Furcht eintreiben, laßt euch nicht zu Verrätereien der Arbeitersache verleiten, stimmt mannhaft für den Antrag!« so forderte ich die Anwesenden auf. Dann wurde über den Antrag abgestimmt und / nur eine Hand erhob sich für ihn. In der nächsten Ausschußsitzung aber wurde ich ausgeschlossen.

Mein Arbeitskollege Paolas, dem ich die Geschichte erzählte, riet mir nun, in den deutschen Arbeiterverein »Einigkeit« einzutreten, in dem auch er Mitglied war. Ich hatte es nun aber nicht mehr so eilig und wollte mir erst einmal als Gast das Vereinsleben ansehen. Eines Montags / an diesem Abend wurden immer die Kneipabende abgehalten / ging ich mit hin. Na, da sah ich erst recht das traurige Bild einer Arbeitervereinigung. Die Mitglieder waren meistens Arbeiter der chemischen Fabrik. Das Gastzimmer war voll Menschen, Männer, Frauen, jung und alt. In einer Ecke saßen vier Musikanten, neben ihnen gleich der Vorstand. Auf den Tischen standen Doppelliter mit Bier. Der Vorsitzende klingelte alleweil und verurteilte bald den oder jenen zu Geldstrafe. Anlaß dazu war, wenn einer den anderen mit »Sie« ansprach, oder ihn anders nannte, als wie es auf seiner Vereinskappe stand, oder wenn er gar mit seiner Kappe aus der Gaststube hinausging. Es wurden Lieder, Deklamationen und Couplets vorgetragen, mitunter auch unzüchtige und unflätige, desto mehr aber fand man an ihnen Vergnügen. Die Pausen füllte die Musik aus. Die Stube war voll dichter Wolken von Tabakrauch. Die Gastwirtsleute rannten hin und her und hatten alle Hände voll Arbeit. Der Surs und Lärm der Menschenstimmen stieg immer mehr. Ach, war das ein edles Vereinsleben! Schließlich besann ich mich auf mein Heim. Ohne mich erst in die Mitgliederliste eingetragen zu haben, ging ich fort, um einen Gulden leichter, und dümmer, als ich hingekommen. Der Havlas aber lobte sich am nächsten Tag das schöne Vergnügen. Der Gastwirt Thomas aber kaufte sich nach einigen Jahren ein schönes Haus. Er war aber auch der Gründer und die Seele des Vereins gewesen.

Kurze Zeit nach meinem Reinfall im Verein »Koruna Nychodu« gruben wir einmal, wir waren gegen zwanzig Mann, zu einem neuen Sodaapparat den Grund aus. Da kam eines Morgens der Schindler angerast und schrie schon von weitem: »In die Versammlungen gehen und dort Reden halten!?« Gleich darauf schob er wie ein Wütender wieder weiter, »Wen ging das an?« fragte da einer den andern, als er hinter dem Kupfervitriolgebäude verschwunden war. »Dich, Holek,« war die Antwort. Lange dachte ich nach, von wem der Schindler erfahren haben konnte, daß ich in einer Versammlung gewesen und dort gesprochen hatte. Schließlich erinnerte ich mich an den Fabriktischler Rinda, der auch Mitglied des Vereins »Koruna Nychodu« war und mit dem Schafarschik paktierte, vielleicht war's der gewesen? Jedenfalls wurde ich bald nachher auf die Sodaschlammhalde versetzt, die sich außerhalb der Fabrik befand. Das galt als der letzte Posten, den einer in der Fabrik erhielt; von dort wurde man gewöhnlich gänzlich abgeschoben. Die sechs Mann, die wir da beschäftigt waren, waren im gewissen Sinne eine Strafkolonne. Man arbeitete dem Schindler direkt vor den Augen, wer die Arbeit nicht leisten konnte, so daß sich die andern über ihn beschweren mußten, der mußte unweigerlich gehen. Und leicht war die Arbeit in der Tat nicht. Denn der Schlamm, der aus gemahlenen und ausgelauchten Steinen bestand, mußte mit der Schubkarre bis sechs Meter hoch gefahren und dann aufgeschüttet werden. Der Wochenlohn aber betrug nur acht bis neun Gulden. Dennoch hielt ich dort noch ein Jahr aus. Denn auch mir war es lieb, daß ich den gehaßten Mann vor den Augen hatte.

Ich aber und der Nowotny, wir wurden die intimsten Freunde, weil er in allem gut unterrichtet war, schätzte ich ihn immer höher und als meinen Meister. Und er wieder freute sich über meinen Eifer. Hatte ich abends oder Sonntags nur ein bißchen Zeit, so war mein Weg zu diesem Manne. Und niemals verbrachten wir die Zeit unnütz.

Einmal, als ich ihn wieder besuchte, saß bei ihm ein nur gewöhnlich gekleideter, ungefähr fünfunddreißig Jahre alter Mann, mit dem er in ein Gespräch vertieft war. Sie sprachen Deutsch, weil der Mann nicht Tschechisch konnte. Der Nowotny stellte ihn vor als einen Genossen Hanke. Bald erfuhr ich aus seinem Munde, was ihn hierher getrieben, welches Schicksal er zu ertragen hatte. Er war als Maschinenwärter im Kohlenrevier tätig gewesen, dann wegen seiner sozialistischen Gesinnung verfolgt, vielmal schon aus der Arbeit entlassen worden und nun wieder einmal arbeitslos. Längere Zeit war er von einem Schacht zum andern gewandert, stets umsonst.

Es war zum Weinen, was der Mann von all den Verfolgungen uns erzählte. Er blieb bei Nowotny über Nacht. Sein Wille war, ins Ausland zu wandern.

Sehr beklemmend wirkte es auf mich und uns alle, als eines Samstags abends, als wir wie gewöhnlich im Hotel Neptun saßen, der Nowotny uns aus der »Narodni Listy« vorlas, daß ein gewisser Cerny wegen Hochverrats zu sechzehn, der Paæes zu zwölf und der Rampas zu zehn Jahren Kerker verurteilt worden waren. Traurig schauten wir einander an, als er mit dem Lesen des Berichts zu Ende war. Ich kannte die Männer nicht. Aber auf dem Heimwege erzählte mir dann der Nowotny näheres über die Tat, derentwegen sie so harte Strafen erhalten hatten. Sie hatten bei Reichenberg in Böhmen eine geheime Druckerei errichtet, um eine Zeitschrift selbst zu drucken und unter die Genossen der Partei zu verschleißen. Aber es war ihnen nur eine einzige Nummer herzustellen gelungen. Dann hatte sie die Polizei schon gefaßt. Nachher bekam auch ich von Nowotny diese einzige Nummer dieser geheimen Zeitung zu lesen. Es war ein vierseitiges Blatt kleinen Formats. Gleich beim ersten Blick erkannte man, daß das keine Fachleute hergestellt hatten, aber für einen Schuhmacher und Maurer war es noch reichlich gut genug gemacht. Ihr Titel hieß »Svoboda«, das ist »Freiheit«. Ihr Inhalt war so, daß sich selbst mir beim Lesen meine Haare sträubten und mich die Kälte überrieselte.

Der Cerny hat seine lange Strafe auch überstanden, starb aber bald, nachdem er die Freiheit wiedererlangt hatte. Der Rampas kam nicht mehr lebend aus dem Kerker. Und der Paæes bekam noch drei Jahre dazu, weil er sich an einem Sträflingsaufseher tätlich vergriffen hatte. Ob er noch lebt, weiß ich nicht.

Dann erschien eine Vorlage wegen eines Ausnahmegesetzes am Gesetzeshimmel. Wie einem verderbenbringenden Gewitter sahen wir ihr entgegen. Nach ihr sollte, wie man in unserer Zeitung las, kein freiheitlicher Schritt mehr möglich sein. Wie ernst auch die Redaktion des »Duch Casu« die Gefahr nahm, geht daraus hervor, daß sich der Redakteur Hlawacek in einer Nummer verabschiedete und dann übers Wasser / nach Amerika / fuhr. Zum Glück wurde das Gesetz vom Reichsrat dann doch nicht angenommen, und wir atmeten wieder leichter auf.

Unser enger Kreis, obzwar wir schon einige neue Anhänger gewonnen, wollte uns / es war nun im Herbst des Jahres 1886 / auf die Dauer immer weniger genügen. Die Zusammenkünfte im Walde oder in den Gasthäusern entlegener Dörfer wurden uns mit der Zeit überdrüssig; die meisten von uns sehnten sich nach öffentlichem Leben, nach einem Verein. Einen solchen gründen, war nun freilich eine heikle Frage. Die älteren Genossen trauten der Behörde nicht, daß sie ihn anerkennen würde. Der Verein Eintracht und auch ein Arbeiterbildungsverein waren schon von der Polizei aufgelöst worden, weil auch in letzterem die Aufklärung in sozialdemokratischem Sinne getrieben worden war. Schließlich kamen wir nach langem Hin und Her auf den Gedanken, den nationalen Verein »Koruna Nychodu« mit Hinterlist zu okkupieren, um ihn in unsere Hände zu bekommen. Zu dem Zwecke wurden zunächst diejenigen von uns als Mitglieder hineingeschoben, die den Nationalen am wenigsten bekannt waren; sie sollten für uns dort erst den Weg ebnen. Nowotny und ich sollten mit dem Eintritt bis zuletzt warten. Unser Plan geriet uns immer besser. Alle, einer nach dem andern, waren drin, nur wir zwei warteten noch die Gelegenheit ab. Unsere Leute hatten sogar schon einige Sitze im Ausschuß inne, und so waren wir schon unseres Erfolges sicher. Die Nationalen schienen unsern Plan nicht zu durchschauen, bis schließlich der Schafarschik dahinterkam. In einer einzigen Ausschußsitzung wurden unsere sämtlichen Leute aus dem Verein ausgeschlossen. Und so blieb uns wieder weiter nichts übrig, als so wie früher fortzuwursteln, wenn ich heute noch manchmal über dies Parteitreiben nachdenke, muß ich darüber wie über ein Kinderspiel lachen. Und doch war damals alles nicht anders möglich. Es erinnert an die Kinderjahre, wo wir auf den Wiesen Vieh weideten und uns Kartoffeln brieten. Da mußten wir auch mit der Mütze oder Schürze fächeln, damit das Feuer nicht erlosch. Aber wenn wir genug Stroh oder Blattwerk bei der Hand hatten und es auf das Feuer legten, dann schlug die Flamme hoch.

Kurz danach ging es doch noch mit einer Vereinsgründung vorwärts. Statuten hatten wir schon ausgearbeitet und geschrieben. Da begannen sich die Nationalen im »Koruna Nychodu« in die Haare zu fahren; ein Teil von ihnen trat aus dem dortigen Verein aus und beabsichtigte, einen neuen zu gründen, wußte sich aber dabei keinen Rat, wie das gemacht werden sollte. Als wir das erfahren und sie sich ihrerseits uns zu nähern anfingen, wurden wir einig, einen Verein gemeinschaftlich zu gründen. Natürlich fädelten wir es so ein, daß uns das Ruder in Händen blieb und wir die Majorität im Ausschusse hatten. Aber Nowotny war mit dieser Paarung nicht einverstanden und trat deshalb dem Verein nicht bei. Wir tauften den Verein »Polaban«, das ist »die Elbtäler«. Es war ein besonderer Titel, aber er verriet keine freidenkerischen Absichten und stach der Polizei nicht so in die Augen wie »Eintracht« und andre.

In der ersten Zeit brachte diese Gründung und die Haltung der meisten Genossen nur Zwist und Feindseligkeit unter uns. Die nationalen Brüder trieben hinter unseren Rücken allerhand Intrigen. Die Arbeiterzeitungen »Rovnost« (Gleichheit) und »Hlas Lidu« (Volksstimme), die bei uns auslagen, waren ihnen Dornen im Auge, ebenso auch wissenschaftliche Bücher. Kurz, sie haßten auch jetzt noch alles, was Bildung und Aufklärung hieß. Manche von unsern eignen Genossen fingen sogar unter ihrem Einfluß wieder zu schwanken an und ließen von ihren Prinzipien nach. Solche Achselträgerei wollten wir übrigen nun aber nicht dulden; besonders Nowotny und ich, wir vertraten die Ansicht: alles oder nichts! Darüber kam es zu öfteren heftigen Zusammenstößen unter uns. Und unsere frühere Organisation ging immer mehr aus dem Leime. Die Genossen sanken so weit, daß sie auf Betreiben der Nationalen sogar für meinen Ausschluß stimmten. Die Sache verhielt sich so: Ich versah im Ausschuß die Bibliothekarstelle. Und da wir anfangs arm an Lesebüchern waren, borgten wir uns welche vom Arbeiterbildungs- und Unterstützungsverein in Türmitz. Darunter befand sich auch das Buch Monismus, das sich nun zufällig auch ein Nationaler einmal lieh. Der Inhalt brachte den Helden so außer sich, daß er von einem Mitglied zum andern lief und ihm erzählte, was für ein gottloses Buch das sei. In der nächsten Monatsversammlung zogen dann die Nationalen wild über mich her, warfen mir vor, daß ich meine Funktion mißbrauche, den Vereinsmitgliedern meine eigenen revolutionären und religionsfeindlichen Bücher leihe. Ich ging darauf gegen sie rücksichtslos vor und behandelte sie und auch meine Parteigenossen, die sich bei dem ganzen Vorgang höchst gleichgültig benahmen, nicht sanft. Der und jener fühlte sich beleidigt. Eine außerordentliche Ausschußsitzung wurde einberufen, und ich eiligst ausgeschlossen. Auf das Ausweisungsdekret, das ich dann erhielt, schrieb ich aber mit Beihilfe Nowotnys dem löblichen Ausschuß eine Antwort, die Hörner und Zähne überreichlich hatte. Es folgte deshalb noch eine außerordentliche Ausschußsitzung, in der ich mich dessen, was ich geschrieben hatte, rechtfertigen sollte. Das kam mir gelegen, um den Kerlen noch einmal meine Meinung zu sagen. Die nächste Monatsversammlung aber verwarf schließlich meinen Ausschluß und wählte mich wieder zum Bibliothekar. Trotzdem zogen meine Feinde daraus keine Konsequenzen. Schließlich gelang es uns doch mit der Zeit, die Nationalen zu verdrängen und eine Vereinstätigkeit in unserem Sinne und Geiste zu entfalten. Mancher Arbeiter, der nach Aussig angewandert kam, trug dann, wenn er wieder weiter in die Welt reiste, eine höhere in diesem Verein erworbene Anschauung mit sich fort.

In diese Zeit fiel auch meine Bombengeschichte. Aber nur weiter lesen, lieber Leser, nicht zittern; denn es ist keine explodiert, und es gab auch keine Tote. Mir war nämlich damals ein Bombenrezept aus einer amerikanischen Zeitung in die Hände gefallen. Und das wollte ich nun einmal probieren. Was ich eigentlich mit den fertigen Bomben machen wollte und warum ich überhaupt auf den Gedanken gekommen war, wußte ich selbst nicht. Jemanden töten? Lächerlich! Dazu war ich viel zu weichherzig. Konnte doch nicht einmal ein Kaninchen schlachten sehen, und wenn wir zu Hause einmal ein Schwein geschlachtet, riß ich immer aus. Was wollte ich also mit einer Bombe machen? Ich wußte es eben selbst nicht. Und doch ging ich zu dem Klempnergesellen Prusik, der auch Vereinsmitglied war, und ersuchte ihn, mir zwei Büchsen zu machen. Als ich ihm ihre Größe, Form und alles so genau und eifrig angab, frug er mich neugierig, was ich eigentlich damit wollte; ich verriet aber nichts. Aber die Sache mochte ihm doch schon verdächtig gewesen sein. Bald darauf wurde ich auf einen Abend von den Genossen zu einer Besprechung eingeladen. Die Freunde waren diesmal merkwürdigerweise alle erschienen. Ich ahnte schon etwas Wichtiges. Ehe ich aber noch fragen konnte, über was denn verhandelt werden sollte, wurde mir auch schon von allen der Kopf gewaschen: »Was denkst du? Was machst du? Du willst uns alle ins Unglück stürzen!« und so ging es weiter. Der Prusik hatte es ihnen verraten. Und ich? Ich war ihm im Herzen dankbar dafür. Und das ist die ganze Bombengeschichte, die mir aber deutlich im Gedächtnis geblieben ist. Von dem Rezept selber aber weiß ich heute nichts mehr.

Durch das Vereinsleben offenbarte sich mir immer mehr meine Rückständigkeit im Schreiben. Nun sah ich erst, was ich mindestens hätte in der Schule lernen sollen. Wenn manchmal unter den Mitgliedern von Rechtschreiben und Ähnlichem gesprochen wurde, zog ich mich verschämt zurück, um meine Unkenntnis in dieser Hinsicht nicht enthüllen zu müssen. Aber es veranlaßte mich doch, mir von Prag die Sprachlehre und ein Lesebuch der vierten Klasse der Volksschule schicken zu lassen. Und nun fing ich an, von neuem zu lernen, mit dem festen Vorsatz, den alten, allerdings nicht durch mich verschuldeten Fehler endlich gut zu machen und meine Vereinskollegen wenigstens einzuholen. Freilich, ich hatte zwar einen guten Willen, aber doch zu wenig Zeit. Was sollte ich nicht in den paar freien Stunden abends alles leisten? Lernen, Bücher und Zeitungen lesen und dann noch das Vereinsleben dazu! Doch gelang es mir mit vieler Mühe allmählich, die tschechische Rechtschreibung zu lernen. Ach, was hätte wohl mein alter Lehrer Behounek gesagt, wenn er mich so gesehen hätte, wie ich als dreiundzwanzigjähriger Kerl abends in den Schulbüchern herumblätterte und lernte? Ach, damals, als er mich das lehren sollte, trieb mich die Not von ihm fort, unter fremde Menschen Brot zu betteln, anstatt zur Schule zu gehen. Und nun mußte ich mich schämen, weil ich das Nötigste nicht lernen konnte.

Mein Vater hatte bis nach Charwatetz hin erfahren, daß ich zu den Sozialisten halte. Und die Angst um mich trieb ihn eines Tages zu mir nach Aussig. »Kind, stürze dich nicht ins Unglück und lasse von der Sache ab!« bat er mich kläglich. Dann erzählte er mir, wie der Heizer Podany aus der Zuckerfabrik nach Amerika ausgewandert, dann wieder zurückgekehrt war, sozialistische Zeitungen mitgebracht und sie in der Fabrik verborgt hatte. Aber die Gendarmerie hätte es schließlich erfahren und ihn verhaftet; viele Wochen säße er schon in Untersuchungshaft in Prag und seine Familie befände sich in größter Not. »So könnte es auch dir passieren!« meinte er besorgt. Dabei brachte er natürlich alle seine Vorurteile zum Vorschein. »Ein armer Mensch vermag nichts … Mit dem Kopfe rennt man nicht die Wand durch!« und ähnlich ging das lange Zeit fort. Schließlich gelang es mir doch, ihn zu beschwichtigen. Ich setzte ihm auseinander, was die »Sozilisten«, wie er sie nannte, eigentlich anstrebten, daß nur den armen Leuten ihre Lage verbessert werden solle, und daß sie keine so gefährliche Menschen wären, wie von ihnen die Meinung herrsche. Aber noch bevor er das Schiff nach heimwärts bestieg, versicherte er mich, vorsichtig zu sein, um mit den Behörden nicht in Konflikt zu geraten. »Ich bitte dich! Daß es dir nicht auch so geht wie dem Podany!« ermahnte er mich noch einmal, als wir uns schon die Hände zum Abschied gereicht hatten.

Unterdessen war die Schlammhalde mit der Eisenbahn bis hinter Karbitz in die durchgebrochenen Täler, die durch den Kohlenbau entstanden waren, geschafft worden. Und es genügten nun zu dem Planieren des Schlammes nur zwei Mann. Für diese Arbeit blieben dort der ehemalige Ziegelmeister Bamba, der längst von seinem guten Posten abgesetzt worden war, und der Zumpe. Wir übrigen vier Mann gingen wieder zum Schindler vor sein Kontor. Der hatte aber schon für uns gesorgt. Als wir uns vorstellten, hieß er Gläsner, Fischer und mich mitgehen. Es ging nach dem Sodaapparat, in das sogenannte Calzinierhaus. »Hier bringe ich Ihnen drei Mann, die bleiben so lange hier, bis ich sie wieder holen werde!« sagte er zum Vorarbeiter Köcher. Was seine Worte bedeuteten, verstanden wir, nämlich, daß wir für immer hierher verurteilt seien. Aber es war schon spät im Herbst, und wir konnten deshalb nichts weiter machen, durften nicht das Geringste einwenden, wenn wir nicht ganz aus der Fabrik hinausfliegen wollten.

Die Arbeit in dieser Abteilung reichte gerade aus, der Lohn dagegen nicht, denn er betrug nur ein Gulden zehn Kreuzer für die Schicht. Diejenigen, die sich schon längere Zeit hier quälten, bekamen zehn Kreuzer mehr dafür. Gearbeitet wurde Tag und Nacht abwechselnd. Unter den zwölf Mann waren wir drei Tschechen, die übrigen waren alles Deutsche. Der Vorarbeiter Köcher war ein vernünftiger Mensch, ein weißer Rabe unter seinen Kollegen. Er erzählte gern und hörte auch gern immer wieder Neues. Mir war das natürlich sehr lieb, und ich sorgte für Stoff, um ihn immer zu befriedigen. Über Politik sprachen wir nur dann, wenn wir hier und da allein waren. Unter diesen Umständen hätte es mir da schon gefallen können, wenn es nur mehr Lohn gegeben hätte und die Nachtschichten nicht gewesen wären. Doch hielten wir drei bis zum Frühjahr bei dieser harten Arbeit aus.

Als aber dann die Sonne immer wärmer schien, es immer besser mit uns meinte, die Hitze an dem Apparate aber immer drückender wurde, da zog es uns mächtig hinaus; wir sehnten uns nach frischer Frühlingsluft und bekamen Lust, lieber draußen zu arbeiten.

Wir gingen wieder zum Schindler. Er wollte uns nicht haben. So spannen wir noch einige Schichten weiter und dann begaben wir uns zum Betriebsleiter Modús und ersuchten ihn um Zulage. »Nein, nein!« sagte er und lief von uns fort.

Darauf ging ich allein zum Maurerpolier Walter in der Fabrik und frug den, ob er mich nicht beschäftigen möchte, und der nahm mich gleich an, da er mich kannte. Aber nach einigen Tagen kam der Fabrikwachtmeister zu mir / ich war gerade mit Grundgraben beschäftigt / und fragte mich: »Holek, wo haben Sie denn Ihre Papiere!?« »Bei Ihnen, Herr Wachtmeister!« war meine Antwort und sah dem Herrn verwundert nach. Am nächsten Tage aber, früh beim Verlesen, schrie er mich an, als ich drankommen sollte: »Für Sie habe ich keine Arbeit mehr!«

Ich fragte ihn nicht warum und holte mir meine Papiere. Denn ich wußte ja, von wo der Wind herkam.

Also, der Walter, der alte hinkende Mann, ließ mich nun aus der Arbeit gehn! Der! der schon selbst lange aus der Fabrik hätte hinaus sein sollen! Hatte ihn doch mein Kollege und Freund Kolar, als er noch bei ihm arbeitete, in der Werkzeugstube angetroffen, im Momente geschlechtlichen Verkehrs mit einer Handlangerin. Kolar hatte es auch der Bauleitung gemeldet. Walter aber diente weiter, bis er Pension bekam.


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