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Während so, wie im vorigen Kapitel beschrieben, Scherz und Ernst in angenehmer Wechselwirkung die Einförmigkeit des Lagerlebens vertrieben, gingen und ritten Patrouillen zu den Vorposten hinaus, um für die Sicherheit des Bivouacs besorgt zu sein. Natürlicherweise bemerkte man auch nirgendwo etwas Verdächtiges, und die ins Lager heimkehrenden Kameraden hatten mit den draußen liegenden nicht nur vielleicht eine Flasche Wein gegen ein halbes Dutzend guter Cigarren ausgetauscht, sondern auch den Betreffenden gesagt: »Macht's euch bequem, so gut als möglich; die Alarmierung durch den feindlichen unvorhergesehenen Überfall wird nicht vor zwei bis drei Uhr stattfinden.«
»Hol' der Teufel den Vorpostendienst!« hatte ein junger Lieutenant von den Dragonern geantwortet, der mit seinem Zuge jenseits der Chaussee ohne Feuer und Licht in einer Niederung lagerte. »Ihr treibt ja da unten ein wahres Luderleben! Mein Kamerad von der Infanterie daneben hat eine Schleichpatrouille hinabgeschickt und mir mitgeteilt, daß ihr da drunten Zigeunermädels tanzen laßt. Na, wenn der Alte hinter dem Berge davon eine Ahnung hätte, der würde euch die Suppe komisch versalzen!«
»Lieber Freund, darüber sind wir vollkommen ruhig; bei so vortrefflichem Vorpostendienste, unter deiner schützenden Hand, können wir da drunten unbesorgt fortmachen und später ein wenig schlafen. – Also nichts Neues hier?«
»Möchte wissen, was es hier Neues geben sollte – ein kühler Wind und ein schlechter Schnaps voilà tout! Der Kamerad von der Infanterie will allerdings soeben unten im Thale Fuhrwerk gehört haben; was wird es aber sein? Frachtfuhrleute oder Holzwagen! Ich habe zum Überflusse eine Patrouille vorgeschoben; mir scheint,« sagte der junge Dragoneroffizier, indem er die Hand wie einen Lichtschirm über die Augen hielt, »dort kommt sie zurück. – Den Teufel auch, das ist eine starke Patrouille, und wie die Kerls daherjagen!«
»Höre, das Ding ist mir verdächtig, ich an deiner Stelle ließe zusammenblasen und aufsitzen.«
»Was meinen Sie dazu, Wachtmeister Klingler?« rief der junge Dragonerofsizier.
»Mit Verlaub zu sagen, Herr Lieutenant, mich soll der Teufel lotweise holen, wenn das nicht ein verdammter Überfall ist! Haben doch die Kerle Feldmützen auf! Blasen lassen und aufsitzen, Herr Lieutenant, wenn ich mir einen guten Rat erlauben darf, und zwar so rasch als möglich!«
Nun hatte sich aber in diesem verhängnisvollen Augenblicke der betreffende Trompeter seitwärts in die Büsche geschlagen, und war dieser verfluchte Millionenhund nirgendwo zu finden. Auch fehlten Leute genug vom Zuge, die sich rückwärts geschlichen, um von der Höhe der Chaussee herab ein bißchen Musik zu hören.
»Da sollen doch gleich zehntausend Kreuzdonnerwetter dreinschlagen!« rief der junge Offizier, indem er sich auf sein Pferd schwang, während der Wachtmeister es ebenso gemacht hatte, und die vorrätigen Leute sammelten sich so gut als möglich.
»Was ist da zu thun?«
»Für dich alles,« erwiderte lachend der andere Dragonerofsizier, indem er sein Pferd gegen das Bivouac herumwarf. »Du hast eine ganz immense Chance; natürlich erwartest du hier oben die Kavallerie, läßt dich zusammenhauen und stirbst den Heldentod, während ich hinunterreite, was die Pferde laufen können, um das Lager zu alarmieren. Auch ein Privatvergnügen.«
»Meinetwegen!« rief ihm der andere halb verdrießlich, halb scherzhaft nach. »So will ich denn hier oben den Heldentod sterben – lebe wohl, Freund, zahle meine Schulden und grüße mir Lottchen!«
Der andere jagte davon, was die Pferde laufen konnten, und als er auf der Höhe der Chaussee angekommen war, von wo er in das friedliche Lager hinabschauen konnte, wo so harmlos die Wachtfeuer loderten und wo die Musikbande gerade das idyllische, nervenberuhigende Lied spielte:
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten.
Daß ich so traurig bin –
da schoß der Dragoneroffizier seine Pistolen in die Luft, und die Reiter machten es mit ihren Karabinern ebenso.
Es traf dies aber mit dem Momente des Abschiednehmens zusammen, als die Gräfin von ihrem Pferde herab dem General die Hand reichte, welche dieser ehrfurchtsvoll an seine Lippen drückte, dann aber bei dem Krachen der Schüsse erschreckt zurückfuhr und, nach der Höhe blickend, sagte: »Da droben scheint ja der Teufel los zu sein, was hat's da gegeben?«
Was es aber gegeben hatte, wurde im nächsten Augenblicke furchtbar klar, auch ohne die Meldung der im Carriere dahersausenden Dragoneroffiziere; denn oben auf der Landstraße, deren heller Streifen sowohl durch das Dunkel der Nacht leuchtete, als auch rechts und links auf den Anhöhen sich von dem immerhin noch glänzenden stahlfarbenen Himmel abhob, sah man ein Gemisch und Gewühl von Gestalten, die eine Zeitlang durcheinander wogten; dann leuchtete links ein scharfer, blitzender Strahl auf, dem der dumpfe Knall eines Geschützes folgte, gleich darauf ein zweiter Blitz, ein dritter, vierter, fünfter und sechster.
»Das ist ja gegen alle Absprache und Kleiderordnung!« schrie der General, während seine Adjutanten und Ordonnanzoffiziere sich auf die Pferde geworfen hatten und die einzelnen Truppenteile alarmierten. »Wie kann man da in der gehörigen Verfassung sein, wenn ein vorher bekannt gemachter Überfall mehrere Stunden zu früh losbricht!
»Entschuldigen Sie mich, gnädige Gräfin, ich muß diesen Banditen da oben rasch etwas Kavallerie entgegenwerfen. Meinetwegen sollen sie handgemein werden und diese naseweisen Artilleristen tüchtig um ihre langen Ohren karbatschen. Herr Oberst von Schwenkenberg,« rief er dem daherjagenden Kommandeur der Dragoner zu, »die Vorposten da oben sind von Ihrem Regimente, das müssen Sie untersuchen lassen und exemplarisch bestrafen! Hol' der Teufel diese Schlafmützenwirtschaft! Nehmen Sie aber jetzt Ihre sämtlichen Eskadronen zusammen und attaquieren Sie die Batterien da drüben! Ich werde Ihnen sogleich Infanterie nachschicken!« – Damit sprengte er, nach einem flüchtigen Gruße gegen die Gräfin, seiner Artillerie entgegen, die dem erhaltenen Befehle gemäß zurückjagte, um sich auf der gegenüberliegenden Höhe aufzustellen.
Der Dragoneroberst von Schwenkenberg warf sein Pferd ergrimmt gegen den Regimentsadjutanten herum und schnauzte ihn an: »Welcher von den Windbeuteln hat uns da oben so vortrefflich bewacht? Ist das eine Wirtschaft, Herr Rittmeister von Blankenscheid! Da soll doch gleich ein Schock Schwernot dreinschlagen! Wer ist der Unglückliche? Doch kommen Sie, kommen Sie, daß wir rasch über sie herfahren. Wer ist dieses traurige Menschenkind?«
»Lieutenant Graf Hörn,« antwortete der Adjutant, neben seinem Chef dahinjagend.
»Er starb den Heldentod,« konnte sich der Dragoneroffizier, der die Patrouille geführt, nicht enthalten, einem Kameraden lachend zu sagen. »Friede seiner Asche.«
»Und ein ehrliches Begräbnis beim Stabsprofoß.«
Die schöne Gräfin hatte mit strahlenden Augen diesem prächtigen Wechsel der Scenerie zugeschaut und wie der glänzende Kreis der Offiziere so eilfertig nach allen Richtungen auseinander gestoben war. Mit leicht geöffneten Lippen horchte sie auf das Schmettern der Trompeten, auf das Wirbeln der Trommeln, auf den rollenden Kanonendonner, und dann, ohne sich um die fast ängstlich fragende Miene ihres Stallmeisters zu bekümmern, warf sie mit einem leichten Zungenschlage ihr Pferd herum und jagte den Dragonern nach, die jetzt in geschlossener Front gegen die Höhe avancierten.
Daß die Zuschauer aus dem Civilstande, welche sich um die Baracke des Generals zusammengedrängt hatten, ebenfalls ihre verschiedenen Wagen und Pferde aufsuchten, und so auch der junge Burbus, der, um seine raschen Pferde bei dem allgemeinen Schießen besorgt, den kleinen Friedrich an der Hand mit sich fortzog und Erich zurief, sogleich nachzukommen, versteht sich von selbst. Der ehemalige Schulamtsgehilfe stand aber da wie angefesselt und sprachlos vor Entzücken über all das unsagbare Schöne, was sich rings um ihn her begab. Ja, so mußte es bei einem wirklichen Überfalle zugehen, bei einer echten und gerechten Schlacht, nur mit dem kleinen Unterschiede, daß alsdann die Hiebe scharf fielen und die Geschütze und Gewehre ein klein wenig mit Kugeln geladen waren. Für einen so phantasiereichen Zuschauer aber bestand nicht einmal dieser kleine Unterschied, und er hätte es in dem Enthusiasmus, mit dem er rund um sich her nach allen Seite blickte, vielleicht nicht einmal bemerkt, wenn Kugeln rechts und links neben ihm einschlagend den Boden gefurcht hätten. Das nächtliche Gefecht hatte sich aber auch auf allen Seiten wunderbar entwickelt, und man konnte es wohl von keinem Punkte aus schöner betrachten, als hier in der Mitte des kleinen Thales aufblickend zu den Höhen rund umher, auf denen es nun überall hinüber und herüber krachte, daß es eine wahre Freude war. Und wie schön sich so eine einzelne Batterie und von dieser wieder jedes Geschütz ausnahm, jetzt eine dunkle Masse, dann gleich darauf beim Aufblitzen des Pulvers, freilich kaum eine Sekunde, die Kanoniere, Dämonen gleich, in dem hellen Lichte und dem weißqualmenden Rauche umherfahren zu sehen!
Die Angreifer schienen indessen ein wenig zu voreilig oder mit zu kleiner Macht überfallen zu haben, und obgleich ihre Batterien auf der Höhe der Chaussee Schuß um Schuß thaten, so entwickelte sich doch nicht mehr Artillerie, während auf der anderen Seite nicht nur frische Batterien aufgefahren wurden, sondern die neu ankommenden auch vorgingen und jetzt in so bedenklicher Nähe über das Feld hinüber zu schießen begannen, daß Erich trotz allem Schönen, das ihn hier umgab, anfing, an seinen Rückzug zu denken. Schon wollte er querfeldein nach dem Wagen des jungen Forstmannes eilen, als er bemerkte, was er bis jetzt in der allgemeinen Lust übersehen, daß die Zigeunerweiber bei ihrem Ponywagen wie ratlos noch immer auf derselben Stelle hielten, und als er vernahm, daß eine heftig erregte Stimme in einer für ihn unverständlichen Sprache Vorstellungen, ja Vorwürfe zu machen schien. Er begriff die Lage dieser armen Leute und trat rasch näher, um ihnen seine Dienste anzubieten. Da stand das junge schöne Mädchen, das zu Anfang getanzt und welches die Offiziere Esmeralda genannt hatten, bebend vor Zorn neben den unruhig hin und her tretenden kleinen Pferden und sprach heftig, ja leidenschaftlich in das alte Weib hinein, die, eine Flasche in der Hand, mit einem stieren Lächeln, ja hin und her schwankend, um sich schaute. Aus dem Wagen heraus blickte das bleiche Gesicht einer kränklich aussehenden Frau, die mit dem Wunderkind redete, und zwar in deutscher Sprache, und ihm sagte: »Komm herein, Blanda, komm herein; sie reiten über dich hinweg, wenn du neben dem Wagen stehst, wogegen sie dem Fahrzeuge, das sie ja sehen müssen, ausweichen werden. Komm herein, Blanda, ich bitte dich!«
Das Wunderkind aber blieb unbeweglich und ohne eine Antwort zu geben stehen, wobei es das wilde Schauspiel ringsumher wohl mit Interesse, aber auch mit einer großen Ruhe zu betrachten schien, einer Ruhe, welche vorteilhaft abstach gegen die immer heftiger werdenden Reden und Bewegungen der Esmeralda, die jetzt auf das alte Weib losfuhr und sie derb schüttelte, nachdem sie ihr die Flasche aus der Hand gerissen und weit in das Feld hineingeschleudert hatte. In diesem Augenblicke thaten die Ponies, die leinen Zügel mehr zu spüren schienen, einen Riß vorwärts und würden wahrscheinlich davongegangen sein, wenn Erich sich nicht gegen sie geworfen und sie festgehalten hätte.
»Ah, mein schöner junger Herr,« rief das Zigeunermädchen weinend, »helfen Sie uns aus diesem Unglücke, helfen Sie armen Weibern, die schon längst in ihrem sicheren Lager wären, wenn man sie nicht aufgehalten hätte!« »Und wohin wollt ihr denn?«
»Nach einem Orte, der Zwingenberg heißt und wo schon die anderen und die Männer sind. Wie sollen wir aber dahin kommen! Ich weiß weder Weg noch Steg und die Alte ist ganz betäubt von dem starken Weine, den man ihr gegeben!«
»Viel Zeit ist allerdings nicht zu verlieren,« sagte Erich, indem er besorgt um sich blickte nach den Höhen, auf denen die befreundete Armee gestanden, wobei er bemerkte, daß die ganze Linie im Vorrücken gegen das Thal begriffen war.
»Helft uns, schöner Herr, und der Himmel wird Euch dafür lohnen!«
»So bringt vor allen Dingen die Alte in den Wagen, während ich das kleine Mädchen hinaufhebe. Komm, mein Kind,« sagte er zu diesem, »ihr seid in Gefahr, wenn ihr länger hier bleibt.«
»O, ich fürchte mich durchaus nicht!«
»Das ist wohl möglich, weil du die Gefahr nicht kennst; aber folge mir und laß dich in den Wagen heben.«
»Meinetwegen!«
Damit faßte Erich den seinen Körper des Kindes, hob es mit Leichtigkeit empor und legte es in die Arme der bleichen Frau, die ihm mit einem freundlichen Blicke dankte.
Die Esmeralda hatte mit der Alten größere Mühe gehabt, um sie zum Einsteigen zu bringen, und dann fiel sie in das Stroh, welches auf dem Boden des Wagens lag, wo sie ruhig liegen blieb, während sich die junge Zigeunerin neben Erich setzte, der, die Zügel der Ponies haltend, einen Augenblick scharf vor sich hinspähte, welche Richtung am besten einzuschlagen sei. Auf der Chaussee fortzufahren, davon konnte gar keine Rede sein; also ins Feld hinaus. Glücklicherweise erinnerte er sich einer kleinen Brücke über den tiefen Chausseegraben, doch mußte er, um diese zu erreichen, eine gute Strecke gegen die Reihe der befreundeten Artillerie fahren, wodurch er so nahe an deren Linien kam, daß er nicht nur dadurch die Kommandoworte, sondern auch das Klirren der Geschirre und das Schnauben der Pferde deutlich hören konnte.
Endlich hatte er die Brücke hinter sich und ließ nun die Ponies, welche ohnedies kaum zu halten waren, über das Feld dahinstreichen, wobei er sich bemühte, sie einen großen Bogen nach rechts beschreiben zu lassen, auf welche Art er sicher war, die Straße nach Zwingenberg wieder zu erreichen.
Zu seiner Linken bemerkte er dichte Massen weit vorausgeschobener Infanterie, die auf das Kommando wartete, die vom Feinde besetzte Höhe zu erstürmen, und weiterhin stieß er beinahe auf einen Trupp Kürassiere, von wo ihm ein lautes, aber scherzhaft klingendes Halt zugerufen wurde.
»Fliehende Weiber und Kinder!« gab er rasch besonnen zur Antwort, worauf die Stimme erwiderte: »Sollten eigentlich aufgehalten werden, besonders wenn sie hübsch sind!« – Doch hatte Erich in diesem Augenblicke seinen raschen, unruhigen Ponies tüchtig eins mit der Peitsche gegeben, und so flogen sie denn flüchtig über einen festen Wiesengrund dahin, jetzt eine kleine Anhöhe hinan, während alle mit Vergnügen bemerkten, wie nun der Lärm und das Schießen immer ferner und ferner hinter ihnen erklangen.
Auch verlor der dunkle Abend jetzt sein Recht, denn drüben weit am Horizonte erhob sich die gelb leuchtende Scheibe des vollen Mondes, auf alles sein helles, mildes Licht ausgießend, und erleichterte es auf diese Art dem jungen Manne, um sich her zu spähen und die Gegend zu erkennen, wo er sich befand.
Dank seiner Streifereien während des vergangenen Sommers fand er auch sogleich ein paar bekannte Punkte, vermittelst welcher er sich zurechtfinden konnte. Vor sich hatte er eine etwas holperige Halde, bei der er im Hinabfahren Baumstümpfe und einige Löcher vermeiden mußte; dann kam er unten auf einen Hohlweg, der auf einem nicht allzu großen Umwege wieder auf die Landstraße führte.
Die junge Zigeunerin hatte bei dem vollen Lichte des Mondes verstohlen ihren Blick auf das Gesicht des jungen Mannes gerichtet, und schien sie der Ausdruck desselben vollkommen zu befriedigen; sie hüllte sich fröstelnd wieder fester in einen alten Teppich und lehnte nun, bei den heftigen Stößen des Wagens, als sie herabfuhren, ihren Körper gegen die Schulter Erichs, der ihr freundlich lächelnd sagte, sie solle sich durchaus keinen Zwang anthun und es sich so bequem als möglich machen; »sogleich,« setzte er hinzu, »haben wir auch besseren Weg.«
»Und kommen wir dann nach Zwingenberg?« fragte die Esmeralda.
»So Gott will, in einer starken Viertelstunde. Hier den Hohlweg hinauf müssen wir etwas langsam thun, von droben aber haben wir abwärts eine gute Landstraße. Wo soll ich Sie in Zwingenberg hinführen? In den Schwanen oder in die Traube?« – So hießen nämlich die beiden Wirtshäuser des kleinen Dorfes.
Doch die Zigeunerin schüttelte lachend mit dem Kopfe und sagte: »Nichts Schwan und nichts Traube; wir haben unsere eigene Herberge, die viel schöner ist, namentlich in dieser herrlichen Nacht. Unten ein weicher, grüner Teppich, daneben wahrscheinlich ein murmelndes Wasser und über uns eine glänzende Decke mit Tausend und Tausenden von Sternen.«
»Ah, jetzt verstehe ich,« antwortete Erich, »und ihre Beleuchtung ist das prächtige Mondlicht!«
»Ja, das Mondlicht und die funkelnden Steine und das Leuchten der Feuer; aber nicht, wie die da hinter uns,« fuhr sie kopfschüttelnd fort, »umgeben von wilden Pferden und noch wilderen Soldaten, nein, friedlich sanft aufsteigende Feuer, um welche man sitzt und hineinschaut, und deren spielende Flammen uns erzählen von der fernen Heimat – ah, schön, ah, schön!«
Da war die Landstraße, und Erich mußte still in sich hinein lächeln, als er nun, rasch abwärts fahrend, in kurzem den Meilenstein wieder erreichte, der jetzt den Zauberkreis eines Tages abschloß, in dem er das Unerhörteste und Interessanteste seines ganzen Lebens gesehen und erfahren. Und dazu noch die kleinen Lichtpunkte aus den Häusern von Zwingenberg! Ihm war es übrigens lieb, daß er weder bei dem »Schwan« noch bei der »Traube« vorzufahren brauchte, wäre doch diese Veränderung gar zu groß gewesen! Er, der heute morgen ausgezogen war, freilich als entlassener, aber immerhin ehrbarer Schulmeistergehilfe, im langen schwarzen Rocke, jetzt zurückkehrend in der Jägerjuppe und in Begleitung einer Zigeunerfamilie!
Wohin nun aber mit diesen? Wo ihr Lager finden? Da war schon der Eingang des Dorfes; er sah seine Begleiterin fragend an, worauf diese, welche seinen Blick wohl verstand, ihm sagte:
»Da links am Wege ist fließendes Wasser, und wo an demselben ein Wiesengrund ist, werden wir das Lager der Unsrigen finden.«
Dazu war nun wohl der geeignetste Platz eine unfruchtbare Allmande, auf welcher Erich früher mit seinen Schulbuben exerziert, und als er, die Ponies dahin lenkend, eine Biegung des Weges am Ufer des Baches gewonnen hatte, sah er vor sich ein paar Feuer lodern, bei deren Erblicken die junge Zigeunerin freudig von ihrem Sitze emporfuhr und rasch einige Worte in den Wagen hineinrief.
Erich fuhr in die Nähe des größten Feuers und war hier sogleich umringt von Männern, Weibern und Kindern, welche teils das Feuer verlassen und ihm rasch entgegengeeilt waren. – Ein eigentümliches Völkchen; wenn auch nicht so phantastisch und malerisch kostümiert, wie man es sonst in den Büchern schildert, oder wie wir es auf den Theatern zu sehen gewohnt sind, wich doch ihre Kleidung immerhin bedeutend von derjenigen der Einwohner Zwingenbergs ab, von denen der ehemalige Schulgehilfe gerade nicht zu seiner angenehmen Überraschung verschiedene in Trupps umherstehen sah, das Treiben der Zigeuner neugierig betrachtend.
Ein großer, breitschulteriger Mann trat an den Wagen und hob, nachdem er die Zügel aus den Händen Erichs entgegengenommen, zuerst die Esmeralda herab, welche rasch und flüchtig in ihn hinein sprach, worauf sich seine finster« Züge etwas aufklärten. Dann warf er die Leinwanddecke des Wagens zurück, ließ einen gleichgültigen Blick über die fest schlafende Alte gleiten und reichte hierauf der bleichen Frau sorgsam seine beiden Hände, um ihr das Aufstehen zu erleichtern, hob sie alsdann wie eine Feder empor und setzte sie vorsichtig auf den Boden nieder.
Blanda hatten ein paar jüngere Weiber zärtlich in ihre Arme genommen, trugen sie an das Feuer hin, setzten sie dort auf einen Haufen Decken und begannen ihr die kalt gewordenen Händchen und Füßchen zu reiben, was das kleine Mädchen mit großer Gleichgültigkeit geschehen ließ, ohne irgend welchen Dank dafür zu sagen. Das einzige Zeichen von Teilnahme gab sie dadurch, daß sie hier und da einem der Männer oder auch der Kinder flüchtig zunickte, die sich fragend und mit freundlichen Blicken um sie drängten.
Erich hatte Mühe, sich der herzlichen Dankesbezeigungen der Esmeralda zu entziehen, sowie denen des breitschulterigen Mannes, der eine Art Autorität zu besitzen schien, wie auch den sanften Worten der blassen Frau, welche ihm beide Hände auf die Schultern legte und mit einem rührenden Ausdrucke ihrer sanften Stimme sagte:
»Ich kann nichts für Sie thun, als den Himmel bitten, daß er auch Ihnen einmal einen treuen Führer senden möge, wenn Sie in Angst und Not sind!«
Dabei war ihr bleiches, edles Gesicht vom hellen Mondlichte beschienen, und Erich sah jetzt an der auffallenden Ähnlichkeit zwischen ihr und der kleinen Blanda, daß sie ohne alle Frage die Mutter derselben sein müßte. Dann wollte er sich rasch in die Dunkelheit zurückziehen, als ein paar von den Kindern von dem Feuer herübergesprungen kamen und ihm schon von weitem zuriefen, er müsse zu Blanda kommen, die ihm auch ihren Dank sagen wolle.
Nun dachte aber Erich, trotz seiner angeborenen Gutmütigkeit, es sei nicht weiter von dem Feuer zu ihm als umgekehrt, und wollte diese Dankesbezeigungen mit einemmal dadurch abmachen, daß er mit der Hand grüßend gegen das kleine Mädchen hinüberwinkte. Ehrlich gesagt, hatte er auch keine große Lust, sich dem hell flackernden Feuer zu nähern, da er dicht bei demselben Gestalten bemerkte, die nicht zu den Zigeunern zu gehören schienen, Bewohner des Dorfes, die von dem höchst seltsamen Schauspiele eines Zigeunerlagers herangelockt waren. Doch faßte die Esmeralda seine Hand und zog ihn fast mit Gewalt in den Schein des Feuers hinein, wo er allerdings einen Kreis von Zuschauern fand, den er am wenigsten erwartet.
»Ha, ich verstehe!« hörte er eine dröhnende Stimme sagen, »das ist ganz so, wie wir in Büchern lesen oder auf dem Theater sehen. Ein Teil der Bande hat sich hier gelagert, die anderen eben heimkehren von ihren Gaukeleien, vielleicht auch vom Bettel. Siehst du, Selma, diese junge schöne Person könnte man füglich die Preciosa dieser Zigeuner nennen.«
Alle Blicke richteten sich bei diesen Worten auf die junge, reizende Zigeunerin, die nun in ihrem phantastischen Kostüme voll von dem Feuer beleuchtet wurde und welche mit ihren Augen, ihrem schönen, ausdrucksvollen Gesichte und dem lächelnden Munde mit den weißen Zähnen allerdings eine prächtige Erscheinung bot.
Wie verblaßt schien dagegen Selma, und wie erblaßte sie erst in Wirklichkeit, als sie nun den Begleiter jenes schönen jungen Mädchens erkannte, und zwar beim ersten Anblicke, trotz der grauen Juppe und seines Jägerhutes.
»Ha – ich verstehe!« rief der Pfarrer und wollte gerade hinzusetzen: »Ganz Preciosa, denn da haben wir auch Don Alonzo!« Doch blieb ihm der letztere Name in der Kehle stecken, und statt dessen drangen die allerdings nicht christlichen Worte hervor: »Ei der Teufel, das ist ja Monsieur Erich!«
Wer weiß, zu welchen Auseinandersetzungen es hier noch gekommen wäre, wenn es Selma nicht für gut befunden hätte, ihre Lippen aufeinander zu pressen und dann zu ihrem Vater zu sagen: »Laß uns gehen, Papa. Ich glaube nicht, daß es anständig ist, noch länger hier zu bleiben.«
Auch wandte sie sich rasch nach diesen Worten ab, nicht aber, ohne vorher noch einen langen Blick auf den undankbaren Schulamtsgehilfen zu werfen, der jetzt so vorteilhaft aussah in der kleidsamen Jagdjuppe und dessen höchst moralische Gesinnungen sich nach Ablegung seines langen schwarzen Rockes so rasch und vollständig geändert zu haben schienen. – Pfui über diesen Heuchler!
Blanda hatte sich rasch von ihrem Sitze am Feuer erhoben und trat nun auf Erich zu, wobei sie ihm sagte: »Ich danke dir, daß du so gut warst, uns hierher zu führen! Küsse mich, ich will dich nicht vergessen!« Dabei reichte sie mit ihren kleinen Händchen gegen seine Schulter hinauf, zog ihn rasch zu sich nieder und drückte einen Augenblick ihre feinen, kalten Lippen auf seinen Mund. – »Lebe wohl! Lebe wohl!«
Von allem Danke, den er empfangen, hatte ihn keiner so bewegt, ja gerührt, als der des so teilnamlos scheinenden, finster blickenden kleinen Mädchens, und wenn er nun, rasch davoneilend, noch mehreremal zurückblickte, so that er das nur, um wiederholt dem Kinde freundlich zuzunicken, das, aufrecht am Feuer stehend, ihm nachschaute, bis er in der Dunkelheit verschwunden war.
Er konnte das eigentümliche Bild lange nicht vergessen; das rötlich lodernde Feuer und daneben die lichte Gestalt des Kindes, dessen seines, edles Gesicht, hell vom Monde bestrahlt, so geisterhaft bleich, so ernst und traurig gewesen war.
Gegen heute morgen gerechnet, brauchte Erich nicht viel Zeit, um die Mühle wiederzuerreichen; hatte er doch jetzt keine Veranlassung, sich unterwegs aufzuhalten, denn dort, wo am Morgen das Getümmel des Kampfes erschallte und die Linien der verschiedenen Truppenkörper hin und wieder zogen, lag jetzt eine stille, friedliche, vom Monde sanft beleuchtete Ebene. Auch drängte es ihn, zu den guten Leuten zu kommen, die ihn so freundlich aufgenommen, und sich vor allen Dingen bei Gottfried zu entschuldigen. Dieser aber empfing ihn lachend, unter der Thür der Mühle stehend, und er wußte schon um das Abenteuer des jungen Provisors. Natürlicherweise mußte dieser aber seine Erlebnisse in allen Einzelheiten dem Doktor Burbus mitteilen, der sich nicht wenig daran ergötzte, besonders an Erichs Zusammentreffen mit dem Pfarrer und mit Selma.
»Daß aber damit,« sagte er, »der gründlichste Strich unter Ihre Schulamtscarriere gemacht worden ist, darauf können Sie in gemütlichster Weise Gift nehmen; denn er wird Sie dem hohen Kirchenkonvente darstellen als ein Kind nächtlicher Finsternis, als ein scheußliches Geschöpf der Nacht, welches nicht Wohlgefallen findet in dem Umgange gleich und herrlich gesinnter christlich evangelischer Seelen, sondern das sich behaglich fühlt im wüsten Gelage mit Heiden, Zigeunern und anderen Strolchen. Soll ich Sie bedauern, junger gewesener Provisor?« fuhr der Doktor nach einer Pause fort, während er ihn mit den hellen, klugen Augen durchdringend betrachtete. »Ich glaube kaum, daß das nötig ist. Wer so, wie Sie, schwärmerisch entzückt ist von einem Manöver, wie das heutige, wer mitten im feindlichen und freundlichen Kugelregen die aufopferndsten Kundschafterdienste leistet und dann mit fremden Pferden bei Nacht und Nebel eine Zigeunerbande durch Wald und Feld kutschiert, dessen Kopf und Hand sind am Ende auch noch zu anderem fähig, als den Haselstock zu führen und in einer dumpfen Stube zu verkümmern. Ja, mein Freund, es ist ein hartes Brot, das der Landschullehrer, besonders armer Gemeinden; wenn man auch noch so schöne Redensarten liest über die Verbesserung der Lage derselben, so wird man ihnen auch mit den kärglichen Zulagen, die man nach langen Debatten für sie herauspreßt, doch keine weichgebackenen Semmel vorzusetzen imstande sein. Diese Krankheit liegt tiefer und hängt gewissermaßen zusammen mit dem mehr oder minder starken Auftreten jenes Scharlachfiebers, das Sie heute morgen in der Gestalt eines Manövers beobachtet. Je höher die Wagschale des Staates dafür steigt, desto tiefer sinkt die der armen Landschullehrer mit Not und Elend gefüllt zur Erde. Jene verzehren die Mittel, mit denen von Staats wegen den Landschullehrern, diesen wichtigsten Beamten, das Leben wenigstens sorgenfrei gemacht werden sollte, und neben ihrer Armut in leiblicher Hinsicht wird ihre Stellung und ihr Ansehen noch viel mehr dadurch untergraben, daß sie gewissermaßen privilegierte Bettelleute sind; denn so sieht der in Geldsachen harte Bauer das Einkassieren des kärglichen Schulgeldes an und behandelt danach den Mann, der seinen ungezogenen Buben aus dem rauhen Klotze heraushauen und für sein ganzes Leben zuhobeln soll.
»Ich sage Ihnen das nur,« sprach der alte Burbus weiter, nachdem er bedächtig sein Glas leer getrunken, »weil ich es für meine Pflicht halte und weil ich aus Ihren eigenen Worten weiß, daß ich dadurch in Ihnen keine Illusionen mehr zu zerstören imstande bin. Sagten Sie mir selbst doch schon öfter, wie sauer es Ihnen geworden, da unterzukriechen, und wie viel lieber Sie sich in die andere, scheinbar so – glänzende Lebensstellung geworfen hätten. Sie wissen wohl, was ich meine, das Militär. Schade, daß der gewisse Mephistopheles eines gewissen Goethe nicht auch Veranlassung nahm, dem wißbegierigen Schüler auch über dieses glänzende Elend ein kräftiges Wörtchen zu sagen, denn wir hätten dadurch wahrscheinlich eine wertvolle Vermehrung dieses geistreichen Katechismus erhalten.«
»So lassen Sie mich wenigstens Ihre Ansicht darüber hören,« sagte der junge Mann; »o, Sie wissen nicht. Herr Doktor Burbus, wie gern ich Ihren kräftigen, für mich so verständlichen Worten lausche!«
»Wenn Sie mich vollkommen verstehen, so soll mich das sehr freuen; doch wünsche ich auch insofern nicht mißverstanden zu werden, als beabsichtige ich in Ihnen eine Zuneigung oder Abneigung für diesen oder jenen Stand als solchen hervorzurufen. Das würde auch gar nichts nutzen, denn es gibt keinen größeren Schwindel, als den mir mit den Worten die ›Freiheit unseres Handelns und unseres Wollens‹ bezeichnen. Wir haben darüber durchaus keinen eigenen Willen, und wenn Sie später einmal in den Büchern des soeben von mir genannten gewissen Goethe lesen werden, was ich Ihnen seiner Zeit dringend anrate, so werden Sie in einem höchst klassischen Trauerspiele, Egmont, an eine Stelle kommen, welche heißt: ›Wie von unsichtbaren Geistern gepeitscht, gehen die Sonnenpferde der Zeit mit unseres Schicksals leichtem Wagen durch, und uns bleibt nichts, als mutig gefaßt die Zügel festzuhalten und bald rechts, bald links, vom Steine hier, vom Sturze da die Pferde wegzulenken.‹ Und diese Stelle sollte sich jeder als den ersten Grundsatz menschlicher Weisheit stets vor Augen halten; das, was wir Schicksal nennen, und was doch eigentlich nur Zufall ist, bestimmt über uns und unseren Lebensweg. Nehmen Sie sich vor, das Büchlein Ihres Daseins soll diesen oder jenen Weg durchlaufen, den Sie sich vorgezeichnet oder den gescheitere Leute, die ebensowenig in die Zukunft sehen können, Ihnen angewiesen, um da unten an einem gewissen Ziele anzukommen – Sie haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Es tritt Ihnen auf einmal rechts eine Felsenwand entgegen, die Sie vollständig aus ihrer Bahn wirft, oder ein unvorhergesehener Abgrund, der Sie jäh in die Tiefe reißt, und wo Sie alsdann noch zufrieden sein können, wenn es Ihnen gelingt, einen Teil Ihres an Klippen zerschellten Lebens wieder mühsam zu ordnen. Sie erzählten mir von Ihrem Amtsnachfolger in Zwingenberg. Die Quart auf seiner Wange, das ist so ein Felsen, von dem ich vorhin sprach, der ihn aus seiner Bahn geworfen, und wir werden es noch erleben, daß er auch in Abgründe hineintaumelt, an die er vorher nicht gedacht. Sie selbst, mein junger Freund, wuchsen in dem Gedanken auf, ein braver Militär zu werden, wie es Ihr Vater gewesen, und bei Ihnen war Herr Schmelz mit seinem Orgelspiele der jähe Abhang, der Sie beinahe willenlos anstatt in die Kaserne nach Zwingenberg leitete. – Und wenn ich erst von mir selbst reden wollte, ich, der mit Verlaub zu sagen, in meiner Jugend ein lockerer Zeisig war, das, was man einen verdorbenen Studenten nennt, und der so weit von der Doktorpromotion entfernt war wie ein Kamel vom Seiltanzen! Wissen Sie, was mich wieder in die richtige Bahn zurückwarf? Ein menschliches Skelett. Sie können das ausführlich nachlesen in einem Buche unter dem Titel: »Handel und Wandel«, in welchem ein eigennütziger Freund verschiedene Druckbogen mit der Erzählung meines an sich sehr unbedeutenden Lebens ausfüllte. Doch das in Parenthese. Ich wollte nur noch sagen, daß, wer mir damals, als ich im Gefühle meiner ärztlichen Würde das erste Rezept schrieb, gesagt hätte, ich würde meine Tage als Müller beendigen, dem hätte ich unter die Nase gelacht, und wer weiß selbst jetzt noch, ob ich meine Tage hier beschließe oder nicht sonst wo als ein großes Tier noch viel von mir reden mache.
»Doch Sie sind nachdenklich geworden, mein lieber Schulamtskandidat, trübe gestimmt; aber es lag durchaus nicht in meiner Absicht, Ihnen Ihre Zukunft als so ganz und bedingungslos durch den Zufall gelenkt darzustellen. Im Gegenteil, die Leitung liegt immerhin mehr oder minder in unserer Hand, nur sind wir von der Strömung des Lebens abhängig und können, wie gesagt, nichts thun, als .... Auch wollte ich Sie nur freundschaftlichst ersuchen, sich keinen allzu großen Kummer zu machen über das erste verfehlte Kapitel Ihres Lebensbuches, in welchem Sie ja mit redlichem Streben gearbeitet und aus welchem Sie ohne Ihre Schuld vielleicht in ganz andere Bahnen hineingedrängt werden. Ich kann mir wohl denken, welche Bahn das sein wird, und sollen Sie in mir dabei nach besten Kräften einen Beförderer finden.«
Der alte Mann reichte bei diesen Worten Erich seine Rechte über den Tisch hinüber, welche dieser mit seinen beiden Händen ergriff und herzlich dankend drückte.
»Morgen früh werde ich Sie meinem Gaste, dem Premierlieutenant in der Artillerie, vorstellen, den ich bestens für Sie eingenommen und der Ihren Kenntnissen ein bißchen auf den Zahn fühlen soll. Hält er Sie für befähigt, in die Brigadeschule aufgenommen zu werden, so wollen wir dafür sorgen, so viel als in unseren Kräften steht. Keinen Dank – um des Himmels willen, keinen Dank – ich kann es nun einmal nicht vertragen, und wenn ich feuchte Augen sehe, so werde ich grob!
»Und nun wollen wir zu Bette.« {bild}