Jakob Christoph Heer
Der Wetterwart
Jakob Christoph Heer

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X

Es schneit! Flocken, fast so groß wie meine Manuskriptblätter, gleiten lautlos und geheimnisvoll durch die Nacht. Dieser stille Schneefall mauert mich ab von Welt und Menschen. Zusammengekugelt liegt Flock am Ofen, und Pück, die Dohle, hat den Kopf unter die Flügel gesteckt. Tiefe Wehmut zittert mir durchs Herz. Wie froh bin ich, daß ich in meiner Beichte Vergessen finde! Der Abend hat just die richtige Stimmung, daß ich von meinem Abschied aus der Heimat spreche.

Still gehobenen Mutes wanderte ich nach Gauenburg hinaus, um dem Landammann meinen Entschluß mitzuteilen. »Ich hätte mich in Ihrem Wesen verrechnet, wenn Sie auf das Angebot meines Freundes nicht eingegangen wären,« erwiderte er mit einem wohlwollenden Lächeln und ließ seine Blicke über meine ganze Gestalt gehen, als werde er sich an mir, dem in großem Wandererentschluß stehenden jungen Manne. »Nun Glück auf, Herr Wildi!« fuhr der ehrwürdige Greis mit klarer, angenehmer Stimme fort. »Seien Sie fleißig, seien Sie brav und treu, und unter der Führung unseres lieben und verehrten Landsmannes in Hamburg werden Sie Ihren schönen Weg gehen. Ist es Ihr Ernst, daß Sie nach einigen Jahren in die Heimat zurückkehren und selbst ein Geschäft begründen wollen, so werden Sie meine und des Landrates Hilfe und Förderung finden. Sie besitzen ja von Ihrem Vater her ein eigenes kleines Kapital und aus den Liebesgaben für die Hinterbliebenen von Selmatt liegt zinstragend eine Summe in der Schirmlade des Landes; daraus wird den Berechtigten je nach Bedürfnis ausgehändigt, auch Ihnen, wenn Sie sich einmal selbständig machen wollen. Und wenn Sie durch irgendwelche Lebensumstände vorher eines Betrages bedürfen, so schreiben Sie mir mit Darlegung der Gründe. Der Landrat wird das Gesuch wohlwollend prüfen. Melden Sie mir überhaupt dann und wann, wie es Ihnen geht, und lassen Sie sich in der Fremde stets von dem Gedanken begleiten, daß Sie der Bürger eines kleinen, aber für seine Söhne treu sorgenden Landes sind!«

Mir war, aus der stolzen Greisengestalt spreche meine Bergheimat, das gesamte Land in verkörperter Güte zu mir; in rascher, warmblütiger Bewegung streckte ich dem Landammann die Hand entgegen. »Nein,« rief ich, »den Dank, den ich Ihnen schuldig bin, vergesse ich nie; in Liebe und Treue denke ich immer an unsere Berge!« Da schoß ein noch wärmerer Strahl des Wohlgefallens aus den Augen des ehrwürdigen Herrn, und lächelnd beendigte er die Unterredung mit den Worten: »Nun gehen Sie zu meiner lieben Frau, Herr Wildi, sie hat sich die Freude erbeten, für Ihre Reiseaussteuer zu sorgen. Man muß Ihnen, wohin Sie gelangen, ansehen, daß Sie aus einer rechten Heimat kommen!«

Rasch und wie von selbst ordneten sich meine Angelegenheiten, und der herbvornehmen Frau Landammann war eben das Beste, was sie in Gauenburg auftreiben konnte, für mich gut; ein Bürgerssohn aus reichem Haus hätte keine schönere Ausrüstung erhalten.

Ich trug den feinen, dunkeln Anzug, der dazu gehörte, zum erstenmal bei der großen Trauerfeier, die aus Landesauftrag auf der Stätte des verschütteten Dorfes Selmatt abgehalten wurde. Der furchtbar schwere Tag war der Abschied von der Heimat. Am anderen zog ich nach Hamburg, Duglore nach Hagenach, Melchi zu seinem Großbauer. All die Heimatlosen der untergegangenen Gemeinde hatten wieder ihr Dach und Nest, und es ging ihnen sogar besser, als ehe das erschütternde Unglück geschehen war.

Da lag sie ja, die alte Heimat mit ihren Toten, ein Geröll- und Blöckestrom, ein Sodom und Gomorrha der Berge. Wo der Tafelberg mit seinen überhängenden Tannen- und Föhrenschirmen und zerrissenem Gestein gestanden, braune Hütten und Hürden freundlich von der Alpe Boden ins Tal geblickt hatten, gähnte eine schreiend neue, graublaue, fast glatte Schieferwand. Die Wand hinab fegte der mit Schneeflocken untermischte Sprühregen eines rauhen Oktobertages auf den Schutt, der das Dorf bedeckte; der Feuerstein aber war in Wolken verborgen.

Aus der Wölbung des Sturzschuttes ragte der Geröllhügel, den die Zweibrückner Mannschaft aufgeworfen hatte, als sie mich, den Lebendigbegrabenen, aus der Gruft der Ahornkrone schaufelte. Darauf stand, mit schwarzem Tuch umwunden, die Kanzel, von welcher der alte Zweibrückner Pfarrer seine wuchtige Trauerrede begann: »Klag' auf Klag' – Hundertzweiundneunzig in einem Grab.« Er verlas die nicht enden wollende Reihe der Toten. In weitem Ring schluchzte das Bergvolk stärker und stärker auf. Mit entblößten Häuptern trotzte es wie eine dunkle Mauer dem Sturm und Regen, gab den Toten die Ehre, weihte das Schuttfeld zum Kirchhof, zog eine Hecke um das kleine Geviert, in dem die etlichen Aufgefundenen, darunter mein Vater, begraben lagen, und erhob auf dem Hügel ein großes, dunkles Grabkreuz mit der kurzen, schweren Inschrift: »Hier ruht Selmatt!«

Allmählich strömte die Menge wieder gegen Zweibrücken hinaus; wir Selmatter Hinterlassenen blieben noch eine Stunde: jedes hing seinen schweren Gedanken nach und betete für die Eltern und die anderen Erschlagenen. Wie ich innig an meine selige Mutter dachte, da fiel mir ein, es würde sie wohl im Grabe freuen, wenn ich auf der Reise nach Hamburg ihre Rheinheimat, die Stätte ihrer Kindheit, besuchte. Duglore trat zu mir. »Jost,« sagte sie, »es hat ein Zweibrückner mein Kirchengesangbuch gefunden, das mir im Sturm des Bergsturzes davongeflogen ist. Es ist zwar von Wind und Wetter etwas übel zugerichtet, aber ich will es dir doch schenken, Jost. Lege es jede Nacht als ein Gedenken von mir unter dein Kopfkissen, und es wird dir ein Schutz und mir ein Trost sein!«

Ich nahm das seltsame Liebesunterpfand, und still schieden wir von der verwüsteten Heimat. Ich war über jeden Schritt froh, der uns von ihr entfernte. Hätte ich doch in der nebelumwallten Talspalte nicht leben können, ohne ein Tor zu werden. Duglore und Melchi aber, die neben mir gingen, sagten, es sei ein Leid, daß man nun die alte Heimat den Hasen und den Füchsen überlasse, daß Wald da wuchern solle, wo sonnenbraune Hütten und steinbeschwerte Schindeldächer das einfache Leben der Eltern beschirmt hätten. »Es ist mir schrecklich, wenn ich denke, daß am Abend kein Lichtlein durch die Heimat schimmert,« versetzte Duglore schmerzvoll, und Melchi erwiderte: »Ich gehe ganz gewiß wieder nach Selmatt; wenn es sonst auch niemand tut, will ich da wohnen. Der Berg ist gefallen, das Tal sicherer als vorher.« Tu's, Melchi, dachte ich, Duglores Augen aber leuchteten voll inniger Dankbarkeit über seine Worte. »Jost, eigentlich hätten wir uns auch dazu entschließen sollen,« sagte sie noch am Abend in Zweibrücken, der nichts als ein herzbeweglicher Abschied war. »Daß ich über die Trennungszeit hinwegkomme,« schluchzte Duglore, »dazu helfe mir Gott!« Fast mit Gewalt mußte ich mich aus ihren klammernden Armen lösen, und ich atmete auf, als der Gemütssturm des Abschiedes vorüber war.

Das Wetter hatte sich über Nacht gehellt; sonnig erwachte der Tag, der mich hinaus in die Welt führte, über den Bergen. Noch einmal sah ich den Feuerstein glühen, aber nach einer Stunde Eisenbahnfahrt schon stand er nur noch wie ein Traumbild der Luft hinter dunkeln Wäldern und blauduftigen Hügeln, und über ihm vergingen in Licht und Schleier die Hochlandsfirnen. Als ich noch einmal nach dem Berg meiner Väter blicken wollte, war er nicht mehr da.

Zum Zerspringen wogte meine Brust. »Du bist aus einem rechten Lande, Jost Wildi. Ihm zu Ehren mußt du dich als ein braver und tapferer Mann bewähren. Du hast an Duglore eine gottgesegnete Liebe. Der mußt du treu sein bis in den Tod.« In heiligen, geheimnisvollen Lauten redete es in mir.

»Junger Mann, Mut! Es lebt sich auch anderwärts, selbst in Amerika,« sagte ein älterer Herr, der mir gegenüber saß, etwas spöttisch. Er sah aus, wie wenn er weit durch die Länder gereist wäre. Ich schämte mich meiner weichen Regung und der Stimmen, die wie Orgeltöne durch die Grundtiefen meiner Seele geklungen hatten. Ich gehörte der Welt!

Aber jedes halbwüchsige Stadtkind wußte mehr von der Welt als ich. Zum erstenmal fuhr ich auf einer Eisenbahn, und über manches, was ich fragte, erstaunten die Menschen und stellten lachend die Gegenfrage: »Ja, woher kommen Sie denn, daß Sie das nicht wissen?« »Von Selmatt!« Das Dorf war vom Bergsturz her in aller Munde; die Antwort erweckte Teilnahme, und wenn ich auch über meine Unkenntnis erröten mußte, getröstete ich mich, daß ich mich unter den Leuten bald zurechtfinden würde. Ein paar Stunden jenseit der Landesgrenzen aber ward es mir schwer. Die Leute schüttelten zu meinem Bergdeutsch die Köpfe, als spräche ich Welsch; ich verstand auch sie nicht. Still fuhr ich meines Weges, und halb hoffnungsreich, halb reuevoll ließ ich mich bis zum Abend durch die Herbstbilder der mannigfaltigen Landschaften in die Ferne tragen. Ich übernachtete in einer großen Stadt, wechselte den Zug, den ich am Morgen bestiegen, mit dem Rheindampfboot und rüstete mich den Brüdern und Schwestern meiner Mutter, mir unbekannten Verwandten, Grüßgott zu sagen. Milde Oktobersonne überglänzte den mächtig breiten Strom, an den Ufern lehnten verträumte Kirchen, auf den Hügeln standen die Schlösser, aus den Rebbergen schimmerten die Landhäuser und hoben heitere Fahnen zum Gruß empor, an den Abhängen der Weinberge herrschte reges Treiben, das freudige Bild der Weinlese, das mir ebenso neu war wie der groß und stattlich dahingleitende Dampfer. Herzliches Muttergedenken kam über mich, am stärksten, als eine Gruppe von Landleuten, die eben ins Boot gestiegen war, von Trauben und Wein, von Kauf und Verkauf zu sprechen begann. Ich verstand ihre Sprache, vom Munde der Mutter hatte sie meine Kindertage umklungen.

An der Stromhalde hing ihr Heimatdorf; nach ihrer Beschreibung erkannte ich es auf den ersten Blick: die lindenumschattete Kirche auf dem Felsen, das spitzgiebelige Haus, auf dem der Storch sein Nest gebaut hatte, die Laube, aus deren Blättern die golden angelaufenen Trauben glänzten.

Ich stieg ans Land, den Hügel empor, fand aber das Mutterhaus geschlossen. Eine Nachbarin, die auf einer Treppe Bohnen enthülste, rief mir zu: »Die Familie Rheinsberger schneidet hinter dem Haus im Weingarten die Trauben,« kam und führte mich. Ein Mann, in dem ich leicht den ältesten Bruder meiner Mutter erkannte, empfing mich mit gezogenem Käppchen und neugierig freundlichem Blick. »Schön sonnig Wetter macht's,« begann er und hielt mich für einen fremden Weinkäufer. »Ich bin Jost Wildi von Selmatt!« stellte ich mich vor. Er öffnete die Augen groß. »Da wär't Ihr also meiner Schwester Ottilie selig ihr Sohn!« Die gesamte, wohl zwanzig Köpfe zählende Gesellschaft der Winzer und Winzerinnen wurde auf mich aufmerksam; mein Onkel aber, ein Fünfziger mit hell aufgeschlossenem Bauerngesicht, blieb etwas zurückhaltend, bis er sich überzeugt hatte, daß ich wirklich nur zu einem kurzen Freundschafts- und Verwandtschaftsbesuch und nicht etwa gekommen sei, um Ansprüche an die Familie zu erheben.

Nun aber ging es los mit Fragen, von den Alten nach der seligen Mutter, von den Jungen, die sie nicht gekannt hatten, nach dem Bergsturz, von dem sie aus den Zeitungen wußten. Bei Trunk und Imbiß erwachten die verwandtschaftlichen Gefühle. Ein paar lustige blonde und braune Bäschen gefielen mir besonders wohl. »Er kann von der Mutter her doch noch ein wenig rheinländisch,« kicherten sie, »nur gut kann er's nicht.« Eins der Mädchen – Liesel hieß sie – stieß mit übermütig schelmischen Augen das Glas an das meine. »Jost, sag' doch, sind in deinem Bergland alle Burschen so schmuck wie du?« lachte sie, und als ich nun der fröhlichen Gesellschaft die Trauben schneiden half, wich sie nicht aus meiner Nähe. Die anderen Mädchen wollten auch ihren Teil an mir haben; sie fanden es spaßig, daß ich so groß und so alt hätte werden können, ohne je eine Weintraube gesehen zu haben, und jubelten: »Da ist wieder eine süßgoldene für dich, Jost!« Nur um keins der lieben Bäschen zu kränken, aß ich Trauben, bis ich übersatt war. In die blauen Augen, in das Lachen, in das Blondhaar und in die junge üppige Gestalt der Liesel aber verschaute ich mich schier. Und sie sich in mich!

Am Abend entfaltete sich in der weinbehangenen Laube beim Schein farbiger Papierlaternen, beim angärenden Weinmost und munteren Spiel mit Walnüssen lustiges Jugendtreiben. Nicht lang, so rief der Klang einer Violine und einer Handharmonika die Paare zum Tanz, und unter allerlei Schalk und Mummereien der Mädchen flogen die Stunden. Ich tanzte zwar nicht mit, weil ich um meinen Vater in Trauer war, aber ich ließ mir von Liesel allerlei ins Ohr sagen, was närrisch und doch lieblich klang. »Jost, nur ein paar Tage bleibe,« flüsterte sie, »du mußt rheinländisch sprechen, rheinländisch lachen und singen und – lieben lernen.«

Ich aber riß mich am anderen Tag von meinen Verwandten, alt und jung, von den schelmischen Mädchen und der verliebten Liesel los, die mich alle noch halten wollten. Auf einer Umsteigestation schrieb ich Duglore das erste Brieflein, doch kein Wort von den artigen, fröhlichen Rheinländerinnen, von den vielen Küssen, die mir Liesel mit schwellenden Lippen gegeben und genommen hatte. Ich schämte mich bitterlich vor Duglore und dachte im brausenden Zug darüber nach, was für ein veränderlich und wundersam Ding das Menschenherz ist, und wie ich, Jost Wildi, der nie mehr hatte lachen wollen, den Abend lang ein leichtsinniges Blut gewesen war. Ich war über mich selbst ein wenig erschrocken, eigentlich traurig sein konnte ich aber nicht. Dafür war der Abend zu schön gewesen! Ein Abend vielleicht wie jener, da mein Vater sein Herz an meine Mutter verlor. Ich gedachte der Eltern und überlegte das Wort jenes alten Herrn, der mich für einen Amerikafahrer gehalten hatte. Gewiß, es lebte sich auch anderwärts, nicht bloß in den Bergen!

Wo aber waren die Berge geblieben? Was sollte ich zu dem weiten, lichtblauen Himmelsgewölbe sagen, das nicht von ihnen gestützt wurde, zu den braunen Flüssen, die wohl Schiffe trugen, aber keine Wellen warfen, zu der weiten Sandheide, über die der dünne, krüppelige Kieferwald bläulich erschimmerte. Bekümmert blickte ich nach den wunderlichen Windmühlen, die mit ihren trägen Riesenflügeln den Horizont und den sinkenden Abend gespenstig belebten. Ich meisterte die Tränen der Sehnsucht nach Duglore, und als ich aus der Unruhe und dem Gespräch der Reisenden merkte, daß Hamburg nahe sei, steckte ich den Tannenzweig der Heimat auf den Hut, an dem mich Herr Balmer auf dem Bahnhof erkennen würde. Lange Lokomotivpfiffe schrillten in graue Nebel hinein!

Es war aber in Hamburg von Anfang an vieles anders, als ich mir eingebildet und vorgemalt hatte.

Zu meiner großen Enttäuschung wurde ich am Bahnhof nicht von Hans Konrad Balmer abgeholt. Als ich neugierig und beklommen umherspähte, kam ein feingekleideter, hagerer Herr auf mich zu und entblößte seine Glatze mit überschwenglicher Höflichkeit. Seine Verbeugung kam mir sehr komisch vor, weil ich ihren Sinn noch nicht kannte. »Johannes Andreesen, Privatsekretär,« stellte er sich mir vor. »Herr Konrad Balmer empfehlen sich Herrn Wildi und lassen Herrn Wildi auf morgen um neun ins Bureau bitten.« Wie fremd, dachte ich, und diese Empfindung wuchs, als ich mit dem Sekretär in einem Wagen durch die lichterfüllten, nebeligen Straßen der Stadt fuhr. Herr Andreesen sprach mancherlei, wovon ich so viel verstand, daß ich künftig bei ihm wohnen werde. Da hielt der Wagen in einer stillen Straße mit hohen Häusern. Wir stiegen die Treppe hinauf, die helle Beleuchtung blendete mich; die im dritten Stock gelegene Wohnung der Sekretärsfamilie kam mir vor wie ein Fürstenpalast, ich wagte darin kaum zu gehen und zu stehen. Die Sekretärsleute gaben sich die größte Mühe, es mir heimisch zu bereiten, aber ihr höflicher, abgemessener Gesprächston verwirrte mich; darüber, daß ich die feinen Tischgebräuche nicht kannte, errötete ich fort und fort, und als ich halbtot vor neuen Eindrücken in mein Zimmer kam, wagte ich es kaum, mich auf mein Bett zu legen. Und wenn es schon beim Sekretär so ist, wie muß es erst beim Herrn aussehen!

Das Heimweh erfaßte mich vor dem Einschlafen furchtbar: Wäre ich doch wieder in Zweibrücken oder wenigstens bei den Verwandten am Rhein! Es beelendete mich, daß Herr Hans Konrad Balmer, der doch ein geborener Selmatter war und mich zu sich eingeladen hatte, nicht einmal an den Bahnhof gekommen war, um mich zu begrüßen.

Duglores Kirchengesangbuch unter dem Kissen, schlief ich doch gut!


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