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Eilftes Capitel.

Die Richtung Trompetta-Flottwitz.

Ermuthigt vom Glück wagt man die größere Gefahr.

Fröhlich, heiterbewegt schritt ein Gast von der Tempelheider Anhöhe nieder, sah noch oft rückwärts, grüßte noch oft die Frauen, die ihm mit Tüchern nachwinkten. Die Zeit der Sorgen war noch nicht vorüber. Sie sollten erst noch recht in ihrer bedrängenden Schwere kommen; aber eine war doch abgeschüttelt: Dankmar Wildungen war in fremden Landen geborgen vor der Qual dieses Kerkerlebens, das selbst dem Muthigsten vor der Zeit den Glanz des Haares bleibt, vorzeitige Furchen in die kühnsten Stirnen gräbt!

Rodewald hatte seit dem Tage, wo ihn Fürst Egon in Hohenberg abwies, ein nach Außen vielbewegtes, in sich stilles Leben geführt. Das, was er von Murray beim Abschiede von der Residenz erfahren, über Pauline von Harder, über den Baron Grimm, über einen Paul Zeck, der leben sollte, war Stoff genug, um zusammenschmelzend mit Dankmar's Schicksal ihm in jede freudige Erinnerung an Anna von Harder, in jede Nachricht von Tempelheide bittern Wermuth zu mischen. Die Nachricht von dem Gewinn des Prozesses hob auf einige Zeit seine gedrückte Stimmung, aber lähmend vollends wirkte die Nachricht, die er von Herrn von Zeisel erfuhr, daß der Fürst beabsichtige, alle seine Güter zu verkaufen. Mitten in den Zurüstungen, die er auf eine zehnjährige Pachtung hin glaubte wagen zu dürfen, diese Nachricht! Mit welcher Liebe hatte er sich der Hoffnung einer Wiederherstellung der Glücksumstände Egon's gewidmet! Wie verklärt schien die Abendsonne des Lebens auf dies sein emsiges Mühen und Walten, dem er eine irdische Anerkennung niemals wünschen, nie von Denen erwarten konnte, denen zu Liebe er sich mühte und arbeitete! Rodewald war über die Beziehung seines Lebens zu weltlichen Erfolgen hinaus. Er war längst in jene geweihteren Hallen der Betrachtung getreten, wo der auch nicht feierlich emporgerichtete Blick des Auges doch immer das Ende und schon den Ausweg aus diesem Labyrinth aller Erdenräthsel zu suchen scheint und an jede That sich der Maaßstab nur noch des eignen Genügens legt. Er billigte ganz, daß der gute, sich selbst in den Andern lebende Oleander ihm einst mit der Aufschrift: »An meinen Abendstern« ein Blättchen gegeben, auf dem es hieß:

Bei einem Ziele bin ich angekommen,
Ob auch am rechten?... weiß ich nicht zu sagen.
Zwar mit dem Strome bin ich nie geschwommen,
Doch war's die Welle, die mich so getragen!
Gescheitert hab' ich manches Riff erklommen
Und manchen Preis erwarb sich kühnstes Wagen.
Doch muß von den erträumten schön'ren Lagen
Mir diese wol als jetzt die beste frommen.
Das Höchste suchend bald im Thatendrange,
Bald im Genuß, wo ich die Perlen wollte,
Fand ich – nur Schaalen! Ach, der Dämon grollte,
Er grollt noch jetzt und will mir Wunder lügen,
Die noch erreichbar –! Solchem Überschwange
Laß' ich genügen jetzt mein still Begnügen.

Darin, daß Egon von Hohenberg für die Legitimität stritt und sein Sohn war, sah er ein Räthsel. Ein teuflischer Gedanke hätte ihm rathen können, hohnzulachen dieser tollen Welt des Irrthums und der Lüge. Ihm war dieser teuflische Gedanke nie gekommen; ihm schilderte sein Verhältniß zu Egon das Verhältniß der ganzen Zeit zu ihren Verfechtern oder Anklägern. Er sagte sich: Das ist Euer Adel, Eure Erbberechtigung, Eure Monarchie, Eure Kirche, Eure Sitte, Euer Glaube, Eure Konvention! O die Konvention, dies Angenommene, dies einmal gelten Sollende! Und so bitter dieser Ausruf, ihn reizte er nicht, dem Teufel zu dienen, der diese Lüge schuf. Er dachte, grade in diesem Misverhältniß von Zweck und Mittel, von Absicht und Einsicht bewege sich die ganze Zeit und das Jahrhundert und still trug er die Rolle, die ihm gleichsam eine andre Ordnung des Weltenplanes auferlegt hatte, still arbeitete er auf eine innere, geistige Ausgleichung des Ungleichartigscheinenden und doch sich Angehörenden hin. Feierlich bewegt war er an die Aufgabe gegangen, jener höhern, unsichtbaren moralischen Weltordnung zu dienen, indem er für Egon väterlich handelte. Ja, er dachte sich: So wirkt ja die Gottheit ganz still und unsichtbar für sich nach ihrem Plan und verkehrt die Pläne der Menschen, und was sollte kommen, wenn die wahre gesellschaftliche Religion nicht eben die wäre, daß das Reich des Guten und Schönen dem Walten der Materie und der Leidenschaft immer entgegen arbeitete und sich schon auf Erden eine Harmonie erzeugte, die dem einst brechenden Auge wie ein Regenbogen des Friedens erscheinen, dem nicht mehr Irdisches hörenden Ohre wie Sphärenklang ertönen wird? Ach, und da nun von der Materie gestört zu werden, da nun hören zu müssen: Du wirst aus diesem stillen Zusammenhang deiner höhern Pflichten gerissen, wirst die Werke der Liebe aufgeben müssen! Es that ihm so weh, füllte sein Herz so mit Trauer, so, daß Franziska Heunisch, jetzt die Pflegerin seines Hauses, Sorge um den Edlen tragen mußte und der Tochter gern sie ausgesprochen hätte, wenn diese nicht selbst des Kummers genug hätte zu tragen gehabt.

Nun kam nach einem neuen herben Winter die dreifache Botschaft: Egon verkauft die Herrschaft, Dankmar hat das Erbe, Dankmar ist entflohen! Da hielt es Rodewald nicht länger. Er mußte in die Stadt, wenn auch nur auf einige Tage. Er wollte Selma's Freude sehen, wollte den Versuch wagen, den Fürsten zu sprechen, ihn über sein wahres Interesse aufzuklären. Frohbewegt war Alles in Tempelheide, nur den Greis hätte er gewünscht muntrer anzutreffen; er kränkelte seit der letzten Loge und schien bedenklich der Auflösung nahe... auch über Dankmar's Verlust, den nicht aufgefundenen Schrein, war man in erklärlichster Sorge, trotzdem, daß Dankmar selbst geschrieben hatte: Ihn hätte ein edles Mädchen, Louise Eisold, versichert, daß er in Hackert Vertrauen setzen dürfte... doch wollte er zu Egon gehen, wollte den beklemmendsten Schritt seines Lebens wagen, wollte dem Manne in's Auge blicken, den er fast haßte, ob er gleich so mahnend berufen war, ihn zu lieben.

Rodewald hatte sich in der bekannten ehrerbietigen Aufwartungstracht gekleidet, war an der Pforte des Palais gewesen... der Fürst, hieß es, ist nicht anwesend, ist ausgefahren... er hatte sich nicht nennen mögen... aber nach Tisch, hieß es, um fünf Uhr, dann wäre eine gelegene Stunde...

Er benutzte die Zwischenzeit, in dem wilden Volksgewühl der Brandgasse Friedrich Zeck aufzusuchen. Er fand ihn leicht wieder heraus aus diesen Winkeln und Gassen; denn Jeder kannte den Alten mit der schwarzen Binde, Jeder zog vor ihm den Hut, Jeder fand Gehör, wenn er sich dem stillwirkenden Freund der Armen nahte...

Rodewald fand »Murray« in Trauer um das Schicksal seines Sohnes Hackert, der Sohn Paulinen's war verschwunden. Sein Antheil an der Befreiung Dankmar's zeigte sich dunkel, aber unwiderleglich. Der Einzige, der den sichersten Ausweis hätte geben können, Danebrand, lebte nicht mehr. Ein Schuß der Patrouille hatte ein Leben voll Aufopferung geendet. Man zog, als Licht kam, den Getroffenen aus der Bresche und fand von der besten, edelsten, gutmüthigsten und treusten Seele der Welt nur einen Leichnam...

Rodewald entsann sich von der Willing'schen Fabrik des großen ungethümgeformten Arbeiters, der damals in Verdacht kam, sein Portefeuille genommen zu haben und sogleich gerechtfertigt wurde. Er stand für eines solchen Menschen beste Absicht und verbürgte nun fast auch Hackert's redlichen Antheil.

Dann ist mir aber meines Sohnes Verschwinden räthselhaft! erwiderte Zeck. Niemand weiß für sicher, daß er mit jener Flucht zusammenhing, ich ahnte es nur und von Ihnen erst hör' ich, daß jenes Mädchen, das ihn zu diesem Abentheuer veranlaßt zu haben scheint, den Namen Hackert's in Verbindung mit Dankmar's Befreiung nennt. Verdacht ist genug ausgesprochen worden. Pax war hier. Alle Welt ist befremdet über Hackert's Verschwinden. Man will auch einige Kennzeichen seines Antheils an jener Flucht wol gefunden haben. Man behauptet, nur ihm hätte gelingen können, sich mit den Schlüsseln zu versehen, ihm nur wäre die List und Verschlagenheit zuzutrauen, sich durch tausend Vorspiegelungen und tollste Künste in Besitz der einzigen Befreiungsmittel zu setzen. Aber der Schrein! fuhr Zeck fort. Soll ich wirklich glauben dürfen, daß ihn eine vollkommen gute Absicht bestimmte, an seiner Entwendung behülflich zu sein? In diesem Falle, wo weilt Paul, warum erfährt Wildungen nichts, was soll man von dem Allen denken?

Rodewald verhieß eine tröstliche Lösung. Wäre auch das Zeugniß jenes Mädchens zweifelhaft, von dem er sich damals auf dem Fortunaball überzeugt hätte, mit welcher Leidenschaft sie an Hackert hinge, der Keim des Besseren schiene doch durch den Vater in ihm aufgegangen... und nun erzählte dieser von der Vergangenheit und half Rodewald über die Stimmungen hinweg, die allzu stürmisch auch in ihm wogten und wallten.

Zuletzt dem Schicksal Dankmar's sich wieder zuwendend, sagte Rodewald:

Es nimmt mich Wunder, schon Kämmereischeine der von Ihnen gefertigten Art im Verkehr zu sehen...

Sie waren von Dankmar ausgegeben für persönliche Zwecke, sagte Zeck. Tausend Thaler für die Armen, andre Tausend sind persönlich bewilligt worden. Ohnehin durfte er nur von drei zu drei Jahren Einhunderttausend in Verkehr bringen...

Wenn ein Verbrechen hier stattfände, ein Unglücksfall, so müßte die Amortisationsklage zulässig sein...

Ich zweifle...

Wie? Das wäre ja ein entsetzliches Unglück...

Man sieht mehr Scheine bereits in Umlauf, als Dankmar ausgegeben hat...

Falsche?

Ächte!

So wäre der Schrein in die Hand eines Betrügers gekommen...

Murray stand voll Bewegung auf. Das furchtbarste Mistrauen in seinen Sohn überfiel ihn wieder auf's Neue und vor Schmerz rief er:

Was ist diese Welt! Was ist all' unser Müh'n und Suchen! Oft fühl' ich, daß ich mich dem Wahnsinn nähern könnte!

Nein, nein, sprach Rodewald beruhigend. Es kann nur jenes Geld in Umlauf sein, das Dankmar selbst verausgabte...

Viel, viel mehr ist in Umlauf...

Und Dankmar besitzt den Schrein nicht? Hackert ist verschwunden, Danebrand todt, Dankmar weit entflohen. Wer löst diesen Zusammenhang? Wenn die bösen Mächte der Regierungsgewalt selbst –

Glauben Sie daran nicht! Der Schrein ist in die Hände eines Mannes gekommen, der ihn eröffnete und gewissenlos seinen Inhalt verschleudert!

Dann muß die Amortisation zulässig sein, sagte Rodewald aufspringend; die Papiere müssen augenblicklich entwerthet werden. Ich wende mich an den Rath der Stadt.

Diese Anzeige wird Ihnen nichts helfen. Man wird Sie immer darauf hinweisen, daß mit Verbrechern, mit Landesflüchtigen, mit Räubern in solchen Dingen keine Verhandlung möglich wäre, die echten Scheine, sie mögen kommen, woher sie wollten, würden an den Kassen der Stadt in Zahlung angenommen, vorausgesehen, daß die unbekannten gegenwärtigen Besitzer die Termine der Emission einhalten.

Voll Sorgen über diese neue quälende Erfahrung verließ Rodewald den bangen Freund, ließ sich von Wechslern und Kaufleuten dieselben Worte, die eben Murray gesprochen, wiederholen, besuchte Oleander, der gleichfalls von Dankmar beruhigende Nachrichten hatte und im Pelikan sich nach dem Fuhrmann Peters hatte erkundigen sollen, dort aber erfuhr, daß dieser in Angerode noch weile, um ein dortiges kleines Besitzthum zu veräußern. In Erörterungen über die Hoffnungen der Zukunft ging der Vormittag mit Oleandern hin... Zu Mittag speiste Rodewald dann in Tempelheide, wo er außer großer Beunruhigung über das zunehmende üble Befinden des alten Präsidenten mancherlei andre Nachrichten fand. Daß er den Fürsten noch nicht gesprochen, befremdete nicht, denn Frau von Reichmeyer wäre in Tempelheide gewesen und hätte erklärt, der Fürst beeile sich, seine Verhältnisse abzuwickeln, es stünde eine große Krisis in der Politik bevor, die ihn vielleicht bestimme, ganz abzudanken... Von Dankmar waren Briefe gekommen, in denen sich unter Anderem die Stelle befand: Über unser Erbe sollten wir einstweilen noch leidlich beruhigt sein. Wir empfingen einige Tausend von unbekannter Hand aus dem durch den Fall wahrscheinlich gesprungenen Schrein. Der Briefsteller ist ohne Zweifel Hackert. Er versichert das ihm anvertraute Gut zu hüthen, soweit es seine Wunden zuließen; denn daß der Schrein nicht ganz in Trümmer gegangen wäre, hätte man seiner Schulter zu verdanken, die nur noch wenige Stunden lang Kraft genug behalten hätte, das Äußerste zu wagen. Man möchte Geduld haben; er hätte die Loosung bekommen: Zum Tempelstein! und vor Louise Eisold würde er den Fund niederlegen, vielleicht zu ihrem Hochzeittage mit Mangold, da Danebrand ja hätte »dran glauben« müssen...

Beruhigt durch diese, wie Dankmar erzählte, selbst von einem Verwundeten noch schön geschriebene, aus einem kleinen Provinzstädtchen gekommene Botschaft, wo man unter der Hand fruchtlose Nachforschungen angestellt hätte, machte sich Rodewald auf's Neue auf den Weg, um nun den Fürsten zu sprechen. Seine Mittel reichten nicht aus, mit Herrn von Reichmeyer in einen Wettkampf zu treten. Nur die Hoffnung trieb ihn, den Fürsten ermuntern zu können, daß er an der Zukunft seines Erbes nicht verzweifelte und ihn in einer Lage, einem Berufe walten ließe, den er nun einmal, fern vom Treiben der Städte, als den letzten ihm zukommenden, hätte erkennen wollen... Rodewald versprach, sogleich zurückzukehren und in dem leichtmöglichen Falle, daß der greise Präsident in Anna's pflegenden Armen ausathme, mit den in Eile gerufenen Ärzten männlichen Beistand zu leisten.

Es war fünf Uhr. Ein heißer Junitag. Im Park hinter dem Palais des Fürsten Egon säuselte ein kühlender Luftzug in den Ulmen und Linden, die grade ihre duftigen Blüthen entfalteten. Der spät sich belaubende Ahorn, die vor der Blüthe dünn beblätterten Akazien bildeten den Übergang aus den dichtern Baumpartien in die jetzt gepflegtere Ordnung des Gartens, wo Rosen und Nelken mit üppigster Farbenpracht grade im Beginn des schönen Blüthentraumes waren, der den edelsten Pflanzen nur zu kurz gestattet ist.

Egon und die Fürstin wandelten im Garten... Nach Tisch pflegten die guten Geister ihm näher zu sein als seine schlimmen. Nicht daß er, mit Menenius bei Shakspeare zu reden, bei »vollem Magen mehr Milde und Erbarmen hatte als bei leerem«; aber die Fürstin kredenzte ihm von den südlichen Weinen, die er liebte, er wurde gesprächiger, angeregter, bedürftiger der Zärtlichkeit, die uns nachgiebig macht auch in anderen Dingen als nur den tändelnden...

Egon stocherte sich die Zähne, setzte sich auf jene Bank, auf der er einst ausgeruht hatte, als er von seiner Krankheit genas und er die Briefe von Helene d'Azimont nicht mehr lesen mochte... Das Kissen, das ihm damals Louis Armand ausbreitete, legten auf die steinerne Bank jetzt zwei Bediente, die sich in gemessener Entfernung hielten...

Die Fürstin war in guter Laune; denn Egon schien es zu sein. Er lobte die Blumen, die Luft, die Speisen, die Käfer, die Weine, die Kissen, Alles durcheinander, er, der sonst so wenig lobte, Alles tadelte, Alles gebessert wünschte...

Ob seine Freude eine wahre oder nur eine erkünstelte war, kümmerte die Fürstin nicht. Sie erzählte in ihrer alten Art Komisches und Spöttisches durcheinander, Eins drolliger als das Andre, und schien dabei sorglos, so blau und wolkenleer, wie der Himmel über ihnen. Hatte sie doch kürzlich erst ein großes Leid glücklich überstanden... eines Morgens war bei ihr angefragt worden, ob sie nichts vom Vater wisse? Der Justizrath, hieß es zu ihrem tödtlichsten Schrecken, müsse in der Nacht die Komthurei allein verlassen haben, wäre nirgends zu finden, hätte vielleicht ein Unglück erlebt... Der Schrei ihrer Angst erstickte in der schaudernden Gewißheit, daß sich der Vater vielleicht ein Leids angethan hätte; die Mutter, zu der sie flog, war starr und stumm... der Vater, hieß es, hat eine Zahlung zu machen... er wird sich den Tod gegeben haben. Doch bald klingelte es am Hause und der Vater kam, heitrer denn je, wohlgemuth, aufgelegt, sprach von dem Sonnenaufgang, den er hätte im Walde an der Jägerei, an dem bekannten Eierhäuschen, beobachten wollen, leistete die Zahlung aus Mitteln, über die in der Freude der Erlösung von einer schrecklichen Vorstellung Niemand grübelte... es war dies sonderbarer Weise derselbe Tag, an welchem man Dankmar's Flucht und den Raub des Schreins erfuhr... Genug, Melanie forschte nicht, sie lebte dem Augenblick und suchte Egon zu erheitern, wo sie nur konnte. Abgegebene Visitenkarten veranlaßten sie zu folgendem komischen Bericht:

Seit Frau von Trompetta den Hof in Tempelheide versäumt hat, verliert die Gute um so mehr ihr Gleichgewicht, als ihre Formen sich immer mehr denen eines weiblichen Falstaff nähern. Aus allen Kämpfen, die uns seither bewegten, ist auch sie nicht ohne ihren Kummer hervorgegangen, aber das öffentliche und das eigne Leid bekamen ihr so wohl, daß ihr gegen die Blutfülle nichts als Kissingen übrig bleibt. In der Ideenwelt scheint sie sich erschöpft zu haben. Das Kanonenboot ist gescheitert wie die deutsche Flotte und von den Künstlern und Dichtern, die für ihre eigne Existenz zu sorgen haben, ist gratis jetzt nichts mehr herauszubekommen. Die Zeit der freiwilligen Albums ist vorüber. Auch ihre Stimme hat bei dem Embonpoint gelitten. Dennoch wagt sie jetzt den letzten Versuch, die Liebe des Hofes zu attakiren. Sie hat gehört, daß die Gräfin Altenwyl äußerte: Die Königin fände es auffallend, daß soviel hochgestellte Damen sich um die Neuerung der sogenannten Kindergärten kümmerten; ob sie denn nicht wüßten, daß diese Kindergärten zu der innern Mission der Demokratie gehörten? Wenn die edlen Damen Etwas für die Kinder thun wollten, so sollten sie sich an den Krippen oder sogenannten Crêches betheiligen. Niemand war von dieser Äußerung betroffener als Frau von Reichmeyer, der sie hinterbracht wurde in einem Augenblick, wo sie eben für die Kindergärten eine Sammlung zur Anschaffung von dem darin üblichen Gedanken-Spielzeug eröffnen wollte. Die ärmste Millionärin hatte sich in der Wahl des Mittels, um die Gunst des Hofes zu gewinnen, so entsetzlich vergriffen! Nun entwand sie sich sogleich feurigst den Armen der Demokratie, fuhr zu Frau von Trompetta und hinterbrachte ihr das Wort der Altenwyl. Jetzt haben es Beide höchst enthusiastisch mit den Milchfläschchen für Säuglinge und mit den Krippen. Gelbsattel ist dabei auch gewonnen worden, alle frommen Geistlichen, die Mäuseburg, die Fürstin von Sein-Haben-Werden, Alle, Alle wollen sie jetzt die kleinen Milchfläschchen füllen und Krippen bauen. Der Anblick der Trompetta und der Reichmeyer unter den Windeln der Creches soll höchst tragikomisch sein. Die Königin hat sämmtliche Creches unter ihre Protektion genommen und der katholische Heiligenschein um die Köpfe der vornehmen Damen nimmt in der That so zu, daß ich mir manchmal wie eine Heidin vorkomme und nicht mehr weiß, an was man nun eigentlich jetzt noch recht glauben soll.

Egon lächelte zu dem Humor der Fürstin, die nie verlegen war, ihn zu erheitern, aufzurichten, in seiner öden Vereinsamung zu trösten...

Ich sehe, sagte er, daß meines Sylvester Rafflard Wirken für den deutschen Norden nun doch von bestem Erfolg gewesen ist. Die Intrigue gegen Helene war nicht seine einzige Aufgabe. Er hat überall schlau die Leerheit und Abspannung der Gemüther hier benutzt, um ihnen die Panacee des römischen Glaubens anzubieten. Wir bauen schon Kirchen für Rom, wir werden binnen wenigen Jahren hier einen römischen Bischof haben und das Frohnleichnamsfest öffentlich feiern sehen unter dem Schutze von Militär und Gendarmen. Die Krankenpflege erzeugt Institutionen, von denen man nicht mehr recht weiß, wurzeln sie noch in Luther oder schon wieder in Rom. Man sieht Schwestern mit wunderlichen Kopftrachten durch die Straßen gehen, als wäre man im tiefsten Süden. Man zeigt dem Volke die Uneigennützigkeit der katholischen Kirche in der Heil-, Schul- und Seelsorge. Die Kunst entschieden, die Literatur allmälig seh' ich schon hinneigen wieder zu einer gewissen unreellen Auffassung des Lebens, wie in der alten romantischen Epoche. Die Damen lesen nur Süßliches, Dämmerliches, Träumerisches. Von dem offnen Übertritt vieler Gebildeten nicht zu reden...

Die Fürstin verstand, warum sich Egon unterbrach. Er dachte hier an Helene d'Azimont, die den neuesten Nachrichten zufolge nach Paris zurückgekehrt war, dort ihren Gatten sterbend gefunden, ihn begraben hatte und nun auch zur katholischen Kirche übergetreten war. Man hatte erfahren, daß sie sogar mit der alten Mutter Desiré's sich ausgesöhnt hatte, auf dem Quai d'Orsay gemeinschaftlich mit ihr betete und in Notre-Dame, während Rafflard vor den Thüren stände und mit den Shawls auf Beide an der Equipage wartete, in der Magdalenen-Kapelle mit zerknirschten Reuethränen oft hörbar schluchze. Heinrichson war Helenen nicht treu geblieben. Eine millionenreiche Engländerin, die für eine Malerin gelten wollte, hatte ihn geheirathet. Helene war um den Glauben an sich und die Welt gekommen... Das grausame Gedicht des sonst so weichen Oleander hatte auch sein gut Theil Schuld daran, daß Helene für alle ihre Schmerzen auf eine letzte Abhülfe dachte und sich vor Egon, vor Olga, ihrer Schwester Adele, vor Rudhard gleichsam einen Panzer und Harnisch des neuen Lebens umschnallte, der ihr zugleich erlaubte, über alles Vergangene, wenigstens scheinbar, eine souveräne Verachtung auszusprechen.

O diese bemitleidenswerthe Haltlosigkeit der weiblichen Seele, rief jetzt Egon kopfschüttelnd aus. Wenn die Klänge der Orgel brausend strömen, die Klingel des Hochamts ertönt, der Priester im gestickten Kleide die Ränder des Altars küßt, fühlen diese Frauen wol eine Linderung ihrer Qual, ihres heißen Durstes nach Wahrheit oder Schönheit? Ich glaube nicht. Ich glaube, daß Helene im katholischen Glauben nur dieselbe Anregung findet, die Pauline von Harder bei uns in meiner Politik fand. Dieser katholische Glaube besteht nicht aus der Messe, der Beichte und dem Rosenkranz allein. Es ist eine so merkwürdig unterhaltende Institution, wenn man in ihr inneres Getriebe treten darf und die reichste, ja leidenschaftlichste Erregung für jeden übrigen Lebens-Augenblick gewinnt, auch außer der Gottesandacht. Kann etwas lebensvoller organisirt sein als das Ziel und Streben der katholischen Kirche? Ist sie nicht mit rüstigem Muthe wieder in den Wettkampf mit der Zeit getreten, hat sich an allen Vorgängen der Staaten, der Kultur, der Kunst, ja selbst der Wissenschaft um so mehr betheiligt, als wir für uns überall auf diesem Gebiete nur Niederlagen sehen? Das Palais eines Erzbischofs ist jetzt wie das eines Ministers. Boten gehen und kommen. Über Alles wird berichtet, für Alles ein Votum abgegeben und die Fürsten, die schon ihren nahen Untergang vor Augen erblicken, klammern sich an diesen Einfluß mit tiefster Unterwerfung, fördern ihn, folgen ihm, selbst wenn sie nicht zur katholischen Kirche gehören. In diesem Kirchenleben herrscht ein ewiges Kommen und Gehen, eine stete Anregung auch durch Männer, die den großen Vortheil bieten, daß ihnen häusliche und Familienbeziehungen nicht auf den Fersen folgen. Nie klappen diese Menschen gleichsam in ihren Hauspantoffeln, nie hört man von ihnen eine Berufung auf ihre Lebensstellung, auf das Loos von Weib und Kind. Meine arme Helene vielleicht sucht Gott, vielleicht sogar Christus, aber sie wird auch, in Ermangelung des rechten Heilandes, vorläufig soviel Apostel finden, daß ihr ein neues unterhaltendes Leben aufgehen muß und ihre liebeglühende, in den Extremen lebende Seele nicht Zeit erhält, noch an das Vergangene zu denken. Sie ist reich, sie wird sich das Leben nach allen Dichtgattungen, tragisch, idyllisch gestalten, wie sie es bedarf. Die Elastizität ihres Willens, die Dehnbarkeit ihres Bedürfnisses wird nie ein Ende finden. Über Gründe, Motivirungen wird sie, die im Ewignothwendigen lebt, nie in Verlegenheit sein. Geb' ihr der Himmel die reichsten Züge aus dem Quell des Vergessens und netze ihre heiße Stirn mit irgend einem Thau und wär' es das Weihwasser des Aberglaubens an den weihrauchduftenden Kirchthüren!

Die Fürstin lenkte, da Egon's Stimme vor wehmüthiger Erregung zitterte, auf Pauline ein und berichtete über die Besuche, die heute die Geheimräthin schon in der Frühe gemacht hatte, aus Furcht, Egon wolle dem Hofe offen, nicht versteckt weichen, wolle eine Kabinetskrisis eintreten lassen...

Egon aber fuhr ausweichend fort:

Dieser tollkühne, so liebenswürdige und so gefährliche Dankmar Wildungen hatte Recht, als er mir eines Tages, da von dem Übertritt einer berühmten Frau die Rede war, sagte: Diese Frau handelte sehr inkonsequent oder sie weiß nicht, daß die Nachtigall ein Männchen ist. Überlegte sie, daß Gott es so geordnet hat, daß die Männchen im Walde die Herren, die Männchen nur schön sind und nur die Männchen singen, wüßte sie, daß nur eine ihr sonst so seltene Galanterie der deutschen Sprache aus dem Sprosser, der allein schlägt, eine Nachtigall machte, aus der Sonne, die in allen Sprachen männlich ist, bei uns allein eine Dame und den überall weiblichen, überall abhängigen Mond bei uns zum Herrn, zum Maskulinum, so hätte sie in dem konsequenten Streben nach Freiheit und Frauengröße eigentlich dem Weltenschöpfer den Handschuh zum Kampfe hinwerfen und in die Schule der neuen Atheisten gehen müssen. Aber von den Regierungen verfolgt werden, mit der Gesellschaft zerfallen, von der Aristokratie verdammt und verketzert werden, Das entspricht freilich nicht den Allüren dieser Ästhetik und so wählte sie statt der genialen Malice auf die Weltordnung, die eine charakteristische Konsequenz gewesen wäre, eine ihr gar nicht natürliche demüthige Unterordnung, statt Byron's den ihr im Stillen höchst langweiligen Thomas a Kempis, statt des unscheinbaren Doktors Feuerbach bei Nürnberg den freilich pompöseren Papst in Rom.

Das Paar stand nun auf... Die Fürstin wußte, daß sie diese Art von Erinnerungen, wenn Egon fest dabei blieb, nicht durch Scherz stören durfte. Sie wußte, wie Egon litt unter dem Druck seiner Überzeugungen und Pflichten. Er terrorisirte sich ja selbst und weil sie die Einzige war, die seine Wahrheitsliebe mit schaudernder Verehrung anerkannte, so that es ihm wohl, sich, wenn sie ganz stumm war, an sie zu schmiegen und sich mit ihr allein im beruhigten Einverständniß zu fühlen.

Pauline, sagte er im Gehen, Pauline ist grade wie Helene. Diese ertrug nicht, daß ich handelte, Jene wird nie ertragen, daß ich liebe und nur dem Leben lebe. Erst war ich ganz der Sklave des Herzens, nun bin ich ganz der Sklave des Geistes. Ich soll mich beugen unter diese kleinen Zirkel! Ich soll eine Lüge in die wenigstens mir erwiesene Wahrheit meines Herzens aufnehmen! Ich soll die Religion, die Schule, die Wissenschaft einer Richtung überantworten, die nicht die meine ist! Und warum? Um Minister zu bleiben? Um Paulinen nicht von ihrer Höhe herabzustürzen?... Ich habe diesen Staat gerettet. Ich begab mich in Gefahren, opferte meine Freunde, diente der Gesellschaft, indem ich die Ruhe, Ordnung, den Fleiß, die Mäßigung, die Ergebung, das Vertrauen anbahnte. Und immer die Vorwürfe, daß ich die historischen Bedingungen vergäße? Grade diese Monarchie wäre ein Andres als der allgemeine Staat der Vernunft? Grade hier gälte es, Alles in den Personen, nichts in den Dingen zu suchen? Ich ertrug diesen tollen Widerspruch, so lange ich ihn für ungefährlich erklären konnte. Aber jetzt soll ich, da diese Fanatiker des Rückganges sich unentbehrlich gemacht haben und ich auch von den Mittelparteien umgangen bin, mir Elemente aufdrängen lassen, die sich mir nur heuchlerisch unterwarfen, weil ich Muth hatte und nur warteten, bis ich von ihrem schlingpflanzenartigen Wachsthum umrankt bin und in ihren Umarmungen ersticken muß! Ich kenne jetzt den leitenden Gedanken des Hofes. Ich war gut für das Zeitalter der Polizei. Zwei Jahre galt es unterdrücken, hemmen, ablehnen. Jetzt träte die Zeit der Organisationen ein! Es ist die Contrerevolution der Adligen und der Pietisten, denen selbst Voland zu allgemein und zu phrasenhaft geworden ist. Wenn die jetzt erledigten Ministerien des Kultus und des Auswärtigen in die Hände jener Männer kommen sollen, aus deren Liste ich nicht Einen wählen würde, während der Hof nicht Einen aus der meinen mochte, so hab' ich meinen Weg vollendet und danke dem Himmel, daß Reichmeyer's Vorschlag einer Parzellirung meiner Güter und deren successiver Verkauf mir möglich macht, diese Bahn zu verlassen und Rudhard's Vorschlag, meiner Gesundheit wegen mich im südlichen Rußland, gradezu in der Krimm oder sonst wo niederzulassen, auszuführen...

Diese unmuthsvoll ausgesprochenen Phantasieen wurden von drei Briefen unterbrochen, von denen einer in röthlicher Enveloppe der wichtigste war; Briefe von dieser Farbe kamen vom Hofe...

Der Fürst erbrach ihn zuerst. Aus dem Kabinet des Königs wurde gemeldet, das Interesse der Dynastie verlange unbedingt die Übergabe der erledigten Portefeuilles an die Männer der vom Hofe aufgestellten Liste. Man sähe um so weniger Schwierigkeiten, als sich ja alle der Präsidentschaft des Fürsten fügen wollten...

Der zweite Brief war von Herrn von Reichmeyer, der die endliche Möglichkeit einer großen Verkaufsoperation für die nächsten Tage bestimmt zusicherte...

Der dritte endlich war von Paulinen und lautete:

»Zweimal war ich bei Ihnen, Egon, zweimal wollt' ich Sie beschwören: Opfern Sie diese entsetzliche Hartnäckigkeit! Ich habe Gäste zu Tisch, sonst wär' ich selber da, um Sie fußfällig zu bitten: Richten Sie nicht Alles zu Grunde! Sie zwingen den Hof nicht! Die Partei der Königin ist zu sehr erstarkt. Sie lehnt sich an die große östliche europäische Politik und hat das Einverständniß mit allen Kabinetten im Rücken. Sie selbst, Egon, haben die Verfassung für ein Konglomerat von Unsinn und Verbrechen erklärt; darin ist man mit Ihnen einverstanden. Aber Sie haben hinzugefügt: dies Konglomerat drücke für den Augenblick die Bürgschaft der Ruhe und Ordnung aus, man dürfe sie den Mittelparteien, die den Ausschlag gäben, nicht entziehen, dürfe nicht an ihr rütteln, müsse sie als Popanz regieren lassen, um die größeren Güter des Vertrauens, die Rückkehr zu den Gewerben, die Verschmelzung der Gehorchenden und Regierenden dafür zu gewinnen, bis die Zeit käme, wo die Zungen der Engel oder die Posaunen des Weltgerichtes wieder einmal mit der Menschheit reden würden. Dies zweideutige Wort ist das stündliche Thema der kleinen Zirkel. Man geht so weit, Sie des Einverständnisses mit der Revolution zu bezichtigen. Ich beschwöre Sie, Egon, lassen Sie diese Hartnäckigkeit! Wenn Flottwitz aus P. und Trompetta aus S. in's Ministerium kommen, so haben wir in der Presse und der Kammer die Mittel, diese uns aufgedrungenen Ultra-Elemente bald genug auszustoßen. Geben Sie diese Expropriation Ihres Eigenthums auf! Sie wollen das Land verlassen! Sie haben idyllische Ideen wie einst Helene d'Azimont. Sie sind muthlos geworden, Fürst! Sie beneiden Ihre alten Freunde um das Glück ihrer Märtyrerschaft! Sie finden die Schicksale dieser Wildungen wunderbar. Sie ermatten im Kampfe für Ihre unendlich wahreren Ideale! Soll ich, ein Weib, Ihnen Kraft und Ausdauer predigen? Egon, was ist Ihnen Rodewald? Seit dessen Rückkehr sind Sie ein Schatten, sind nicht der Widerschein mehr Ihrer früheren Größe! Finden Sie Rodewald ab! Ich biete Ihnen zur Lösung seines Pachtvertrages mein Vermögen! Verweisen Sie ihn auf Grund seiner verlornen Heimathsrechte, auf Grund des Schutzes, den er dem Staatsverbrecher lieh, auf Grund des Vorschubes, der von Plessen und Tempelheide aus doch unwiderleglich der Flucht Wildungen's geleistet wurde, des Landes – Egon, haben Sie Muth, Vertrauen! Nochmals, ich biete Ihnen die Benutzung meiner eignen Mittel! Befreien Sie mich von dem Verdachte, daß Sie nicht ertragen können, von mir abhängig zu sein!...«

An dieser Stelle zerriß Egon das Billet, warf es zur Erde und würde die mit dem Fuße getretenen Fetzen aus Zorn unbedacht haben liegen lassen, wenn die Fürstin sie nicht gesammelt und ihm zurückgestellt hätte, ohne einen Blick hineinzuwerfen...

Ohne ein weiteres Wort durchschritt Egon den Garten, verließ ihn, ging über die kleine Hoftreppe in seine Zimmer. Der Diener folgte... Die Fürstin hielt sich zurück, treu ihrem Systeme der Nichteinmischung in Dinge, für die ihr Lust und Beruf fehlten...

Zwei Worte genügten dem Fürsten, um dem Hofe anzuzeigen, daß er sich heute gegen Abend definitiv aussprechen würde...

Es stand bei ihm fest, Das, was er war, ganz oder es nicht zu sein... Pauline von Harder hatte Recht, seit Rodewald's Rückkehr war Egon ein Tyrann der Konsequenz... das Wort »abhängig sein«, von dieser Frau gesprochen, wühlte ihm wie ein Dolch in der Brust...

Der Bediente wollte gehen, das Billet zu Hofe tragen... Noch zögerte er und meldete:

Der Generalpächter Herr Rodewald wünsche Se. Durchlaucht zu sprechen...

Egon hörte nicht... Er war in zu fieberhafter Bewegung...

Herr Rodewald...

Wer?... Der Schrecken des vorigen Jahres im Schlosse Hohenberg wiederholte sich erst.

Der Bediente sprach die Meldung noch einmal; der Wunsch Rodewald's, jetzt vorgelassen zu werden, war der dringendste.

Die Wirkung dieses Namens auf den Fürsten kennen wir... Dasselbe Erblassen, dasselbe Beben... wie auf dem Schlosse Hohenberg... aber die Sammlung war nach fast einem Jahre der Gewöhnung und Überlegung vorbereiteter... Der Fürst faßte sich, winkte und ließ den Generalpächter eintreten...

Heinrich Rodewald trat ein...


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